320 Politikwissenschaft
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Christoph Sebastian Widdau leistet mit seinem Buch einen innovativen Beitrag zur Cassirer-Forschung, zu den Leibniz-Studien und zur Begründung der Menschenrechte. Er wirft ein ideengeschichtlich und philosophisch neues Licht auf die 'Natur' im Naturrecht, die kulturelle Bedeutung des Individuums und den Pluralismus politischer Ordnungen. Mit 'Cassirers Leibniz' zeigt Widdau auf, dass Menschenrechte kein beliebiger Zusatz zur Kultur, sondern vielmehr kulturkonstitutiv sind.
Heute sind die Themen Frauen und Frieden auf der Ebene der Sicherheitspolitik der Vereinten Nationen als Resultat von Resolution 1325 (2000) eng miteinander verbunden. Welche rechtlichen und tatsächlichen Konsequenzen haben sich aus dieser Entwicklung einerseits für die Arbeit der Vereinten Nationen selbst, andererseits für die Mitgliedstaaten ergeben und wie steht es um ihre Umsetzung? Die Studie zeichnet die WPS-Agenda nach und diskutiert die diesbezüglichen Aktivitäten der Vereinten Nationen. Die Umsetzungsmaßnahmen Deutschlands werden im Anschluss untersucht und bewertet.
Die Finanzkrise der Kommunen beruht auch auf der Übertragung staatlicher Aufgaben ohne entsprechenden finanziellen Ausgleich. Davor sollen nun das grundgesetzliche Aufgabenübertragungsverbot vom Bund auf die Kommunen und die landesverfassungsrechtlichen Konnexitätsregeln beim Transfer vom Land auf die Kommunen schützen. Zwar ist anerkannt, dass diese Vorschriften für Sachaufgaben gelten. Doch ist streitig, ob dies auch für die Auferlegung von Finanzierungspflichten zu gelten hat.
Der Autor vergleicht die landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen in ihrer Auslegung durch das jeweilige Landesverfassungsgericht und arbeitet unter besonderer Berücksichtigung der nordrhein-westfälischen Rechtslage heraus, dass die Übertragungsvorschriften nicht umgangen werden dürfen. Übertragung einer Sachaufgabe und Auferlegung einer Finanzierungspflicht sind funktionell gleichwertig und beide konnexitätsrelevant.
Der Autor ist Direktor des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Universität Potsdam.
Das Mitverwaltungsmodell
(2016)
Demographischer Wandel einerseits und zunehmende Aufgaben andererseits erzwingen bei finanzieller Notlage kommunale Reformen. Vielfach antworten die Landesgesetzgeber auf diesen Reformbedarf mit immer größeren kommunalen Einheiten. Um dieser „Flucht in die Einheitsgemeinde“ entgegenzuwirken, entwickelt der Verfasser das Mitverwaltungsmodell: Eine Gemeinde bleibt zwar rechtlich selbstständig, bedient sich aber der hauptamtlichen Verwaltung einer anderen Gemeinde. Die Möglichkeit einer solchen öffentlich-rechtlichen Geschäftsbesorgung wird unter Wahrung der Selbstverwaltungsgarantie beider Gemeinden entfaltet. Die notwendigen gesetzlichen Bestimmungen und vertraglichen Regelungen werden entworfen. Dieses Modell soll im Rahmen der Brandenburgischen Verwaltungsstrukturreform umgesetzt werden und kann auch anderen Ländern als Vorbild dienen.
Der Autor ist Direktor des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Universität Potsdam.
Ivo Lormes zeigt, dass der Kommunalisierungstrend in der
Energieversorgung als Indikator eines zukunftsgerichteten Zeitalterskommunal(-energie-)wirtschaftlicher Betätigung gedeutet werden kann.
