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Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Herausforderungen der Professionalisierung angehender Lehrkräfte im Rahmen der universitären Lehrkräftebildung und nimmt dabei kasuistische Lehrformate als wichtige Elemente hochschuldidaktischer Konzeptionen in den Blick. In diesem Zusammenhang wird das Modul „Außerunterrichtliches Pädagogisches Praktikum“ (AuPP) als ein zentrales Element der Praxisphasen des Lehramtsstudiums an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) vorgestellt. Im Rahmen dieses Moduls wird versucht, durch die Arbeit an konkreten Fällen aus der pädagogischen Praxis – gemeint sind vor allem Beobachtungsprotokolle und Transkripte von Interviewauszügen aus unterschiedlichen (sozial-)pädagogischen Handlungsfeldern – einen reflexiven Zugang zu Spannungsmomenten, Problem- und Krisendynamiken, Orientierungsmustern der Akteur:innen sowie Gelingensbedingungen pädagogischer Praxis für angehende Lehrpersonen zu eröffnen und darüber einen reflexiven Habitus anzubahnen, der für die weitere Berufsbiografie und Professionalisierung essenziell erscheint.
Dimensionen von Macht
(2023)
Ziele: Die Autorin konzentriert sich auf die Betrachtung des ethischen Berufskodex der Sozialen Arbeit und untersucht Schlüsselthemen (professionelle Haltung, systemimmanente Dilemmata, Gewalt und Machtmissbrauch) in der Praxis der Kinder- und Jugendhilfe und des Kinderschutzes in Ungarn und Deutschland.
Methoden: Kurzdarstellung einer standardisierten Online-Befragung von Fachkräften im System der Kinder- und Jugendhilfe sowie des Kinderschutzes, die in Ungarn und Deutschland durchgeführt wurde. Der bereinigte Datensatz beläuft sich auf insgesamt 122 Fragebögen (Deutschland N=89, Ungarn N=33 aus Ungarn). Einige kinderrechtliche Herausforderungen in Bezug auf Institutionen der stationären Kinder- und Jugendhilfe und des Kinderschutzes in Ungarn werden darüber hinaus in einem Dialog vertiefend erörtert.
Ergebnisse: Der ethische Rahmen der Profession ist weitgehend bekannt, aber die Bedingungen in der Praxis müssen so verbessert werden, dass professionsethisch korrektes Handeln möglich ist. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass in der täglichen Praxis Verstöße gegen die Berufsethik vorkommen. Besonders besorgniserregend sind die Ergebnisse bezüglich Gewalt und Missbrauch gegenüber Adressat*innen.
Implikationen für die Sozialarbeit: Die Profession der Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession ist unweigerlich in normative Fragen der gesellschaftlichen Macht- und Dominanzverhältnisse verstrickt. Professionelles Handeln erfordert zum einen Kenntnisse der Kinder- sowie Menschenrechte, das Bewusstsein für moralische Normen, Standards und Werte, zum anderen die Fähigkeit zur ethischen Urteilsbildung, Selbstreflexion sowie Intervention.
Diskriminierungsverbote gehören zu den Grundpfeilern des internationalen Menschenrechtsschutzes. Es gibt sie in unterschiedlichen Ausprägungen: Manche schützen nur vor einer Ungleichbehandlung bei der Inanspruchnahme eines Freiheitsrechts (sog. akzessorische Diskriminierungsverbote), andere schützen demgegenüber vor einer Ungleichbehandlung in sämtlichen Rechtskontexten. Ein allgemeines und umfassendes Diskriminierungsverbot, welches in allen Rechtskontexten gilt, findet sich in Artikel 1 des 12. Zusatzprotokoll zur EMRK. Dieses Zusatzprotokoll wurde von vielen europäischen Staaten - darunter auch Deutschland - bisher nicht ratifiziert. Der Beitrag möchte die menschenrechtlichen Potenziale und Mehrwerte dieses Zusatzprotokolls aufzeigen und nimmt dabei auch umfassend Bezug auf die Lernerfahrungen des UN-Zivilpakts, welcher mit Art. 26 UN-Zivilpakt eine strukturanaloge Regelung kennt.
Die Knappheit medizinischer Ressourcen im Verlauf der COVID-19-Pandemie machte die Überlegung notwendig, wie und an wen medizinische Güter, besonders COVID-19-Impfstoff, verteilt werden sollen. Dafür wurden sowohl national als auch international Priorisierungskonzepte zur Impfstoff-Allokation entwickelt. Neben verschiedenen moralphilosophischen Grundsätzen und nationalstaatlicher Gesetzgebung sollten auch die Menschenrechte bei der Etablierung von Allokationssystemen berücksichtigt werden. Möglichkeiten zur praktischen Umsetzung sind etwa die Priorisierung vulnerabler Gruppen sowie die Gewährleistung von Diskriminierungsfreiheit und Chancengleichheit bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen. Ein intersektionaler, menschenrechtsbasierter Ansatz kann dazu beitragen, einen ganzheitlichen Blick auf die Gesundheitsversorgung der Gesellschaft zu werfen und neben den direkten medizinischen Problemen auch die sozialen Determinanten von Gesundheit und die Interdependenz aller zu schützenden Menschenrechte zu adressieren. Welche Rolle die Menschenrechte im Kontext der Ressourcenverteilung spielen, wird anhand der Verteilung von COVID-19-Impfstoff in Deutschland analysiert, wobei exemplarisch der besondere Schutz Älterer betrachtet wird.
