320 Politikwissenschaft
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Der Semi-Parlamentarismus beschreibt das Regierungssystem, in dem die Regierung von einem Teil des Parlaments gewählt wird und abberufen werden kann, von einem anderen Teil des Parlaments aber unabhängig ist. Beide Kammern müssen dabei der Gesetzgebung zustimmen. Dieses von Steffen Ganghof klassifizierte System ergänzt gängige Regierungssystemtypologien, wie sie beispielsweise von David Samuels und Matthew Shugart genutzt werden. Der Semi-Parlamentarismus ist der logische Gegenpart zum Semi-Präsidentialismus, bei dem nur ein Teil der Exekutive von der Legislative abhängt, während im Semi-Parlamentarismus die Exekutive von nur einem Teil der Legislative abhängt. Der Semi-Parlamentarismus verkörpert so ein System der Gewaltenteilung ohne einen exekutiven Personalismus, wie er durch die Direktwahl und Unabhängigkeit der Regierungchef:in im Präsidentialismus hervorgerufen wird. Dadurch ist der Semi-Parlamentarismus geeignet, Unterschiede zwischen Parlamentarismus und Präsidentialismus auf den separaten Einfluss der Gewaltenteilung und des exekutiven Personalismus zurückzuführen. Die Untersuchung des Semi-Parlamentarismus ist daher für die Regierungssystemliteratur insgesamt von Bedeutung. Der Semi-Parlamentarismus ist dabei kein rein theoretisches Konstrukt, sondern existiert im australischen Bundesstaat, den australischen Substaaten und Japan.
Die vorliegende Dissertation untersucht erstmals umfassend die Gesetzgebung der semi-parlamentarischen Staaten als solchen. Der Fokus liegt dabei auf den zweiten Kammern, da diese durch die Unabhängigkeit von der Regierung der eigentliche Ort der Gesetzgebung sind. Die Gesetzgebung in Parlamentarismus und Präsidentialismus unterscheidet sich insbesondere in der Geschlossenheit der Parteien, der Koalitionsbildung und dem legislativen Erfolg der Regierungen. Diese Punkte sind daher auch von besonderem Interesse bei der Analyse des Semi-Parlamentarismus. Die semi-parlamentarischen Staaten unterscheiden sich auch untereinander teilweise erheblich in der institutionellen Ausgestaltung wie den Wahlsystemen oder den verfügbaren Mitteln zur Überwindung von Blockadesituationen. Die Darstellung und die Analyse der Auswirkungen dieser Unterschiede auf die Gesetzgebung ist neben dem Vergleich des Semi-Parlamentarismus mit anderen Systemen das zweite wesentliche Ziel dieser Arbeit.
Als Fundament der Analyse habe ich einen umfangreichen Datensatz erhoben, der alle Legislaturperioden der australischen Staaten zwischen 1997 und 2019 umfasst. Wesentliche Bestandteile des Datensatzes sind alle namentlichen Abstimmungen beider Kammern, alle
eingebrachten und verabschiedeten Gesetzen der Regierung sowie die mit Hilfe eines Expert-Surveys erhobenen Parteipositionen in den relevanten Politikfeldern auf substaatlicher Ebene.
Hauptsächlich mit der Hilfe von Mixed-Effects- und Fractional-Response-Analysen kann ich so zeigen, dass der Semi-Parlamentarismus in vielen Aspekten eher parlamentarischen als präsidentiellen Systemen gleicht. Nur die Koalitionsbildung erfolgt deutlich flexibler und unterscheidet sich daher von der typischen parlamentarischen Koalitionsbildung. Die Analysen legen nahe, dass wesentliche Unterschiede zwischen Parlamentarismus und Präsidentialismus eher auf den exekutiven Personalismus als auf die Gewaltenteilung zurückzuführen sind.
Zwischen den semi-parlamentarischen Staaten scheinen vor allem die Kontrolle des Medians beider Parlamentskammern durch die Regierung und die Möglichkeit der Regierung, die zweite Kammer mitaufzulösen, zu entscheidenden Unterschieden in der Gesetzgebung zu führen. Die Kontrolle des Medians ermöglicht eine flexible Koalitionsbildung und führt zu höheren legislativen Erfolgsraten. Ebenso führt eine möglichst leichte Auflösungsmöglichkeit der zweiten Kammern zu höheren legislativen Erfolgsraten. Die Parteigeschlossenheit ist unabhängig von diesen Aspekten in beiden Kammern der semi-parlamentarischen Parlamente sehr hoch.
„Gender-Ideologie“ und „Gender-Wahn“– diese Begriffe entstammen einem antifeministischen Diskurs, der ohne Bedrohungsszenarien nicht funktioniert. Feministische Errungenschaften – wie die Ehe für alle – werden zur Ursache persönlicher Nachteile umgedeutet. Seine Vertreter*innen verbreiten ihre (oft gewaltvollen) Narrative sowohl auf der Straße als auch im Internet. Antifeministische Bewegungen weisen zudem vielfältige Querverbindungen mit konservativen, nationalistischen, fundamentalreligiösen und faschistischen Diskursen auf.
Der Band präsentiert eine systematische Aufbereitung empirischer Befunde zum Lobbyismus in Deutschland und vermittelt, wie Lobbyist*innen, Entscheidungsträger*innen und institutionelle Rahmen miteinander interagieren. Untersucht werden politische Aktivitäten von sozialen Bewegungen, Verbänden, Unternehmen und Beratungsfirmen im Bundestag, der Bundesregierung und der Öffentlichkeit.
Dirty capitalism
(2024)
Von Garzweiler bis zum Great Pacific Garbage Patch zeigt sich offenkundig: Die kapitalistische Vergesellschaftung ist dreckig. Umso mehr braucht kritische politisch-ökonomische oder sozio-ökonomische Bildung einen gesellschaftstheoretisch fundierten Kapitalismusbegriff. Der Ansatz des Dirty Capitalism leistet hierzu einen expliziten Beitrag. Er greift die vielfältige Kritik an Vorstellungen und analytischer Reichweite eines "reinen" Kapitalismus, wie sie z.B. auch im Ansatz des racial capitalism formuliert wird, auf und erweitert die Analyseperspektive über Klassenverhältnisse hinaus auf Rassismus, (Post-)Kolonialismus, Geschlechter- und Naturverhältnisse. Im Band wird das Konzept weiterentwickelt und als Zugang für die kritische politische Bildung und Politikdidaktik diskutiert und empirisch genutzt.
