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Zur Abschaffung des Gutachterverfahrens in der Vertragspsychotherapie – ein Qualitätsverlust?
(2021)
Zielsetzung: Der vorliegende Artikel befasst sich mit der Fragestellung, inwiefern das Gutachterverfahren in der Vertragspsychotherapie ein zuverlässiges Qualitätsinstrument darstellt und ob sich aus der geplanten Abschaffung des Gutachterverfahrens das Risiko einer Qualitätsminderung in der ambulanten Psychotherapie ergibt.
Methodik: Es wurde eine Literaturrecherche durchgeführt. Arbeiten von den Jahren 2000 bis 2020 wurden berücksichtigt, welche sich mit dem Gutachterverfahren als Qualitätsmerkmal der ambulanten Psychotherapie befassen. Um die unterschiedlichen Standpunkte der zitierten Autor_innen zu diskutieren, wurde auch Bezug auf weiterführende Literatur genommen.
Ergebnisse: Das Gutachterverfahren scheint empirisch nicht sicher als zuverlässiges Qualitätsmerkmal der ambulanten Psychotherapie herangezogen werden zu können. Die Annahme, dass sich durch eine gutachterbefreite Vertragspsychotherapie eine Qualitätsminderung der Psychotherapie ergibt, wird durch die hier zusammengefassten Arbeiten insgesamt nicht gestützt.
Hintergrund: Im Rahmen des reformierten Psychotherapeutengesetzes wird eine starkere Praxisorientierung in der klinisch-psychologischen Lehre und in der Prufung psychotherapeutischer Kompetenzen verankert. Hierbei sollen Studierende durch die Interaktion mit standardisierten Patient*innen (SP) therapeutische Kompetenzen erwerben und demonstrieren. Fragestellung: Das Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, eine evidenzbasierte Umsetzung dieser neuen Lehr- und Prufungsformate zu unterstutzen, indem bisherige Forschungsbefunde zum Einsatz von SP dargestellt und Bereiche, in denen weitere Forschung notwendig ist, aufgezeigt werden. Ergebnisse: Empirische Befunde zeigen, dass SP psychische Storungen authentisch darstellen konnen. Voraussetzung dafur sind beispielsweise die Auswahl geeigneter SP, detaillierte Rollenanleitungen, spezifisches Training, Feedback und Nachschulungen. Auch wenn einige Forschungsfragen, wie zur vergleichenden Wirksamkeit des Einsatzes von SP, noch unbeantwortet sind, lassen sich praktische Implikationen fur SP-Programme in Lehre, Prufung und Forschung ableiten, die in einem Ablaufschema dargestellt werden. Schlussfolgerungen: Der Einsatz von SP bietet gro ss es Potenzial fur die klinisch-psychologische Lehre und Ausbildungsforschung. Um den Einsatz von SP an anderen Standorten zu unterstutzen, werden Beispielmaterialien (z.B. Rollenanleitung) in den elektronischen Supplementen (siehe www.karger.com/doi/10.1159/000509249 fur alle Supplemente) zum Artikel zur Verfugung gestellt.
Seit dem 01. 04. 2017 erfolgte eine umfangreiche Reform der Psychotherapie-Richtlinie. Neben der Einführung neuer Leistungen (z. B. Akutbehandlung, psychotherapeutische Sprechstunde) wurden auch Änderungen im Ablauf und der Beantragung von Psychotherapie beschlossen. Beispielsweise ist der Bericht an den Gutachter bzw. die Gutachterin seltener eine notwendige Voraussetzung zur Durchführung einer psychotherapeutischen Behandlung, als dass zuvor der Fall war. Im Zuge der Reform wurde auch der Leitfaden für die Gestaltung des Berichts an den Gutachter bzw. die Gutachterin überarbeitet.