Die Verbesserung der sozialen Teilhabe eines Kindes ohne ausreichende Lautsprache steht im Fokus der Versorgung mit Unterstützter Kommunikation. Die Schnittstelle Alltag ist für die Intervention mit Unterstützter Kommunikation besonders wichtig, da das unterstützt kommunizierende Kind in seiner alltäglichen Kommunikation extrem abhängig von seinem sozialen Umfeld ist. Die Bezugspersonen müssen die Hilfsmittel und ihre Verwendung gut kennen, Kommunikationssituationen spezifisch gestalten und individuell abgestimmte Sprachlehr- und Kommunikationsstrategien einsetzen. Dass dieser Transfer gelingt, ist Aufgabe der Sprachtherapie. Der Sprachtherapie stehen dazu verschiedene Modelle zur Verfügung: das bio-psycho-soziale Modell der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit der WHO (ICF) und Modelle, die aus dem Fachgebiet der Unterstützten Kommunikation selbst stammen, wie das Kooperative Partizipationsmodell, Fähigkeitskontinuum und Modell kommunikativer Kompetenz. Die Umsetzung der Modelle in die Praxis wird anhand eines Fallbeispiels veranschaulicht. Letztendlich geht es um die natürliche Nutzung von Unterstützter Kommunikation in echten Kommunikationssituationen und um die langfristige Unterstützung der Entwicklung hin zu Fähigkeiten, selbstinitiiert und unabhängig kommunizieren zu können.
Partizipation meint in diesem Kontext die erfolgreiche mündliche Verständigung im sozialen Miteinander. Unter der Bedingung einer Aphasie verändert sich die Partizipation im Alltag bis hin zur sozialen Isolation. Die Sprachtherapie bietet verschiedene Therapieformate, um dagegen verbale Freiräume zu eröffnen. Bei einer globalen Aphasie werden Interaktionshilfen zur Kompensation von sprachlichen Defiziten systematisch und gezielt eingesetzt. Mein Vorgehen beschreibe ich ausführlich. Bei Restaphasie, bei Patient*innen im erwerbsfähigen Alter ohne Arbeitschancen handelt es sich eher um individuelle Projekte zur Selbständigkeit oder Beschäftigung. Hilfreich ist ein Netzwerk an kollegialen Kontakten. Meine Überlegungen und Daten stammen alle aus meinen Erfahrungen in der eigenen Praxis für Sprachtherapie in Dresden.
Der vorliegende Beitrag stellt die deutsche kurze Version des kommunikativen Partizipationsassessments ‚Fokus auf den Erfolg der Kommunikation für Kinder unter 6 Jahren (FOCUS©-34-G)‘ (Thomas-Stonell et al., 2012a) vor. Es werden die Entwicklung und psychometrische Validierung, Zielsetzung, Durchführung und Auswertung für den konkreten Einsatz in der sprachtherapeutischen Praxis beschrieben.
Im Beitrag wird das Lehrkonzept Reflexives Schreiben zur Förderung der Reflexionskompetenz dargestellt, das für die erste Phase der Lehrkräfteausbildung in der Fachdidaktik Deutsch entwickelt und umgesetzt wurde. Reflexives Schreiben wird hier als Schreiben aufgefasst, das sich auf das schreibende Subjekt zurückbezieht und eine Reflexion über sich selbst als Subjekt im Bildungskontext des Fachpraktikums intendiert. Die theoretische Grundlage für das Lehrkonzept bilden schreibwissenschaftliche Ansätze, die das Schreiben in seiner epistemisch-heuristischen Funktion als Denk-/Lernmedium zum Zwecke der Wissenserweiterung auffassen. Zentrale Bedeutung kommt Schreibarrangements zu, die einen situations- und subjektnahen Zugang zu den Gegenständen der Reflexion, d. i. zu Handeln und Affekten der Lehramtsstudierenden im Fachpraktikum, schaffen und mit subjektiven, (auto-)biografischen und kreativen Schreibformen der Herausforderung begegnen, sich selbst als Praktikant:in zu thematisieren. Die Schreibarrangements erweisen sich insofern als reflexionsfördernd, als sie Nähe zu eigenen Erlebnissen und Erfahrungen schaffen und zugleich kritische Distanz zu sich selbst ermöglichen.
