300 Sozialwissenschaften
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In diesem Beitrag untersuchen wir den Zusammenhang zwischen staatlicher Regulierung im Umweltschutz und der Umweltperformanz. Ausgehend von drei theoretischen Perspektiven, welche die Beziehung von Staat und Markt beim Umweltschutz unterschiedlich konzeptualisieren, identifizieren wir fünf Pfade, wie staatlicher Eingriff und Umweltperformanz miteinander verknüpft sein könnten. Wir untersuchen dann die empirische Relevanz dieser Pfade mit einer quantitativen Analyse, die 29 umweltpolitische Maßnahmen in für 37 Länder und den Zeitraum von 1970 bis 2010 umfasst. Dabei finden wir zumindest für einige Politikbereiche und einige Länder Hinweise, die auf eine Effektivität nationalstaatlicher Regulierung hinweisen. Zukünftige Forschung kann auf unserem Rahmen aufbauen, um weitere Hypothesen zum Policy-Outcome-Nexus zu generieren und zu testen.
Obwohl seit der Finanzkrise 2008 systemische Finanzrisiken das Objekt zahlreicher wissenschaftlicher Studien waren, hat die Frage, unter welchen Bedingungen und Umständen die Auferlegung eines systemischen Finanzrisikos moralisch unzulässig ist, bisher kaum Beachtung gefunden. Ziel dieses Aufsatzes ist es, eine Reihe von normativen Kriterien für die Einschätzung der moralischen Unzulässigkeit von systemischen Risiken zu entwickeln. Darüber hinaus wird argumentiert, dass staatliche und andere relevante Institutionen zwei zentrale Pflichten hinsichtlich des Umgangs mit systemischen Finanzrisiken haben: eine Schutzpflicht gegenüber allen Bürger*innen und eine Sorgfaltspflicht, um die diesen Institutionen obliegenden Kontroll- und Aufsichtsfunktionen verantwortungsvoll auszuüben.
Serene Khader ist eine der wenigen feministischen Philosoph:innen in der anglosächsischen Philosophie, die sich gezielt mit globaler Ungerechtigkeit und Imperialismus aus Sicht jener Frauen beschäftigen, die von kolonialer und kultureller Herrschaft betroffen sind. Hierbei entlarvt sie eindrucksvoll die oftmals westliche Prägung von Feminismus, Gleichstellungspolitik und Philosophie und verfolgt so das Ziel, die Autonomie und Entscheidungskraft aller Frauen anzuerkennen. So zielt Khader in Decolonizing Universalism: A Transnational Feminist Ethic auf eine Neuausrichtung der feministischen Perspektive, welche es schafft, dekolonial und anti-imperialistisch zu sein, ohne gleichzeitig dem Universalismus komplett abzuschwören. Die folgende Buchdiskussion begibt sich in eine kritische Auseinandersetzung mit Khaders interessanter wie wichtiger Theorie. Einleitend werden wir einen Überblick über Khaders Grundgedanken geben. Es schließen sich kritische Kommentare von Tamara Jugov, Mirjam Müller, Kerstin Reibold sowie Hilkje C. Hänel und Fabian Schuppert an, auf die Serene Khader abschließend antwortet.
Wie ästhetische Bildung, vom Theater ausgehend, zusammen mit politischer Bildung realisiert werden kann, wird in diesem Beitrag vorgestellt. Politiklehrer_innen bekommen einen Einblick in die didaktische Bedeutung und den Gewinn für Schüler_innen durch den außerschulischen Lernort des Theaters. Am Beispiel des antiken Schauspiels wird die Bedeutung des Theaters für politische, genauer demokratische Bildung aufgezeigt, indem dargelegt wird, wie sie die Handlungskompetenz, den Perspektivwechsel sowie die Urteilsfähigkeit einzelner positiv beeinflusst. Da diese Kompetenzen heute länderübergreifend in den Curricula festgeschrieben sind, bietet es sich an, das Theater in den Unterricht miteinzubinden. Im letzten Absatz dieses Beitrags liefert der Autor ein Beispiel für den Unterricht anhand des Schauspiels „Der Volksfeind“ von Henrik Ibsen, mithilfe dessen Politiklehrer_innen das Theater in ihren Unterricht integrieren können.
Politische Urteilsbildung
(2020)
Die Fähigkeit zum politischen Urteilen gilt als das übergeordnete Ziel politischer Bildungsbemühungen. Epistemologisch nimmt das Theorem der politischen Urteilsbildung seinen Ausgang in der Epoche der Aufklärung. Immanuel Kants Ausführungen über den Zusammenhang von Aufklärung und Mündigkeit in seiner Schrift Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? bietet eine programmatische Vorlage für die weitere Auseinandersetzung mit Mündigkeit und politischer Urteilsbildung. Der Königsberger Philosoph erklärte hierin eingangs: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“
In der Ausgabe Politisches Lernen 1-2|2019 setzte sich Kurt P. Tudyka mit dem Verhältnis von Theater und Politik auseinander. Er gelangte zu dem ernüchternden Resümee: „Der Anspruch, Theater sei die Schule der Nation, – soweit er überhaupt noch besteht –, müsste aufgegeben werden.“ (S. 32) In Tudykas Einführung hieß es bereits: „Eine politisierende Wirkung auf das Publikum wird bestritten.“ (S. 30) Vor diesem Hintergrund könnte bei Lehrerinnen und Lehrern der Politischen Bildung der Eindruck entstehen, ein Besuch im Theater mit Schülerinnen und Schülern sei didaktisch nicht sinnvoll. Dagegen wird im folgenden Beitrag die Auffassung vertreten, dass ein Theaterbesuch mit den Lernenden durchaus mit Erkenntnisgewinnen, seien sie politisch oder über das Politische hinausweisend, verbunden sein kann. Der Beitrag stellt eine gekürzte Fassung des Textes „Theater und politische Bildung“ dar, der in Markus Gloe / Tonio Oeftering (Hrsg.): Politische Bildung meets Kulturelle Bildung, Baden-Baden (Nomos) 2020, erscheinen wird.
Eigentlich leben wir heute im Holozän, dem Erdzeitalter, das mit dem Ende der letzten großen Eiszeit vor etwa 12.000 Jahren seinen Ausgang nahm. Doch seit geraumer Zeit ist in Wissenschaft und Öffentlichkeit die Rede vom Anthropozän als der vom Menschen bestimmten gegenwärtigen Epoche. Mit der Begriffsschöpfung soll der gravierende Einfluss des Menschen auf die Umwelt zum Ausdruck gebracht werden, der sich nicht zuletzt in der Versauerung der Meere, im Artensterben und Klimawandel äußert. Doch wie spiegelt sich diese Erkenntnis in der Politischen Bildung wider?
Zur Jahreswende 1959/60 sorgten Hakenkreuzschmierereien an jüdischen Einrichtungen in Köln und anderswo für Entsetzen und Empörung. Diese Vorkommnisse machten bewusst, was im Verlauf der 1960er Jahre zu einem Politikum für die jüngere Generation werden sollte: Die mangelnde Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit. Diese Thematik sowie der von den USA in Vietnam geführte Krieg stellten mobilisierende Faktoren für die Herausbildung einer außerparlamentarischen Opposition (APO) in der Bundesrepublik dar, die sich in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre verbreitert. Prof. Ingo Juchler beschreibt den Weg der Politischen Bildung durch die 60er Jahre und die Entwicklung hin zur sog. „didaktischen Wende“.
Mit narrativen Medien lernen
(2022)
Aporien des Rechts
(2021)
Mundus vult decipi
(2021)
Die Menschen glauben, was sie glauben wollen. Betonung auf wollen. (…) Nein, der Glaube der Menschen hängt nicht von Fakten ab, nicht von Beweisen. Schlimmer noch – und das ist fast so etwas wie der zweite Teil der Erleuchtung, eine Steigerung: Man kann ihnen Fakten liefern, man kann sie widerlegen, es hilft nichts. Im Gegenteil, wer etwas glauben will, findet einen Weg! Er wird sich durch den winzigen Spalt quetschen, den die Wahrheit im lässt. Wird die Dinge so lange so drehen und wenden, bis sie wieder in seinen Glauben hineinpassen, und seine ganze Klugheit wird ihn nicht etwa daran hindern, sondern ihm noch dabei behilflich sein.
Eugen Ruge, Metropol
Toren sind, die alles loben und lieben, was im Nebel verdrehter Worte dunkel daherkommt; Toren, die für wahr halten, was ihnen eingefärbt durch wohltönende Phrasen, reizvoll die Ohren kitzelt.
Lukrez, Über die Natur der Dinge
Ein Volkskanzler
(2021)
Wie Grundrechte unter den Augen aller ausgehöhlt und umgebaut werden, wie kurz der Weg von der Demokratie zur Diktatur ist, zeigt Maximilian Steinbeis‘ Gedankenexperiment »Ein Volkskanzler« in sechs Schritten. Auf der Grundlage seines Essays hat er ein Theaterstück verfasst, das bereits auf vielen Bühnen gespielt und nun auch als Kammerspiel verfilmt wurde.
Die didaktische Handreichung unterstützt Lehrerinnen und Lehrer bei der Einbettung des Theaterstücks oder der Verfilmung von »Ein Volkskanzler« im Unterricht.
Ingo Juchler setzt sich am Beispiel des Romans „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“ (1999) von Thomas Brussig mit „Groteske und Satire im DDR-Roman als didaktische Momente in der politischen Bildung“ auseinander. Nach der Einführung in den Roman erörtert er dessen politischen Sinngehalt, den er in der Auseinandersetzung mit den literarischen Leitfiguren des Romans, Friedrich Schiller und Jean-Paul Sartre, im besonderen Wert der Freiheit findet. Den Toten der Berliner Mauer, die davon Zeugnis geben, setzt Juchler im abschließenden Kapitel ein Denkmal.
Typen von Forschungsdesigns
(2022)
Sozialwissenschaftliche Forschungsdesigns umfassen alle wesentlichen Entscheidungen, die im Forschungsprozess getroffen werden müssen. Der Beitrag unterscheidet drei rundlegende Typen von Forschungsdesigns: x-zentriert, y-zentriert und kontrastiv. Das x-zentrierte Design versucht einen theoretisch spezifizierten kausalen Effekt zu identifizieren und dessen Größe möglichst genau und ohne Verzerrungen zu schätzen. Das y-zentrierte Design versucht mehrere komplementäre Theorien über kausale Effekte so zu kombinieren, dass bestimmte Phänomene möglichst gut erklärt werden. Das kontrastive Design vergleicht die Erklärungskraft von zwei oder mehr konkurrierenden Theorien. Die Unterscheidung der drei Typen ist für qualitative Fallstudien ebenso relevant wie für Experimente oder statistische Studien mit Beobachtungsdaten. Der Beitrag grenzt die drei Typen voneinander ab, erklärt ihre jeweiligen Annahmen und diskutiert ihre Vor- und Nachteile sowie die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Kombination. Daneben diskutiert er den Unterschied zwischen Modellen und Theorien sowie die Bedeutung des Sparsamkeitsprinzips bei der Entwicklung und Bewertung wissenschaftlicher Theorien und Erklärungen.
Der Beitrag widmet sich zwei überaus fruchtbaren theoretischen Ansätzen in der Policy-Forschung und darüber hinaus: der Vetospielertheorie und Vetopunkt-Ansätzen. Neben den Grundzügen beider Ansätze stellen wir grundlegende Entwicklungslinien und Probleme dieser Literaturen anhand beispielhafter Studien dar. Es zeigt sich, dass beide Ansätze teils kontroverse Annahmen treffen, zu denen es plausible Alternativen gibt. Zum Beispiel kann das Verhalten von Koalitionsparteien im Policy-Prozess anders als von der Vetospielertheorie angenommen modelliert werden. Die kausalen Effekte bestimmter Institutionen oder Vetopunkte können zudem je nach Kontext variieren. Diesem Kontext sollte größere Beachtung geschenkt werden.
Organisation und Algorithmus
(2021)
Der vorliegende Beitrag analysiert, wie Organisationen Algorithmen, die wir als digitale Beobachtungsformate verstehen, mit Handlungsfähigkeit ausstatten und damit actionable machen. Das zentrale Argument lautet, dass die soziale Relevanz digitaler Beobachtungsformate sich daraus ergibt, dass und wie sie in organisationale Entscheidungsarchitekturen eingebettet sind. Diesen Zusammenhang illustrieren wir am Beispiel des österreichischen Arbeitsmarktservice (AMS), der 2018 einen Algorithmus einführte, um die Integrationschancen arbeitsuchender Personen zu bewerten. Der AMS steht dabei stellvertretend für aktuelle Bestrebungen vieler Organisationen, algorithmische Systeme einzusetzen, um knappe öffentliche Ressourcen vermeintlich effizienter zu distribuieren. Um zu rekonstruieren, wie dies geschieht, zeigen wir, welche Operationen des Kategorisierens, Vergleichens und Bewertens das algorithmische Modell vollzieht. Darauf aufbauend demonstrieren wir, wie das algorithmische Modell in die organisationale Entscheidungsarchitektur eingebunden ist. Erst durch diese Einbindung – die Möglichkeit, Unterschiede für andere, relativ stabil erzeugte Entscheidungen zu machen – entfaltet das digitale Beobachtungsformat soziale Relevanz. Abschließend argumentieren wir, dass algorithmische Modelle, wie sie am Fall des AMS beobachtet werden können, dazu tendieren, sich in Organisationen zu stabilisieren. Dies begründen wir damit, dass die organisationalen Lernchancen im Umgang mit dem Algorithmus dadurch reduziert sind, dass dieser in einem Bereich zum Einsatz kommt, der durch Technologiedefizit und koproduktive Leistungserstellung geprägt ist.