Frauenfeind, aber kein Incel
(2020)
Der Attentater von Hanau war, das verrät sein Manifest, ein Frauenfeind – aber kein Incel. Warum die Einschätzung als Incel bequem und gefährlich ist, erläutert dieser Gastbeitrag der Wissenschaftlerinnen Megan Kelly, Ann-Kathrin Rothermel und Greta Jasser, Fellows am Institute for Research on Male Supremacism (IRMS).
Gut zwei Jahrzehnte nach dem Millenniumsgipfel der Vereinten Nationen bleiben berechtigte Zweifel an der Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit (EZ). Ist das Politikfeld von den Realitäten überholt worden? Welchen Beitrag haben Entwicklungstheorien für die Weiterentwicklung von Entwicklungspolitik leisten können? Der Beitrag zieht eine Bilanz, die von der ersten Entwicklungsdekade in den 1960er-Jahren bis zu den Folgen der Covid-19-Pandemie reicht. Er plädiert für eine herrschaftskritische Weiterentwicklung des Entwicklungsbegriffs und für eine Stärkung globaler Kooperation.
Bundesrechnungshof
(2021)
Der Bundesrechnungshof schaut mittlerweile auf eine über 300 jährige Geschichte der Finanzkontrolle zurück (vgl. Engels 2014). Auch wenn Aufgaben und Organisation damaliger Rechenkammern bestenfalls rudimentär mit den Einrichtungen moderner Finanzkontrolle vergleichbar sind, so legten sie doch einst deren Grundstein. Heute ist der Bundesrechnungshof eine oberste Bundesbehörde und prüft laut Artikel 114 Abs. 2 GG die „Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes.“ Weitere Regelungen für den Bundesrechnungshof finden sich in der Bundeshaushaltsordnung (BHO, hier Teil V Rechnungsprüfung bis Teil VIII Entlastung, §§ 88 bis 114) und im Bundesrechnungshofgesetz (BRHG vom 11.07.1985, mit letzter Änderung vom 05.02.2009).
Rechts nur noch die Wand?
(2023)
Die Macht der Sonntagsfrage
(2023)
Für das Jahr 2024 sind entscheidende Wahlen geplant – unter ihnen die
US-Präsidentschaftswahl und die Wahlen zum Europäischen Parlament. In
Deutschland werden in Brandenburg, Sachsen und Thüringen die Landtage
gewählt. Wahlumfragen, insbesondere die Sonntagsfrage, sind zu einem
integralen Bestandteil von Wahlkämpfen geworden; gleichzeitig steht auch
deren Zuverlässigkeit im Zentrum medialer Aufmerksamkeit. Eine Debatte über
die Kommunikation und Darstellung von Meinungsumfragen ist in Deutschland
dringend notwendig. Eine bindende Selbstverpflichtung der Umfrageinstitute und
Medienhäuser wäre eine vielversprechende Lösung.
Diskursive Perspektiven auf internationale Politik haben in den vergangenen Jahren an Relevanz und Popularität gewonnen. Der vorliegende Beitrag gibt zunächst einen Überblick über verschiedene Spielarten diskursiver Ansätze in den Internationalen Beziehungen, um sich dann vor allem poststrukturalistisch inspirierten Diskursarbeiten zu widmen. Poststrukturalistische Ansätze, so argumentieren wir, sind besonders interessant für die Disziplin der IB, da sie vier spezifische Gewinne bieten: Erstens erlauben sie eine kritische Perspektive auf Fragen internationaler Politik, zweitens hilft eine poststrukturalistische Perspektive dabei, den oft übersehenen politischen Charakter sozialer Realität herauszustellen, drittens halten sie dazu an, die eigene Sichtweise des/der Forschenden zu reflektieren und viertens erlaubt es eine poststrukturalistische Vorgehensweise mit ihrem Fokus auf „Wie-möglich-Fragen“, eine alternative analytische Perspektive zu dominanten erklärenden Ansätzen einzunehmen.
Kollaborative, partizipative Instrumente zur Krisenbekämpfung haben in den letzten Jahren zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen. Ein Beispiel hierfür ist der #WirVsVirus-Hackathon, der als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie durchgeführt wurde und über 28.000 Teilnehmer:innen erreichte. Bislang wurden die Auswirkungen solch groß angelegter, kollaborativer Ansätze zur Krisenbewältigung auf staatliches Krisenmanagement nur selten untersucht. Diese Studie analysiert den Hackathon und die daraus entstandenen Projekte aus der Perspektive des Open Governance-Paradigmas. Auf Grundlage von neun Experteninterviews untersuchen wir, wie sich digitale Open Governance auf die Regierungsfähigkeit und Legitimität in Krisenzeiten auswirkt. Unsere Analyse zeigt, dass digitale Open Governance zur Leistungsfähigkeit und Legitimität staatlichen Handelns in Krisenzeiten beitragen kann, da solche Projekte eine breite und diverse Teilnehmerschaft mobilisieren und in kurzer Zeit bürgerzentrierte, nutzbare Lösungen für krisenbezogene Probleme entwickeln können. Dem stehen allerdings Zweifel an der langfristigen Beständigkeit der Projekte, ihrer Skalierbarkeit, sowie Risiken hinsichtlich der Legitimität und Rechenschaftspflicht entgegen.
Die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnik (IKT), Fachverfahren und die Automatisierung von Prozessen verändern die Sachbearbeitung und Leistungserstellung in der Verwaltung und somit die Tätigkeiten, Arbeitsbedingungen und Personalstrukturen. Bei der Antragsbearbeitung und Bescheiderstellung in der Ordnungs- und Leistungsverwaltung erhält IKT nicht nur eine unterstützende, sondern zunehmend auch eine leitende oder entscheidende Rolle. Abhängig von der konkreten Ausgestaltung kann die fortschreitende Digitalisierung eine ganzheitliche Sachbearbeitung ermöglichen, aber auch einschränken. Insgesamt kann sie zu einer Neuordnung des Berufsfeldes öffentlicher Dienst führen.
Der vorliegende Beitrag, der sich weniger als Fachbeitrag, sondern vielmehr als Erfahrungsbericht aus der Praxis versteht, berichtet von unterschiedlichen Versuchen, die Mensch-Tier-Beziehung in den schulischen Kontext einzubringen und somit der unzureichenden Beachtung der Thematik entgegenzuwirken. Nachdem überblicksartig die Relevanz der Mensch-Tier-Thematik herausgestellt und auf diese Weise die Notwendigkeit einer unterrichtlichen Beschäftigung mit dem Verhältnis von Menschen und anderen Tieren begründet wird, wird zunächst von einem ersten Versuch berichtet, (angehende) Lehrkräfte im Rahmen eines Workshops am Studienseminar Potsdam für die Relevanz der Mensch-Tier-Thematik zu sensibilisieren sowie über eine mögliche Umsetzung in den verschiedenen Unterrichtsfächern zu informieren. Anschließend werden – exemplarisch für den Politikunterricht – zwei Unterrichtsstunden, die die Mensch-Tier-Beziehung auf verschiedene Weise in den Politikunterricht einbeziehen, sowie die im Rahmen der Durchführung gesammelten Erfahrungen vorgestellt.