Für die berufliche Lehrkräftebildung werden reflexive Ansätze benötigt, um den Herausforderungen der digitalen Transformation der Berufs- und Arbeitswelt proaktiv zu begegnen. Um hier einen Beitrag zu leisten, erarbeitet das Projekt Teach@TUM4.0 innovative Lehrkonzepte zur Reflexion dieser Veränderungen. Reflexion wird verstanden als strukturiertes Analysieren, das sich auf Kenntnisse, Denken und Handeln auswirken sollte. Die Reflexion erfolgt entlang der Kategorien eines vorstrukturierenden heuristischen Bezugsrahmens. Angesichts des umwälzenden Charakters der digitalen Transformation findet Reflexion auf drei Ebenen statt: methodisch geleitet auf Ebene des Forschungsteams, institutionen- und phasenübergreifend mit Stakeholdern der beruflichen Lehrkräftebildung sowie mit Studierenden in der interdisziplinär angelegten Lehre. Mit den im Projekt entwickelten reflexiven Ansätzen soll die Ausbildung handlungsfähiger Lehrkräfte für die digitale Transformation der Berufs- und Arbeitswelt gesichert werden.
Praxiserfahrungen sind im Studium effektiv, wenn sie auf Grundlage von fundiertem Professionswissen gemacht, zugleich reflektiert und mit bereits vorhandenem Wissen verknüpft werden. Dabei sind insbesondere fachspezifische Qualitätsmerkmale zu reflektieren. Die Vielschichtigkeit von Unterricht stellt für (angehende) Lehrkräfte eine Herausforderung dar. Daher ist ein klar strukturierter, in der Komplexität reduzierter Rahmen förderlich. Diesen Rahmen bieten Beobachtungs- und Reflexionshilfen, welche die individuelle Unterrichtswahrnehmung (Noticing) strukturieren. Hierfür wurde eine digitale Unterstützung entwickelt (BeoReflekt), welche die Beobachtungen von Unterricht auf Grundlage der aus der Unterrichtsqualitätsforschung abgeleiteten generischen und fachspezifischen Dimensionen strukturiert. Nach der Unterrichtsbeobachtung kann das Tool BeoReflekt die Ergebnisse individuell oder gruppenübergreifend durch graphische Repräsentationen visualisieren. Dadurch können subjektive und kulturell beeinflusste Unterrichtswahrnehmungen sichtbar gemacht und reflektiert werden. Die Befragung von Nutzer:innen zeigt, ergänzend zur Analyse der Entwicklung der Reflexionsperformanz, eine positive Einschätzung der Nützlichkeit des Tools für die Beobachtung und Reflexion von Unterricht.
Der Berufsbildungsbericht (BMBF, 2022) verweist darauf, dass inzwischen eine Viertelmillion junger Menschen im spezifischen Ausbildungssegment „Übergangssektor“ münden. Dazu zählen berufsorientierende (Aus-)Bildungsangebote, die u. a. das Nachholen eines allgemeinbildenden Schulabschlusses ermöglichen, jedoch zu keinem anerkannten Ausbildungsabschluss führen. Hierbei handelt es sich längst nicht mehr um einen institutionell gesonderten Bereich der beruflichen Bildung, sondern i. d. R. um einen schulorganisatorisch eigenständigen Bereich. Es gehört somit zum beruflichen Alltag von Lehrkräften der Beruflichen Bildung, in unterschiedlichen (Aus-)Bildungsgängen zu unterrichten. Diese Zielgruppe wird jedoch in der Lehrer:innenbildung kaum berücksichtigt und somit haben auch die Studierenden diese kaum im Blick. Das wirft die Frage auf, wie angehende Lehrkräfte für die besondere Zielgruppe der benachteiligten Jugendlichen in der beruflichen Bildung und die damit verbundenen Anforderungen an eine adressatengerechte Didaktik sensibilisiert werden können ? Der Beitrag stellt sowohl den Aufbau des Seminarkonzepts sowie ausgewählte Ergebnisse der seminarbegleitenden Forschung vor.
Der allgegenwärtige Lehrkräftemangel führt deutschlandweit dazu, dass Stellen unbesetzt bleiben und zunehmend angehende Lehrkräfte neben ihrem Studium als Vertretungslehrkräfte (VLK) an Schulen tätig werden. Ziel des geplanten Projekts SuPPort ist es deshalb, die häufig als „unbegleitete Schulpraxiserfahrungen“ bezeichneten Vertretungslehrkrafttätigkeiten der Studierenden für die Professionalisierung der angehenden Lehrkräfte zu nutzen und langfristig die Unterrichtsqualität auch im Vertretungsunterricht zu sichern. Im Projekt wird der Professionalisierungsprozess der VLK mithilfe mehrerer digital vernetzter Angebote, die kurz-, mittel- und langfristig angelegt sind, unterstützt und begleitet. Die Unterstützungsmaßnahmen werden zielgruppenorientiert entwickelt und im Hinblick auf die Qualität für die Professionalisierung im Design-Based-Research-Ansatz in enger Verzahnung mit der Schulpraxis evaluiert und angepasst. Dabei werden insbesondere die Professionalisierungsprozesse in Bezug auf Reflexionskompetenz und Unterrichtsqualität – sowie die Studienmotivation und -zufriedenheit von Lehramtsstudierenden im Kontext unbegleiteter Praxiserfahrungen ausgewertet.