Vorwort
(2021)
Ausgehend von der Teilung in nichtaktive (Haushalt) und aktive Bevölkerung (Markt) fragt der Beitrag nach der Rolle, die statistische Vergleichsverfahren bei dieser Grenzziehung in der Welt der Arbeit spielen. Dies geschieht vor dem Hintergrund der Verzweigung von zwei strukturellen Entwicklungen, nämlich dem Wandel der (Arbeits‑)Welten und der statistischen Vergleichsverfahren. Der Beitrag gehört zu den ersten, der diese Nahtstelle systematisch und empirisch an der nationalen und internationalen (Beschäftigungs‑)Statistik untersucht. In diesem Beitrag schlage ich vor, die beiden Beobachtungsebenen als ein Feld der inter/nationalen Statistik zu verstehen. Ihre Ähnlichkeiten, Unterschiede und Verzweigungen werden soziologisch bislang noch nicht wahrgenommen. Im Unterschied dazu behandele ich sie aus einer wissensgeschichtlichen und wissenssoziologischen Perspektive gemeinsam hinsichtlich ihrer Selektionsleistungen, Beobachtungsinstrumente und Beschreibungsebenen. Die Ergebnisse zeigen die zunehmende Spezifizierung und Ausdehnung der ökonomischen Dimension von Arbeitstätigkeiten, die durch die Ordnungstechniken der inter/nationalen Statistik, verstärkt nach 1945, forciert werden. Diese Verschiebungen, so das Argument, sind eng mit dem Aufstieg des technischen Wissens im „technical internationalism“ verbunden, die nach 1945 das statistische und das Alltagsverständnis von der wirtschaftlich nichtaktiven Haushaltsarbeit bekräftigen.
Ausblick
(2022)
Obwohl Latein eine nicht mehr gesprochene Sprache ist und ihr deswegen kein kommunikativer Nutzen zukommt, ist die Anzahl der Latein als Schulfach wählenden Schüler im Zeitverlauf angestiegen. Mehrere Studien haben zudem gezeigt, dass Lateinkenntnisse weder das logische Denken, noch den Erwerb anderer Sprachen, noch das Gespür für die grammatikalische Struktur der Muttersprache verbessern. Auch wenn sich empirisch keine Vorteile des Erwerbs alter Sprachen nachweisen lassen, können Menschen subjektiv an solche Vorteile glauben und ihr Verhalten an ihrer Konstruktion von Wirklichkeit ausrichten. Auf der Basis einer unter Eltern von Gymnasialschülern durchgeführten Befragung zeigen wir, dass Latein umfassende Transfereffekte zugeschrieben und Personen mit Lateinkenntnissen positiver bewertet werden als Personen mit Kenntnissen moderner Sprachen. Weiterhin zeigt sich, dass die „Illusio“ der Vorteile von Latein zwar in allen Bildungsgruppen wirksam ist, doch besonders von den Hochgebildeten vertreten wird. Sie arbeiten damit an der Konstruktion einer Realität, von der sie selbst die größten Nutznießer sind, indem sie Latein als symbolisches Kapital verwenden.
Hauptanliegen dieser Bachelorarbeit ist es, verschiedene Interpretationsmöglichkeiten des Films „Zoomania“ aufzuzeigen und für dessen politikdidaktische Potenziale im Rahmen eines kompetenzorientierten Politikunterrichts zu sensibilisieren. Außerdem werden allgemeine Aspekte des didaktisch-reflektierten Einsatzes von Spielfilmen im Politikunterricht diskutiert.
Dazu wurde die zum Themenbereich vorhandene fachwissenschaftliche, fach- und mediendidaktische Literatur interdisziplinär aufgearbeitet und der Film „Zoomania“ erstmalig politikdidaktisch analysiert sowie hinsichtlich seiner Eignung für den Unterricht beurteilt.
Das Ergebnis dieses Vorgehens sind die folgenden vier inhaltlichen politikdidaktischen Potenziale, die die exemplarische Bedeutung von „Zoomania“ für ebendiese allgemeinen und potenziell unterrichtsrelevanten Sachverhalte versinnbildlichen: Rassismus, Vorurteile und Toleranz; Macht; Female Empowerment; Neoliberalismus und Promotion neoliberaler Werte.
Insbesondere durch die enthaltenen unterrichtspraktischen Schlussfolgerungen richtet sich diese Arbeit vordergründig an Politiklehrerinnen und -lehrer, die dazu ermuntert werden sollen, „Zoomania“ als motivierendes Unterrichtsmedium zum Erschließen des Politischen zu nutzen. Dies verlangt jedoch auch nach der Lektüre der vorliegenden Thesis, dass der Film vertiefend didaktisch analysiert und daraufhin zielgerichtet eingesetzt wird.
Grenzen des Organiesierbaren
(2020)
Interessiert man sich für den gesellschaftlichen Einfluss der Organisationssoziologie auf die Praxis des Organisierens, so muss der Befund ernüchtern. Stärker als auf organisationssoziologische Wissensbestände wird in Unternehmen oder Verwaltungen auf aktuelle Managementtrends rekurriert. Man könnte diesen Befund beklagen und als fehlerhafte Rezeption der Praxis beiseitelegen. Alternativ ließe sich aber auch diskutieren, welchen Beitrag die Disziplin selbst zu dieser Rezeption leistet. Mit einer solchen Diskussion begibt man sich fast unweigerlich auf einen schwierigen Pfad. Zum einen kann die Soziologie gerade dann, wenn sie ihren Blick auf die Erforschung von Unternehmen oder Verwaltungen richtet, nicht die von der Praxis erwarteten positiven Antworten liefern. Gerade die Organisationssoziologie begibt sich zum anderen jedoch in direkte Konkurrenz zu Nachbardisziplinen wie die Betriebswirtschaftslehre oder die Organisationspsychologie, die die Rezeptionsfähigkeit ihrer Wissensbestände im Praxisfeld in den letzten Jahren unter Beweis gestellt haben. Die Erwartungen an die Umsetzbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Praxis sind dadurch gestiegen. Eine Soziologie, die ihre Erkenntniskraft in der kritischen Distanz sieht, mag das skeptisch stimmen. Es gilt daher, die Frage zu beantworten, wie die Praxisrelevanz einer Wissenschaft des zweiten Blicks auf Organisationen konkret aussehen kann. Diesem Vorhaben widmet sich das vorgelegte Promotionsprojekt. Die in der kumulativen Dissertation versammelten Beiträge verstehen sich allesamt als Erkundungen und Erprobungen der Praxisrelevanz der Organisationssoziologie anhand aktueller Managementfragen in Unternehmen. Die These lautet dabei, dass sich diese Praxisrelevanz nur als Kritik entfalten kann. Eine solche Kritik kann dabei zwei grundsätzliche Formen annehmen: Als Strukturkritik bezieht sie sich auf konkrete Organisationen, deren spezifische Eigenlogiken und strukturelle Verstrickungen. Sie beschreibt dabei für den Einzelfall Funktionen und Folgen von Erwartungsstrukturen, die sich dann z. B. fallvergleichend generalisieren oder typisieren lassen. Organisationssoziologische Strukturkritik kann sich damit sowohl als vergleichender, praxissensibler Forschungsansatz realisieren, als auch die Grundlage einer soziologisch orientierten Beratung bilden. Als Schematakritik richtet sie sich gegen verkürzte Vorstellungen des Organisierens, die sich etwa in Managementmoden finden lassen. Dem Kumulus zugrunde liegen fünf Beiträge, die konkrete Ausprägungen beider Kritikformen ausloten. Der erste Beitrag „Datafizierung und Organisation“ zeigt, wie Schematakritik an Nachbardisziplinen aussehen kann, indem er Organisation als blinden Fleck der Digitalisierungsforschung diskutiert und Anschlussstellen für interdisziplinäre Forschung ausweist. Daher liefert der Beitrag einen systematischen Zugang zu organisationalen Implikationen der Digitalisierung. Neben der Anreicherung der Digitalisierungsforschung kann die entwickelte Argumentation auch für die Praxis Erkenntniskraft haben, indem z. B. problematisiert wird, dass im Managementdiskurs um Digitalisierung überzogene Rationalisierungserwartungen herrschen oder durch digitale Infrastrukturen entstehende Informalitäten systematisch ausgeblendet werden Der zweite Beitrag „Führung als erfolgreiche Einflussnahme in kritischen Momenten“ legt eine Umdeutung des populären Managementbegriffs Führung durch Schematakritik vor. Damit trägt er in mehrfacher Hinsicht zu einer praxisrelevanten Neubestimmung von Führung bei. Für Führungskräfte ermöglicht er beispielsweise die Einsicht, dass sie ihre Führungsaufgaben auf kritische Momente konzentrieren können und postuliert die Abkehr vom heroischen Bild des dauerhaft Führenden. Diese Umdeutung kann auch für Führungskräfte in Organisationen entlastend sein, weist sie doch auf den Zusammenhang zwischen der organisationalen Verfasstheit und Führungschancen hin und eröffnet damit Gestaltungschancen jenseits der Führungskräfte- und Personalentwicklung. Für die Organisationsforschung liefert der Beitrag einen theoretisch integrierten Führungsbegriff, der Führung sowohl organisational als auch situativ bestimmt. Er steht somit exemplarisch für eine organisationssoziologische Schematakritik, die etablierte Managementbegriffe neu deutet. Der dritte Beitrag kritisiert mit dem Konzept der transformationalen Führung eine Managementmode und zeigt auf, wie das darin enthaltene Führungsmodell durch die Bildung moralischer Kategorien Organisationsprobleme auf Organisationsmitglieder (hier: Führungskräfte) verschiebt. Es wird einerseits eine organisationssoziologische Kritik am populären Managementkonzept der transformationalen Führung vorgelegt. Andererseits verdeutlicht der Beitrag anhand systemtheoretischer Konzepte wie elementarer Verhaltensweisen, Moral oder Rollentrennung exemplarisch, dass organisationssoziologisches Denken den Managementdiskurs bereichern kann, indem es Verkürzungen und Simplifizierungen aufdeckt und alternative Analyse- und Gestaltungsansätze bereitstellt. Dafür lässt sich auch im Praxisdiskurs Gehör finden, weil man annehmen darf, dass mit den Heilsversprechen von Kompaktlösungen auch Enttäuschungen einhergehen, für die die Organisationssoziologie Erklärungen liefern kann. Die Möglichkeiten und Grenzen von Strukturkritik werden in den letzten beiden Beiträgen diskutiert. Das Potenzial von Strukturkritik für die soziologisch orientierte Beratung von Organisationen exploriert der Beitrag „Die schwierige Liaison von Organisationssoziologie und Praxisbezug am Beispiel der Beratung“. Ausgehend vom Theorie-Praxis-Komplex wird eruiert, wie soziologischer Praxisbezug im Feld der Beratung aussehen kann. Dafür systematisiert der Beitrag organisationssoziologische Ansätze von Beratung und zeigt auf, wie ein genuin soziologischer Beratungsansatz aussehen könnte. Der letzte Beitrag stellt Grundzüge einer Methodologie strukturkritischer Forschung vor und illustriert diese an einem durchgeführten Forschungsprojekt zu Managementmoden. Anhand der Forschung in einem Produktionsbetrieb wird gezeigt, wie strukturkritische Forschung konkret aussehen kann. Solch strukturkritische Forschung steht im Forschungsprozess vor drei Herausforderungen: dem qualitativ hochwertigen Feldzugang, der Entwicklung einer für Forschung und Praxis instruktiven Fragestellung und der Rückspiegelung der Ergebnisse in das Feld. Der Beitrag stellt Grundzüge einer Methodologie strukturkritischer Organisationsforschung vor, die sich sachlich, zeitlich und sozial entlang der drei beschriebenen Momente des Feldzugangs, der Ausgangsfragestellung und der Rückspiegelung der Ergebnisse spezifizieren lassen.
Die Autoren haben mit diesem Buch den ersten politikwissenschaftlichen Lehrtext zum Thema Verwaltung und Verwaltungswissenschaften in Deutschland vorgelegt. Die spezifisch sozialwissenschaftlichen Perspektiven unterscheiden diese Studie vom bislang vorliegenden vor allem juristisch geprägten Lehrmaterial. Dargestellt werden die Entwicklung und Perspektiven der Verwaltungswissenschaften sowie der institutionelle Aufbau, die internen Strukturen und Prozesse sowie die Entwicklungsphasen der öffentlichen Verwaltung in Deutschland.