Die sich dabei manifestierende neue Qualität institutioneller Arrangements interpretiert er als Indiz für eine ‚Gewährleistungskommune 2.0‘. Neben einer Analyse der seit 2005 in Deutschland erfolgten Stadtwerke-Gründungen werden in seinem Buch erstmals die im Rahmen dieser Kommunalisierungen ablaufenden politischen Prozesse fallstudienvergleichend untersucht. Dadurch wird eine systematische Ermittlung der Einflussfaktoren zu der Frage ermöglicht, warum manche Kommunen ihre Energieversorgung kommunalisieren und andere nicht.
Die Annäherung von Entwicklung und Sicherheit seit Beginn der 1990er Jahre gilt in Teilen der Fachöffentlichkeit als wesentliches Merkmal einer zunehmenden Eigennutz- und Interessenorientierung der deutschen Entwicklungspolitik nach Ende des Ost-West-Konflikts. Den Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung bildete die Skepsis gegenüber diesem Befund eines Wandels deutscher Entwicklungspolitik weg von moralischen Begründungszusammenhängen und hin zu nationaler Interessenpolitik seit Beginn der 1990er Jahre. Diese Skepsis begründet sich in der Annahme, dass die bisherige Kritik gegenüber einer möglichen Versicherheitlichung von Entwicklungspolitik die Rolle von eigennutzorientierten Interessen als erklärendem Faktor überbetont und gleichzeitig ideellen Strukturen und deren möglichem Wandel als konstitutivem Faktor für politische Prozesse zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. Die Forschungsfrage lautet dementsprechend: Kann die deutsche Entwicklungspolitik im Lichte der Verknüpfung von Entwicklung und Sicherheit als zunehmend interessenorientiert gedeutet werden und hat sich damit ein grundlegender Politikwandel vollzogen?
Theoretisch knüpft die Arbeit an die konstruktivistisch-orientierte Forschung im Thema Entwicklung und Sicherheit an und entwickelt diese weiter. Für die Herleitung der theoretischen Position wird auf konstruktivistische Überlegungen in den Theorien der Internationalen Beziehungen rekurriert. Im Vordergrund stehen dabei jene Ansätze der Internationalen Beziehungen, die die konstruktivistische Wende nicht nur ontologisch, sondern auch epistemologisch vollziehen und der Rolle von Sprache besondere Aufmerksamkeit schenken. In empirischer Hinsicht wird die Verknüpfung von Entwicklung und Sicherheit in der deutschen staatlichen Entwicklungspolitik anhand von Interpretationen dieser Verknüpfung im Agenda-Setting und in der Politikformulierung untersucht. Der Untersuchungszeitraum der empirischen Analyse beläuft sich auf die Amtsjahre der SPD-Politikerin Heidemarie Wieczorek-Zeul als Bundesministerin für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, nämlich 1998 2009. Der Datenkorpus der Untersuchung in Agenda-Setting und Politikformulierung umfasst über 50 Reden von Mitgliedern der Bundesregierung sowie ausgewählte offizielle Politikdokumente, in denen relevante Textpassagen enthalten sind. Die beispielhafte Untersuchung der Institutionalisierung im Lichte der Verknüpfungen von Entwicklung und Sicherheit bezieht sich auf weitere Primär- und Sekundärquellen.
Auf der Grundlage der empirischen Analyse wird deutlich, dass unterschiedliche Interpretationen in der staatlichen deutschen Entwicklungspolitik hinsichtlich der Verknüpfung von Entwicklung und Sicherheit über den Untersuchungszeitraum 1998 - 2009 nachgezeichnet werden können. Bemerkenswert ist dabei insbesondere die diffuse Vielfalt der Konstruktionen des Sicherheitsbegriffs. Außerdem wird anhand der empirischen Untersuchung nachgezeichnet, dass zum Teil erhebliche Unterschiede bestehen zwischen den Verknüpfungen von Entwicklung und Sicherheit auf der ressortübergreifenden Ebene einerseits und der entwicklungspolitischen Ebene andererseits. Auch die beispielhafte Diskussion von Meilensteinen der institutionalisierten Entwicklungspolitik bestätigt diese Varianzen, die durch die nuancierte Analyse sprachlicher Konstruktionen sichtbar gemacht werden konnte. Ausgehend vom empirischen Ergebnis der Varianz und Variabilität der Begründungsmuster für die Verknüpfungen von Entwicklung und Sicherheit ist es nunmehr möglich, Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Forschungsfrage zu ziehen: Ist deutsche Entwicklungspolitik im Lichte der Verknüpfung von Entwicklung und Sicherheit zunehmend eigennutz- und interessenorientiert?