Vor dem Hintergrund der Psychotherapie-Richtlinien-Reform ist das Werk „Leitfaden für den VT-Bericht an den Gutachter“ von Daniel Surall und Oliver Kunz sehr willkommen. Das Buch gliedert sich insgesamt in zehn Kapitel, in denen die Autoren ausführlich auf den reformierten Bericht an den Gutachter bzw. an die Gutachterin eingehen. In den ersten beiden Kapiteln fassen die Autoren die Änderungen zur Psychotherapie-Richtlinie und im Bericht an den Gutachter / die Gutachterin zusammen. In den folgenden sechs Kapiteln wird auf die einzelnen Abschnitte des neuen Berichts an den Gutachter/die Gutachterin eingegangen. Sehr hilfreich ist hierbei, dass die Autoren zahlreiche Fallbeispiele nutzen, um die einzelnen Abschnitte des Berichts an den Gutachter/die Gutachterin zu erläutern. Auch die übersichtliche Darstellungsform in Form von Tabellen (z. B. zur Darstellung der Verhaltensanalyse) erleichtert den Leser_innen die Nachvollziehbarkeit der Inhalte. Erfreulich ist auch, dass die Autoren hinsichtlich der Antragstellung auch immer auf Unterschiede zwischen erwachsenen Patient_innen und Kindern und Jugendlichen eingehen. Im neunten Kapitel des Leitfadens wird ausführlicher das Thema Umwandlungs- und Fortführungsanträge aufgegriffen. Dies ist insbesondere sinnvoll, da nach der neuen Psychotherapie-Richtlinie für Kurzzeitanträge in der Regel keine Berichtspflicht besteht und Umwandlungs- und Fortführungsanträge in der Praxis häufiger als zuvor von Relevanz sein dürften. Im zehnten Kapitel wird in knapper Weise darauf eingegangen, wie bei Ablehnung oder Kürzung von beantragten Leistungen vorgegangen werden kann.
Das Buch umfasst einen umfangreichen Anhang (67 Seiten), in dem Beispiele für Berichte an den Gutachter / die Gutachterin und Behandlungspläne für verschiedene psychische Störungen zu finden sind. Auch hierbei werden sowohl Berichte für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche präsentiert. Zudem beinhaltet der Anhang des Buches das Berner Inventar für Therapieziele, Auszüge aus dem AMDP-Befundbogen (Arbeitsgemeinschaft Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie, 2018)<\litr>, den Leitfaden zum Erstellen des Berichts an die Gutachter_innen (PTV 3) sowie einer Gegenüberstellung des alten und des neuen Leitfadens für den Bericht an die Gutachter_innen.
Bei dem von Surall und Kunz vorgelegten Buch handelt es sich um einen äußerst hilfreichen Leitfaden, der Therapeut:innen bei der Abfassung des Berichts an den Gutachter / die Gutachterin im Rahmen der Verhaltenstherapie unterstützen kann. Hierbei kann der Leitfaden Psychotherapeut_innen in Ausbildung bei der Abfassung ihrer ersten Anträge unterstützen. Aber auch erfahrenen Kolleg_innen können bei dem Übergang in die neuen Antragsformalitäten, die mit der Reform der Psychotherapie-Richtlinie einhergingen, unterstützen werden. Hierbei ist insbesondere die Im Anhang befindliche Gegenüberstellung des alten und des neuen Leitfadens für den Bericht an den Gutachter / die Gutachterin hilfreich, um sich einen schnellen Überblick über die Änderungen zu verschaffen. Insgesamt werden die einzelnen Abschnitte des Berichts an den Gutachter / die Gutachterin sehr gut strukturiert und verständlich erläutert. Die vielen Beispiele und die ausführlichen Materialien im Anhang ergänzen zudem die Erläuterungen und erleichtern das Verständnis. Zu Beginn des Buches wäre zudem noch eine Abbildung hilfreich gewesen, die den Ablauf der Beantragung von Psychotherapie schematisch darstellt, um einen genaueren Überblick über die Beantragung von Psychotherapie nach der neuen Psychotherapie-Richtlinie zu erhalten. Auch ein Stichwortverzeichnis würde die Suche nach bestimmten Inhalten erleichtern.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es sich bei dem Werk von Surall und Kunz um einen sehr empfehlenswerten Leitfaden handelt, der im Rahmen der Antragstellung von Verhaltenstherapie genutzt werden kann. Aufgrund der klaren Struktur und Anschaulichkeit durch viele Beispielanträge bringt das Buch alle Voraussetzungen mit, um sich als Standartwerk zu etablieren, dass Therapeut_innen bei der Beantragung von Verhaltenstherapie in äußerst hilfreicher Weise unterstützt.