Unter Verschluss
(2020)
Die Praktische Fahrerlaubnisprüfung dient der Erfassung und Beurteilung der Fahrkompe-tenz von Fahrerlaubnisbewerbern. Die aus dieser Prüfung gewonnenen Rückschlüsse auf das Niveau der Fahrkompetenz sollen insbesondere auch der Weiterentwicklung des Bewerbers dienen. Bisher erhalten Bewerber nur bei nicht bestandener Praktischer Fahrerlaubnisprü-fung eine Auflistung der wichtigsten Fehler, die zum Nichtbestehen geführt haben. Für ein zielgerichtetes Weiterlernen ist es aber notwendig, dass die Ergebnisse der Leistungserfas-sung und der Leistungsbewertung gemäß prüfungsdidaktischer Grundsätze pädagogisch an-spruchsvoll an alle Fahranfänger (unabhängig vom Prüfungsergebnis) zurückgemeldet wer-den.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, die Gestaltungsgrundlagen und einen Umset-zungsvorschlag für ein kompetenzbezogenes und lernförderliches Rückmeldesystem für die Praktische Fahrerlaubnisprüfung zu erarbeiten. Dieses Rückmeldesystem soll in der Praxis erprobt werden. Darüber hinaus sollen anhand einer Bewerberbefragung zur Nutzerzufrie-denheit Erkenntnisse für die Weiterentwicklung gewonnen werden. Der Entwicklungs- und Erprobungsprozess des optimierten Rückmeldesystems lässt sich in drei Projektphasen auf-teilen:
1. Im Zuge der Optimierungsarbeiten zur Praktischen Fahrerlaubnisprüfung wurde in der ersten Projektphase ein neues Rückmeldesystem erarbeitet, das aus einem kompetenz-bezogenen mündlichen Auswertungsgespräch und einer ergänzenden schriftlichen Rückmeldung einschließlich weiterführender Lernhinweise für alle Bewerber besteht. Dieses Rückmeldesystem soll einerseits die Fahranfänger dabei unterstützen, die Leis-tungsbewertung inhaltlich besser zu verstehen sowie ein zielgerichtetes Weiterlernen ermöglichen. Andererseits soll es die Bewerber dazu motivieren, die festgestellten Kompetenzdefizite weiter zu bearbeiten, und dadurch Lernzuwachs fördern.
2. Das Rückmeldesystem wurde in der zweiten Projektphase in verschiedenen Modell-
regionen Deutschlands anhand von ca. 9.000 realen Praktischen Fahrerlaubnisprüfun-gen erprobt. Die Fahrerlaubnisbewerber, die in den Modellregionen an einer optimier-ten Praktischen Fahrerlaubnisprüfung teilgenommen und somit eine schriftliche Rückmeldung gemäß der optimierten Vorgaben bzw. einen individuellen Zugangscode zum Downloadbereich erhalten haben, wurden zu einer Befragung eingeladen. Dabei wurden vor allem Aspekte der Akzeptanz und der Lernwirksamkeit aus Sicht der Be-werber erfasst. Ziel war es, die Qualität der verkehrspädagogischen Gestaltung des Rückmeldesystems und seinen Nutzen zu untersuchen, um die erprobte Rückmeldung weiterzuentwickeln. Für die Bewerberbefragung wurde eine Onlinebefragung mit ei-nem standardisierten Fragebogen durchgeführt.
3. Die Erprobungs- und Befragungsergebnisse dienten in der dritten Projektphase der Ableitung von Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung des Rückmeldesystems. Die vorliegenden Ergebnisse der Felderprobung deuten darauf hin, dass die Bereitstel-lung einer schriftlichen, ausführlichen Rückmeldung zu den Prüfungsleistungen der Praktischen Fahrerlaubnisprüfungen insgesamt als nützlich und gewinnbringend ange-sehen wird. Allerdings wurde auch deutlich, dass bezüglich der Umsetzung noch Op-timierungspotenzial besteht. Im Anschluss an die Erprobung wurde die schriftliche Rückmeldung daher – ausgehend von den Nutzererfahrungen während der Felderpro-bung – umfassend überarbeitet und eine revidierte Version vorgelegt.
Als Ergebnis der Arbeit liegt ein in mehreren Schritten entwickeltes, empirisch fundiertes und erprobtes Rückmeldesystem vor, das eine differenzierte Kompetenzrückmeldung er-möglicht. Die umfassende Rückmeldung bietet künftig einerseits eine verbesserte Ausgangs-lage für eine ggf. anschließende Wiederholungsprüfung und andererseits ist es dem Bewer-ber anhand der aufgezeigten Stärken und Schwächen auch nach einer bestandenen Prüfung möglich, diese Rückmeldung für das weitere Lernen zu nutzen.
Eskalation
(2023)
Die Ereignisse um den G20-Gipfel im Juli 2017 haben viele Menschen schockiert und die Hamburger Stadtgesellschaft gespalten. Sie stehen in starkem Kontrast zu dem Sicherheitsversprechen, das der Senat im Vorfeld abgegeben hat, ebenso wie zu der Ankündigung, der Gipfel werde ein „Festival der Demokratie“. Dass ein Gipfelprotest in Unruhen mit breiter Beteiligung überging aber auch das teils gewaltsame polizeiliche Vorgehen gegen Protestierende ist erklärungsbedürftig. In der anhaltenden Diskussion über die Hintergründe der Auseinandersetzungen werden zumeist entweder die Polizei oder „gewaltbereite Gruppen“ für das Ausmaß der Gewalt verantwortlich gemacht. Letzteres lässt sich jedoch nur bedingt aus Motiven und vorgefassten Plänen bestimmter Akteure ableiten. Ein großer Teil der Gewalt entsteht – dies gerät allzu oft aus dem Blick – maßgeblich in Prozessen der Eskalation, in denen die Handlungen der verschiedenen Beteiligten miteinander verflochten sind, insofern sie auf Grundlage ihrer Deutung vorangegangener Erfahrungen und ihrer Wahrnehmung des Gegenübers aufeinander reagieren. Situationen der Gewalt haben zudem ihre eigene, in manchen Fällen kaum steuerbare, Dynamik. Der Bericht rekonstruiert, wie und warum die Gewalt in Hamburg in dieser Form eskalierte. Er enthält sich weitgehend einer moralischen Einordnung. Er beleuchtet konkrete Situationen des Aufeinandertreffens der Konfliktparteien und bettet sie in einen größeren Kontext ein, unter anderem in Hinblick auf die Konstitution der beteiligten Gruppen und in Hinblick auf die mediale Deutung des Geschehens. Der Bericht fasst die ersten Ergebnisse eines Forschungsprojektes zusammen, an dem über acht Monate mehr als 20 Gewalt-, Protest- und Polizeiforscher*innen mitgewirkt haben. Er beruht auf einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen: Interviews mit Beteiligten, Dokumente, Filmaufnahmen und Fotografien, die Kommunikation auf Twitter und die Berichterstattung in ausgewählten Tageszeitungen, Beobachtungsprotokolle aus der Protestwoche und danach. Die Analyse gliedert sich in drei Teile. (1) Die Ausgangskonstellation, in der sich die unmittelbar Beteiligten, Polizei und Protestierende, auf die Protestwoche einstellen und prägende Grundkonflikte sichtbar werden. (2) Schlüsselsituationen, in denen Konflikte ausgetragen werden und die Muster der Eskalation im Kleinen sichtbar machen. (3) Die mediale Deutung und Formung der Ereignisse, über die der Fokus auf „Gewalt“ verstärkt und die jeweils eigene Wahrnehmung bestätigt wird. Für die Analyse der Entstehung von Gewalt ist der Fall ein eindrückliches Beispiel für die Verkettung von Ereignissen ebenso wie für die Eigendynamik situativer Konfrontationen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Planungen, Erwartungen und Entscheidungen der Handelnden keine Rolle spielen würden. Die Dynamik des Geschehens verwirklicht sich, im Gegenteil, gerade darin, dass die Beteiligten in der Verflechtung ihrer Handlungen ihre Kalkulationen verändern und Situationsdeutungen entwickeln, welche Gewalt möglich oder notwendig erscheinen lassen
Sowohl in der intersektionalen Ungleichheitsforschung als auch in feministischer Geschlechterforschung bleibt der Fokus bezüglich Themen wie Geschlechterdiskriminierung der Geschlechtergerechtigkeit - trotz der jahrelangen Erkenntnis über die Vielzahl von Geschlechtsidentitäten - zumeist nur auf Lebenssituationen von Männern und Frauen. Dies erweist sich jedoch als höchst problematisch, da Personen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität in einem hohen Maß von Diskriminierung und sozialer Ungleichheit betroffen sind. In der Abschlussarbeit wird deswegen mit Hilfe einer intersektionalen Perspektive auf diese Forschungslücke eingegangen. Es wird dabei die Frage gestellt, welche Möglichkeiten und Grenzen das Konzept der Intersektionalität in Bezug auf die Erforschung von Diskriminierungserfahrungen von Personen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität bietet und worauf die soziale Ungleichheit dieser Personengruppe basiert. Hierfür wird zunächst nicht nur auf grundlegende geschlechtersoziologische Theorien eingegangen sowie das Konzept der Intersektionalität erläutert, sondern auch ausführlich der Wissenschaftsstand zu nicht-binären Personen nachgezeichnet. Bei der darauffolgenden Analyse der Diskriminierungserfahrungen werden vor allem die sprachliche Benachteiligung, die Invalidierung der Geschlechtsidentität sowie die durch Institutionen und systematische Strukturen hervorgerufene, besonders dramatische soziale Ungleichheit deutlich. Aus einer intersektionalen Perspektive zeigen sich zudem deutliche Unterschiede zwischen nicht-binären Personen, wobei sich vor allem der Einfluss von Rassismus als äußerst auffällig erweist. Die soziale Ungleichheit der nicht-binären Personen lässt sich dabei zu einem großen Teil durch die in der Gesellschaft vorherrschende Heteronormativität und dem Alltagswissen über eine vermeintliche Dualität der Geschlechter erklären. Im Hinblick auf die Fruchtbarkeit einer intersektionalen Perspektive auf Diskriminierungserfahrungen von nicht-binären Personen zeigen sich Grenzen des Konzepts vor allem bei der notwendigen Limitierung der Kategorienanzahl und bei einer Herangehensweise, welche den Begriff der Intersektionalität wörtlich nimmt. Möglichkeiten bei der Verwendung einer Mischung aus antikategorialen und interkategorialen Ansatzes sind hingegen, eine Kritik an Ausschlüssen in der Forschung zu sozialer Ungleichheit, die kritische Sichtbarhaltung der machtvollen Prozesse hinter Kategorisierungen und das Aufzeigen von Unterschieden innerhalb ansonsten als homogen behandelten sozialen Gruppen. Um das Ausmaß an Diskriminierung für nicht-binäre Personen zu reduzieren, werden deswegen abschließend sowohl strukturelle Veränderung als notwendig erachtet als auch ein aufgeklärter, respektvoller und einschließender Umgang mit nicht-binären Personen in der Wissenschaft und im Alltag.
Die Wissenschaftsfreiheit ist ein Grundrecht, dessen Sinn und Auslegung im Rahmen von Reformen des Hochschulsystems nicht nur der Justiz, sondern auch der Wissenschaft selbst immer wieder Anlass zur Diskussion geben, so auch im Zuge der Einführung des so genannten Qualitätsmanagements von Studium und Lehre an deutschen Hochschulen. Die vorliegende Dissertationsschrift stellt die Ergebnisse einer empirischen Studie vor, die mit einer soziologischen Betrachtung des Qualitätsmanagements unterschiedlicher Hochschulen zu dieser Diskussion beiträgt.
Auf Grundlage der Prämisse, dass Verlauf und Folgen einer organisationalen Innovation nur verstanden werden können, wenn der alltägliche Umgang der Organisationsmitglieder mit den neuen Strukturen und Prozessen in die Analyse einbezogen wird, geht die Studie von der Frage aus, wie Akteurinnen und Akteure an deutschen Hochschulen die Qualitätsmanagementsysteme ihrer Organisationen nutzen. Die qualitative inhaltsanalytische Auswertung von 26 Leitfaden-Interviews mit Prorektorinnen und -rektoren, Qualitätsmanagement-Personal und Studiendekaninnen und -dekanen an neun Hochschulen ergibt, dass die Strategien der Akteursgruppen an den Hochschulen im Zusammenspiel mit strukturellen Aspekten unterschiedliche Dynamiken entstehen lassen, mit denen Implikationen für die Lehrfreiheit verbunden sind: Während die Autonomie der Lehrenden durch das Qualitätsmanagement an einigen Hochschulen unterstützt wird, sind sowohl Autonomie als auch Verantwortung für Studium und Lehre an anderen Hochschulen Gegenstand andauernder Konflikte, die auch das Qualitätsmanagement einschließen.
Kultur und Gefahr
(2019)
Wertebilung in der Schule
(2019)
Freizeit, Medien und Sport
(2019)
Mit der Zeitreihenstudie „Jugend in Brandenburg“ werden seit Anfang der 1990er Jahre Veränderungen ausgewählter Lebensbedingungen und Einstellungen brandenburgischer Jugendlicher in unterschiedlichen zeitlichen Abständen erfasst. Im Zentrum der aktuellen Studie stehen das Freizeitverhalten, Migrationspläne sowie die politischen Einstellungen.
