830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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'Gelegenheitsdichtung'
(2010)
Der Beitrag fragt nach Anzeichen einer transmedialen Ästhetik in Texten, die Josef Winkler um die Jahrtausendwende veröffentlicht hat. In einem ersten Teil werden inhaltliche und strukturelle Gemeinsamkeiten von Natura morta (1998) und Wenn es soweit ist (2001) herausgearbeitet. Der Fokus der Untersuchung liegt auf dem Verfahren der Wiederholung und damit verbunden auf Kontinuitäten zwischen den beiden Texten. Zweitens werden die Organisations- und Strukturprinzipien der Texte anhand zweier räumlicher Modelle, des Ablagerungs- und Ansammlungsmodells, analysiert und miteinander verglichen. Drittens werden ausgehend vom Prinzip der Wiederholung, das den beiden Modellen Ablagerung und Ansammlung zugrunde liegt, performative Aspekte von Winklers Erzählen aufgezeigt und erste Spuren einer transmedialen Ästhetik in Winklers Œuvre freigelegt.
Die Migration von etwa einer halben Million Menschen aus westlichen Ländern in die DDR ist wenig erforscht. Dies gilt auch für das Gebiet der Literatur. Was so unterschiedliche Autoren wie Anna Seghers, Arnolt Bronnen, Heinar Kipphardt, Adolf Endler, Wolf Biermann, Gisela Kraft oder Ronald M. Schernikau verbindet, ist, sich einmal für ein Leben in der DDR entschieden zu haben. Einige von ihnen fanden in der sozialistischen Wahlheimat ihre Themen und ihr Publikum: häufig in zunehmender Distanz zur Kulturpolitik, mitunter auch in großer Nähe. Andere kehrten dem Land nach wenigen Jahren enttäuscht oder verbittert wieder den Rücken oder wurden hinausgedrängt. Die Beiträge beschäftigen sich mit den Motiven, Umständen, biographischen Konsequenzen, Selbstdeutungen und literarischen Resultaten der Übersiedlung in die SBZ bzw. in die DDR zwischen 1945 und 1989.
Ars Equitandi
(2020)
Nachdem Federico Griso 1550 in Neapel das weltweit erste gedruckte Reitlehrbuch veröffentlicht hatte, folgten etliche Autoren in ganz Europa seinem Beispiel. Die vorliegende Studie untersucht theoretische Texte zur Reitkunst, die vom 16. bis zum 18. Jahrhundert in deutscher Sprache erschienen. Dabei wird nicht nur (mitunter überraschend aktuelles) reiterliches Spezialwissen aus der Vergangenheit vergegenwärtigt, sondern zugleich auch ein weiter Rundblick über die Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit eröffnet. Denn das Reiten gehörte ebenso selbstverständlich wie notwendig zu vielen Bereichen des Lebens, angefangen beim Personenverkehr über Kriegführung, Jagd, Turnier, Sport und Vergnügen bis hin zur höfischen Repräsentation mit ihren höchsten Steigerungen in der Festkultur. Reitlehren wandten sich an ein Publikum, das Bücher kaufen und lesen konnte: Sie spiegeln daher die gesellschaftlichen Dynamiken von adeliger Disktinktion und bürgerlicher Emanzipation.
Als die Theorie des Reitens in Büchern festgehalten wurde, erfuhr das Reiten eine Aufwertung von der angewandten Körpertechnik zu einer ‚echten‘ Kunstform, die nunmehr ihren Platz im Wissens- und Wertesystem der Renaissance beanspruchte. Infolgedessen sind die Reitlehren geprägt durch die allgemeine Tendenz zur Professionalisierung, durch die Kanonisierung von angewandtem Traditions- und Erfahrungswissen, durch den Rangstreit der Künste, durch (Sinn-)Bilder und Symbole, durch die politischen Ideengeschichte, durch den kunsttheoretischen Nachahmungsdiskurs und sogar durch die Medizingeschichte.
Nicht zuletzt geht es in dieser Studie um die Frage, inwieweit man aus den aufwendig gestalteten Lehrbüchern überhaupt das Reiten erlernen konnte – oder ob die schönen Bände nicht womöglich (auch) ganz andere Funktionen übernahmen.
