300 Sozialwissenschaften
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This contribution presents an analysis of the structure and conflictual dynamics of contemporary German sociology which has recently separated into two professional societies. Using geometric data analysis, we present an empirical construction of the power/knowledge structure of the field, its paradigmatic plurality, and the various forms of sociological practices involved.
Für Menschen, die unter Organisationen leiden, sie lästig finden oder einfach besser verstehen wollen.
Zu den Missverständnissen, die das Dasein in Organisationen unnötig schwer machen, gehört die Annahme, Kern und Kernproblem einer Organisation seien die Menschen, die in ihr arbeiten. Diese Unterstellung macht den Einzelnen zum Puffer, der genötigt wird, jedes Organisationsversagen aufzufangen – eine Aufgabe, an der man nur scheitern kann. Statt das Verhalten der Einzelnen heroisch zu glorifizieren oder therapeutisch zu problematisieren, interessieren uns die Verhältnisse, in denen sich dieses Verhalten abspielt.
Dieses Buch richtet den Blick deshalb auf die Funktionslogiken der Organisation. Statt die Menschen mit Coachings und Identifikationsappellen zu bearbeiten, um sie an die Bedürfnisse der Organisation anzupassen, wäre es hilfreich, die Organisationsstrukturen an die Bedürfnisse ihrer Mitglieder und der Arbeitsabläufe anzupassen.
Der Zugang zu einem Asylverfahren in der EU ist ein umkämpftes soziales Gut. Die Studie zeichnet ein komplexes Bild von Ausschließungs- und Usurpationsstrategien im Feld der europäischen und speziell der italienischen und deutschen Asylverwaltung zwischen 2015 und 2018. (Supra-)nationale Verwaltungs- und Vollzugsorganisationen versuchen Flüchtende von dem Verwaltungsakt abzuhalten und entwickeln territoriale und administrative Exklusionsstrategien, um Fluchtmobilität und Asyl zu verwehren. Gleichzeitig erkämpfen Seenotrettungs- und Kirchenorganisationen den Zugang zum Asylverfahren, indem sie sich mit Flüchtenden solidarisieren und diesen eine Partizipation an öffentlichen Gütern und Rechten der Aufnahmegesellschaft ermöglichen. Für Flüchtende wird der formale Zugang zu und die temporäre Mitgliedschaft in einer Aufnahmegesellschaft in konfliktreichen und inter-organisationalen Entscheidungen ausgehandelt. Die formale Organisation wird zum Ort der Schließungskämpfe, indemsie als Schließungsakteur und zwischengesellschaftliches Schließungssystem formale Interaktionen zwischen Geflüchteten und Aufnahmegesellschaft ermöglicht oder verhindert. Die Synthese von schließungs- und organisationstheoretischen Perspektiven trägt dazu bei, dass gesellschaftliche Ordnungsbildung organisationssoziologisch erklärbar wird.
Militär und Moral sind scheinbar zwei sich gegenseitig ausschließende Begriffe. Kriegerische Konflikte und die Tötung von Menschen kommen uns gänzlich unmoralisch vor. Wenn überhaupt, ist die Kampfmoral (Biehl, Heiko. 2012. Einsatzmotivation und Kampfmoral. In Militärsoziologie – Eine Einführung. 2., aktualisierte und ergänzte Aufl., Hrsg. Nina Leonhard und Ines-Jacqueline Werkner, 447–474. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.) ein gängiges Konzept. Nichtsdestotrotz wird im vorliegenden Beitrag angenommen, dass das Militär moralisch handeln kann. Es wird argumentiert, dass das Militär mit widersprüchlichen moralischen und rechtlichen Erwartungshaltungen konfrontiert wird und diese Erwartungen in Entscheidungen übersetzt. Dadurch gerät das Militär jedoch stetig in moralische Entscheidungsdilemmata. Am Beispiel der Seenotrettung im Mittelmeer zwischen 2015 und 2018 soll exemplarisch gezeigt werden, dass das Militär sowohl eine Situationsmoral und moralische Routinen entwickelt als auch Vermeidungsstrategien verfolgt, die jegliche Moralerwartungen von der Organisation fernhalten. Der Beitrag arbeitet hierbei mit einem Moralbegriff philosophischer Provenienz und zeigt verschiedene analytische Dimensionen auf, die zur Analyse von Moral von Organisationen beitragen können.
"Writing with my professors”
(2023)
Kollaboratives Forschen quer zu hegemonialen Wissensordnungen gilt als wichtiger Baustein dekolonialer Wissenspraxis. Gemeinsame Schreibprozesse von Wissenschaftler*innen und ihren nicht-wissenschaftlichen Forschungspartner*innen sind allerdings selten und eine methodologische und forschungspraktische Reflexion fehlt. Die Beiträger*innen widmen sich diesen Lücken, indem sie erfolgreiche, aber auch gescheiterte Projekte kollaborativer Textproduktion zwischen Universität und Feld vorstellen und auf ihr Potenzial als transformative und dekoloniale Wissenspraxis befragen. So entsteht eine praktische Orientierungshilfe, die gleichzeitig die interdisziplinäre Diskussion anregt.
