100 Philosophie und Psychologie
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Heutzutage ist es üblich, die Ehre als einen obsoleten Begriff zu betrachten, der nur einem archaischen Denkmodell zuzuordnen ist und keine handlungsprägende Größe in der Gegenwartsgesellschaft darstellt. Die Ehrenmorde, die heute noch in unterschiedlichen Teilen der Welt verübt werden, scheinen diese Behauptung zu bestätigen. In diesem Buch wird jedoch die These vertreten, dass nicht der Ehrbegriff, sondern seine Deutungen archaischer Natur und daher in Frage zu stellen sind. Die Ehre ist die Bezeichnung des sozialen Werts eines Menschen, den er infolge seiner achtenswerten Handlungen erlangt. Also kann sie kein Motiv für moralisch fragwürdige Praktiken bilden. Vor diesem Hintergrund werden die Formen und die Voraussetzungen der Ehre dargestellt, die sowohl in Bezug auf unsere Zeit anpassungsfähig als auch ethisch tragbar sind.
This dissertation examines the integration of incongruent visual-scene and morphological-case information (“cues”) in building thematic-role representations of spoken relative clauses in German.
Addressing the mutual influence of visual and linguistic processing, the Coordinated Interplay Account (CIA) describes a mechanism in two steps supporting visuo-linguistic integration (Knoeferle & Crocker, 2006, Cog Sci). However, the outcomes and dynamics of integrating incongruent thematic-role representations from distinct sources have been investigated scarcely. Further, there is evidence that both second-language (L2) and older speakers may rely on non-syntactic cues relatively more than first-language (L1)/young speakers. Yet, the role of visual information for thematic-role comprehension has not been measured in L2 speakers, and only limitedly across the adult lifespan.
Thematically unambiguous canonically ordered (subject-extracted) and noncanonically ordered (object-extracted) spoken relative clauses in German (see 1a-b) were presented in isolation and alongside visual scenes conveying either the same (congruent) or the opposite (incongruent) thematic relations as the sentence did.
1 a Das ist der Koch, der die Braut verfolgt.
This is the.NOM cook who.NOM the.ACC bride follows
This is the cook who is following the bride.
b Das ist der Koch, den die Braut verfolgt.
This is the.NOM cook whom.ACC the.NOM bride follows
This is the cook whom the bride is following.
The relative contribution of each cue to thematic-role representations was assessed with agent identification. Accuracy and latency data were collected post-sentence from a sample of L1 and L2 speakers (Zona & Felser, 2023), and from a sample of L1 speakers from across the adult lifespan (Zona & Reifegerste, under review). In addition, the moment-by-moment dynamics of thematic-role assignment were investigated with mouse tracking in a young L1 sample (Zona, under review).
The following questions were addressed: (1) How do visual scenes influence thematic-role representations of canonical and noncanonical sentences? (2) How does reliance on visual-scene, case, and word-order cues vary in L1 and L2 speakers? (3) How does reliance on visual-scene, case, and word-order cues change across the lifespan?
The results showed reliable effects of incongruence of visually and linguistically conveyed thematic relations on thematic-role representations. Incongruent (vs. congruent) scenes yielded slower and less accurate responses to agent-identification probes presented post-sentence. The recently inspected agent was considered as the most likely agent ~300ms after trial onset, and the convergence of visual scenes and word order enabled comprehenders to assign thematic roles predictively.
L2 (vs. L1) participants relied more on word order overall. In response to noncanonical clauses presented with incongruent visual scenes, sensitivity to case predicted the size of incongruence effects better than L1-L2 grouping. These results suggest that the individual’s ability to exploit specific cues might predict their weighting.
Sensitivity to case was stable throughout the lifespan, while visual effects increased with increasing age and were modulated by individual interference-inhibition levels. Thus, age-related changes in comprehension may stem from stronger reliance on visually (vs. linguistically) conveyed meaning.
These patterns represent evidence for a recent-role preference – i.e., a tendency to re-assign visually conveyed thematic roles to the same referents in temporally coordinated utterances. The findings (i) extend the generalizability of CIA predictions across stimuli, tasks, populations, and measures of interest, (ii) contribute to specifying the outcomes and mechanisms of detecting and indexing incongruent representations within the CIA, and (iii) speak to current efforts to understand the sources of variability in sentence comprehension.