Studien zum Bildungserfolg in Deutschland weisen auf verschiedene Ungleichheitsdimensionen hin. So wurde wiederholt ein enger Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und dem schulischen Bildungserfolg dokumentiert. Des Weiteren stellen auch Geschlechterunterschiede im Bildungserfolg einen vielfach berichteten und sowohl wissenschaftlich als auch gesellschaftlich diskutierten Befund dar. Der großen Anzahl an Studien, die sich jeweils einer dieser Ungleichheitsdimensionen widmen, steht jedoch ein Forschungsbedarf bezüglich des systematischen Wissens über die Wechselwirkung von Geschlecht und sozialer Herkunft im Bildungserfolg gegenüber. Vor diesem Hintergrund hat die vorliegende Arbeit zum Ziel, das Zusammenspiel von Geschlecht und sozialer Herkunft zu untersuchen, wobei sie von zwei übergeordneten Fragestellungen geleitet wird, die im Rahmen von vier Teilstudien untersucht werden.Erstens wurde das Zusammenspiel von Geschlecht und sozioökonomischem Status (SES) in unterschiedlichen Facetten des Bildungserfolges sowie in den Berufsaspirationen analysiert (Teilstudien 1-3). Zweitens wurde untersucht, inwiefern die elterlichen Geschlechterrollenvorstellungen mit den Schulleistungen ihres Kindes assoziiert sind. Vor diesem Hintergrund wurde ebenso der Zusammenhang zwischen den elterlichen Geschlechterrollenvorstellungen und Merkmalen des familiären Hintergrundes analysiert (Teilstudie 4). Zusammenfassend betrachtet weisen die Ergebnisse der Teilstudien auf eine Wechselwirkung von Geschlechtszugehörigkeit und sozialer Herkunft im Bildungserfolg sowie in den beruflichen Aspirationen hin, auch wenn die entsprechenden Effekte eher klein ausfallen. Entgegen der gesellschaftlichen Konnotation von Mathematik als „Jungenfach“ stellen die Befunde damit beispielsweise einen Hinweis darauf dar, dass die vielfach zitierten Geschlechterunterschiede in den mathematischen Kompetenzen nicht als „naturgegeben“ sondern beeinflussbar verstanden werden können. Damit untermauern die Ergebnisse die unter anderem im Rahmen verschiedener Theorien herausgestellte Bedeutsamkeit des Sozialisationskontextes für die Entwicklung der Fähigkeiten und Ziele von Jungen und Mädchen sowie die im internationalen Vergleich gezeigte Variabilität von Geschlechterunterschieden in Schulleistungen.
Von einer Säkularisierung in einem Land wie Israel zu sprechen, wo die Religion offensichtlich einen wichtigen Teil des öffentlichen Lebens darstellt, scheint widersprüchlich zu sein. Doch Israel befindet sich bedingt durch Globalisierung, Pluralisierung und Modernisierung an einem Scheideweg. Teile der israelischen Gesellschaft säkularisieren sich bereits. Die religiöse orthodoxe Vorherrschaft scheint zu bröckeln. Kann jedoch deswegen von einem Mentalitätswandel oder einer Säkularisierung des Staates gesprochen werden? Kann ein Säkularisierungsprozess in Israel erfolgreich sein? Wie muss ein säkularer Staat beschaffen sein, um den unterschiedlichen religiösen Denominationen die gleichen Möglichkeiten zu bieten? Welche Rolle spielen dabei die jüdische Diaspora, Einwanderungen und gesellschaftliche Minderheiten? Ziel der vorliegenden Arbeit ist es diese Fragen zu erörtern. Auch wenn die enge Verknüpfung von Nation und Religion im Judentum eine Säkularisierung scheinbar unmöglich macht, so erlaubt unter Bezugnahme der Konzepte von Säkularismus und Nationalismus im Kontext der historischen Entwicklungen des Judentums eine differenziertere Betrachtung dieser Verknüpfung. Durch die Nutzung von unterschiedlichen qualitativen Methoden, wie der hermeneutischen Methode zur Betrachtung der verschiedenen theoretischen Begriffe und der Analyse des Verhältnisses von Nation und Religion im Judentum; der Nutzung von Zeitungsartikel zur Aufarbeitung der aktuellen Debatten in der israelischen Gesellschaft; der Auswertung von Statistiken; sowie der Durchführung von Experteninterviews erlauben einen vielseitigen Zugang zum Forschungsgegenstand. Letztendlich soll aufgezeigt werden, dass sich Israel zwar zunehmend säkularisiert, aber vor verschiedenen Herausforderungen, wie dem gesellschaftlichen Pluralismus, der instabilen Sicherheitslage, sowie einem zunehmenden religiösen Nationalismus steht.
Der neueste Geist des Kapitalismus beschreibt das heutige Mobilisierungs- und Rechtfertigungsregime, welches uns immer wieder dazu bringt, unsere Arbeitskraft zu verwerten und uns täglich ins kapitalistische Hamsterrad zu begeben. Der alte Geist des Kapitalismus, nach dem Fleiß, Disziplin und Sparsamkeit zum gesellschaftlichen Aufstieg führen, trägt längst nicht mehr. Auch reine Selbstverwirklichung, der Anspruch auf Flexibilität und flache Hierarchien reicht nicht mehr aus, um insbesondere gut qualifizierte Menschen zur Arbeit zu motivieren. Der neueste Geist des Kapitalismus hingegen ist das Produkt der tiefen Subjektivierung und Verinnerlichung des Neoliberalismus.
Es geht um beständige berufliche und private Optimierung sowie ein umfassendes Nutzendenken. Glücklich zu sein, ist nicht mehr nur eine Option, sondern es gibt den normativen Anspruch, glücklich sein zu sollen. Das Leistungsprinzip wird aktiv bejaht und Leistungsgerechtigkeit eingefordert. Die Bewältigung von Komplexität wird zum Metathema. Der Anspruch auf Distinktion, insbesondere auch gegenüber „Minderleisten“ nimmt zu. Die Welt wird zunehmend durch die Brille von Zahlen und Statistiken betrachtet, und Key Performance Indicators werden zu ständigen Wegbegleitern. Das Leben wird, verstärkt durch die sozialen Netzwerke, zunehmend zu einer performativen Bühne, die zugleich dem Networking dient. In der Konsequenz der beständigen Optimierung wird es jedoch immer schwerer, zur Ruhe zu kommen.
Dieser neueste Geist des Kapitalismus, dieser umfassende Optimierungsanspruch, hat jedoch gravierende Konsequenzen. Zu den manifesten Pathologien des neuesten Geistes gehören gestiegene Raten von Depressionen, Burn-out und Angststörungen. Gesellschaftlich spreizt sich die soziale Schere immer mehr anhand der Fähigkeit, Komplexität bewältigen zu können, was viele Verlierer und prekäre Gewinner produziert. Daher wird dieser neueste Geist des Kapitalismus sozialkritisch, künstlerkritisch und ideologiekritisch hinterfragt. Die Rolle der Gewerkschaften als der Zentralinstitution der Sozialkritik, die ein tatsächliches Gegengewicht zum neuesten Geist des Kapitalismus bieten kann, wird kontrovers diskutiert. Und es wird aufgezeigt: chillen ist die neue Subversion.
Die Frage nach dem Zusammenhalt einer ganzen Gesellschaft ist eine der zentralen Fragen der Sozialwissenschaften und Soziologie. Seit dem Übergang in die Moderne bildet das Problem des Zusammenhalts von sich differenzierenden Gesellschaften den Gegenstand des wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurses. In der vorliegenden Studie stellt soziale Integration eine Form der gelungenen Vergesellschaftung dar, die sich in der Reproduktion von symbolischen und nicht-symbolischen Ressourcen artikuliert. Das Resultat dieser Reproduktion sind pluralistische Vergesellschaftungen, die, bezogen auf politische Präferenzen, konfligierende Interessen verursachen. Diese Präferenzen kommen in unterschiedlichen Formen, in ihrer Intensität und Wahrnehmung der politischen Partizipation zum Ausdruck. Da moderne politische Herrschaft aufgrund der rechtlichen und institutionellen Ausstattung einen bedeutsamen Einfluss auf soziale Reproduktion ausüben kann (z.B. durch Sozialpolitik), stellt direkte Beeinflussung politischer Entscheidungen, als Artikulation von sich aus den Konfliktlinien etablierenden, unterschiedlichen Präferenzen, das einzige legitime Mittel zwecks Umverteilung von Ressourcen auf der Ebene des Politischen dar. Somit wird die Konnotation zwischen Integration und politischer Partizipation sichtbar. In die Gesellschaft gut integrierte Mitglieder sind aufgrund einer breiten Teilnahme an Reproduktionsprozessen in der Lage, eigene Interessen zu erkennen und durch politische Aktivitäten zum Ausdruck zu bringen. Die empirischen Befunde scheinen den Eindruck zu vermitteln, dass der demokratische Konflikt in der modernen Gesellschaft nicht mehr direkt von Klassenzugehörigkeit und Klasseninteressen geprägt wird, sondern durch den Zugang zu und die Verfügbarkeit von symbolischen und nicht-symbolischen Ressourcen geformt wird. In der Konsequenz lautet die Fragestellung der vorliegenden Arbeit, ob integrierte Gesellschaften politisch aktiver sind.
Die Fragestellung der Arbeit wird mithilfe von Aggregatdaten demokratisch-verfasster politischer Systemen untersucht, die als etablierte Demokratien gelten und unterschiedlich Breite wohlfahrtstaatlichen Maßnahmen aufweisen. Die empirische Überprüfung der Hypothesen erfolgte mithilfe von bivariaten und multivariaten Regressionsanalysen. Die überprüften Hypothesen lassen sich folgend in einer Hypothese zusammenfassen: Je stärker die soziale Integration einer Gesellschaft, desto größer ist die konventionelle bzw. unkonventionelle politische Partizipation. Verallgemeinert ist die Aussage zulässig, dass soziale Integration einer Gesellschaft positive Effekte auf die Häufigkeit politischer Partizipation innerhalb dieser Gesellschaft hat. Stärker integrierte Gesellschaften sind politisch aktiver und dies unabhängig von der Form (konventionelle oder unkonventionelle) politischer Beteiligung. Dabei ist der direkte Effekt der gesamtgesellschaftlichen Integration auf die konventionellen Formen stärker als auf unkonventionellen. Diese Aussage ist nur zulässig, wenn die Elemente des Wahlsystems, wie z.B. Verhältniswahlrecht, und das BIP nicht berücksichtigt werden. Auf der Grundlage der Ergebnisse mit Kontrollvariablen erlauben die Daten die auf die Makroebene bezogene Aussage, dass neben einem hohen Niveau sozialer Integration auch ein durch (Mit-)Beteiligung bestimmtes Wahlsystem und ein hoher wirtschaftlicher Entwicklungsgrad begünstigend für ein hohes Niveau politischer Partizipation sind.
Im (schulischen) Politikunterricht bestehen Vorbehalte bzw. Berührungsängste gegenüber der politischen Theorie, die sich aus drei Vorurteilen speisen: a) Politische Ideen seien abstrakt und wirklichkeitsfern und deshalb schwer in den Horizont der Schülerinnen und Schüler zu rücken; b) die Erarbeitung politischer Ideen sei notwendig textlastig und überfordere aufgrund der hohen Abstraktheit die (Mehrzahl der) Schülerinnen und Schüler; c) aus diesen Gründen seien Motivation und Aktivierung aufseiten der Schülerschaft bei Themen aus der Politischen Theorie gering. Der Aufsatz zeigt am Beispiel eines didaktischen Arrangements zu John Rawls’ Gerechtigkeitstheorie, wie politische Ideen textfrei unterrichtet werden können: im Dreischritt einer Evokation, Explikation und Reflexion der moralisch-politischen Intuitionen, die in unseren Alltagsurteilen immer schon wirksam sind.
In seinem Roman Ragtime (1975) entwirft E. L. Doctorow ein politisches und soziales Sittengemälde der Vereinigten Staaten zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Behandelt werden die politischen Herausforderungen der sozialen Ungleichheit, des Rassismus und des amerikanischen Imperialismus. Das in Ragtime entfaltete Panoptikum führt die von politisch-sozialen Gegensätzen geprägte amerikanische Gesellschaft der Ära Theodore Roosevelts vor und ermöglicht zugleich politische Bezüge und Reflexionen bis hin zur Gegenwart. Das Kapitel beleuchtet die realen Ereignisse, die im Roman verwoben sind und reflektiert die sich daraus ergebenden, bis heute aktuellen gesellschaftlichen Probleme sowie unsere politische Gegenwart. Der Autor vermittelt auf diesem Wege die Möglichkeit, mittels Literatur einer breiten Masse von Rezipienten den Zugang zu politischen Sachverhalten zu ermöglichen sowie eine Sensibilität für politisches Geschehen zu wecken.
Dieses Buch hat die Beobachtung zum Ausgangspunkt, dass politische Ideen seit jeher das politische Denken und die politische Praxis bestimmen. Sie sind mit dem Politischen verwoben, sei es offensichtlich, implizit oder kaschiert. Doch wie steht es um das Verhältnis politischer Ideen und politischer Bildung? Als Unterrichtsgegenstände stehen sie in den schulischen Curricula. In den einschlägigen Nachschlagewerken der politischen Bildung finden politische Ideen allenfalls indirekt Beachtung. In den Beiträgen des Sammelbandes wird das Verhältnis politischer Ideen und politischer Bildung in seinen unterschiedlichen Dimensionen reflektiert.