Nicht erst seit Covid-19 sind die Wissens- und Kommunikationslücken sowie die Hierarchie zwischen Ärzt*innen und Patient*innen offensichtlich. Zusätzlich befinden sich kranke Menschen sowohl aufgrund ihrer Krankheit als auch aufgrund ihrer Abhängigkeit vom Gesundheitswesen in einer besonders verletzlichen Lage; Patient*innen sind ein paradigmatisches Beispiel für fragile epistemische Subjekte. Im vorliegenden Text wird zunächst skizziert inwieweit Patient*innen fragile epistemische Subjekte sind und welche Formen testimonialer und hermeneutischer Ungerechtigkeit im Gesundheitswesen besonders zum Tragen kommen. Danach wird ein besonderes Augenmerk auf die Idee gelegt, dass sogenannte „pathozentrische epistemische Ungerechtigkeiten“ durch bestimmte theoretische Vorstellungen von Gesundheit untermauert und reproduziert werden. Hierbei soll schlussendlich untersucht werden, inwieweit dieses Problem durch technische Mittel in der Medizin verstärkt oder geschwächt werden kann; so reproduzieren Algorithmen beispielsweise die vorhandenen Vorstellungen und Praktiken.
Das Zusammenwirken der Ortsbeiräte mit der Stadtverwaltung und der Stadtverordnetenversammlung
(2021)
Seit zwei Jahren arbeiten die Werkstätten der Wirtschaftsregion Lausitz an der Projektauswahl und -qualifizierung für die Strukturstärkungsmittel. Wir haben uns gefragt: Wie geht es Vertreter*innen aus Lausitzer Städten und Gemeinden auf diesem Neuland? Was brauchen sie, um der zentralen Rolle gerecht zu werden, die das Strukturstärkungsgesetz für sie vorgesehen hat? Und wo können wir als politische Vertreter*innen aktiv werden, um Hindernisse aus dem Weg zu räumen?
Dafür ist Prof. Dr. Franzke in den letzten Monaten mit Lausitzer*innen ins Gespräch gekommen. Der vorliegende Bericht soll – als Momentaufnahme – erste Antworten liefern. Wir stehen am Anfang eines langandauernden Transformationsprozesses. Auf manche Fragen gibt es noch keine Antworten und auf andere wird sich die Antwort im Laufe der Zeit womöglich ändern. Das ist auch in Ordnung. Denn in einem sich stetig wandelnden Prozess lernen wir, mit sich stetig wandelnden Antworten zu leben.
Land Brandenburg
(2021)
Das über 860 Jahre alte deutsche Land BB liegt im Nordosten Ds zwischen Elbe und Oder. Es umschließt die Bundeshauptstadt BE, die als Einheitsgemeinde zugleich ein eigenes Land bildet. Potsdam als Landeshauptstadt ist mit 176.000 E. die größte Stadt in BB. Mit 29.482 qkm (8,3 % von D) zählt die Mark zu den flächenreichsten Bundesländern.
Demokratie und politische Bildung stehen in einem sich zugewandten Verhältnis. Doch folgt daraus, dass politische Urteile stets demokratisch sein müssen? Der Beitrag diskutiert diese Frage vor dem Hintergrund der derzeitigen Debatte um antidemokratische Bewegungen in der Gesellschaft, der Rolle politischer Bildung als Förderin von Demokratie und der individuellen Herausforderung für Lehrpersonen in der Unterrichtspraxis.
Qualitative Inhaltsanalyse
(2021)
Die qualitative Inhaltsanalyse dient als Auswertungsinstrument für Textmaterial, kann aber auch für die Analyse von Ton- und Bildmaterial genutzt werden. Anders als die quantitative Inhaltsanalyse zielt sie darauf ab, dem Material auch Informationen zu entnehmen, auf die ausschließlich interpretativ geschlossen werden kann. Die qualitative Inhaltsanalyse knüpft an die hermeneutische Tradition des Verstehens an. Der Verstehensprozess wird jedoch in einen vordefinierten, theorie- und regelgeleiteten Forschungsablauf gebettet, um dem wissenschaftlichen Anspruch an Systematik und Intersubjektivität nachzukommen.
Integration von Zuwanderern
(2023)
Dieses Kapitel befasst sich mit der Beziehung zwischen der öffentlichen Meinung zur Migration und der Medienberichterstattung darüber. Verschiedene Erklärungsmodelle, darunter individuelle Merkmale, kulturelle Faktoren und der Einfluss von Medien und Politik, wurden vorgeschlagen, um die Einstellung der Öffentlichkeit gegenüber Migranten zu erklären. Es ist wichtig, den lokalen Kontext zu verstehen, da der Anteil der in den einzelnen Regionen und Städten lebenden Migranten sehr unterschiedlich ist. Die Bereitstellung korrekter statistischer Informationen, die Hervorhebung der Vielfalt der aktuellen Migrationsmuster in Europa und die Teilnahme an Medien- und öffentlichen Diskussionen sind Möglichkeiten, um die öffentliche Meinung auf lokaler Ebene zu beeinflussen.
Deutschland
(2023)
Das Kapitel beginnt mit einem kurzen historischen Überblick über den Übergang Deutschlands im 20. und 21. Jahrhundert von einem Transit- und Auswanderungsland zu einem Einwanderungsland. Der nächste Teil des Kapitels befasst sich mit den Herausforderungen und Problemen der deutschen Einwanderungspolitik in einem föderalen Mehrebenensystem. Abschließend analysiert das Kapitel einige Trends in der deutschen Migrationspolitik seit der Flüchtlingskrise 2015, wie etwa Veränderungen im Parteiensystem und in den Konzepten, die der Migrationspolitik zugrunde liegen, um die Zuwanderung nach Deutschland besser zu steuern, zu kontrollieren und zu begrenzen.
Dieses Buch gibt einen Überblick über die europäische Migrationspolitik und die verschiedenen institutionellen Arrangements innerhalb und zwischen verschiedenen Akteuren wie Kommunalverwaltungen, lokalen Medien, lokaler Wirtschaft und lokalen zivilgesellschaftlichen Initiativen. Sowohl die Rolle der lokalen Behörden in diesem Politikfeld als auch ihre Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Initiativen oder Netzwerken sind noch zu wenig erforschte Themen der Forschung. Als Antwort darauf bietet dieses Buch eine Reihe von detaillierten Fallstudien, die sich auf die sechs Hauptgruppen nationaler und administrativer Traditionen in Europa konzentrieren: Germanische, skandinavische, napoleonische, südosteuropäische, mittelosteuropäische und angelsächsische.