Auf der Suche
(2023)
Fontanes »Short Stories« als Gegengift für den gestressten Menschen von heute
»Der moderne Mensch, angestrengter wie er wird, bedarf auch größerer Erholung. Findet er sie?« Mit dieser verblüffenden Frage schlägt Fontane 1873 neue erzählerische Wege ein. Entstanden sind kluge, vergnügliche Geschichten, die er selbst als »Short Stories« bezeichnete. Die schönsten sind hier versammelt und laden dazu ein, aus dem alltäglichen Wahnsinn herauszutreten und sich auf die Suche nach dem Glück zu machen.
Die brillanten Beobachtungen eines wachen Zeitzeugen, der sein bis heute gültiges Plädoyer zum Besten gibt.
»Man soll den Augenblick ergreifen. Ist es der rechte, so bedeutet es das Glück.« Theodor Fontane
Augenblick und Anlass
(2021)
Gelegenheitslyrik ist ein Gegenstand mit einer langen konfliktreichen Forschungs- und Rezeptionsgeschichte. Immer wieder wurde sie zum Inbegriff einer Gattung degradiert, die sich heteronomen Begehrlichkeiten unterwirft. Gegen dieses Verdikt geht der Band davon aus, dass sich auch weit nach 1800 eine Kontinuität von Gelegenheitsdichtung beobachten lässt und das angebliche Absinken der Kasuallyrik mit der begriffs- und konzeptgeschichtlichen Heraufkunft von ‹Gegenwart› zusammenfällt. Die hier versammelten Beiträge widmen sich den Kontroversen in der Moderne auf vier Ebenen. Dabei richtet sich der Fokus auf systematische und gattungstheoretische Zugänge, Institutionen und Praktiken, die Gattungs- und Funktionsgeschichte sowie spezifische Darstellungsformen und Möglichkeiten der Zeitreflexion.
Zielsetzung und leitendes Erkenntnisinteresse Als Arbeitsgrundlage soll folgende Definition der Bühnengesellschaft als Ausgangspunkt dienen: Die Bühnengesellschaft wird durch die Gesamtzahl der handelnden Personen einer Posse gebildet, die in einem sozialen, psychologischen und mentalen Beziehungsverhältnis zueinanderstehen. Ihr Umfang ist sowohl von gattungsspezifischen als auch von theaterpraktischen Faktoren abhängig. Die Bühnengesellschaft bildet die Schnittstelle zwischen der fiktionalen Welt der Posse und der Lebenswirklichkeit der Zuschauer. Sie verbindet Spielwelt und Wirklichkeit. Durch diese Brückenfunktion werden beide Elemente aufeinander bezogen. Der so umrissene Blick muss bei der Analyse der Bühnengesellschaft von Nestroys Possen folgende unterschiedlich gewichtete und akzentuierte Schwerpunkte enthalten: 1. Figurenkonzeption Die Konzeption der Figuren der Nestroyschen Bühnengesellschaften wird sowohl im Kontext der historischen Wirklichkeit und den herrschenden kulturellen Konzepten als auch in Bezug zur Gattungstradition analysiert unter der erkenntnisleitenden Fragestellung, wie Zeitwirklichkeit („das konfliktreiche Welttheater“) erfahrbar wird. Der Analyse der „komischen Zentralfigur“ kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. 2. Bühnengesellschaftliche Beziehungen Eine Analyse der Figurenkonstellation, des Verhältnisses von Haupt- und Nebenfiguren sowie der Bildung von Gruppierungen erhellt ihre dramaturgische Funktion im Kontext der satirischen Intention. 3. Bühnengesellschaft und Theater Der theaterwissenschaftliche Aspekt wird dadurch akzentuiert, dass Theaterorganisation, Bühne und die männlich-weibliche Zusammensetzung des Ensembles in den Blick genommen werden, um die Abhängigkeit des Umfangs und der Zusammensetzung der Bühnengesellschaft von den realen Gegebenheiten des Volkstheaterbetriebs aufzuzeigen. Auf der Grundlage der genannten Schwerpunkte wird für die Untersuchung folgendes leitendes Erkenntnisinteresse formuliert: Die Bühnengesellschaft besitzt eine Schnittstellenfunktion zwischen der fiktionalen Spielwelt der Posse und der Lebenswirklichkeit der Zuschauerschaft. Durch die Analyse der personellen und strukturellen Gestaltung der Bühnengesellschaft wird ihre Brückenfunktion für die ‚Wirksamkeit‘ der satirischen und parodistischen Intention erhellt.