In den Anfangsjahren von Wieczorek-Zeul spielen normative Aspekte wie Gerechtigkeit und Frieden im Zusammenhang mit der Genese des Themenfelds Frieden und Sicherheit eine wichtige Rolle. Prägend für die Politikformulierung sind dabei vor allem die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Globalisierung, die den Ausgangspunkt für die Formulierung der von Wieczorek-Zeul geprägten Globalen Strukturpolitik bilden. Eine Eigennutzorientierung im realistischen Sinne scheint nur dann präsent, wenn es um unser Interesse der Wohlstandssicherung geht. Entwicklungspolitische Friedenförderung und Krisenpräventionen dienen dazu, die ökonomischen Kosten von Kriegen zu verringern und leisten einen Beitrag zur Vermeidung von wohlstandsgefährdender Migration. Es wird auf einen Sicherheitsbegriff rekurriert, der die Menschliche Sicherheit der Bevölkerung in den Entwicklungs- und Transformationsländern in den Vordergrund stellt. Nach 9/11 verschieben sich die sprachlichen Konstruktionen weg von unserem Wohlstand und dem Frieden weltweit in Richtung unsere Sicherheit. Artikulierte Eigennutzorientierung mit Bezug auf Sicherheit gewinnt an Dominanz gegenüber moralischen Begründungszusammenhängen. Diese Entwicklung lässt sich vor allem im Rahmen der ressortübergreifenden Interpretationen des Zusammenhangs von Entwicklung und Sicherheit nachzeichnen. Auch bei dieser ressortübergreifenden Verschiebung lässt sich die Verknüpfung von Entwicklung und Sicherheit auf der Ebene des für die deutsche Entwicklungspolitik federführenden Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hingegen weiterhin als vorwiegend verpflichtungsorientiert deuten. Erst mit der Großen Koalition ab 2005 kann von umfassenderer Neu-Interpretation der Verknüpfung von Entwicklung und Sicherheit ausgegangen werden: Wohlstand und Sicherheit in der Welt werden nunmehr gleichermaßen als in unserem Interesse artikuliert, die neben der internationalen Verpflichtung zur Friedenssicherung als gleichwertig eingeschätzt werden können
Zusammenfassend bringen diese empirischen Ergebnisse im Lichte der theoretischen Deutung ein nuancierter es Bild hervor als in der bisherigen Forschung mit ihrem meist einseitigen Fokus auf einer zunehmenden Interessenorientierung angenommen wurde. Die ideellen Bezüge waren immer präsent als prägender Faktor für die deutsche Entwicklungspolitik, sie haben sich allerdings im Zeitverlauf verändert. Der theoretische Ertrag der Studie und die Policy-Relevanz liegen auf mehreren Ebenen. Erstens wird mit der differenzierten Untersuchung und Deutung deutscher Entwicklungspolitik im Lichte der Verknüpfungen von Entwicklung und Sicherheit die Forschung zum Thema Versicherheitlichung von Entwicklungspolitik angereichert und deren theoretische Prämissen weiterentwickelt. Zweitens leistet die Arbeit einen Beitrag zur Forschung zur deutschen Entwicklungspolitik. Mit der vorliegenden Studie wird diese oft an der Umsetzung und Praxis interessierte Forschung durch die theoretische Beschäftigung mit der Deutung deutscher Entwicklungspolitik angereichert. Dieser Beitrag ergibt sich konkret aus der Anwendung theoretischer Überlegungen der Sicherheitsstudien, aus dem konstruktivistischen Strang der Theorien der Internationalen Beziehungen (IB) sowie konzeptionellen Überlegungen aus der Policy-Forschung, die miteinander verknüpft werden.