AUKUS und die strukturellen Veränderungen der sicherheitspolitischen Lage im indo-pazifischen Raum
(2022)
„Zur rechten Zeit“ ist ein flüssig geschriebenes, gut lesbares und an ein breites Publikum gerichtetes Sachbuch. Es will die Geschichte der Bundesrepublik „unter dem Eindruck der gegenwärtigen rechten Konjunktur anders denn als gängige Erfolgsgeschichte“ (S. 10) erzählen. Die Autorinnen und Autoren sind nicht bestrebt, das Erfolgsnarrativ radikal zu dekonstruieren und damit den Forschungsertrag der Zeitgeschichtsschreibung zu ignorieren, wohl aber rekonstruieren sie Abschattungen und Brüche, die zeigen, dass der Prozess weniger geradlinig war als häufig angenommen – und dass seine Ergebnisse nicht irreversibel sind.
The successful Austrian pop-musician Andreas Gabalier has devoted several of his songs to his Styrian homeland. Gabalier's work and performance has often been per-ceived as nationalist. When analyzing some of his lyrics, an astonishing observation can be made: Most references to the »homeland« are backward-looking. This article argues that the remarkable lack of a national »future« in Gabalier's work is charac-teristic for contemporary nationalist manifestations, not only in popular culture, but also in ideologies and politics. The article introduces a new typology of nationalist movements. With regard to the character of the related nation-state, three types are discussed: »constructive nationalism« whereby the nationalist movement strives for a future sovereign nation state; »maintaining nationalism« wherein a nation state already exists; and »reconstructive nationalism« where nationalists believe that the nation state has lost its independence, sovereignty, and freedom in the course of globalization and hope for a reconstruction. However, these types are defined here as »ideal types« in a Weberian sense and will hardly be found in their »pure« forms in history or social reality.
Deutsche Bürger
(2021)
Vorwort
(2021)
Brandenburg ist das einzige ostdeutsche Bundesland, in dem die SPD seit 1990 durchgängig die Regierung führt. Dennoch hat Brandenburg den höchsten Anteil rechts motivierter Gewalttaten – und immer wieder feiern hier rechte Parteien bemerkenswerte Erfolge. In vier von sieben Legislaturperioden bildeten sie sogar Fraktionen im Landtag. Renommierte Fachleute aus Politik- und Sozialwissenschaften analysieren in diesem Band die politische Kultur des Bundeslands und die Landschaft der Rechtaußenparteien in den Jahren 1990 bis 2020 und stellen dabei Kontinuitäten wie Brüche heraus. Gegenstand der Betrachtung sind neonazistische Kleinparteien, nicht mehr bestehende Parteien wie die DVU, frühe populistische Experimente wie die Schill-Partei, aber auch die jüngste Rechtsaußenpartei, die AfD, die zugleich auch die bisher erfolgreichste ist. Biographische Informationen Gideon Botsch, Prof. Dr. phil., geboren 1970, ist Politikwissenschaftler und leitet die Emil Julius Gumbel Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus an der Universität Potsdam. Seit 2018 ist er Außerplanmäßiger Professor an der Universität Potsdam. Christoph Schulze, Dr., geboren 1979, studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft und Soziologie in Berlin. Er ist am Moses Mendelssohn Zentrum Potsdam in der Rechtsextremismusforschung tätig.
Antisemitismus
(2023)
Ist Antisemitismus ein Rassismus, der sich gegen Jüdinnen und Juden richtet? Nein, er ist ein eigenständiges Phänomen, zu dessen Besonderheiten gehört, dass er häufig mit einem System der Weltverschwörung verknüpft wird. Doch es gibt rassistischen Antisemitismus. Auch die Shoah basierte auf einer rassistischen Einteilung von Menschen.
Der homo oeconomicus als einziges Leitbild der Gesellschaft – Der vorliegende Beitrag stellt die Frage, wie ein Verständnis der neoliberalen Subjektivierung als Grundlage für die sozioökonomische Bildung dienen kann, um einer Entwicklung zu einer marktkonformen Demokratie entgegenzuwirken. Ausgehend von Foucaults Vorlesungen zur Biopolitik und Browns aktueller Analyse zum Neoliberalismus wird ein soziologischer Erklärungsansatz formuliert, der das Menschenbild des homo oeconomicus als strukturelles Element unserer Gesellschaft begreift. Mit Bezug auf die besondere Rolle der neoliberalen Rationalität erläutert der Beitrag Sichtweisen, die in dieser Entwicklung ein Ende der liberal-demokratischen Ordnung sehen. Im zweiten Teil wird im Sinne der immanenten Kritik eine ideologiekritische Analysekompetenz skizziert, welche die soziale Wirklichkeit mithilfe von Schlüsselproblemen an eine gesellschaftskritische Perspektive koppelt. Ziel ist es, exemplarisch „gesellschaftliche Ordnungsgrundlagen“ (Salomon 2014) herauszufordern, um letztlich das übergeordnete Ziel einer Mündigkeit der Subjekte zu erreichen.
Holocaust Education
(2020)
Warten auf den Tag X
(2022)
"Come together in Rostock"
(2023)
Taten statt Worte
(2023)
Rechte Gewalt
(2023)
Die rechtsextremen Ausschreitungen und Gewalttaten der frühen 1990er-Jahre mit zahlreichen Todesopfern fanden international hohe Aufmerksamkeit. Nachdem präventive und repressive Maßnahmen sowie Interventionen der Zivilgesellschaft zunächst erfolgreich waren und die Übergriffe abzuebben schienen, wechselten sich in den folgenden Jahrzehnten Phasen mit hoher und nachlassender Intensität der Gewalt ab. Dennoch blieb die rechtsextreme Bedrohung alltäglich. Rechte Gewalt gehört bis heute zur Realität gesellschaftlichen Zusammenlebens.
Die Beiträge des Bandes untersuchen Phasen und Erscheinungsformen rechter Gewalt am Beispiel des Landes Brandenburg, darunter die Skinheadattacken in der Spätphase der DDR, Krawalle an der polnischen Grenze, Angriffe gegen KZ-Gedenkstätten sowie jüngere Entwicklungen antisemitischer und rassistischer Exzesse. Ebenso steht die Gegenwehr zivilgesellschaftlicher Akteure im Zentrum der Analysen. Besondere Aufmerksamkeit gilt den Betroffenen rechter Gewalt.
Vorwort
(2023)
Sinnlose Gewalt?