Im Rahmen des Projekts „Schnittstellen gestalten“ der Qualitätsoffensive Lehrerbildung von Bund und Ländern wurde an der Universität Bremen im Fach Biologie ein Aufgabenkonzept zur Reflexionsförderung bestehend aus Seminaraufgaben und Unterstützungstools (Prompts) entwickelt und im Wintersemester 2017/2018 eingesetzt. Die Zielsetzung des Aufgabenkonzepts war zum einen, den systematischen Aufbau von biologiedidaktischem Theoriewissen zur Unterrichtsplanung, welches die Grundlage für das Reflektieren fachbezogener Frage- und Problemstellungen in der selbst erlebten Praxis bildet, anzuregen. Zum anderen sollen die Studierenden durch den Einsatz von Prompts gezielt in reflexiven Handlungen unterstützt werden. Die Wirksamkeit des Aufgabenkonzepts wurde anhand der Reflexionsperformanz erhoben (n = 25) und durch Erkenntnisse einer Interviewstudie erweitert. Die nachfolgend vorgestellten Ergebnisse lassen auf ein tragfähiges Aufgabenkonzept schließen. Dieses zeigt insgesamt, wie Anforderungen an das Reflektieren, wie z. B. die Verknüpfung von Theorie und Praxis, hochschuldidaktisch umsetzbar gemacht werden können und erweitert somit das Spektrum diskutierter Förderansätze im Bereich der Reflexionsförderung.
Viele Studieneingangs- und Eignungstests haben zum Ziel, für den entsprechenden Studiengang geeignete Studierende zu finden, die das Studium erfolgreich beenden können. Gerade in der Informatik ist aber häufig unklar, welche Eigenschaften geeignete Studierende haben sollten – auch stimmen mutmaßlich nicht alle Dozierenden in ihren Erwartungen an Studienanfänger*innen überein; Untersuchungen hierzu fehlen jedoch bislang. Um die Erwartungen von Dozent*innen an Studienanfänger*innen im Fach Informatik an deutschen Hochschulen zu analysieren, hat das Projekt MINTFIT im Sommer 2019 eine deutschlandweite Online-Befragung durchgeführt, an der 588 Hochschuldozent* innen aus allen Bundesländern teilnahmen. Die Umfrage hat gezeigt, dass überwiegend allgemeine Fähigkeiten, wie Motivation und logisches Denkvermögen, und nur wenig fachliches Vorwissen, wie Programmieren oder Formale Sprache, erwartet wird. Nach Einschätzung der Dozent*innen sind die problembehafteten Bereiche überwiegend in der theoretischen Informatik und in formellen Aspekten (z. B. Formale Sprache) zu finden. Obwohl Tendenzen erkennbar sind, zeigt die Umfrage, dass bei Anwendung strenger Akzeptanzkriterien keine Fähigkeiten und Kenntnisse explizit vorausgesetzt werden, was darauf hindeutet, dass noch kein deutschlandweiter Konsens unter den Lehrenden vorhanden ist.
Ausgehend von der Diskussion um die Zentralität von Reflexionen in der Lehrkräftebildung wird die Vielschichtigkeit des Konstrukts Reflexion kritisch beleuchtet. Es wird darin einerseits ausgeführt, welche möglichen Konsequenzen die oft fehlende Trennschärfe des Reflexionsbegriffs haben kann. Ein Augenmerk wird dabei auch auf Bereitschaft zur Reflexion gelegt, z. B. in der Frage, ob es nicht sinnvoll ist, Reflexionen in bestimmten Situationen absichtsvoll zu vermeiden. Andererseits wird aufgezeigt, dass dem Reflektieren im Professionalisierungsprozess eine doppelte Funktion zukommt: Lernen von Reflexion und Lernen durch Reflexion; das Reflektieren ist also sowohl ein Mittel zur Erreichung spezifischer Professionalisierungsziele als auch ein eigenständiges Professionalisierungsziel. Im Beitrag wird zudem an verschiedenen Stellen auf die Herausforderungen eingegangen, die sich aus den jeweiligen Überlegungen für Forschung und Lehre ergeben.