Entwicklung eines Instrumentes zur Messung von Präsentismus und Handlungsempfehlungen zur Reduktion
(2018)
Im Kontext gegenwärtiger, europaweiter Proteste und Mobilisierung gegen Gender und Gender Studies haben Sabine Hark und Paula-Irene Villa (2015) den Begriff des „Anti-Genderismus“ vorgeschlagen, um jene „Anti“-Haltung zu beschreiben, die sich gegen konstruktivistische, postessentialistische Auffassungen von Geschlecht wendet. Die Masterarbeit untersucht dieses empirische Phänomen, das in aktuellen Diskussionen um den Begriff Gender, Gender Studies, Gleichstellungsmaßnahmen oder etwa den Bildungsplanprotesten zur „sexuellen Vielfalt“ in Form von Delegitimierungsstrategien und spezifischen Argumentationsmustern auftritt, die hauptsächlich zum Ziel haben, den Begriff Gender zu diskreditieren sowie Gender Studies ihre Wissenschaftlichkeit abzusprechen. Bislang wurde der „Anti-Genderismus“ im Sammelband von Sabine Hark und Paula-Irene Villa (2015) in die Fachdiskussion eingeführt, jedoch noch nicht ausreichend untersucht. Umfassende empirische Analysen, die das Phänomen aus dezidiert soziologischer Perspektive betrachten, stehen noch aus; bisherige Untersuchungen konzentrieren sich auf die Erarbeitung von Definitionen und Merkmalen des „Anti-Genderismus“ sowie auf die Entkräftung anti-genderistischer Argumentationen. Hierbei stehen die heterogenen Akteursgruppen, wie zum Beispiel fundamentalchristliche Gruppen, antifeministische Männerrechtsbewegungen oder rechte Gruppierungen im Fokus, sowie spezifische Argumentationsmuster, wie zum Beispiel der Ideologie-Vorwurf, die im anti-genderistischen Diskus immer wieder aufgegriffen werden.
Das Phänomen „Anti-Genderismus“ wird in der Masterarbeit nicht nur über die spezifischen Argumentationsmuster und Akteursgruppen definiert, sondern es wird die strukturelle Logik der Artikulationsweise (Laclau) des „Anti-Genderismus“ in den Blick genommen, die Ähnlichkeiten zur populistischen Artikulation aufweist. So kann gezeigt werden, wie der Begriff Gender im politischen Protest des hier untersuchten empirischen Beispiels der „Demo für Alle“ durch Neudefinitionen und Bedeutungserweiterung zu einem strategischen Begriff wird, an und mit dem um Bedeutungen des Geschlechterverhältnisses gestritten wird und politische Forderungen aufgestellt werden. In dem aufgezeigten Analysezugang stehen weniger Delegitimierungsstrategien des „Anti-Genderismus“ im Fokus, sondern die Funktionsweise der Umdeutungen von Gender im politischen Protest.
Durch einen dezidiert soziologischen Analysezugang kann außerdem das Phänomen für geschlechtersoziologische Fragestellungen geöffnet werden: Welche Vorannahmen über das Geschlechterverhältnis und welche „gender beliefs“ (Goffman) können anhand „anti-genderistischer“ Äußerungen rekonstruiert werden? In welchen Deutungsrahmen wird der Begriff Gender im hier untersuchten politischen Protest gestellt? Hierzu werden acht Redebeiträge der „Demo für Alle“ von der Demonstration am 28.02.2015 in Stuttgart transkribiert und in einem sequenzanalytischen Verfahren und offenen Kodieren analysiert und ausgewertet.
Die vorliegende Dissertation thematisiert den Unterschied zwischen Einstellungen, die auf der persönlichen Ebene im Rahmen demoskopischer Interviews erfragt und zu einem „Meinungsbild“ aggregiert werden und der öffentlichen Meinung, dem wahrgenommenen Meinungsklima zu einer Thematik. Die Daten der langjährigen Bevölkerungsbefragung des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) weisen, hinsichtlich der persönlichen Einstellung der Bundesbürger zu den Streitkräften, seit vielen Jahren beständig darauf hin, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger der Bundeswehr positiv gegenübersteht. Gleichzeitig existiert in Teilen der Bevölkerung die Meinungsklima-wahrnehmung, dass die Bundeswehr auf gesamtgesellschaftlicher Ebene eher kritisch gesehen wird. Der im Rahmen dieser Arbeit erstmalig entwickelte medienzentrierte Untersuchungsansatz des Phänomens, welches als Ausprägung pluralistischer Ignoranz theoretisch hergeleitet wurde, fokussiert, neben dem Einfluss eines doppelten Meinungsklimas, auf die Wirkung medienspezifischer Wahrnehmungsphänomene (Hostile-Media-Phänomen und Third-Person-Wahrnehmung), um die beobachtete Diskrepanz zwischen persönlicher Einstellung und Meinungsklimawahrnehmung zum Thema Ansehen der Bundeswehr zu erklären.
Im Rahmen einer quantitativen Bevölkerungsbefragung wurden Indikatoren entwickelt, um die aufgestellten Hypothesen einer empirischen Überprüfung zu unterziehen. Die deskriptiven Analysen zur Richtung und Ausprägung der Diskrepanzwahrnehmung ergaben, dass sich die Bürgerinnen und Bürger eher in der Weise irren, dass sie das Meinungsklima zum Thema Ansehen der Bundeswehr negativer einschätzen als das Ansehen, welches sie den Streitkräften persönlich entgegenbringen (negative Diskrepanz-wahrnehmung). Außerdem zeigte sich, dass die Diskrepanzwahrnehmung zurückging, wenn dem Untersuchungsthema ein emotionales Potenzial zugesprochen wurde. In einem solchen Fall tendieren die Probanden dazu, die eigene Meinung dicht an der antizipierten Mehrheitsmeinung zu positionieren, um sich keinem Rechtfertigungsdruck oder schlimmstenfalls sozialer Isolation auszusetzen.
Die Ergebnisse der Analysen der vier zentralen erklärenden Variablen zeigten auf, dass sich alle formulierten Hypothesen zur Richtung der Diskrepanzwahrnehmung bestätigten. Eine vermehrte Mediennutzung, eine negative Wahrnehmung der generellen bundeswehrbezogenen Medienberichterstattung, eine persönlich positive Einstellung zur Bundeswehr und die Wahrnehmung, dass die Medien auf Dritte stärker wirken als auf die eigene Person trugen jeweils zu einem Anstieg der negativen Diskrepanzwahrnehmung zum Thema Ansehen der Bundeswehr bei. Personen, die diese Merkmale aufwiesen, schätzten das Meinungsklima zum Thema Ansehen der Bundeswehr negativer ein als das Ansehen, welches sie den Streitkräften persönlich entgegenbrachten. Die Analyse der Stärke der jeweiligen Effekte verdeutlichte jedoch, dass die verwendeten Erklärungsansätze jeweils nur einen kleinen oder mittleren Beitrag zur Erklärung der Diskrepanzwahrnehmung leisten konnten.
Dieses Ergebnis kann dadurch begründet werden, dass sich das Untersuchungsthema, neben der Ermangelung einer kontinuierlichen Medienberichterstattung und eines breiten öffentlichen Diskurses zum Thema Ansehen der Bundeswehr sowie fehlender persönlicher Bezüge zu den Streitkräften, in der Analyse insbesondere als zu wenig konfliktträchtig erwies. Ob die Bundeswehr gesellschaftliches Ansehen erfährt, besitzt für den Großteil der Bevölkerung nur eine geringe persönliche Relevanz. Aus diesen Gründen scheint dieses Thema nicht dazu geeignet zu sein, um die in dieser Dissertation als Erklärungsfaktoren herangezogenen medienspezifischen Wahrnehmungsphänomene auszubilden. Dieses Ergebnis impliziert, dass die Diskrepanz zwischen persönlicher Einstellung und Meinungs-klimawahrnehmung zum Thema Ansehen der Bundeswehr von einer Reihe weiterer Faktoren beeinflusst wird, die es im Rahmen zukünftiger Forschungsarbeiten aufzuspüren und zu untersuchen gilt.
Mit der Patientenmobilitätsrichtlinie (2011/24/EU) wurde eine verbindliche gesetzliche Grundlage geschaffen, im Bereich der hochspezialisierten Gesundheitsversorgung freiwillig und in strukturierter Form in europäischen Referenznetzwerken (ERN) von Gesundheits-dienstleistern und Fachzentren zusammenzuarbeiten. Dabei kommt dem Austausch von Fachwissen eine besondere Bedeutung zu. Diese qualitative Studie geht der Frage nach, wel-che wesentlichen Faktoren den Informations- und Wissensaustausch sowie das Lernen in Netzwerken beeinflussen und wie diese gefördert werden können. Es werden Netzwerkkoor-dinatoren und deren steuernde Einheiten in den hochspezialisierten Versorgungsbereichen Krebs und Seltene Erkrankungen in Deutschland und in Frankreich sowie auf europäischer Ebene befragt. Die Studie wird durch einen Literaturvergleich von bi- und trilateralen Ge-sundheitskooperationen mit multilateralen Netzwerken ergänzt. Für die ERN wird die zentra-le Bedeutung der digitalen Medien und Technologien herausgearbeitet sowie die Empfeh-lung ausgesprochen, die ERN ein systematisches Wissensverwendungs- und -generierungskonzept erarbeiten zu lassen. Durch die zukünftigen ERN wird die vernetzte Informationsgesellschaft Einzug in die medizinische Praxis halten.
In der vorliegenden Dissertation werden lebensweltliche Erfahrungszusammenhänge in 128 Aufsätzen ausländischer Studierender, die oft auch als Bildungsausländer bezeichnet werden, und grundsätzliche Prozesse bei der Herausbildung sowie Veränderung kollektiver Zuschreibungen im Rahmen der sozialen Identitätsbildung hermeneutisch untersucht.
Mit Hilfe der nach der empirischen Methode der Grounded Theory kodierten Interpretationsergebnisse werden in der qualitativen Längsschnittstudie Vergleiche angestellt, sowohl fallintern als auch fallübergreifend, um Muster zu entdecken, Typologien zu konstruieren und die jeweiligen (kulturellen) Horizonte in den Aufsätzen zu verallgemeinern.
Neben der Grounded Theory bildet die Theorie der „alltäglichen Lebenswelt“ (Alfred Schütz) eine Basis der Herangehensweise an die Untersuchung der Aufsätze. In diesem Kontext wird ausgehend von der graduellen Unterteilung der Fremdheit in alltägliche, strukturelle und radikale Fremdheit sowie ausgehend von Goffmans Identitätskonzept der Frage nachgegangen, inwieweit sich in den untersuchten Texten die Bildung und Veränderung sozialer Identitäten feststellen lassen. Dabei werden Akkulturationsprozesse und Prozesse der Selbstidentifikation, bezüglich einer angenommenen Gemeinschaft, analysiert, die von kollektiven (kulturellen) Schemata bestimmt sind. In diesem Zusammenhang kann die vorliegende Dissertation zeigen, dass sich bestimmte kulturelle Schemata in der Auseinandersetzung mit dem vormals neuen Leben in Deutschland herausgebildet haben und bestimmte ältere Erfahrungen immer wieder zur Bestätigung dieser Bilder bzw. Erfahrungsschemata herangezogen und wie der Abdruck in Gestein fossiliert werden.
Die vorliegende explorative empirische Untersuchung muslimischer Frauengruppen leistet einen Beitrag zur Erforschung des religiösen Wandels im religiösen Feld in Deutschland. Zum einen werden damit erstmals qualitative Daten zu religiösen Gruppen muslimischer Frauen erhoben. Zum anderen liefern die analysierten Anlässe der Gruppengründung und die Gruppenziele Einblicke in die relevanten Themen des religiös-muslimischen Engagements im Zeitverlauf. Gemäß der explorativen Konzeption interessiert sich diese Studie insbesondere für die Vielfalt muslimischer Frauengruppen in Deutschland. Es wurde gefragt, welche Selbstbeschreibungen als muslimische Frauengruppen sich derzeit erkennen lassen? Dazu wurden thematische Leitfadeninterviews mit Ansprechpartnerinnen muslimischer Frauengruppen im religiösen Feld (2006-2011) durchgeführt.
Die Gründungen der zwölf untersuchten muslimischen Frauengruppen lagen im Zeitraum von 1978 bis 2009. Dies umfasst im Hinblick auf das muslimisch-religiöse Engagement Phasen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, die von der Verfestigung der religiösen Strukturen über den Kampf um rechtliche Gleichstellung als religiöse Minderheit bis zu einer Auseinandersetzung mit der staatlichen Islampolitik reichen. Die ältesten der untersuchten Gruppen reflektieren in ihrem historischen Verlauf den Aufbau der religiösen Strukturen, indem sie zunächst Räume für sich in den Gemeinden schufen. Diese füllten sie in Form von religiösen Bildungsprozessen und zwar indem sie einander an ihren Kenntnissen teilhaben ließen und gemeinsam die religiöse Quelle erschlossen. Andere Gruppen schlossen sich zusammen, um von den Kenntnissen religiöser Expertinnen zu profitieren, wieder andere etablierten Angebote, die über den eigenen Gruppenzusammenhang hinausreichten. Mit dieser Ausrichtung der Weltgestaltung ging auch die Gründung einer Organisation, d.h. ein Wandel der Sozialform einher.