Hauptanliegen der Dissertation ist es, einen Entwurf einer praktischen Ästhetik zu lancieren, der an der Schnittstelle zwischen philosophischer Ästhetik und Kunst – genauer Performancekunst - im Zeichen der Bezugsgrösse der Verletzbarkeit steht. In jüngeren Ästhetikansätzen hat sich eine Auffassung herauskristallisiert, die nicht über, sondern mit Kunst reflektiert. Die Pointe im ‚Mit’ liegt darin, dass diese Ästhetiken die Kunst nicht erklären, sie bestimmen und damit ihre Bedeutung festlegen, sondern dass diese entlang der Kunst die Brüche, Widerstände und Zäsuren zwischen Wahrnehmen und Denken markieren und diese als produktiv bewerten. Diese Lesart etabliert ein Denken, das nicht aus der Distanz auf etwas schaut (theoria), sondern ästhetisch-reflektierend (zurückwendend, auch selbstkritisch) mit der Kunst denkt. Die Disziplin der Ästhetik - als aisthesis: Lehre der sinnlichen Wahrnehmung - nimmt innerhalb der Philosophie eine besondere Stellung ein, weil sie auf ebendiese Differenz verweist und deshalb sinnliche und nicht nur logisch-argumentatorische Denkfiguren stärkt. Als eine Möglichkeit, die Kluft, das Nicht-Einholbare, die brüchige Unzulänglichkeit des begrifflich Denkenden gegenüber ästhetischer Erfahrung zu stärken, schlage ich die Bezugsgrösse der Verletzbarkeit vor. Eine solche Ästhetik besteht aus dem Kreieren verletzbarer Orte, wobei diese auf zweierlei Weisen umkreist werden: Zum einen aus der Kunstpraxis heraus anhand der ästhetischen Figur des verletzbaren Körpes, wie er sich in der zeitgenössischen Performance zeigt. Zum anderen als ein Kreieren von Begriffen im Bewusstsein ihrer Verletzbarkeit. Ausgangspunkte sind die Denkentwürfe von Gilles Deleuze und Hans Blumenberg: Die Ästhetik von Gilles Deleuze entwirft eine konkrete Überschneidungsmöglichkeit von Kunst und Philosophie, aus der sich meine These des Mit-Kunst-Denkens entwickeln lässt. Sie kann aus der Grundvoraussetzung des Deleuzeschen Denkens heraus begründet werden, die besagt, dass nicht nur die Kunst, sondern auch die Philosophie eine schöpferische Tätigkeit ist. Beide Disziplinen beruhen auf dem Prinzip der creatio continua, durch welche die Kunst Empfindungen und die Philosophie Begriffe schöpft, wobei eben genau dieser schöpferische Prozess Kunst und Philosophie in ein produktives Verhältnis zueinander treten lässt. Wie Deleuze seine Begriffsarbeit entlang künstlerischer Praxis entwickelt, wird anhand der Analyse des bis heute wenig rezipierten Textes Ein Manifest weniger in Bezug auf das Theater von Carmelo Bene analysiert. Eine ganz anderen Zugang zum Entwurf einer praktischen Ästhetik liefert Hans Blumenberg, der eine Theorie der Unbegrifflichkeit in Aussicht stellt. Im Anschluss an seine Forderung, die Metapher wieder vermehrt in die philosophische Denkpraxis zu integrieren, radikalisiert er seine Forderung, auch das Nichtanschauliche zu berücksichtigen, indem er das gänzlich Unbegriffliche an die Seite des Begrifflichen stellt. Definitorische Schwäche zeigt sich als wahrhaftige Stärke, die in der Unbegrifflichkeit ihren Zenit erreicht. Der Schiffbruch wird von mir als zentrale Metapher – gewissermassen als Metapher der Metapher – verstanden, die das Auf-Grund-Laufen des Allwissenden veranschaulicht. Im Schiffbruch wird die produktive Kollision von Theorie und Praxis deutlich. Deleuze und Blumenberg zeigen über ‚creatio continua’ und ‚Unbegrifflichkeit’ die Grenzen des Begreifens, indem sie betonen, dass sich Ästhetik nicht nur auf künstlerische Erfahrungen bezieht, sondern selber in das Gegenwärtigmachen von Erfahrungen involviert ist. Daraus folgt, dass ästhetische Reflexion nicht nur begrifflich agieren muss. Die praktische Ästhetik animiert dazu, andere darstellerische Formen (Bilder, Töne, Körper) als differente und ebenbürtige reflexive Modi anzuerkennen und sie als verletzbarmachende Formate der Sprache an die Seite zu stellen. Diese Lesart betont den gestalterischen