Ein Modellseminar, welches deutschdidaktische mit digitalisierungsbezogenen Kompetenzerwerbsprozessen konsequent vernetzte, wurde im Rahmen einer Aktionsforschung untersucht. Hierbei wurde die Lösung eines komplexen Problems (Entwicklung eines digitalen, interaktiven Lernbuchs für einen medienintegrativen Literaturunterricht mit der Open Source Software H5P) von den Studierenden eingefordert und der Lösungsprozess anhand von sog. Digital Narratives (digitalen, auditiven Erzählungen) reflektiert. Die so entstandenen Reflexionspodcasts sollten Einblick in die persönlich bedeutsamen Lerngeschichten der Studierenden geben und erstens für die Dozentin eine systematische Reflexion der eigenen Lehrpraxis in Form einer Aktionsforschung ermöglichen. Zweitens waren sie ein Reflexionsanlass für die Studierenden hinsichtlich ihrer eigenen Problemlöseprozesse, wobei dieser Fokus hier skizziert, aber nicht fokussiert wird. Die Podcasts wurden anhand thematischer Analysen qualitativ ausgewertet. Die Daten gaben Hinweise darauf, dass besonders die eingeforderte Verknüpfung von fachdidaktischen und medialen Aspekten für die Studierenden eine Hürde war. Ebendiese regte aber auch zum vertieften Nachdenken über gute Aufgabensets in einem medienintegrativen Literaturunterricht an. Ein Großteil der Studierenden war nach dem Projekt motiviert, im eigenen Deutschunterricht zukünftig mit digitalen Tools zu arbeiten, wobei auch eine Sensibilisierung hinsichtlich Nutzens und Grenzen solcher stattfand. Aus der datengestützten Beobachtung, Deutung und Ursachenidentifikation leitet die Dozentin Konsequenzen für die Weiterentwicklung des Modellseminars und persönliche Professionalisierung ab.
Wiederkehrend wird die Interaktion zwischen Studierenden als Gelingensbedingung für eine Reflexionsförderung angenommen. Allerdings besteht ein Desiderat darin, Reflexion als in der Interaktion hervorgebrachtes Phänomen zu beforschen. Der Beitrag greift dieses Desiderat auf und begründet zunächst die Notwendigkeit einer interaktionsorientierten Perspektive für die Gestaltung und Beforschung von Reflexionsanlässen. Am Beispiel einer Design-Based-Research-Studie zur Reflexion künstlerisch-ästhetischer Überzeugungen von Musikstudierenden wird im Beitrag dargelegt, wie die Interaktion gezielt für die Gestaltung von Reflexionsanlässen berücksichtigt werden kann. Die empirischen Ergebnisse der Studie zeigen auf, wie hochtransaktive Redebeiträge in Studierendengesprächen als Gelingensmerkmale für die gemeinsame Hervorbringung von Reflexionsprozessen verstanden werden können.
Im beruflichen Lehramt bilden sowohl der Mangel an Studierenden als auch hohe Abbruchquoten bzw. die Abwanderung in Unternehmen eine permanente Herausforderung, der im Rahmen des Projekts „FACE – Berufliches Lehramt“ (gefördert im Kontext der 3. Phase der Qualitätsoffensive Lehrerbildung) mit unterschiedlichen Maßnahmen begegnet werden soll. Die Entwicklungs- und Unterstützungsmaßnahmen im gewerblich-technischen Lehramt am Standort Freiburg fokussieren insbesondere die Aspekte Kohärenz und Professionsorientierung – zukünftig forciert durch studentische Reflexionsprozesse. Diese werden durch die Entwicklung eines Pilotstudiengangs ergänzt, welcher eine 52-wöchige betriebliche Praxis auf Facharbeiterebene (Facharbeiterbrief) in das Studium integriert. Darüber hinaus finden Facetten von Heterogenität/Inklusion und Deutsch als Zweitsprache/Deutsch als Fremdsprache (DaZ/DaF) als Querschnittskompetenzen Eingang in das Studium. Die in allen Bereichen erworbenen Handlungskompetenzen werden in den Schulpraxisphasen erprobt und anschließend kritisch-konstruktiv in Reflexionsseminaren aufgearbeitet. Im folgenden Beitrag soll kurz auf die Entstehung des Pilotstudiengangs unter reflexiven Aspekten eingegangen werden.
Die professionelle Entwicklung von Lehrkräften kann durch die Analyse von Unterrichtsvideos gefördert werden. Hierfür benötigte videobasierte Lehr-Lern-Gelegenheiten werden im FOCUS Videoportal der Freien Universität (https://tetfolio.fu-berlin.de/focus) Berlin bereitgestellt. In diesem Beitrag werden neue Lehr-Lern-Gelegenheiten der ersten und zweiten Phase der Lehrkräftebildung vorgestellt, die im Zuge der Weiterentwicklung des FOCUS Videoportals implementiert wurden. Für die erste Phase der Lehrkräftebildung werden Lehr-Lern-Gelegenheiten zu drei fachdidaktischen Schwerpunkten (Didaktik der Chemie, der Philosophie und Ethik sowie der Informatik) vorgestellt. Für die zweite Phase der Lehrkräftebildung wird ein neu entwickeltes Format (der Videozirkel) zur Reflexion eigener Unterrichtspraxis bei Lehramtsanwärter:innen präsentiert.