Die Ergebnisse konstatieren eine Kontingenz hinsichtlich der Selbstzuordnung muslimische Frauengruppe. Es handelt sich um historisch spezifische Selbstzuschreibungen, die Ausdruck eines religiösen Wandels im muslimisch-religiösen Feld initiiert von muslimischen Frauen sind. Zentrales Ergebnis ist hier, dass die Gruppen zwar hinsichtlich ihrer Formen heterogen sind, allerdings eine Verbindungslinie in ihren Kernideen als Frauengruppen- und Organisationen besteht. Es zeigt sich durch alle Phasen des muslimisch-religiösen Engagements im religiösen Feld ein hohes Interesse an religiösen Bildungsthemen seitens muslimischer Frauen. Diese sind verbunden mit der Auseinandersetzung mit dem religiösen Geschlechterverhältnis.
Die Aufmerksamkeit, die das religiöse Geschlechterverhältnis im Kontext des Institutionalisierungs- und Partizipationsprozess des Islam im politischen Feld derzeit besitzt, kann einerseits als spezifisch gelten. Andererseits zeigen historische Kontextualisierungen mit der religiösen Frauenbewegung im 19. Jahrhundert, dass auch hier über religiöse Geschlechterbilder Partizipationsfragen verhandelt wurden.
Die Ergebnisse dieser Studie belegen die Relevanz von religiösen Gruppen innerhalb religiöser Wandlungsprozesse. Weiterhin liefern sie neue Erkenntnisse hinsichtlich des Verhältnisses von religiöser Individualisierung und Gruppenbindung: Muslimische Frauen vergemeinschaften sich aus religiösen Bildungszwecken innerhalb von religiösen Gruppen und behandeln dabei Themen ihre weibliche religiöse Identität und die religiöse Lebensführung als Frau betreffend und dies stärkt ihre individuelle religiöse Bindung.
Mildred Harnack, geb. Fish, stammte ursprünglich aus Milwaukee, Wisconsin. Zusammen mit ihrem Ehemann Arvid Harnack zog sie nach Deutschland und lebte seit 1930 in Berlin. Hier lehrte die Literaturwissenschaftlerin an der Friedrich-Wilhelms-Universität (heute Humboldt-Universität) und am Berliner Abendgymnasium (heute Peter A. Silbermann-Schule). Bereits kurz nach der Machtübernahme von Adolf Hitler hatte sich um das Ehepaar Harnack ein Kreis von Freunden gebildet, der gegen die Herrschaft der Nationalsozialisten opponierte. Dazu zählten auch Karl Behrens und Bodo Schlösinger, die beide Schüler Mildred Harnacks am Berliner Abendgymnasium waren. Mildred Harnack konnte mit Hilfe ihrer Kontakte zur amerikanischen Botschaft ihren Schülern im nationalsozialistischen Deutschland ansonsten nicht zugängliche Informationen besorgen.
Aufgrund von Funkkontakten des Freundeskreises zur Sowjetunion wurde die Gruppe von den Nationalsozialisten Rote Kapelle genannt – „rot“ bezog sich auf deren linke Haltung und mit „Kapelle“ wurden Funker assoziiert, die wie Pianisten in einer Kapelle spielen. Der Berliner Oppositionszirkel umfasste bis zu seiner Zerschlagung durch die Nationalsozialisten etwa 150 Personen verschiedenster Berufsgruppen, unterschiedlicher parteipolitischer Einstellungen und Konfessionen. Die Gruppe verfertigte oppositionelle Flugblätter und lieferte Informationen an die amerikanische Botschaft sowie an die Sowjetunion. Mildred Harnack wurde – wie viele ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter – nach ihrer Verhaftung vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und am 16. Februar 1943 in Plötzensee guillotiniert.
In diesem Band stellen Studierende der Universität Potsdam sowie Hörerinnen und Hörer der Peter A. Silbermann-Schule (Berlin) nach einem kurzen Überblick zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Deutschland das Netzwerk der Roten Kapelle sowie die Biographien von Mildred Harnack und ihren Schülern Karl Behrens und Bodo Schlösinger vom Berliner Abendgymnasium eindrücklich vor.
Der organisierte Fall
(2018)
Stefanie Büchner untersucht in ihrer qualitativ-explorativen Studie die Fallbearbeitung in drei Jugendämtern. Sie zeigt, dass sich die Bearbeitung von Fällen nur unzureichend verstehen lässt, wenn man Organisationen primär als Rahmen begreift oder auf ihre formale Logik reduziert. Vielmehr strukturieren Organisationen als soziale Systeme Fallbearbeitung modular. Fünf Module der Strukturierung stehen im Zentrum der Untersuchung: Wie werden Fälle arbeitsteilig bearbeitet und wie schlägt sich Organisation in der Zusammenarbeit mit Klientinnen und Klienten nieder? Wie lässt sich die unterschiedliche Relevanz von Standards beschreiben? Worin besteht die Herausforderung für Jugendämter, Hilfe und Eingriff zu verantworten und was dokumentiert sich in Dokumentation? Für die Beantwortung dieser Fragen plädiert die Autorin für ein komplexes, allgemeines und spezifisches Verständnis von Organisationen im Feld sozialer Hilfe.
Bewaffnete Intellektuelle
(2017)
Auf der Suche nach der geheimen Herrschaftslehre der Nazis begibt sich Michael Zantke in eine tiefe und umfassende Auseinandersetzung mit den geistigen Wurzeln des Nationalsozialismus. Er beleuchtet die Diskussionen in Deutschland um Machiavelli und überprüft die Texte auf ihren Bezug zur Gegenwart des Nationalsozialismus. Dabei gelingt es ihm, die politische Rolle der Intellektuellen im „Dritten Reich“ und die Unterschiede zwischen Nationalsozialismus, Faschismus und Konservativer Revolution herauszuarbeiten. Diese Nuancen sind nicht nur historisch bedeutungsvoll, sie sind auch für die heutige Diskussion über Rechtsnationalismus, Rechtsradikalismus und die Neue Rechte von Nutzen.
Der Fall der Rachel Dolezal
(2016)
Die Amerikanerin Rachel Dolezal war bis ins Jahr 2015 als Afroamerikanerin bekannt. Als Aktivistin der National Association for the Advancement of Colored People setzte sie sich für die Rechte der afroamerikanischen Bevölkerung ein, lebte in einem schwarzen Umfeld und lehrte an einer Universität Afroamerikanische Studien. „I identify as black“ antwortete sie auf die Frage eines amerikanischen Fernsehmoderators, ob sie Afroamerikanerin sei. Ihre Kollegen und ihr näheres Umfeld identifizierten sie ebenfalls als solche. Erst, als regionale Journalisten auf sie aufmerksam wurden und ihre Eltern sich zu Wort meldeten, wurde deutlich, dass Dolezal eigentlich eine weiße Frau ist. Dolezals Eltern bestätigten dies, indem sie Kindheitsfotos einer hellhäutigen, blonden Rachel veröffentlichten. Dolezals Verhalten entfachte daraufhin eine rege mediale Diskussion über ihre Person im Kontext von Ethnizität und »Rasse«.
Die Verfasserin greift Dolezals Fall exemplarisch auf, um der Frage nachzugehen, ob ein Doing Race nach Belieben möglich ist. Darf sich Dolezal als schwarz identifizieren, obwohl sie keine afrikanischen Vorfahren hat? Welche gesellschaftliche Wissensvorräte schränken diese Wahl ein und welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Anhand einer Diskursanalyse amerikanischer Zeitungsartikel geht die Verfasserin diesen Fragen nach. Hierbei werden »Rasse« und Ethnizität als soziale Konstruktionen, basierend auf dem Konzept von Stephen Cornell und Douglas Hartmann, betrachtet.
Die Esche ist nicht nur als Weltenbaum Yggdrasil aus der germanischen Mythologie bekannt. Ihr Holz wird für Möbel, Parkett und Werkzeuge genutzt, und sie ist ein wichtiger Faktor für die Neuaufforstung. Doch die Esche ist vom Aussterben bedroht. Das Eschentriebsterben wird ausgelöst durch einen Pilz (Falsches Weißes Stengelbecherchen) und verursacht ein großflächiges Absterben von Altbeständen und jungen Bäumen in allen Teilen Deutschlands.
Diese umweltsoziologische Untersuchung geht der Frage nach, ob die Diskrepanz zwischen der gesellschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Bedeutung dieser Baumgattung und ihrem möglichen Verlust zu gesellschaftlichen Diskussionsprozessen über die Esche und das Eschentriebsterben führt.
Anhand der Wissenssoziologischen Diskursanalyse und der Grounded Theory Method wird gezeigt, dass sich zwar Expertinnen und Experten einig sind, dass die Esche vermutlich aussterben wird, ihre gesellschaftliche Bedeutung jedoch nicht groß genug ist, sodass ihr Aussterben als hinreichend problematisch eingestuft wird und folglich politische Handlungskonsequenzen gefordert werden.
Die sozialwissenschaftliche Dissertation nimmt den derzeitigen DIY-Trend, konkret den Handarbeitstrend, in den Fokus. Welche individuellen Gründe und gesellschaftliche Entwicklungen bewegen die Menschen, wieder gemeinsam und/oder allein zu nähen und zu stricken, alte Dinge aufzuwerten oder anders zu nutzen bzw. einfach kreativ zu sein? Ist es der Wunsch nach dem Besonderen, die Abgrenzung von Anderen, der wiedererwachte Sinn für Gemeinschaft oder die Freude an der praktischen Arbeit? Und nicht zuletzt, gibt es eine Verbindung von Handarbeit zu einer nachhaltig orientierten Lebensweise? Ist Handarbeit eine soziale Innovation?
Die Untersuchung basiert auf dem bereichsspezifischen Lebensstilkonzept, welches verschiedene gesellschaftliche Ebenen, die individuelle, gemeinschaftliche und gesellschaftliche Ebene, einschließt. Nach einer historischen Betrachtung der Handarbeit und einer ebenen-spezifischen Literaturschau einschließlich der Auswertung von Experteninterviews zum Thema Handarbeit erfolgt im empirischen Teil die Inhaltsanalyse von zwölf leitfadengestützten problemzentrierten Interviews mit Personen, die in ihrer Freizeit handarbeiten.
Die Untersuchung bestätigt die forschungsleitenden Annahmen. Es wird deutlich, dass bei der Herausbildung der Affinität zur Handarbeit alle drei gesellschaftlichen Ebenen relevant sind: Individuelle Vorerfahrungen und Motivationen spielen ebenso eine Rolle wie die Gemeinschaft und Vernetzung mit Anderen.Gesellschaftlich betrachtet zeigt die Arbeit, dass die historischen Brüche in der Bedeutung der Handarbeit für deren heutigen Stellenwert relevant sind. Handarbeit - und im weiteren Sinne DIY - wird als soziale Innovation wahrgenommen und kann bewusstseinsbildend hinsichtlich nachhaltig orientierter Lebensweisen wirken.
Regionale Unterschiede der Inanspruchnahme von Präventionsleistungen in der ambulanten Versorgung
(2016)
Das Ziel dieser Studie war es die regionalen Unterschiede der Inanspruchnahme sekundärpräventiver Leistungen in Deutschland auf Kreisebene zu analysieren. Hierbei sollte eine Lücke in der deutschen Forschung geschlossen werden, indem neben individuellen Faktoren auch ökologische Faktoren durch einen Mehrebenenansatz einbezogen wurden. Auf ökologischer Ebene wurde die Effekte der regionalen sozialen Deprivation, der Urbanisierung und der Arztdichte der ambulanten Ärzte analysiert. Variablen auf Individualebene waren Geschlecht und Gesundheitsstatus.
In der Studie wurden drei verschiedene Datenbanken miteinander verknüpft. Zur Berechnung der regionalen sozialen Deprivation und der Urbanisierung wurden Daten von INKAR für alle 402 Kreise verwendet. Das Bundesarztregister lieferte die Datengrundlage zur Bestimmung der Arztdichte. Die Abrechnungsdaten aller Kassenärztlichen Vereinigungen nach § 295 SGB V lieferten die Zahlen für die Inanspruchnahme der spezifischen Präventionsangebote als auch für Geschlecht und Gesundheitsstatus. Hierdurch war es möglich eine Vollerhebung aller gesetzlich Krankenversicherten zwischen 50 und 55 Jahren durchzuführen, die 2013 einen Arzt aufgesucht haben (N = 6,6 Mio.). Die unabhängigen Variablen der regionalen sozialen Deprivation und Urbanisierung sowie die Kontrollvariable Gesundheitsstatus wurden mit Hilfe der Faktorenanalyse gebildet. Um die regionalen Unterschiede analysieren zu können, wurde eine hierarchische multivariate Regression durchgeführt.
Rund 80% aller sekundärpräventiven Leistungen wurden von Frauen in Anspruch genommen. Ein schlechterer Gesundheitsstatus war mit einer höheren Rate der Inanspruchnahme assoziiert. Die Ergebnisse weisen auf regionale Unterschiede hin, die sich nach Geschlecht unterscheiden wobei die unabhängigen Variablen nur kleine Effekte aufweisen. Entgegen der Hypothese war eine höhere regionale soziale Deprivation mit einer höheren Inanspruchnahme bei Männern und Frauen assoziiert. Urbanität war bei Männern positiv und bei Frauen negativ mit der Inanspruchnahme assoziiert. Die Interaktion beider Variablen hat keinen Effekt auf Männer aber einen negativen Effekt auf Frauen. Die Arztdichte wurde aus dem finalen statistischen Modell ausgeschlossen, da die Variable Multikollinearität aufwies.