(2023)
Die Folgen der Wachstumsideologie der kapitalistischen Ökonomie, die nicht nur in den westlichen Industriestaaten bestimmend sind, sind spätestens seit nunmehr 50 Jahren wohl bekannt (vgl. Meadows, Dennis et al. 1972): Wir stellen eine gigantische Vernichtung von Arten und Lebensräumen fest, die eng verknüpft mit unserem konsumistischen Lebensstil ist. Dabei geht die Weise zu arbeiten, zu wirtschaften und Ressourcen zu verbrauchen mit einer Entfremdung von der Natur und von sich selbst einher. Zugleich gefährden wir mit unserem Lebensstil nicht nur unsere eigene Existenz – die gesamte Thematik ist für Menschen, andere Tiere sowie Flora existentiell.
An die Revolution 1848/49 wird als wesentliches Ereignis deutscher Demokratiegeschichte erinnert; die Beteiligung von Frauen nimmt jedoch bis heute im kollektiven Gedächtnis einen untergeordneten Stellenwert ein. Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich aus diesem Grund spezifisch mit der Rolle der Frauen in der Revolution 1848/49 und bietet Anregungen für die Integration des Themas in den Politikunterricht.
Wie die Ergebnisse der Arbeit verdeutlichen, nutzten zahlreiche Frauen die Aufbruchsstimmung der 1840er Jahre, um sich auf verschiedene Arten und Weisen politisch zu engagieren. Zwar blieben viele dabei innerhalb der dichotomen Geschlechterteilung verhaftet, welche auf dem sich im 19. Jahrhundert herausbildenden bürgerlichen Geschlechtermodell beruhte. Einige überschritten diese Grenzen jedoch trotz harter Sanktionen auch bewusst.
Sichtbar wird, dass die weibliche Beteiligung zu diesem Zeitpunkt noch nicht zur grundsätzlichen Infragestellung der Geschlechterpolarität führte, aber die Frauen zunehmend den öffentlichen Raum auch für sich beanspruchten und damit die Grundlagen für die deutsche Frauenbewegung der folgenden Jahrzehnte schufen.
Die schulische Thematisierung der Rolle der Frauen in der Revolution 1848/49 bietet sich sowohl im Geschichts- und Politikunterricht als auch fächerübergreifend hinsichtlich vielfältiger Anknüpfungspunkte an. Die Integration des Themas in den Unterricht kann insbesondere dazu beitragen, das historische Erbe der Anfänge der Frauenbewegung zu bewahren, und es zudem für die Vermittlung demokratischer Werte nutzbar machen.
Das Verhältnis von Gemeinwohl und Gleichheit ist kein spannungsfreies. Soziale Gleichheit ist ein Grundwert liberal-demokratischer Gemeinwesen. Um diese Gleichheit zu bewahren, entwickelten sich im 20. Jahrhundert Konzeptionen von Gemeinwohl, die versuchten, das Gemeinwohl eher prozedural und pluralistisch zu verstehen. Eine zu spezifische, vorher festgelegte Definition des Gemeinwohls sei letzten Endes undemokratisch und ideologisch und somit der sozialen Gleichheit abträglich. In den letzten Jahren haben sich unter dem Oberbegriff des sozialen Egalitarismus jedoch auch die Vorstellungen der sozialen Gleichheit verändert, hin zu einem substanzielleren Verständnis, was die Frage aufwirft, ob prozedurale Gemeinwohlverständnisse ihrer Rolle als Wächter der Gleichheit immer noch gerecht werden können.
In diesem Beitrag untersuchen wir den Zusammenhang zwischen staatlicher Regulierung im Umweltschutz und der Umweltperformanz. Ausgehend von drei theoretischen Perspektiven, welche die Beziehung von Staat und Markt beim Umweltschutz unterschiedlich konzeptualisieren, identifizieren wir fünf Pfade, wie staatlicher Eingriff und Umweltperformanz miteinander verknüpft sein könnten. Wir untersuchen dann die empirische Relevanz dieser Pfade mit einer quantitativen Analyse, die 29 umweltpolitische Maßnahmen in für 37 Länder und den Zeitraum von 1970 bis 2010 umfasst. Dabei finden wir zumindest für einige Politikbereiche und einige Länder Hinweise, die auf eine Effektivität nationalstaatlicher Regulierung hinweisen. Zukünftige Forschung kann auf unserem Rahmen aufbauen, um weitere Hypothesen zum Policy-Outcome-Nexus zu generieren und zu testen.
Obwohl seit der Finanzkrise 2008 systemische Finanzrisiken das Objekt zahlreicher wissenschaftlicher Studien waren, hat die Frage, unter welchen Bedingungen und Umständen die Auferlegung eines systemischen Finanzrisikos moralisch unzulässig ist, bisher kaum Beachtung gefunden. Ziel dieses Aufsatzes ist es, eine Reihe von normativen Kriterien für die Einschätzung der moralischen Unzulässigkeit von systemischen Risiken zu entwickeln. Darüber hinaus wird argumentiert, dass staatliche und andere relevante Institutionen zwei zentrale Pflichten hinsichtlich des Umgangs mit systemischen Finanzrisiken haben: eine Schutzpflicht gegenüber allen Bürger*innen und eine Sorgfaltspflicht, um die diesen Institutionen obliegenden Kontroll- und Aufsichtsfunktionen verantwortungsvoll auszuüben.
Serene Khader ist eine der wenigen feministischen Philosoph:innen in der anglosächsischen Philosophie, die sich gezielt mit globaler Ungerechtigkeit und Imperialismus aus Sicht jener Frauen beschäftigen, die von kolonialer und kultureller Herrschaft betroffen sind. Hierbei entlarvt sie eindrucksvoll die oftmals westliche Prägung von Feminismus, Gleichstellungspolitik und Philosophie und verfolgt so das Ziel, die Autonomie und Entscheidungskraft aller Frauen anzuerkennen. So zielt Khader in Decolonizing Universalism: A Transnational Feminist Ethic auf eine Neuausrichtung der feministischen Perspektive, welche es schafft, dekolonial und anti-imperialistisch zu sein, ohne gleichzeitig dem Universalismus komplett abzuschwören. Die folgende Buchdiskussion begibt sich in eine kritische Auseinandersetzung mit Khaders interessanter wie wichtiger Theorie. Einleitend werden wir einen Überblick über Khaders Grundgedanken geben. Es schließen sich kritische Kommentare von Tamara Jugov, Mirjam Müller, Kerstin Reibold sowie Hilkje C. Hänel und Fabian Schuppert an, auf die Serene Khader abschließend antwortet.