Eine beständige Weiterentwicklung der eigenen pädagogischen und fachdidaktischen Praxis stellt ein zentrales Leitbild für die Arbeit von Lehrkräften dar. Damit dieses Leitbild umgesetzt werden kann, wird angenommen, dass Lehrkräfte ihre eigene Praxis kontinuierlich reflektieren müssen. Reflektieren angehende Lehrkräfte im Kontext von Lehrveranstaltungen, hat dies einerseits Elemente einer Prüfungssituation und andererseits Elemente einer Erkenntnisgewinnungssituation. Für beide Situationen spielen Emotionen eine wichtige Rolle. So können sich beispielsweise negative und deaktivierende Emotionen hinderlich auf den (Lern-)Erfolg auswirken. Allerdings ist bislang wenig darüber bekannt, welche Emotionen beim Reflektieren von videobasierten Fallanalysen auftreten und inwieweit individualisiertes Feedback hier eine Rolle spielt. Es wird daher eine Untersuchung zu den Emotionen von N = 15 Lehramtsstudierenden der Physik zu mehreren Reflexionsanlässen vorgestellt. Hierbei wurde über verschiedene Reflexionsanlässe hinweg Feedback gegeben. Diskutiert werden Implikationen für die Gestaltung von Reflexionsanlässen in der Lehrkräftebildung sowie Perspektiven für zukünftige Forschung.
Achtsames Erleben unterstützt die Reflexionsfähigkeit, wenn die Aufmerksamkeit entsprechend gelenkt und Raum und Zeit dafür zur Verfügung gestellt werden. Der Beitrag zeigt Achtsamkeit im Kontext der (beruflichen) Lehrkräftebildung als unterstützenden Faktor zur Entwicklung von Reflexionsfähigkeit. Insbesondere im Hinblick auf Selbstwahrnehmung und Beziehungsgestaltung bieten sich hier Potenziale, die der akademisch geprägten ersten Phase der Lehrkräftebildung noch immer weitgehend fremd geblieben sind. Es werden Einblicke in praktische Ansätze gegeben.
Lehrkräfte fühlen sich nicht genug auf inklusiven Unterricht vorbereitet, wenngleich sie allen Schülerinnen und Schülern Zugänge zu Phänomenen, Konzepten, Arbeitsweisen usw. ermöglichen sollen. Im Projekt Nawi-In haben wir u. a. die Fragen adressiert, welche inklusiv naturwissenschaftlichen Charakteristika Lehramtsstudierende in ihren eigenen und fremden Unterrichtsvideos wahrnehmen und wie sich ihre Kompetenzen entwickeln. Die Reflexionen des Unterrichts fanden über drei Semester einschließlich der Praxisphase statt. In ausgewählten Videoszenen sollten die Studierenden inklusiv naturwissenschaftliche Charakteristika beschreiben und reflektieren. Ausgewertet wurden die autographierten und transkribierten Reflexionen mit dem KinU, welches systematisch die Charakteristika inklusiven naturwissenschaftlichen Unterrichts abbildet. Zu Beginn haben die Studierenden eher allgemeinpädagogische Aspekte und die Lehrkräftepersönlichkeit wahrgenommen. Später haben sie den Fokus auf den Naturwissenschaftsunterricht und die Diversität der Klasse gesetzt. Insgesamt haben die Studierenden zunehmend mehr Charakteristika inklusiven naturwissenschaftlichen Unterrichts identifiziert und Handlungsalternativen generiert.
Sprache hat im Unterricht verschiedene Funktionen. Sie ist das Instrument zur Vermittlung von Lehrinhalten, das Medium im Unterrichtsgespräch und in Prüfungen. Sprache ist gleichzeitig auch ein Werkzeug des Denkens und damit des Lernens: beim Nachvollziehen von Prozessen, beim Aufbau innerer Vorstellungsbilder und bei der Verknüpfung von neuem Wissen mit altem. Das an der Universität Würzburg durchgeführte interdisziplinäre, praxisorientierte Projektseminar „Sprachsensibles Unterrichtsgeschehen gestalten“ sollte Studierende unter Bezugnahme auf linguistische Theorien zur Mehrsprachigkeitsforschung und Bildungssprache zu einer Reflexion über diese Herausforderungen anregen: Wie kann eine Förderung der (Bildungs-)Sprache und der emotional-sozialen Entwicklung (esE), die einander bedingen, gleichzeitig gelingen ? Um die Ergebnisse der Reflexionsprozesse in anwendbare Lehrkompetenz zu transferieren, entwickelten die Studierenden Materialien für sprachsensiblen Unterricht und esE-Förderung, die, ergänzt durch begründende Ausführungen, in Form eines Readers veröffentlicht werden. Im Folgenden wird das Lehrkonzept theoretisch hergeleitet, anschließend vorgestellt und sodann kritisch reflektiert.
