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Die Übertretung von bußgeldbewehrten Verkehrsregeln bei Fahrten, die der Abwehr einer Gefahr – z. B. der Verbringung einer schwer verletzten oder erkrankten Person in eine Klinik – dienen, ist ein alltäglicher Vorgang. Polizei, Feuerwehr, Notarzt und andere institutionelle Retter sind von der Einhaltung der Regeln gemäß § STVO § 35 StVO dispensiert und begehen keine Ordnungswidrigkeiten. Privatpersonen haben diese Sonderrechte nicht und entgehen der Ahndbarkeit nur unter den Voraussetzungen eines Rechtfertigungs- oder Vorwerfbarkeitsausschlussgrundes. Vor allem der rechtfertigende Notstand (§ OWIG § 16 OWiG) hat große praktische Bedeutung. Diese Norm steht im Mittelpunkt der Entscheidung des OLG Düsseldorf. Der zugrundeliegende Fall wirft aber noch weitere interessante Rechtsfragen auf.
Strafbares Heldentum?
(2022)
Heldentum ist kein Straftatbestand. Dennoch kann ein Verhalten, das man ethisch als „heldenhaft“ bewerten würde, straftatbestandsmäßig sein. Leonidas und seine Mitstreiter waren Helden, obwohl sie vorsätzlich viele Perser getötet haben. Strafbar allerdings ist solches Heldentum nicht, sofern es gerechtfertigt oder wenigstens entschuldigt ist. Eine Tat, die nicht gerechtfertigt oder entschuldigt ist, würde man wahrscheinlich auch nicht „heldenhaft“ nennen. Diese Auszeichnung verdienen vor allem Menschen, die ohne Rücksicht auf eigene Sicherheit viel riskieren, sich selbst in Gefahr begeben oder sogar darin „umkommen“, weil sie jemanden, der in Gefahr ist, retten wollen. Dass ein zusätzliches Risiko einer solchen Aktion die Begründung eigener Strafbarkeit sein könnte, überrascht vielleicht. Jedoch besteht das Risiko des Bestraftwerdens, wenn das Strafrecht falsch angewendet wird. Abstrakt gibt es dieses Risiko immer. Strafrechtsanwendende sind nicht unfehlbar, Strafgesetzgebende auch nicht. Aber das Risiko ist verringerbar. Wo der Gesetzgeber keine oder ausfüllungsbedürftige Normen geschaffen hat, sollte die Strafrechtslehre falschen Strafentscheidungen entgegenwirken, indem sie den Gerichten klare Handlungsanweisungen gibt. Die richtige konkrete Einzelfallentscheidung muss sich idealerweise abstrakt bereits in den strafrechtlichen Regeln abzeichnen. Der Held in spe sollte schon anhand des Gesetzes und seiner Erläuterungen durch die wissenschaftliche Literatur erkennen können, wo seine mutige Selbstaufopferung de lege lata in strafbaren Aktionismus umzuschlagen droht. Das kann ihm gegenwärtig noch nicht garantiert werden. Denn bei den Themen, die Gegenstand dieser Abhandlung sind, existiert noch erheblicher Normsetzungs- und Normerläuterungsbedarf.
Der Fall thematisiert klassische und neuartige Probleme der Rechtfertigungsdogmatik im Strafrecht. Neben dem Fehlen eines subjektiven Rechtfertigungselements sind Probleme des § 32 StGB zu bewältigen, die darauf beruhen, dass (scheinbar) weder auf der Seite des Angreifers noch auf der Seite des Angegriffenen ein Mensch unmittelbar am Konflikt beteiligt ist.
Rspr. und Strafrechtswissenschaft tun sich schwer mit der Behandlung von Taten, deren Akteure als „Lebensmittelerpresser“ bezeichnet werden. Das hat der Fall gezeigt, über den der 1. Strafsenat des BGH am BGH 5.6.2019 nach Revision des Angekl. gegen die Verurteilung durch das LG Ravensburg entschieden hat. Sowohl das Gericht als auch die Kommentatoren der BGH-Entscheidung beschäftigen sich ausführlich mit den Problemen des Rücktritts vom Versuch (§ STGB § 24 StGB). Die Tatbestandsmerkmale der (versuchten) qualifizierten räuberischen Erpressung werden hingegen fast gänzlich außer Acht gelassen. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass schon die Erfüllung des Grundtatbestandes „versuchte Erpressung“ (§§ STGB § 253, STGB § 22 StGB) zweifelhaft ist und einer nicht ganz unkomplizierten Begründung bedarf. Erst recht problematisch sind sodann sämtliche Qualifikationsstufen, also §§ STGB § 255, STGB § 250 und STGB § 251 StGB. Der BGH und die Literatur – so hat es den Anschein − erachten dies als weitgehend unproblematisch. Am Beispiel des Friedrichshafener Falles soll aufgezeigt werden, was gegen eine Strafbarkeit des Täters aus §§ STGB § 253, STGB § 255, STGB § 250, STGB § 251, STGB § 22 StGB sprechen könnte und wie sich die Bedenken – teilweise − überwinden lassen.
§ 250 StGB ist Teil einer »heillos durcheinander geratenen Qualifikationslandschaft bei Raub und Diebstahl« (Eidam, NStZ 2018, 280). Neuere Entscheidungen zum Merkmal »Verwenden« in § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB zeigen, wie Recht der Kollege hat. Divergierende Stellungnahmen in der Literatur tragen dazu bei, dass man gegenwärtig von einer Klärung noch weit entfernt ist. Der vorliegende Text wird daran nur dann etwas ändern, wenn er alle, die anderer Meinung sind, überzeugt. Damit ist erfahrungsgemäß nicht zu rechnen.