Hintergrund
Essstörungen sind prävalent, chronifizieren häufig und gehen trotz wirksamer Behandlungsansätze oft mit Rückfällen einher. Prävention ist daher entscheidend, jedoch sind viele aktuelle Präventionsprogramme ressourcenintensiv. Internetbasierte Interventionen können eine kostengünstige und niedrigschwellige Alternative darstellen, sind jedoch bislang nur wenig untersucht.
Fragestellung
Wie wirksam ist ein internetbasiertes, unbegleitetes Präventionsangebot?
Material und Methode
Die Intervention wurde auf Basis verhaltenstherapeutischer Techniken neu entwickelt und im Rahmen eines randomisierten Wartekontrollgruppendesigns an 200 Studierenden pilotiert. Vor und nach der Intervention bzw. Wartezeit wurden Daten zu essstörungsspezifischer Pathologie (Eating Disorder Examination-Questionnaire, EDE‑Q), Wohlbefinden (WHO-Five Well-Being Index, WHO-5) sowie Selbstwert (Rosenberg Self-Esteem Scale, RSES) erhoben und varianzanalytisch untersucht.
Ergebnisse
Die Intervention wurde von 43 % der Teilnehmenden vollständig durchlaufen. Der Selbstwert nahm in der Interventionsgruppe im Vergleich zur Wartekontrollgruppe stärker zu (η2p= 0,33). Auf den anderen Variablen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen.
Schlussfolgerung
Unbegleitete Online-Selbsthilfe erscheint vielversprechend, um den Selbstwert zu verbessern und damit einen Beitrag zur Prävention von Essstörungen zu leisten. Untersuchungen in größeren, heterogenen Gruppen sind künftig nötig, um ggf. vorhandene, kleinere Präventionseffekte zu entdecken.
Hintergrund. Personen, die mit der chronischen Erkrankung HIV leben (PWH), müssen ihr Leben lang die sog. antiretrovirale Therapie (ART) einnehmen, um einen Ausbruch der Erkrankung in das Vollbild AIDS (Akquiriertes Immun-Defizienz-Syndrom) zu vermeiden. Gleichzeitig ist die ART und HIV selbst assoziiert mit dem Auftreten zusätzlicher Erkrankungen (Komorbiditäten) kardiovaskulärer oder psychologischer Natur. Die Prävalenz von Komorbiditäten und schlechter Lebensqualität ist im Vergleich zu HIV-negativen Personen deutlich höher.
Methoden. Es wurden zwei Metaanalysen zu sportlicher Betätigung, PWH und (1) kardiovaskulären und (2) psychologischen Parametern sowie eine Querschnittsstudie (HIBES-Studie, HIV-Begleiterkrankungen und Sport) durchgeführt. Für die Auswertung der metaanalytischen Daten wurde der Review Manager 5.3, für die Auswertung der Daten der HIBES-Studie das Analyseprogramm „R“ verwendet. In den Metaanalysen wurden, neben den Hauptanalysen verschiedener Parameter, erstmals spezifische Subgruppenanalysen durchgeführt. Die HIBES-Studie untersuchte Unterschiede zwischen kumulativen (2-3 verschiedenen Sportarten pro Woche) und einfachen (eine Sportart pro Woche) Freizeitsport und analysiert die Zusammenhänge von Parametern des Freizeitsports (Trainingshäufigkeit, -Minuten und –Intensität), Komorbiditäten und der Lebensqualität.