Der Auf- und Ausbau eines inklusiven Bildungssystems vor dem Hintergrund rascher und weitreichender gesellschaftlicher Veränderungen bringt für Lehrkräfte aller Schulformen vielfältige Aufgaben mit sich. Eine der entscheidenden Gelingensbedingungen für die Realisation inklusiver Bildung bildet dementsprechend die Professionalisierung von Lehrkräften. Reflexionskompetenz nimmt beim Auf- und Ausbau einer professionellen Handlungskompetenz von Lehrpersonen einen besonderen Stellenwert ein, allerdings reflektieren Lehramtsstudierende am Anfang ihres Studiums häufig noch auf eher niedrigem Niveau. Im Rahmen des fünfsemestrigen Zertifikatskurses „Handlungswissen Inklusion“ (HWI) an der Universität zu Köln erhalten BA-Studierende die Möglichkeit, ihr Lehramtsstudium inklusionsorientiert(er) auszurichten, um sich auf die anstehenden Herausforderungen in einer inklusiven Schule und Gesellschaft vorzubereiten und gleichzeitig die damit einhergehende domänenspezifische Reflexionskompetenz zu steigern.
Viele Studierende stoßen im Rahmen ihres Informatikstudiums auf Probleme und benötigen individuell bedarfsgerechte Unterstützung, um beispielsweise trotz gewisser Startschwierigkeiten ihr Studium erfolgreich zu Ende zu führen. In die damit verbundene Lern- bzw. Studienberatung fließen Empfehlungen zur weiteren Studienverlaufsplanung ein. Anhand einer Datenanalyse über den Prüfungsleistungsdaten der Studierenden überprüfen wir die hinter diesen Empfehlungen liegenden Hypothesen und leiten aus den dabei gewonnenen Erkenntnissen Konsequenzen für die Beratung ab.
Insgesamt zeigt sich, dass sich nach den ersten Semestern ein mittlerer Bereich von Studierenden identifizieren lässt, bei denen Studienabbruch und Studienerfolg etwa gleich wahrscheinlich sind. Für diese Personengruppe ist Beratungsbedarf dringend gegeben. Gleichzeitig stößt die Datenanalyse auch an gewisse Grenzen, denn es zeigen sich insgesamt keine echt trennscharfen Muster, die frühzeitig im Studium eindeutig Erfolg oder Misserfolg prognostizieren. Dieses Ergebnis ist jedoch insofern erfreulich, als es bedeutet, dass jede:r Studierende:r auch nach einem suboptimalen Start ins Studium noch eine Chance auf einen Abschluss hat.
Bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen (SES) können sich Symptome auf sprachlich-funktionaler Ebene sehr variabel auf die kommunikative Partizipation im Alltag auswirken. Kommunikative Partizipation wird definiert als sprachlich-kommunikatives Teilnehmen an Lebenssituationen, in denen Wissen, Informationen, Ideen oder Gefühle ausgetauscht werden. Der deutschsprachige ‚Fokus auf den Erfolg der Kommunikation für Kinder unter sechs Jahren‘ (FOCUS©-34-G) ist ein evaluierter Fragebogen zur Fremdeinschätzung der kommunikativen Partizipation von Kindern (1;6 bis 5;11 Jahre). Ziel unserer Studie war die Untersuchung der Auswirkungen einer SES auf die kommunikative Partizipation betroffener Kinder im Alter zwischen 2;0 und 4;11 Jahren anhand des FOCUS©-34-G. Eltern von Kindern mit SES füllten den FOCUS©-34-G sowie einen Demografie-Bogen aus. Es konnten erste Daten von 22 Kindern (16 Jungen) im Alter zwischen 2;7 und 3;11 (M = 3;3 Jahre, SD = 0;4 Jahre) erhoben werden. Im FOCUS©-34-G erreichten Kinder mit SES einen Gesamtwert zwischen 54 und 197 (M = 120.55, SD = 40.91) von 238 maximal möglichen Punkten. Diese Ergebnisse zeigen eine eingeschränkte kommunikative Partizipation von Kindern mit SES, die es in einer ICF-CY-orientierten sprachtherapeutischen Intervention zu beachten gilt. Als klinisches Assessmentinstrument kann der FOCUS©-34-G als Kurzversion des FOCUS©-G als geeignet angesehen werden.