Aspekt der Ästhetik selber. Zur Verdeutlichung dieser Kluft zwischen (Körper-)Bild und Begriff ist der von mir mitgestaltete Film Augen blickeN der Dissertation als Kapitel beigefügt. Dieser Film zeigt Performer und Performerinnen, die sich bewusst entschieden haben, ihren ‚abweichenden’ Körper auf der Bühne zu präsentieren. Das Wort Verletzbarkeit verweist auf die paradoxe Situation, etwas Brüchiges tragfähig zu machen und dadurch auch auf eine besondere Beziehungsform und auf ein existenzielles Aufeinander-Verwiesensein der Menschen. Verletzbarkeit geht alle an, und stiftet deshalb eine Gemeinsamkeit besonderer Art. In diesem Sinne sind verletzbare Orte nicht nur ästhetische, sondern auch ethische Orte, womit die politische Dimension des Vorhabens betont wird.
Breaking down complexity
(2015)
The unbounded expressive capacity of human language cannot boil down to an infinite list of sentences stored in a finite brain. Our linguistic knowledge is rather grounded around a rule-based universal syntactic computation—called Merge—which takes categorized units in input (e.g. this and ship), and generates structures by binding words recursively into more complex hierarchies of any length (e.g. this ship; this ship sinks…). Here we present data from different fMRI datasets probing the cortical implementation of this fundamental process. We first pushed complexity down to a three-word level, to explore how Merge creates minimally hierarchical phrases and sentences. We then moved to the most fundamental two-word level, to directly assess the universal invariant nature of Merge, when no additive mechanisms are involved. Our most general finding is that Merge as the basic syntactic operation is primarily performed by confined area, namely BA 44 in the IFG. Activity reduces to its most ventral-anterior portion at the most fundamental level, following fine-grained sub-anatomical parcellation proposed for the region. The deep frontal operculum/anterior-dorsal insula (FOP/adINS), a phylogenetically older and less specialized region, rather appears to support word-accumulation processing in which the categorical information of the word is first accessed based on its lexical status, and then maintained on hold before further processing takes place. The present data confirm the general notion of BA 44 being activated as a function of complex structural hierarchy, but they go beyond this view by proposing that structural sensitivity in BA 44 is already appreciated at the lowest levels of complexity during which minimal phrase-structures are build up, and syntactic Merge is assessed. Further, they call for a redefinition of BA 44 from multimodal area to a macro-region with internal localizable functional profiles
Der junge Habermas
(2016)
Roman Yos' Untersuchung über die Ursprünge eines der einflussreichsten Werke der jüngeren Geistesgeschichte zeigt auf originelle Weise, wie Jürgen Habermas seine bereits in jungen Jahren ausgeprägten philosophisch-politischen Denkmotive allmählich in die Bahnen eines tragfähigen Systems überführte. Diese Entwicklung lässt sich als ein Lernprozess begreifen, in dessen Verlauf konträre intellektuelle Einflüsse aufeinandertrafen und der aufwändigen Vermittlung bedurften. Yos rekonstruiert die spannungsreiche Entstehung von Habermas‘ Denken aus dem Zusammenhang frühester Schriften und gibt zugleich einen Einblick in deren zeit- und ideengeschichtliche Hintergründe.
BACKGROUND: The orbitofrontal cortex (OFC) is implicated in depression. The hypothesis investigated was whether the OFC sensitivity to reward and nonreward is related to the severity of depressive symptoms.
METHODS: Activations in the monetary incentive delay task were measured in the IMAGEN cohort at ages 14 years (n = 1877) and 19 years (n = 1140) with a longitudinal design. Clinically relevant subgroups were compared at ages 19 (high-severity group: n = 116; low-severity group: n = 206) and 14.