Ergebnisse. Ausdauer- und Krafttraining haben einen mittel-starken bis starken positiven Effekt auf die maximale Sauerstoffaufnahme (SMD= 0.66, p< .00001), den 6-Minuten-Walk-Test (6MWT) (SMD= 0.59, p= .02), die maximale Watt Zahl (SMD= 0.80, p= .009). Kein Effekt wurde bei der maximalen Herzfrequenz und dem systolischen sowie diastolischen Blutdruck gefunden. Subgruppenanalysen zu ≥3 Einheiten/Woche, ≥150 Min./Woche ergaben hohe Effektstärken in der maximalen Watt Zahl und 6MWT. Ausdauer- und Krafttraining zusammen mit Yoga haben einen starken Effekt auf Symptome der Depression (SMD= -0.84, p= .02) und Angststörungen (SMD= -1.23, p= .04). Die Subanalyse der Depression zu professioneller Supervision und sportlicher Betätigung wiesen einen sehr starken Effekt (SMD= -1.40, p= .03). Die HIBES-Studie wies ein sehr differenziertes Bild im Sportverhalten von PWH in Deutschland auf. 49% der Teilnehmer übten mehr als eine Sportart pro Woche aus. Es wurden keine Unterschiede zwischen kumuliertem (CTE) und einfachem Sport (STE) in der Lebensqualität gefunden. Die Freizeitsportparameter (Häufigkeiten/Woche, Minuten/Woche, Intensität/Woche) waren in der CTE-Gruppe deutlich höher als in der STE-Gruppe. Trainingsminuten und die -Intensität zeigten beim Vorhandensein einer Komorbidität einen großen Zusammenhang mit der Lebensqualität. Die Minuten und die Intensität des durchgeführten Sportes zeigten einen prädiktiven Zusammenhang mit der Lebensqualität.
Konklusion: Sportliche Betätigung verbessert die maximale Sauerstoffaufnahme und Symptome der Depression und Angststörungen. Die Aussagekraft der Subanalysen ist aufgrund der geringen Studienzahl, vorsichtig zu interpretieren. Erhöhte Trainingsparameter finden sich eher bei PWH, die mehr als eine Sportart pro Woche treiben. Daher kann kumulierter Sport als mediierender Faktor zur Steigerung der Lebensqualität interpretiert werden; zumindest bei PWH mit einer psychologischen Komorbidität.
Aufgrund der Neuregelung der Psychotherapieausbildung dürften derzeit an fast allen Psychologie-Ausbildungsstandorten die Beratungen über zukünftige Masterstudiengänge in vollem Gang sein. Da die Ausgestaltung der Studiengänge für unser Fach von großer Bedeutung ist, haben DGPs und Fakultätentag zahlreiche Empfehlungen gegeben, die dazu beitragen sollen, dass sich das Psychologie-Studium auch zukünftig an geteilten Standards orientiert. Basierend auf Beratungen in der DGPs-Kommission „Studium und Lehre“ stellt der vorliegende Beitrag die zentralen Empfehlungen und Ressourcen in übersichtlicher Form zusammen und liefert so ein How-to für die Konzeption psychologischer Masterstudiengänge. Gleichzeitig werden die wichtigsten Argumente für die Empfehlungen dargelegt.
Hintergrund: Krankheitsängste beziehen sich meist auf die Angst vor dem Leiden an somatischen Erkrankungen. In Einzelfallberichten wurden auch Ängste vor psychischen Störungen berichtet, jedoch bisher nicht systematisch untersucht. Psychotherapeut_innen sind ständig mit psychischen Erkrankungen konfrontiert. Fragestellung: Diese Studie untersucht, wie stark Krankheitsängste bei Psychotherapeut_innen ausgeprägt sind und welche Faktoren diese beeinflussen. Methoden: Insgesamt 239 Psychotherapeut_innen wurden per anonymer Onlinebefragung mit den Illness Attitude Scales und der Mini-Symptom-Checklist untersucht. Ergebnisse: Krankheitsängste bei Psychotherapeut_innen waren geringer ausgeprägt als in der Allgemeinbevölkerung und bei Psychologiestudierenden. Faktoren wie die allgemeine psychische Belastung und das Vorhandensein tatsächlicher Diagnosen gingen mit erhöhten Krankheitsängsten einher. Schlussfolgerungen: Krankheitsängste können sich nicht nur auf somatische Erkrankungen beziehen, sondern auch psychische Störungen betreffen. Eine stärkere Berücksichtigung psychischer Krankheitsängste und deren weitere systematische Erfassung erscheinen daher wünschenswert.