Volle Zufriedenheit hat der Gesetzgeber mit der Einführung des neuen § 192a StGB in der Gemeinde der Strafrechtler nicht erzeugt. Bezweifelt wird, ob die Strafbarkeitslücken, die die Vorschrift schließen soll, tatsächlich existierten. Auf der anderen Seite wird beanstandet, dass der neue Tatbestand selbst lückenhaft ist. Tatsache ist, dass das sprachliche Erscheinungsbild der Norm nicht zufriedenstellt. Der unausgegorene Gesetzestext wirft zahlreiche Fragen auf, die mit den Mitteln der Auslegung kaum zu beantworten sind. Taten werden strafbar gestellt, deren Strafwürdigkeit fragwürdig ist. Andererseits öffnen sich Räume der Straflosigkeit für Taten, die in Relation zu den vom Gesetzestext erfassten Fällen nur unter Missachtung des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 Abs. 1 GG) von der Strafbarkeit verschont bleiben können.
„Die Gerichtssprache ist deutsch“ heißt es in § 184 S. 1 GVG. Alle Verfahrensbeteiligten müssen also ihre mündliche oder schriftliche Kommunikation in deutscher Sprache führen. Soweit eine Person, die sich im Verfahren äußern will oder muss, die deutsche Sprache nicht beherrscht, wird ein Dolmetscher hinzugezogen, § 185 Abs. 1 S. 1 GVG. Dasselbe gilt, wenn jemand Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG hat, die in deutscher Sprache gemachten Ausführungen der anderen Verfahrensbeteiligten aber nicht versteht. Die Mitwirkung eines Dolmetschers kann interessante materiell-strafrechtliche Probleme im Bereich der Aussagedelikte (§§ 153 ff. StGB) erzeugen. Der vorliegende Text will zum Nachdenken darüber anregen.
Mit ähnlich rasender Geschwindigkeit wie das Coronavirus sich ausbreitet, hat der Begriff der „Triage“ einen Spitzenplatz in der Rangliste der Lieblingsthemen strafrechtswissenschaftlicher Publikationen errungen. Die Zahl der Aufsätze, in denen über die strafrechtliche Behandlung der „ex ante“-, „ex post“- und „präventiven“ Triage informiert wird, ist beachtlich. Über vieles herrscht Konsens, z.B. die Relevanz der „Pflichtenkollision“ für die „ex ante“-Triage. Deutlich sind inzwischen auch die Akzente der kontroversen Debatte um die „ex post“-Triage“ herausgearbeitet. Eher ein Schattendasein fristet die „präventive“ Triage. Der vorliegende Beitrag setzt Bekanntes weitgehend voraus und möchte der Diskussion einige Denkanstöße hinzufügen, die nach meiner Beobachtung noch nicht (genügend) thematisiert wurden.
»Dolus alternativus« und »Anstiftung« sind zwei Begriffe des materiellen Strafrechts, die zum Stoff des juristischen Studiums und der ersten juristischen Prüfung gehören. Die »Tatsachenalternativität« ist ein spezielles Ergebnis der Beweisaufnahme in der strafgerichtlichen Hauptverhandlung, das eine besondere Herausforderung für die gerichtliche Urteilsfindung darstellt. Es handelt sich also um ein strafprozessuales Phänomen, mit dem der angehende Jurist in seinem Studium meistens in Gestalt der »Wahlfeststellung« konfrontiert wird. Zwar haben die Themen »dolus alternativus« und »Wahlfeststellung« in der juristischen Prüfung eher periphere Bedeutung, sollten aber bei der Vorbereitung auf das Examen nicht vernachlässigt werden. Da der Aspekt der Alternativität beiden Gegenständen ihre spezifische Prägung verleiht, bestehen Ähnlichkeiten und somit auch Verwechslungsgefahr. Deswegen wird beides hier in einem Text behandelt. Die Anstiftung wurde hinzugefügt, weil die Komplexität der dolus-alternativus-Fälle dadurch erhöht wird. Zudem wird dieser Aspekt in der Literatur zum dolus alternativus bislang nicht berücksichtigt.
Der sehr examensrelevante Straftatbestand Hehlerei (§ STGB § 259 StGB) ist infolge einer neuen BGH-Entscheidung um einen Streitpunkt zwischen Strafrechtslehre und Rechtsprechung reicher: Die durch eine Täuschung erwirkte Übergabe der gestohlenen Sache vom Vortäter (oder Vorbesitzer) auf den Anschlusstäter soll nach dem BGH ein tatbestandsmäßiges „Verschaffen“ sein. Die Fachliteratur sieht das überwiegend anders. Der Beitrag versucht davon zu überzeigen, dass die Strafrechtslehre Recht hat.
"Angriffsprovokation" ist die Bezeichnung für eine Fallgruppe der sog. sozialethischen Notwehreinschränkungen. Dieses Thema ist extrem prüfungsrelevant und wegen seiner Komplexität bei Studierenden wahrscheinlich gefürchtet. Rechtsprechung und Literatur dazu sind nahezu uferlos. Eine spezielle Konstellation lauerte aber bis jetzt im Verborgenen, weil Lehrbücher über sie hinweggehen und die Rechtsprechung noch keine Gelegenheit hatte, zu ihr Stellung zu nehmen: die „Nothilfeprovokation“. Nunmehr liegt eine BGH-Entscheidung vor, in deren Mittelpunkt dieses Thema steht. Wahrscheinlich werden Verfasser von Prüfungsaufgaben sich davon gern inspirieren lassen. Leser der folgenden Abhandlung sollten solchen „Prüferattacken“ furchtlos entgegensehen können.