RESULTS: The medial OFC exhibited graded activation increases to reward, and the lateral OFC had graded activation increases to nonreward. In this general population, the medial and lateral OFC activations were associated with concurrent depressive symptoms at both ages 14 and 19 years. In a stratified high-severity depressive symptom group versus control group comparison, the lateral OFC showed greater sensitivity for the magnitudes of activations related to nonreward in the high-severity group at age 19 (p = .027), and the medial OFC showed decreased sensitivity to the reward magnitudes in the high-severity group at both ages 14 (p = .002) and 19 (p = .002). In a longitudinal design, there was greater sensitivity to nonreward of the lateral OFC at age 14 for those who exhibited high depressive symptom severity later at age 19 (p = .003).
CONCLUSIONS: Activations in the lateral OFC relate to sensitivity to not winning, were associated with high depressive symptom scores, and at age 14 predicted the depressive symptoms at ages 16 and 19. Activations in the medial OFC were related to sensitivity to winning, and reduced reward sensitivity was associated with concurrent high depressive symptom scores.
BACKGROUND: The orbitofrontal cortex (OFC) is implicated in depression. The hypothesis investigated was whether the OFC sensitivity to reward and nonreward is related to the severity of depressive symptoms.
METHODS: Activations in the monetary incentive delay task were measured in the IMAGEN cohort at ages 14 years (n = 1877) and 19 years (n = 1140) with a longitudinal design. Clinically relevant subgroups were compared at ages 19 (high-severity group: n = 116; low-severity group: n = 206) and 14.
RESULTS: The medial OFC exhibited graded activation increases to reward, and the lateral OFC had graded activation increases to nonreward. In this general population, the medial and lateral OFC activations were associated with concurrent depressive symptoms at both ages 14 and 19 years. In a stratified high-severity depressive symptom group versus control group comparison, the lateral OFC showed greater sensitivity for the magnitudes of activations related to nonreward in the high-severity group at age 19 (p = .027), and the medial OFC showed decreased sensitivity to the reward magnitudes in the high-severity group at both ages 14 (p = .002) and 19 (p = .002). In a longitudinal design, there was greater sensitivity to nonreward of the lateral OFC at age 14 for those who exhibited high depressive symptom severity later at age 19 (p = .003).
CONCLUSIONS: Activations in the lateral OFC relate to sensitivity to not winning, were associated with high depressive symptom scores, and at age 14 predicted the depressive symptoms at ages 16 and 19. Activations in the medial OFC were related to sensitivity to winning, and reduced reward sensitivity was associated with concurrent high depressive symptom scores.
„Der kluge Spieler und die Ethik des Computerspielens“ ist eine moralphilosophische Analyse der sogenannten „Killerspiel-Diskussion“. Als Aufhänger dient der Amoklauf von Winnenden, in dessen Nachgang Diskussionen über Computerspiele, speziell solche mit gewalthaltigem Inhalt, aufkamen. In der öffentlichen Meinung wird häufig davon ausgegangen, dass das Spielen solcher Computerspiele auch in der Realität zu gewalttätigem Verhalten führt. Einige Politiker stellen diese Spiele sogar mit Kinderpornographie gleich. Mithilfe dreier bekannter normativer ethischer Theorien – dem Konsequentialismus (Mill), der Deontologie (Kant) und der Tugendethik (Aristoteles) – werden die wissenschaftlichen Argumente contra Computerspiele analysiert und bewertet. Die Computerspielgegner konzentrieren sich auf den Inhalt und die grafische Darstellung der Spiele (narratologischer Ansatz). Am Ende einer ausführlichen Darstellung ihrer Argumente stellt sich heraus, dass keines davon haltbar ist, wenn man die ethischen Theorien auf sie anwendet. Einzig der tugendethische Ansatz scheint Ansätze zu bieten, auf denen man aufbauen kann, allerdings nicht gegen, sondern für