In this visualization, the authors show changes in family patterns by different race groups across two cohorts. Using data from the National Longitudinal Survey of Youth 1979 (born from 1957 to 1965) and 1997 (born from 1980 to 1984), the authors visualize the relationship-parenthood state distributions at each age between 15 and 35 years by race and cohort. The results suggest the rise of cohabiting mothers and the decline of married and divorced mothers among women born from 1980 to 1984. Black women born from 1980 to 1984 were more likely to experience single/childless and single/parent status compared with Black women born from 1957 to 1965. Although with some visible postponement in the recent cohort, white women in both cohorts were more likely to experience married/parent status than other race groups. The decline in married/parent status across the two generations was sharpest among Hispanic women. These descriptive findings highlight the importance of identifying race when discussing changes in family formation and dissolution trends across generations.
State- and private-led search-and-rescue are hypothesized to foster irregular migration (and thereby migrant fatalities) by altering the decision calculus associated with the journey. We here investigate this ‘pull factor’ claim by focusing on the Central Mediterranean route, the most frequented and deadly irregular migration route towards Europe during the past decade. Based on three intervention periods—(1) state-led Mare Nostrum, (2) private-led search-and-rescue, and (3) coordinated pushbacks by the Libyan Coast Guard—which correspond to substantial changes in laws, policies, and practices of search-and-rescue in the Mediterranean, we are able to test the ‘pull factor’ claim by employing an innovative machine learning method in combination with causal inference. We employ a Bayesian structural time-series model to estimate the effects of these three intervention periods on the migration flow as measured by crossing attempts (i.e., time-series aggregate counts of arrivals, pushbacks, and deaths), adjusting for various known drivers of irregular migration. We combine multiple sources of traditional and non-traditional data to build a synthetic, predicted counterfactual flow. Results show that our predictive modeling approach accurately captures the behavior of the target time-series during the various pre-intervention periods of interest. A comparison of the observed and predicted counterfactual time-series in the post-intervention periods suggest that pushback policies did affect the migration flow, but that the search-and-rescue periods did not yield a discernible difference between the observed and the predicted counterfactual number of crossing attempts. Hence we do not find support for search-and-rescue as a driver of irregular migration. In general, this modeling approach lends itself to forecasting migration flows with the goal of answering causal queries in migration research.
Das Risiko, durch einen Suizid im Gefängnis zu versterben, ist erhöht. Während der COVID-19-Pandemie wurden zum Infektionsschutz zahlreiche Maßnahmen, die beispielsweise eine deutliche Minderung der Kontakt- und Behandlungsangebote zur Folge hatten, eingeführt. Im Rahmen eines Kohortenvergleichs der Suizide und ausgewählter Merkmale der Suizident:innen in den Zeiträumen vom April 2017 bis zum Dezember 2019 sowie vom April 2020 bis zum Dezember 2022 wird untersucht, ob es eine Veränderung der Suizide während der Pandemie gab. Im Ergebnis zeigen sich eine Zunahme der Suizide während der Pandemie, insbesondere in den ersten 14 Tagen der Haft, und eine Zunahme der Suizide von Suizident:innen mit erhöhter Vulnerabilität. Keine Unterschiede wurden in den allgemeinen Risikomerkmalen für Suizide im Gefängnis festgestellt. Es ergeben sich Hinweise auf eine suizidpräventive Wirkung der Kontakt- und Behandlungsangebote. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, intensivere Präventionsangebote für Gefangene mit erhöhter Vulnerabilität bzw. geringerer Resilienz anzubieten.
Job satisfaction is a major driver of an individual’s subjective well-being and thus affects public health, societal prosperity, and organisations, as dissatisfied employees are less productive and more likely to change jobs. However, changing jobs does not necessarily lead to higher job satisfaction in the long run. Previous studies have shown, instead, that changing jobs only increases job satisfaction for a short period of time before it gradually falls back to similar levels as before. This phenomenon is known as the ’honeymoon–hangover’ pattern. In our study, we identify an important new moderator of the relation between job change and job satisfaction: the job–education match of job changes. Based on relative deprivation theory, we argue that job changes from being overeducated in a job lowers the likelihood of negative comparisons and thus increases the honeymoon period, lessens the hangover period, and increases long-term job satisfaction. We use data from the Socio-Economic Panel ranging from 1994–2018 and focus specifically on individual periods of employees before and after job changes (n = 134,404). Our results confirm that a change to a job that requires a matched education has a stronger and longer-lasting effect on job satisfaction, and that this effect is slightly lower for respondents born abroad.