Bisherige Theorien sind nicht in der Lage die Ergebnisse zu erklären, da sie bisherigen Forschungsergebnissen widersprechen. Zusätzliche Berechnungen legen die Schlussfolgerung nahe, dass die herrschenden Ost-West-Unterschiede zu einer Konfundierung der Ergebnisse geführt haben. Berücksichtigt man das Alter der Patienten, kann vermutet werden, dass die Sozialisation der Inanspruchnahme sekundärpräventiver Leistungen in der DDR bis heute das Gesundheitsverhalten beeinflusst. Allerdings sind weitere Forschungen notwendig um die Gründe für die regionalen Unterschiede der Inanspruchnahme sekundärpräventiver Leistungen besser zu verstehen.
Ikonische Macht
(2016)
Bilder sind Teil der medialen Öffentlichkeit. Sie konstruieren Gesellschaft. Wie machtvoll sind sie? Die Studie analysiert die soziale Gestaltung von Pressefotografien in Tageszeitungen. In Feininterpretationen werden die gestalterischen Routinen der Redaktionen nachgezeichnet. Zudem wird gezeigt, wie bei der Veröffentlichung um die Auslegung der Bilder gerungen wird. Die Autorin entwickelt die qualitative Bildanalyse innovativ weiter und liefert zugleich einen eigenständigen Beitrag zur Diskussion der ,Macht der Bilder‘.
Gangsta-Rap ist besonders in Deutschland stark männlich dominiert und als Musikgenre kommerziell sehr erfolgreich. Er gilt als eine der wenigen Zonen bislang weitestgehend unbedrohter Männlichkeitsentwürfe.
Die Ende des Jahres 2011 in Erscheinung getretene Gangsta-Rapperin Schwesta Ewa könnte gerade aufgrund ihres biologischen Geschlechts die Chance nutzen, Männlichkeitskonzeptionen und Vorstellungen von Weiblichkeit im Gangsta-Rap infrage zu stellen. Doch welche Konstruktionen von Männlichkeit und Weiblichkeit stellen Männer und Frauen in der Praxis genau auf? Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage werden primär die soziologischen Konzepte zu hegemonialer Männlichkeit (Connell), Habitus (Bourdieu) und männlichem Geschlechtshabitus (Meuser) herangezogen. Die theoriegeleitete, fallspezifische Zuordnung und Analyse von Songtexten erfolgt durch die empirische Methode der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse. Ein Ergebnis ist, dass Schwesta Ewa eine komplexe Eigen-Weiblichkeitskonstruktion aufstellt. Über den Vergleich mit dem untersuchten Gangsta-Rapper Kollegah wird u. a. die These von Connell und Messerschmidt empirisch nachgewiesen, wonach auch Frauen Träger von Aspekten hegemonialer Männlichkeit sein können.
Die erste Forschungsfrage untersucht vor allem die homosoziale Dimension sowie das für Gangsta-Rap konstitutive Moment von Eigenaufwertung und Fremdabwertung. Welche Muster von Anerkennung existieren jedoch zwischen Männern und Frauen? Für diese zweite Forschungsfrage wird eine Diskursanalyse durchgeführt, mit der viele Künstler/-innen und ihre Songtexte untersucht werden. Es wird ermittelt, dass Gangsta-Rap auch als Repräsentation konservativer Geschlechterbilder zu verstehen ist. Ebenso sind Schilderungen zu alltäglich erfahrbaren sozialen Phänomenen wie Liebe und Freundschaft als auch zu den damit einhergehenden sozialen Rollen vorzufinden. Die Perspektive gegengeschlechtlicher Wertschätzung kann aber gleichzeitig ablaufende Abwertung beibehalten.
Die vergleichende Arbeit beschäftigt sich mit der Bürgerbeteiligung in Städten in Deutschland und Frankreich. In den letzten 20 Jahren haben sich die Formen lokaler Demokratie immer wieder verändert und sich den örtlichen Gegebenheiten angepasst. Das Interesse der Bürger, Verwaltung und politisch gewählten Vertreter an Partizipation wächst stetig . Das heißt aber auch, dass sich diese 3 Akteure den neuen Strukturen anpassen und eigene Strategien entwickeln müssen. Die demokratischen Formen der kooperativen bzw. partizipativen Demokratie werden immer häufiger angewandt. Diese Arbeit evaluiert die verschiedenen Bürgerbeteiligungsinstrumente in Frankreich und Deutschland in dem zwischen Input, Output und Outcome unterschieden wird. Insbesondere die Bürgerhaushalte, Beiräte und Quartiersräte werden genauer betrachtet. Die Ergebnisse zeigen erste Hinweise in welche demokratische Richtung sich die deutschen Städte künftig entwickeln.
Der Begriff Altruismus geht auf Auguste Comte, den Gründer der Soziologie zurück. Es bezeichnet zugleich Uneigennütziges als auch selbstloses Verhalten von Individuen und wird daher oft dem egoistischen Verhalten gegenübergestellt. Die zahlreichen Anhänger des rationalen-egoistischem Paradigma lehnen die Idee der altruistischen Natur des Menschen meist ab, wohingegen die Anhänger des Altruismus nicht nur schwerer zu finden sind, sondern vor allem die Idee einer rein egoistischen Natur ablehnen. Diese Arbeit untersucht die Altruismus-Begriffe der Soziologen Emile Durkheim und James Coleman, welche die Kontroverse zwischen den unterschiedlichen Paradigmen wiederspiegeln. Ziel dieser Arbeit wird es sein, die unterschiedlichen Altruismus-Konzepte von Durkheim und Coleman zunächst vorzustellen, anschließend einander gegenüberzustellen und darauf folgend zu untersuchen, welche Auswirkung ihre unterschiedlichen Weltanschauungen, Prämissen und Methodologien auf ihr Verständnis von der Logik des selbstlosen Gebens haben. Durch den Vergleich soll versucht werden die Grenzen beider Theorien aufzuzeigen und damit auch ein Ausweg aus dem methodologischem Disput, welcher folglich zur Überwindung der Altruismus-Egoismus Kontroverse beitragen soll.
Serious games in andragogy
(2015)
Die Dissertation mit dem Thema „Demografie und politischer Reduktionismus – eine Diskursanalyse der Demografiepolitik in Deutschland“ knüpft an die Debatte um die Demografisierung an, die sich damit beschäftigt, dass gesellschaftliche Entwicklungen häufig zu sehr aus einer demografischen Perspektive betrachtet und beschrieben werden. Sie analysiert die zum Teil noch jungen Diskurse, die durch Akteure in Wissenschaft, Politik und Publizistik zu den demografiepolitischen Strategien und Aktivitäten der Bundesregierung geführt werden.
Dabei werden Teilbereiche der Gesellschaft, darunter insbesondere die soziale Sicherung, die Generationenbeziehungen sowie die ökonomische Entwicklung und auch räumliche Aspekte der Demografie, in den Blick genommen. Es werden ausgewählte Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen und demografischen Veränderungen reflektiert, denen ein kausales Beziehungsverhältnis bescheinigt wird. Es wird aufgezeigt, wo mit Verweis auf die Demografie lediglich Deutungsangebote geschaffen und Kausalbehauptungen aufgestellt werden.
Von besonderem Untersuchungsinteresse ist hierbei die Demografie als Argument, um politisches, wirtschaftliches und soziales Handeln zu legitimieren und ein gesellschaftliches Klima der Akzeptanz zu erzeugen. Wo erweist sich die Demografie als ein Spekulationsobjekt – wo ist sie erwiesene, überprüfbare Kausalität? Und wo ist die Grenze zur Instrumentalisierung der Demografie zu ziehen? Es wird belegt, dass eine Gelegenheitsdemografie vor allem aus drei Gründen praktiziert wird: Sie verschafft organisierten Interessen Gehör, sie bietet Orientierung in komplexen Gesellschaften und sie dient als Beurteilungsmaßstab der Bewertung von gesellschaftlichen Entwicklungen.
Die aktuelle Konjunktur von Diskursen zum demografischen Wandel sorgt dafür, dass die Gelegenheiten, mit Demografie zu argumentieren, immer wieder reproduziert werden. In der Folge werden nicht nur gesellschaftliche Entwicklungen zu sehr auf demografische Komponenten zurückgeführt. Auch das familien-, sozial-, migrations- und wirtschaftspolitische Denken und Handeln wird häufig über das Maß tatsächlicher Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge hinaus auf vermeintliche demografische Gesetzmäßigkeiten reduziert (Reduktionismus).
Die Diskursanalyse der Demografiepolitik in Deutschland will die Bedeutung des demografischen Wandels für die Gesellschaft dabei nicht in Frage stellen. Sie soll für einen kritischeren Umgang mit der Demografie sensibilisieren. Dazu gehört auch, aufzuzeigen, dass die Demografie ein Faktor unter vielen ist.
Die Populärkultur hat mit der Sitcom ein eigentümliches Genre im Fernsehen etabliert. Während Fernsehserien oft hinausblicken in jene Bereiche, die sich zum Teil drastisch von der Lebenswelt des Zuschauers unterscheiden, widersetzt sich die Sitcom seit über einem
halben Jahrhundert dieser Blickrichtung. Stattdessen lenkt sie die populärkulturelle Aufmerksamkeit auf Themen, die diesseits unseres
lebensweltlichen Horizonts verortet sind und liefert Alltagsbeschreibungen in pointierter Form. Damit bündelt sie eine Fülle von gesellschaftlichen Relevanzen und situiert sie dort, wo sie zugleich ihr Publikum findet: zu Hause, in den eigenen vier Wänden.
Situation Comedies erweisen sich nicht nur deswegen als soziologische Erkenntnismittel, die – gerade weil es sich bei ihnen um Wirklichkeitskonstruktionen zweiter Ordnung handelt – normativ aufgeladene Bilder des Alltags zeigen. Im Genre der Sitcom wird dem Alltag als Sujet gleichsam ein medialer Ort innerhalb der Populärkultur zugewiesen.
Die damit einhergehenden soziologischen und medialen Facetten ergründet die vorliegende Studie – als erste deutschsprachige Monografie zu dem Thema – im Hinblick auf verschiedene Topoi wissenssoziologisch und hermeneutisch am Beispiel ausgewählter Sitcoms der zurückliegenden 20 Jahre. Als beeindruckend erweisen sich hierbei die tiefgreifenden und bildhaften Analysen der Sitcoms und ihre Rückbindungen an wissens-, kultur- und allgemeinsoziologische Erkenntnisse. Die Sitcom erscheint als Unter-haltungsformat, das nicht nur Alltagsgeschichten erzählt, sondern die Produktions- und Rezeptionsbedingungen dieser Geschichten immer auch miterzählt. Es handelt sich mithin um mediale Artefakte, die gleichsam als unterhaltsame Mittel gesellschaftlicher Wahrnehmung und medialer Selbstwahrnehmung auftreten.
Angelegt als qualitative Studie an der Schnittstelle von Medien- und Sozialwis-senschaften, fügt das Buch dem gegenwärtigen Diskurs um Populärkultur, Fernsehserien und Kulturwissenschaften eine soziologisch fundierte Perspektive hinzu, die für Sozial- und Medienwissenschaftler ebenso anregend ist wie für jene, die mit besonderem Augenmerk auf die gegenwärtige akademische Rezeption von TV-Serien schauen – kenntnisreich dargelegt in einer klaren und zugänglichen Sprache
Für Rechtsetzung sind nicht nur die Parlamente als Legislativorgan zuständig. Auch - und in weitaus größerem Umfang - werden hier exekutive öffentlich-rechtliche Organisationen tätig und erstellen Rechtsverordnungen, Satzungen und Verwaltungsvorschriften. Bisher liegen noch keine umfassenden und wissenschaftlich verwertbaren Erfahrungen darüber vor, ob sich der in Wirtschaft und Privatleben sehr intensiv entwickelnde Einsatz von Social Software auch vorteilhaft auf die Gestaltung von Rechtsetzungsprozessen auswirken kann. Im Rahmen der Arbeit wird daher ein Ordnungssystem entwickelt, das eine strukturierte und nachvollziehbare Auswahl einer Social Software-Anwendung für die Recht setzende Exekutive ermöglicht.
Der Zugang zu öffentlichem und privatem Kapital ist für Innovationen unerlässlich. Zur Beantwortung der Frage, wie KMU ihre Innovationstätigkeit in Deutschland derzeit finanzieren, wird anhand eigens erhobener Unternehmensdaten eine Analyse vorgestellt. Hierbei wird zunächst ein originärer Innovationsindex entwickelt, um innovative KMU statistisch sauber zu klassifizieren. Die anschließende Untersuchung des Finanzierungsverhaltens unterschiedlich innovativer KMU zeigt auf, dass je nach Innovationsgrad Nuancen im Finanzierungsmix bestehen. Im Ergebnis wird nachgewiesen, dass die verfügbaren internen Finanzmittel die Innovationstätigkeit und somit das Wachstum innovativer Unternehmen limitieren. Typische Innovationspartner, in Form von Beteiligungskapital (Venture Capital/Private Equity) oder Business Angels, können die aufgezeigte Kapitallücke bisher nicht schließen. Vorwiegend durch öffentliche Subventionen wird der Mangel an Finanzierungsalternativen teilweise kompensiert. Diese empirisch gewonnenen Erkenntnisse werden in den gesamtwirtschaftlichen Kontext eingeordnet und Handlungsnotwendigkeit sowie Vorschläge präsentiert. Die bisherige Forschungs- und Innovationsförderung wird aus der Perspektive innovativer KMU kritisch beleuchtet und es werden Alternativen für die deutsche Förderpolitik - u.a. im internationalen Vergleich - abgeleitet.