Spiele. Diesem wird im zweiten Teil des Buches nachgegangen. Miguel Sicarts Werk „The Ethics of Computer Games“ versucht, eine konkrete Ethik des Computerspiels zu entwickeln. In „Der kluge Spieler und die Ethik des Computerspielens“ wird Sicarts Werk zum ersten Mal im Deutschen vorgestellt, in seine einzelnen Bestandteile zerlegt und re-strukturiert. In Sicarts Ethik-Konzept für Computerspiele werden die Inhalte und die Grafik der Computerspiele komplett außen vor gelassen. Sein Ansatz ist ein ludologischer (spielwissenschaftlicher), der das Regelwerk und System der Spiele in den Vordergrund schiebt. Die drei Kernelemente seiner Theorie werden dargestellt: 1. das Computerspiel als moralisches Objekt, 2. der Computerspieler als moralisches Subjekt und 3. das Computerspielen als moralische Handlung. Diese drei Aspekte wirken zusammen und miteinander. Es entsteht eine Wechselwirkung zwischen dem Spiel und dem Spieler, in den auch das Nicht-Spieler-Subjekt einbezogen wird. Ein Mensch spielt ein Computerspiel und wird dadurch zum Spieler dieses Spiels. Er nimmt das Regelwerk auf und ruft seine vorhandene Erfahrung aus früheren Spielen ab, um somit ein möglichst gelungenes Spielen zu bewerkstelligen. Damit ist gemeint, dass er nicht schummelt, dass er keine Tricks anwendet, dass er in Mehrspielerspielen Fairplay walten lässt etc. Zusätzlich ist dieser Spieler aber nicht nur ein Spieler, sondern er befindet sich in sozialen Kontexten, hat Werte und Ansichten und diese fließen in sein Spieler-Repertoire ein. In solch einer Wechselwirkung verhält sich der Spieler moralisch korrekt, wenn er dem Spiel zu dem verhilft, was es ist: eine Erfahrung. Das Spiel ist nämlich zweierlei: 1. Das Objekt, also eine CD in einer Hülle mit einer Spielanleitung etc. 2. Das Spiel, das am Bildschirm tatsächlich erfahren wird, indem es gespielt wird. Sieht das Spiel eine gewalthaltige Lösung vor, ist es in Sicarts Ethik des Computerspiels moralisch richtig, diese zu vollziehen. Was Sicart mit seiner Theorie letztendlich zeichnet, ist das Bild eines „klugen Spielers“. Der dritte Teil des Buches analysiert Sicarts Ethik des Computerspiels und zeigt mithilfe eines praktischen Beispiels seine Schwachstelle auf. Während die Computerspielgegner sich ausschließlich auf den Inhalt und die Grafik konzentrieren, ignoriert Sicart sie gänzlich. Somit stellen beide Ansätze Extrempositionen dar. Sicarts Ansatz wird in eine „Ethik des Computerspielens“ uminterpretiert und anschließend auf die Diskussionen rund um den Amoklauf von Winnenden angewendet. Dadurch können die Ausgangsargumente gegen Killerspiele endgültig wissenschaftlich widerlegt werden. Im letzten Teil des Buches wird die Brücke zum tugendethischen Ansatz des Aristoteles geschlagen: der gemäßigte Mittelweg führt zu einem guten Leben. Eine komplette Computerspielethik muss beide Aspekte beinhalten: den grafisch-inhaltlichen („narratologischen“) und den spieltechnischen („ludologischen“) Ansatz. Nur im Zusammenspiel beider kann eine umfassende Computerspielethik gesucht und gefunden werden. Hierzu wird ein Grundgerüst vorgeschlagen sowie zwei Ideen, welche für weitere Forschung auf dem Gebiet verwendet werden können.
Gegen die gängige Vorstellung von der ‚kreativen Phantasie‘ als dem schöpferischen Vermögen des Dichters argumentiert der Aufsatz, dass erst mit der Frühromantik die Phantasie zum kreativen Vermögen erklärt wird, davor jedoch die Vernunft als kreatives Vermögen galt. In der Fakultätenpsychologie des Mittelalters und der Frühen Neuzeit wurde die imaginatio als ein rein passives Vorstellungsvermögen der Vernunft nicht entgegengestellt, sondern ihr übergeordnet, indem sich die Vernunft der Phantasie als bildgebendem Verfahren bediente. Während das Ergebnis der Phantasie seit der Frühromantik als ästhetisches ‚Werk‘ im emphatischen Sinne gilt, war das Ergebnis der dichtenden Vernunft ein Argument im logischen Sinne, das Prozess der inventio gefunden worden war. Erst Anfang des 18. Jahrhunderts entwickelt sich dann der Begriff der ‚kreativen Phantasie‘ aus dem rhetorischen Konzept der Anschaulichkeit (evidentia).