Wie ästhetische Bildung, vom Theater ausgehend, zusammen mit politischer Bildung realisiert werden kann, wird in diesem Beitrag vorgestellt. Politiklehrer_innen bekommen einen Einblick in die didaktische Bedeutung und den Gewinn für Schüler_innen durch den außerschulischen Lernort des Theaters. Am Beispiel des antiken Schauspiels wird die Bedeutung des Theaters für politische, genauer demokratische Bildung aufgezeigt, indem dargelegt wird, wie sie die Handlungskompetenz, den Perspektivwechsel sowie die Urteilsfähigkeit einzelner positiv beeinflusst. Da diese Kompetenzen heute länderübergreifend in den Curricula festgeschrieben sind, bietet es sich an, das Theater in den Unterricht miteinzubinden. Im letzten Absatz dieses Beitrags liefert der Autor ein Beispiel für den Unterricht anhand des Schauspiels „Der Volksfeind“ von Henrik Ibsen, mithilfe dessen Politiklehrer_innen das Theater in ihren Unterricht integrieren können.
Politische Urteilsbildung
(2020)
Die Fähigkeit zum politischen Urteilen gilt als das übergeordnete Ziel politischer Bildungsbemühungen. Epistemologisch nimmt das Theorem der politischen Urteilsbildung seinen Ausgang in der Epoche der Aufklärung. Immanuel Kants Ausführungen über den Zusammenhang von Aufklärung und Mündigkeit in seiner Schrift Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? bietet eine programmatische Vorlage für die weitere Auseinandersetzung mit Mündigkeit und politischer Urteilsbildung. Der Königsberger Philosoph erklärte hierin eingangs: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“
Der Beitrag setzt sich würdigend und kritisch mit Michael Zürns Arbeiten zur internationalen Autorität auseinander. Dessen potenziell autoritatives Autoritätskonzept weist mehrere Vorzüge auf: Erstens bietet es eine Erklärung für ein Paradox. Warum sollten souveräne Staaten die Kompetenz Externer anerkennen, ihnen Ratschläge zu geben bzw. Forderungen an sie zu richten, und zudem noch bereit sein, diesen zu folgen? Zweitens konkretisiert es die u.a. bei Hannah Arendt angelegte Idee der fraglosen Anerkennung, indem es Autoritätsadressaten zugesteht, bestimmte Qualitäten der Autorität zu prüfen. Drittens entkoppelt es Legitimität und Autorität, ohne die Legitimationsbedürftigkeit von Autorität zu opfern. Dies anerkennend plädiert der Beitrag aber dafür, die Legitimationsbedürftigkeit internationaler Autorität nicht auf formal institutionalisierte Beziehungen zu reduzieren, sondern diese auch weiterhin auf informellere, d.h. der Praxis entstammende, Anerkennung und Folgebereitschaft innerhalb von Autoritätsbeziehungen zu beziehen. Die überzeugende begründungstheoretische Fundierung von Autorität sollte zudem nicht dazu verführen, Sozialisationsprozesse in Autoritätsbeziehungen zu übersehen, zumal deren Legitimität kritisch hinterfragbar ist.
In der Ausgabe Politisches Lernen 1-2|2019 setzte sich Kurt P. Tudyka mit dem Verhältnis von Theater und Politik auseinander. Er gelangte zu dem ernüchternden Resümee: „Der Anspruch, Theater sei die Schule der Nation, – soweit er überhaupt noch besteht –, müsste aufgegeben werden.“ (S. 32) In Tudykas Einführung hieß es bereits: „Eine politisierende Wirkung auf das Publikum wird bestritten.“ (S. 30) Vor diesem Hintergrund könnte bei Lehrerinnen und Lehrern der Politischen Bildung der Eindruck entstehen, ein Besuch im Theater mit Schülerinnen und Schülern sei didaktisch nicht sinnvoll. Dagegen wird im folgenden Beitrag die Auffassung vertreten, dass ein Theaterbesuch mit den Lernenden durchaus mit Erkenntnisgewinnen, seien sie politisch oder über das Politische hinausweisend, verbunden sein kann. Der Beitrag stellt eine gekürzte Fassung des Textes „Theater und politische Bildung“ dar, der in Markus Gloe / Tonio Oeftering (Hrsg.): Politische Bildung meets Kulturelle Bildung, Baden-Baden (Nomos) 2020, erscheinen wird.
Eigentlich leben wir heute im Holozän, dem Erdzeitalter, das mit dem Ende der letzten großen Eiszeit vor etwa 12.000 Jahren seinen Ausgang nahm. Doch seit geraumer Zeit ist in Wissenschaft und Öffentlichkeit die Rede vom Anthropozän als der vom Menschen bestimmten gegenwärtigen Epoche. Mit der Begriffsschöpfung soll der gravierende Einfluss des Menschen auf die Umwelt zum Ausdruck gebracht werden, der sich nicht zuletzt in der Versauerung der Meere, im Artensterben und Klimawandel äußert. Doch wie spiegelt sich diese Erkenntnis in der Politischen Bildung wider?
Zur Jahreswende 1959/60 sorgten Hakenkreuzschmierereien an jüdischen Einrichtungen in Köln und anderswo für Entsetzen und Empörung. Diese Vorkommnisse machten bewusst, was im Verlauf der 1960er Jahre zu einem Politikum für die jüngere Generation werden sollte: Die mangelnde Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit. Diese Thematik sowie der von den USA in Vietnam geführte Krieg stellten mobilisierende Faktoren für die Herausbildung einer außerparlamentarischen Opposition (APO) in der Bundesrepublik dar, die sich in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre verbreitert. Prof. Ingo Juchler beschreibt den Weg der Politischen Bildung durch die 60er Jahre und die Entwicklung hin zur sog. „didaktischen Wende“.
Region ohne Richtung
(2023)
Welche Auswirkungen wird die aufziehende Großmächtekonkurrenz also auf die regionale Sicherheitsordnung haben? Der Beitrag nähert sich dieser Frage über die regionalen Bedingungsfaktoren, die den Rahmen für jegliche Ingerenz extraregionaler Mächte bilden: Die regionalen Sicherheitskomplexe in Lateinamerika und der Karibik, einschließlich der Regionalorganisationen und Regionalmächte, sowie der Einflusssphären und Anreizsysteme der Großmächte. Am Ende wagt der Beitrag einen Ausblick auf die Entwicklung der lateinamerikanischen Sicherheitspolitik im Angesicht der Geopolitik der Großmächte. Die hier vorgestellte Kernthese wagt ein strukturelles und deshalb wenig alarmistisches Argument: Die Großmächtekonkurrenz wird die bestehende Fragmentierung der regionalen Sicherheitsordnung weiter vertiefen, doch wird die Region gleichzeitig nicht substanziell an Agency gegenüber den Großmächten verlieren. Der Schlüssel hierzu ist die außenpolitische Maxime der „gebundenen Äquidistanz“, die Dependenzen diversifiziert und damit nicht als Widerspruch, sondern als Positivsummenspiel versteht.