Das Thema der Arbeit sind Formen wissenschaftlicher Wissensproduktion in anwendungsbezogenen Forschungsprojekten und ihre Effekte auf Technisierungsprozesse. Diese untersuche ich am Beispiel eines öffentlich geförderten Forschungsprojekts, das ein automatisiertes Videoüberwachungssystem entwickelt. Als anwendungsbezogenes Forschungsprojekt unterliegt die Entwicklung des Videoüberwachungssystems besonderen Rahmenbedingungen: Die Arbeit der Forschergruppe soll erstens auf makrosoziale Kriminalitätsprobleme reagieren, zweitens politische Hoffnungen auf einen erfolgreichen Technologietransfer erfüllen, und drittens dem innerdisziplinären Erkenntnisfortschritt dienen. Daraus ergeben sich alltagspraktische Handlungsprobleme für die Forschergruppe, da sie zwischen heterogenen und möglicherweise widersprüchlichen Erwartungshaltungen vermitteln muss. Diese Vermittlungsstrategien beeinflussen jedoch in die Entscheidungsprozesse, wie und in welchem Ausmaß Überwachungsprozesse technisiert werden.
Das Promotionsprojekt geht der Frage nach, auf welche Weise die Forschergruppe die Integration der verschiedenen Erwartungshaltungen bewältigt, und welche Auswirkungen diese besondere Form des anwendungsbezogenen Forschens auf die Entwicklung der Überwachungstechnologie hat. Auf der Grundlage einer ethnographischen Fallstudie beantworte ich die Frage durch den Nachweis, dass die präferierten Lösungen der Forschergruppe sich eher an disziplinären Fragestellungen ausrichten als an ihrer Praxistauglichkeit. Dies wird besonders darin sichtbar, dass die ursprünglichen Problemstellungen im Verlaufe des Arbeitsprozesses anhand der tatsächlich verfügbaren Instrumente umdefiniert werden. Die daraus resultierenden Konflikte mit den gesellschaftlichen Erwartungshaltungen bewältigt die Forschergruppe, indem sie lernt, die Anwendungsbezogenheit gegenüber der Förderinstitution sorgfältig zu inszenieren.
Die Gegenwart der Zukunft
(2015)
Gleichstellungspolitik als „Querschnittspolitik“ ist eine der oft genannten politische Metapher unserer Zeit. Ob in der Arbeitsmarkt-, Steuer-, Familien- oder Bildungspolitik, Gleichstellung ist in allen diesen Bereichen von hoher Relevanz. Der „Querschnittscharakter“ der Gleichstellungspolitik trägt dazu bei, dass in diesem Politikbereich viele unterschiedliche Akteure mit ebenso unterschiedlichen Handlungslogiken sowie Zielen aufeinandertreffen. Um Gleichstellungprogramme planen und darüber Gleichstellungspolitiken gestalten zu können, müssen die Handlungen dieser Akteure koordiniert werden.
In dieser Arbeit wird unter Verwendung des Governance-Ansatzes der Frage nachgegangen, wie die Handlungskoordination zwischen unterschiedlichen Akteuren im System der deutschen Gleichstellungspolitik erfolgt. Analysiert und rekonstruiert werden die gleichstellungspolitischen Entwicklungen in der BRD seit den 1990er Jahren, anhand der Auswertung relevanter Regierungsdokumente und wissenschaftlicher Sekundärliteratur. Hierarchien, Netzwerke und Verhandlungen – Ausprägungen der Governance-Formen – stehen bei der Rekonstruktion und Analyse der Akteurskonstellationen im Mittelpunkt.
Im Ergebnis konnten im Falle Deutschlands zwei verschiedene „Gleichstellungsgovernance-Regime“ identifiziert werden. Diese sind gekennzeichnet durch die in den Regimen je dominierenden Handlugskoordinationsmechanismen der „wirtschaftlichen-Selbstkoordination“ (2001) und der „wechselseitigen-Beobachtung“ (2003-2012). Der Vergleich dieser beiden Regime zeigt, dass sie sich vor allem in Hinblick auf ihre Akteurskonstellationen unterscheiden. In ihnen herrschen je eigene Handlungslogiken und als Folge daraus unterschiedliche gleichstellungspolitische Ergebnisse.
Jede Software ist "Social"
(2010)
Im Folgenden schlage ich ein System gesellschaftlicher Dauerbeobachtung für den internationalen Vergleich von Gesellschaften vor, indem aufgrund einer Auseinandersetzung mit der sozialphilosophischen Diskussion acht Performanzkriterien für den Vergleich von Lebensbedingungen bzw. der „Wohlfahrt der Nationen“ entwickelt werden: Wohlstand und Wachstum; ökologische Nachhaltigkeit; Innovation; soziale Sicherung durch Unterstützungsleistungen im Risikofall sowie vorsorgend durch Bildungsinvestitionen; Anerkennung der Besonderheiten (Frauenfreundlichkeit und Migrantenfreundlichkeit); Gleichheit der Teilhabe; soziale Integration; Autonomie („freedom of choice and capabilities”). – Der Wandel von Wohlstand und Wohlfahrt wird im Kontext der Weltfinanzkrise und der folgenden großen Rezession betrachtet.
In meinem Lehrforschungsprojekt haben wir in einem ersten Schritt ab 2004 die Operationalisierung der gesellschaftlich wünschenswerten Ziele entwickelt und erste Auswertungen für 28 Länder vorgenommen (Holtmann, Dieter u. a.: Zur Performanz von Wohlfahrtsregimen und zu den Unterstützungspotentialen für die verschiedenen Wohlfahrtskonzepte. Potsdam 2006: Universitätsverlag). Im nächsten Schritt haben wir die Operationalisierungen weiterentwickelt und ab 2007 36 Länder in den Vergleich einbezogen (Holtmann, Dieter u.a.: Die Sozialstruktur der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich. Potsdam 20127: Universitätsverlag). Im dritten Schritt haben wir diesen systematischen Ländervergleich durch Fallstudien zu den einzelnen Ländern ergänzt (Holtmann, Dieter u.a.: Die Wohlfahrt der Nationen: 40 Länder-Fallstudien zu den Institutionen und ihrer Performanz. Aachen 2012: Shaker).
In meinem Ansatz gehe ich nicht von einem einheitlichen Pfad der Modernisierung in Richtung Wachstum, Partizipation und Inklusion aus, sondern unterscheide – in Erweiterung der „drei Welten des Wohlfahrtskapitalismus“ von Esping-Andersen (1990) – für die berücksichtigten Länder (u.a. alle EU-Mitglieder) insbesondere folgende sechs verschiedene institutionelle Entwicklungspfade der Modernisierung: Der sozialdemokratisch-universalistische Pfad, der wirtschaftsliberale Pfad, der Status-konservierende Pfad, der „familistische“ Pfad, die Entwicklung der Gruppe der post-sozialistischen Länder, die sich in einem Prozess der Ausdifferenzierung befinden, und den produktivistischen, aufstiegsorientierten Modernisierungspfad Ostasiens. Als Erweiterung über die 36 entwickelten Länder unserer Sozialstrukturvergleiche hinaus berücksichtige ich die fünf Aufsteiger Südkorea, Brasilien, Südafrika, China und Indien sowie mit Kroatien und Serbien ein neues bzw. prospektives EU-Mitglied.
Als gesellschaftliche Teilbereiche zur Analyse der Sozialstrukturen nach der Weltfinanzkrise werden behandelt: Bildung und Bildungsregime; Dienstleistungs-gesellschaften und Erwerbstätigkeit; Wohlfahrtsregime und soziale Sicherung (Bildung und nachsorgende soziale Sicherung); Wohlstand, Einkommen, Vermögen und Armut; Individualisierung und ihre Gegenbewegungen; soziale Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern; Bevölkerungsstruktur und Lebensformen; zusammenfassender Vergleich von Lebensbedingungen in den verschiedenen Ländern und Wohlfahrtsregimen.
Historisch wie aktuell werden durch gewalttätige soziale Auseinandersetzungen bestehende gesellschaftliche Ordnungen infrage gestellt. In der Geschichtswissenschaft wie in der Soziologie waren Tumulte, Aufstände oder soziale Erhebungen immer wieder Gegenstand von Untersuchungen. Während der historische Zugriff auf diese Phänomene gewöhnlich durch detaillierte Beschreibungen historische Abläufe genau zu rekonstruieren versucht hat, um diese verstehen zu können, geht es soziologischen Arbeiten zumeist um einen viel stärker generalisierenden und erklärenden Zugriff. Zwar gab es immer wieder Anläufe, diese scheinbar unüberbrückbare Differenz zwischen den Disziplinen zu überwinden, doch alle die Versuche müssen als mehr oder weniger gescheitert angesehen werden. Nach wie vor gilt deshalb, dass mit der ausschließlichen Konzentration auf die je eigene disziplinäre Herangehensweise viel Erkenntnispotenzial verschenkt wird. Aus diesem Grund unterbreitet die vorliegende Studie einen neuen Vorschlag, Geschichtswissenschaft und Soziologie zusammenzubringen. Der Verfasser unternimmt hier den Versuch, die beiden vermeintlich so gegensätzlichen Auffassungen von Wissenschaftlichkeit über eine gemeinsame methodologische Perspektive zusammenzuführen und auf dieser Grundlage einen vereinten, erklärenden Zugriff von Geschichtswissenschaft und Soziologie zu skizzieren, der nach dem „Wie“ eines Ereignisses fragt, zugleich aber auch erklären will, „warum“ es dazu gekommen ist. Das vorliegende Buch untersucht auf dieser methodologischen Grundlage und mittels eines historisch-soziologischen Zugangs sozialen Protest im Vormärz, es schließt an Arbeiten der historischen Soziologie und Sozialgeschichte an und entwickelt dazu einen stringenten historisch-soziologischen Erklärungsansatz.
Üblicherweise vermeiden deutsche Parteien Kampfkandidaturen um den Vorsitz. Dennoch kam es auf dem Mannheimer SPD-Parteitag 1995 zu einer unerwarteten offenen Konkurrenz um das Spitzenamt. Das unbeabsichtigte Scheitern der Inszenierung der „Geschlossenheit“ der Partei führte zum Ausbruch der bis dahin unterdrückten Kämpfe um den Parteivorsitz. Der Mannheimer Parteitag steht exemplarisch für den Zusammenhang zwischen Inszenierung, Disziplin und den informellen Regeln innerparteilicher Machtkonstruktion. Am Beispiel dieses Parteitages zeigt die vorliegende Arbeit, wie umstrittenen Parteivorsitzenden sich gegen Widerstände im Amt behaupten können bzw. woran diese Strategie scheitern kann. Aus figurationstheoretischer Perspektive wird die Inszenierung als Notwendigkeit medienvermittelter Parteienkonkurrenz um Wählerstimmen gefasst. Inszenierung erfordert Selbstdisziplin und das koordinierte Handeln der Parteimitglieder. Innerparteilich wird so wechselseitige Abhängigkeit erzeugt. Diese wird gesteigert durch die Medien-Konzentration auf wenige Spitzenpolitiker. Die Mehrheit der Mandatsträger und Funktionäre ist angewiesen auf das medienwirksame Auftreten der Führung. Für den Medienerfolg braucht die Führung ihrerseits die Unterstützung der Mitglieder. Diese wechselseitige Abhängigkeit erzeugt sowohl typische Relevanzen als auch Möglichkeiten, die jeweils andere Interessengruppe unter Zugzwang zu setzen. Imageprobleme des Vorsitzenden sind als verletzte Erwartungen Anlass für innerparteiliche Machtkämpfe, in denen die Parteiführung insbesondere die Inszenierung der „Geschlossenheit“ nutzen kann, um offene Personaldiskussionen zu verhindern. Da Handlungsoptionen und -grenzen durch das Handeln der Akteure immer wieder neu geschaffen werden, besteht stets das Risiko des Scheiterns innerparteilicher Disziplinierung. Mit dem Nachvollzug von Disziplinierung und den Gründen ihrer Kontingenz versteht sich die vorliegende Arbeit als Beitrag zu einer Theorie informeller Machtregeln in Organisationen mit schwach ausgeprägten Herrschaftsstrukturen. Im ersten Teil der Arbeit wird der Zusammenhang zwischen Inszenierung und Macht durch die Konzepte Theatralität und Figuration entwickelt. Im zweiten Teil werden typische Konstellationen der gegenwärtigen parlamentarischen Demokratie auf typische beziehungsvermittelte Situationsdeutungen, Handlungsmöglichkeiten und -grenzen untersucht. Im dritten Teil wird der kontingente Prozess des innerparteilichen Machtkampfes am Beispiel des Mannheimer Parteitages 1995 nachvollzogen.