The article analyzes the investigations conducted by the Berlin police into the subsequent perpetrator of the vehicle-ramming attack at a Berlin Christmas market on December 19, 2016. We explore why the police closed these investigations prematurely and thereby focus on an attempt to prevent lone actor terrorism. The analysis shows that the police closed its investigations owing to organizational dynamics driven by an increasing need to justify further resource investments in the face of absent conclusive evidence and scarce resources in relation to the organizational case ecology. We propose hypotheses for future research and formulate three contributions to existing research on the sociology of police, terrorism prevention, and lone actor research.
Kontexturanalyse
(2022)
In den letzten 20 Jahren hat sich in der qualitativen und rekonstruktiven Sozialforschung vermehrt die Frage gestellt, wie sich polyphone, polykontexturale und in ihren Sinnbezügen mehrdeutige Verhältnisse erforschen lassen. In diesem Buch wird ein Zugang vorgestellt, der von Mehrdeutigkeiten ausgehend Systemdynamiken rekonstruiert. Die theoretischen und methodischen Überlegungen werden anhand von Beispielen aus der Organisations- und Managementforschung sowie der Erforschung der Selbst- und Weltverhältnisse religiöser Akteure vorgeführt.
Der Artikel analysiert staatliche Krisenprävention am Fall der polizeilichen Ermittlungen vor dem Anschlag auf den Breitscheidplatz. Die Leitfrage lautet, warum die Polizei ihre Ermittlungen vorzeitig einstellte, obwohl sie Hinweise hatte, dass der spätere Täter beabsichtigte, einen Anschlag zu begehen. Wir zeigen, dass dies auf eine organisationale Dynamik zurückging, die typisch für staatliche Krisenprävention im Bereich Terrorismus scheint.
Rationalistische Zerrbilder
(2020)
Eine zentrale Problematik in der Analyse von Katastrophen liegt darin, dass sich katastrophale Ereignisse nur schwer in ihrem Entstehen beobachten lassen, da sie kaum prognostizierbar sind und sich aus diesem Grund oft einer direkten Beobachtung entziehen. Dies trifft erkennbar auf technische Unfälle zu, aber natürlich auch auf katastrophale Ereignisse abseits technischer Systeme – und dies obgleich der überwiegenden Mehrheit solcher Ereignisse eine relativ lange Inkubationszeit vorausgeht (Turner 1976, 1978; Vaughan 1996). Aber auch ungeachtet dieser Problematik ließe sich zurecht fragen, wie gut sich Finanzkrisen, Flugzeugabstürze oder das Versagen polizeilicher Ermittlungen der Position einer singulären Beobachterin oder eines singulären Beobachters erschließen.
Der Artikel analysiert aus organisationssoziologischer Perspektive wie die Bundeswehr Gleichstellungsrecht umsetzt. Das zentrale Argument lautet, dass die Bundeswehr das Gleichstellungsrecht managerialisiert, indem sie institutionalisierte Praktiken adaptiert, die es erlauben, das Gleichstellungsrecht für den Zweck der Personalgewinnung auszudeuten. Die Adaption dieser Praktiken wird maßgeblich dadurch begünstigt, dass sich das Gleichstellungsrecht als Lösung mit dem Problem der zukünftigen Personalgewinnung verknüpfen lässt, nachdem die Bundesregierung die Wehrpflicht aussetzte und beschloss, die Bundeswehr wieder zu vergrößern. Der beschriebene Prozess führt auch dazu, dass die Bundeswehr in der Umsetzung des Gleichstellungsrechtes zunehmend großen Unternehmen ähnlicher wird. Insgesamt leistet die vorliegende Studie einen Beitrag zur Analyse der Beziehung staatlicher Organisationen zu ihrer rechtlichen Umwelt.
Die Mehrheit aktueller Studien schätzt das Transformationspotenzial digitaler Technologien für Organisationen hoch ein. In Auseinandersetzung mit dieser Einschätzung entwickelt der Artikel eine konzeptionelle organisationssoziologische Perspektive auf das Verhältnis von Organisation und digitalen Technologien. Wir nutzen diese Perspektive, um den Fall des Predictive Policing in Deutschland zu betrachten und die Entscheidung zur Adaption der Technologie, ihre organisationale Situierung sowie die Rolle des Organisationstyps zu diskutieren. Unsere Perspektive führt zu einem zurückhaltenden Urteil über das Transformationspotenzial dieser digitalen Technologie, die wir daher als Reform unter anderen Reformen begreifen. Insgesamt argumentieren wir dafür, Digitalisierung stärker als bisher als heterogenen Prozess zu verstehen.
Care work 4.0
(2022)
Care-Berufe verändern sich durch demographische, technologische und wirtschaftliche Entwicklungen. Zuletzt erhöhen auch gesundheitspolitische Herausforderungen und die COVID-19 Maßnahmenpolitik den Druck auf das Sozial- und Gesundheitssystem. Dadurch befindet sich die bezahlte Care-Arbeit im berufsstrukturellen Wandel, d. h. es entstehen neue Bedingungen für und Anforderungen an diese Tätigkeiten, die in Österreich mehrheitlich von Frauen ausgeübt werden.