Im vorliegenden Beitrag steht das Zusammenspiel von institutioneller Kompetenzverteilung im föderalen Mehrebenensystem und Funktionsfähigkeit der Verwaltung im Bereich der Integrationspolitik im Zentrum. Dieser Verwaltungsbereich gewinnt zunehmend an Bedeutung, da sich für den Personenkreis der ca. 983.000 anerkannten Flüchtlinge, die länger oder dauerhaft in Deutschland bleiben werden, inzwischen neue Problemlagen ergeben, welche vor allem Fragen der Arbeitsmarktintegration, Aus- und Weiterbildung und berufsbezogenen Sprachförderung betreffen. Es wird der Leitfrage nachgegangen, welche institutionellen Strukturen und Aufgabenprofile sich im Bereich der Integrationsverwaltung im föderalen Mehrebenensystem herausgebildet haben und inwieweit diese sich als funktional und leistungsfähig oder als reformbedürftig erwiesen haben. Dabei wird auf Aspekte der Zentralisierung, Dezentralisierung und Verwaltungsverflechtung als wesentliche Institutionalisierungsoptionen eingegangen und aufgezeigt, dass in einigen Bereichen mehr Entflechtung in Form von Dezentralisierung und Aufgabenabschichtung „nach unten“ sinnvoll erscheint, während in anderen Handlungsfeldern verstärkte Bündelung und (besser funktionierende) Verwaltungsverflechtung angebracht wären.
Mit narrativen Medien lernen
(2022)
Aporien des Rechts
(2021)
Mundus vult decipi
(2021)
Die Menschen glauben, was sie glauben wollen. Betonung auf wollen. (…) Nein, der Glaube der Menschen hängt nicht von Fakten ab, nicht von Beweisen. Schlimmer noch – und das ist fast so etwas wie der zweite Teil der Erleuchtung, eine Steigerung: Man kann ihnen Fakten liefern, man kann sie widerlegen, es hilft nichts. Im Gegenteil, wer etwas glauben will, findet einen Weg! Er wird sich durch den winzigen Spalt quetschen, den die Wahrheit im lässt. Wird die Dinge so lange so drehen und wenden, bis sie wieder in seinen Glauben hineinpassen, und seine ganze Klugheit wird ihn nicht etwa daran hindern, sondern ihm noch dabei behilflich sein.
Eugen Ruge, Metropol
Toren sind, die alles loben und lieben, was im Nebel verdrehter Worte dunkel daherkommt; Toren, die für wahr halten, was ihnen eingefärbt durch wohltönende Phrasen, reizvoll die Ohren kitzelt.
Lukrez, Über die Natur der Dinge
Ein Volkskanzler
(2021)
Wie Grundrechte unter den Augen aller ausgehöhlt und umgebaut werden, wie kurz der Weg von der Demokratie zur Diktatur ist, zeigt Maximilian Steinbeis‘ Gedankenexperiment »Ein Volkskanzler« in sechs Schritten. Auf der Grundlage seines Essays hat er ein Theaterstück verfasst, das bereits auf vielen Bühnen gespielt und nun auch als Kammerspiel verfilmt wurde.
Die didaktische Handreichung unterstützt Lehrerinnen und Lehrer bei der Einbettung des Theaterstücks oder der Verfilmung von »Ein Volkskanzler« im Unterricht.
Ingo Juchler setzt sich am Beispiel des Romans „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“ (1999) von Thomas Brussig mit „Groteske und Satire im DDR-Roman als didaktische Momente in der politischen Bildung“ auseinander. Nach der Einführung in den Roman erörtert er dessen politischen Sinngehalt, den er in der Auseinandersetzung mit den literarischen Leitfiguren des Romans, Friedrich Schiller und Jean-Paul Sartre, im besonderen Wert der Freiheit findet. Den Toten der Berliner Mauer, die davon Zeugnis geben, setzt Juchler im abschließenden Kapitel ein Denkmal.
Typen von Forschungsdesigns
(2022)
Sozialwissenschaftliche Forschungsdesigns umfassen alle wesentlichen Entscheidungen, die im Forschungsprozess getroffen werden müssen. Der Beitrag unterscheidet drei rundlegende Typen von Forschungsdesigns: x-zentriert, y-zentriert und kontrastiv. Das x-zentrierte Design versucht einen theoretisch spezifizierten kausalen Effekt zu identifizieren und dessen Größe möglichst genau und ohne Verzerrungen zu schätzen. Das y-zentrierte Design versucht mehrere komplementäre Theorien über kausale Effekte so zu kombinieren, dass bestimmte Phänomene möglichst gut erklärt werden. Das kontrastive Design vergleicht die Erklärungskraft von zwei oder mehr konkurrierenden Theorien. Die Unterscheidung der drei Typen ist für qualitative Fallstudien ebenso relevant wie für Experimente oder statistische Studien mit Beobachtungsdaten. Der Beitrag grenzt die drei Typen voneinander ab, erklärt ihre jeweiligen Annahmen und diskutiert ihre Vor- und Nachteile sowie die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Kombination. Daneben diskutiert er den Unterschied zwischen Modellen und Theorien sowie die Bedeutung des Sparsamkeitsprinzips bei der Entwicklung und Bewertung wissenschaftlicher Theorien und Erklärungen.
Der Beitrag widmet sich zwei überaus fruchtbaren theoretischen Ansätzen in der Policy-Forschung und darüber hinaus: der Vetospielertheorie und Vetopunkt-Ansätzen. Neben den Grundzügen beider Ansätze stellen wir grundlegende Entwicklungslinien und Probleme dieser Literaturen anhand beispielhafter Studien dar. Es zeigt sich, dass beide Ansätze teils kontroverse Annahmen treffen, zu denen es plausible Alternativen gibt. Zum Beispiel kann das Verhalten von Koalitionsparteien im Policy-Prozess anders als von der Vetospielertheorie angenommen modelliert werden. Die kausalen Effekte bestimmter Institutionen oder Vetopunkte können zudem je nach Kontext variieren. Diesem Kontext sollte größere Beachtung geschenkt werden.
Zwischen Modellierung und Stakeholderbeteiligung - Wissensproduktion in der Energiewendeforschung
(2023)
Die Dekarbonisierung des Energiesystems ist Teil der international im Rahmen des Pariser Klimaabkommens beschlossenen CO2-Minderungsstrategie zur Bekämpfung des Klimawandels. Nach den Verhandlungen und Beschlüssen der Klimaziele stehen politische Entscheider weltweit nun vor der Frage, wie sie diese erreichen können. Dies produziert eine hohe politische Nachfrage nach Wissen um die direkten und indirekten Effekte verschiedener Instrumente und potentiellen Entwicklungspfade einer Energiewende. Dieser gesellschaftliche Bedarf an wissenschaftlichen Antworten zu Lösungsoptionen wurde im Rahmen einer Klimafolgenforschung, genauer einer Klimapolitikfolgenforschung, aufgenommen. Der relativ neue Zweig einer Energiewendeforschung hat sich weltweit entwickelt, steht dabei allerdings vor der doppelten Herausforderung: Erstens befindet sich das Objekt der Forschung nicht im luftleeren Raum, sondern innerhalb ökonomischer, sozialer und politischer Zusammenhänge, hier gesellschaftliche Einbettung genannt. Denn die Frage, wie die Energiewende erreicht werden kann, wird auch außerhalb der Wissenschaft debattiert und stellt damit ein Aushandlungsfeld unterschiedlicher Interessen und Narrative dar. Zweitens befindet sich das zu untersuchende Objekt in der Zukunft, hier unter dem Terminus des strukturellen Nicht-Wissens zusammengefasst. Diese beiden Bedingungen führen dazu, dass konventionelle Methoden der empirischen Sozialforschung nicht greifen und eine Öffnung und Transformation der Wissenschaft in Hinblick auf neue Methoden vonnöten ist (Nowotny 2001, Ravetz 2006, Schneidewind 2013). In dieser Arbeit untersuche ich zwei Möglichkeiten, wie mit der Herausforderung, Wissen unter der Bedingung des strukturellen Nicht-Wissens und der gesellschaftlichen Einbettung zu produzieren, in der Energiewendeforschung umgegangen wird. Einerseits wird dies durch die Einbeziehung von Stakeholdern, also nicht-wissenschaftlicher Akteure, in den Forschungsprozess getan. Andererseits ist die Nutzung von komplexen ökonometrischen Modellen zur Berechnung von Implikationen und energiewirtschaftlichen Entwicklungspfaden zu einem zentralen Mittel der Wissensgenerierung in der Energiewendeforschung avanciert. Damit wird der als Problem verstandenen strukturellen Bedingung des Nicht-Wissens insofern begegnet, als dass die Ergebnisse von Stakeholder-Involvement und von Modellierungsarbeiten zweifelsohne neues Wissen zur Verfügung stellen. Uneinigkeit besteht jedoch darin, worüber dieses Wissen etwas aussagt: Sind es Interessen oder legitime Perspektiven, die Stakeholder in den Forschungsprozess einbringen und sind Modelle vereinfachte Darstellungen der Welt oder sind sie Ausdruck der Vorstellung des Modellierers?
Die vorliegende Arbeit geht der Fragestellung nach, inwiefern der Beutelsbacher Konsens in einem ausgewählten Schulbuch für den Politikunterricht in der Sekundarstufe I in Brandenburg berücksichtigt wird. Um sich dieser Frage anzunähern, werden zunächst die drei Grundsätze des Konsenses wiedergegeben: das Überwältigungsverbot, das Kontroversitätsgebot und die Schülerorientierung. Da der Konsens, auch wenn er von einem Großteil der Fachdidaktikerinnen und Fachdidaktiker geteilt wird, immer wieder Gegenstand von Diskussionen ist, werden in einem ersten Schritt Ansätze zur Aktualisierung bzw. Erweiterung dargestellt und anschließend aktuelle Streitpunkte aufgezeigt. In einem kurzen Zwischenfazit wird dann ein für die Schulbuchanalyse unabdingliches, eindeutiges Verständnis des Konsenses entwickelt.
Im folgenden Schritt wird die Rolle von Schulbüchern als Lehr- und Lernmedien diskutiert. Dabei steht insbesondere die Frage im Zentrum, weshalb sich gerade Schulbücher für eine Analyse im Rahmen der vorliegenden Arbeit eignen. Vor diesem Hintergrund wird das Konzept der Schulbuchanalyse vorgestellt. In diesem Rahmen werden der Untersuchungsschwerpunkt (Kontroversitätsgebot) und der Untersuchungsgegenstand (Kontroverse um Migration und Integration) eingegrenzt. In der Folge wird das Schulbuch Politik und Co. 1 mithilfe des erarbeiteten Untersuchungsinstruments (Kodierleitfaden) analysiert. Zudem werden die Ergebnisse pointiert und die gewählte Vorgehensweise reflektiert.
Der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Praxis der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) nach Art. 11 Abs. 4 EUV, dem weltweit ersten und einzigen Instrument transnationaler, partizipativer und digitaler Demokratie. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Frage, welchen Beitrag die EBI zur weiteren Demokratisierung der EU leisten kann und auf welche Art und Weise insoweit noch weitere Verbesserungen erzielt werden können. Nach zehnjähriger Anwendungspraxis von 2012 bis 2022 liegen inzwischen ausreichend empirische Daten vor, um den Forschungsgegenstand umfassend zu erforschen und das Instrument mit Blick auf seinen von den EU-Institutionen versprochenen Legitimations- und Demokratisierungsbeitrag bewerten zu können. Insbesondere wird das EBI-Verfahren in dieser Arbeit auf seine empirisch nachweisbare Nutzung, auf seine prozedurale Nutzerfreundlichkeit sowie auf seine politische wie rechtliche Wirkmächtigkeit untersucht. Zum Zwecke der korrekten Kategorisierung, Bewertung sowie der nutzerfreundlichen Ausgestaltung des EBI-Verfahrens werden Vergleiche mit Bürger- und Volksinitiativverfahren in den EU-Mitgliedstaaten sowie mit Bürgerbeteiligungsverfahren auf EU-Ebene vorgenommen. Den empirischen und komparativen Analysen werden eine historische Analyse über die Genese der EBI seit dem EU-Verfassungskonvent sowie theoretisch-normative Überlegungen und praktische Untersuchungen zu unterschiedlichen beteiligungszentrierten Demokratiemodellen vorangestellt, um die EBI einzuordnen und die Steigerungsmöglichkeiten ihres Demokratisierungsbeitrags zu erschließen. Letzteres zielt schließlich auf die Frage nach der prozeduralen Kombination und Kompatibilität der EBI mit demokratischen Innovationen aus dem Bereich der deliberativen und direkten Demokratie ab. Die Arbeit schließt mit einem Ausblick und unterbreitet umfassende EBI-Reformoptionen sowohl auf der primär- und sekundärrechtlichen als auch auf der informellen Ebene.