Selbstreflexion ist erklärtes Ziel der Eignungsabklärung und ein intendierter Effekt von Online Self Assessments (OSA). In Deutschland setzen die lehrkräftebildenden Hochschulen OSA nahezu flächendeckend ein, um Studieninteressierten der Lehrämter eine Unterstützung bei der Studienwahl zu bieten. Es erscheint lohnenswert, die Selbstreflexion von Studienanfängern zu betrachten und Zusammenhänge und Unterschiede hinsichtlich verschiedener Merkmale wie Geschlecht, Alter und angestrebtes Lehramt zu untersuchen. In einer Querschnittserhebung per Fragebogen bei (n = 3741) Erstsemesterstudierenden der Lehrämter an n = 10 Hochschulstandorten kann gezeigt werden, 1) dass angehende Lehrkräfte sich hinsichtlich ihrer Selbstreflexion hoch einschätzen, 2) dass es einen signifikanten altersbezogenen Unterschied bei der Selbstreflexion gibt, 3) dass sich weibliche Studierende signifikant selbstreflektierter einschätzen als ihre männlichen Kollegen und 4) dass Studierende unterschiedlicher Lehrämter sich in ihrer selbsteingeschätzten Selbstreflexion signifikant unterscheiden.
Spätestens seit dem Brand einer Textilfabrik in Karatschi, Pakistan, deren Hauptabnehmer das deutsche Textilunternehmen KiK war, ist die Frage nach der zivilrechtlichen Justiziabilität von Menschenrechtsverletzungen im Ausland auch in der Bundesrepublik angekommen. Parallel hierzu hatte bereits der Einsturz des Rana Plaza, einem Fabrikgebäude in Dhaka, Bangladesch, das zahlreiche Zulieferfirmen der europäischen sowie u.s.-amerikanischen Bekleidungsindustrie beherbergte, traurige Berühmtheit erlangt. Beide Vorfälle hatten in den Industriestaaten des globalen Nordens eine nachhaltige Debatte darüber ausgelöst, welche Verantwortung inländischen Abnehmerunternehmen für die Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards entlang der global angelegten Lieferkette zukommt. An deren vorläufigem Ende steht eine Reihe von Spezialgesetzen, die heimischen Betrieben ausdifferenzierte Sorgfalts- und Überwachungspflichten bezüglich der Arbeitsbedingungen in den – häufig im globalen Süden gelegenen – Produktionsstätten auferlegen.
Als Folge dieses geostrategischen Nord-Süd-Konfliktes wohnt in Deutschland erhobenen Menschenrechtsklagen im Regelfall ein grenzüberscheitendes Moment inne, weshalb sich die Rechtsverfolgung individuell Betroffener mit den Fragen des Internationalen Privatrechts nach der gerichtlichen Zuständigkeit sowie des anwendbaren Sachrechts konfrontiert sieht. Dass ein Verfahren bereits auf dieser Ebene scheitern kann, verdeutlicht auf paradigmatische Weise das eingangs erwähnte Verfahren gegen KiK vor dem LG Dortmund, in welchem das ungünstige pakistanische Verjährungsrecht zur Anwendung gelangte.
Rechtspolitisch wird die Funktion des Rechtsgebietes indes unterschiedlich beurteilt. Während ein Ansatz gleichsam auf materieller Ebene die Entwicklung spezieller Sorgfaltsnormen für Unternehmen in Abnehmerstaaten verfolgt („Verantwortungslösung“), führt eine andere Auffassung den Kern der Problematik nicht auf das – oftmals durchaus funktionale – Produktionslandrecht, sondern vielmehr auf dessen strukturelle Durchsetzungsdefizite zurück („Kognitionslösung“).
Der Beitrag vollzieht die Implikationen beider Ansätze für Zivilprozesse in Deutschland nach. Hierfür wird die Menschenrechtsklage zunächst in das deutsche Verfahrensrecht eingeordnet (I.) bevor die Rolle des Internationalen Privatrechtes erörtert werden kann (II.). Anschließend werden sowohl die Sorgfaltsregime in den Abnehmerstaaten (III.) als auch Rechtsbehelfe in den Produktionsländern am Beispiel Bangladeschs (IV.) in den Blick genommen.
Entgegen noch immer bestehender Annahmen schränkt Gebärdensprache, wenn sie frühzeitig und uneingeschränkt zugänglich ist, den Lautspracherwerb nicht ein; sie kann diesen sogar erleichtern. Bimodale Bilingualität beschreibt ein „Sowohl-als-auch“ von Lautsprache und der visuell-gestischen Gebärdensprache in der Sprachentwicklung hörbeeinträchtigter Kinder. Für hörende Eltern von hörbeeinträchtigten Kindern in Deutschland ist der Zugang zu Informationen über bimodale Bilingualität, d. h. deutsche Lautsprache und Deutsche Gebärdensprache (DGS), erschwert. Daher wurde in dieser Arbeit auf Grundlage einer umfassenden Literaturrecherche, Hospitationen und der qualitativen Analyse semi-strukturierter Expert*innen-Interviews ein Informationsflyer konzipiert. Dieser stellt erste wichtige Informationen bereit und zeigt konkrete regionale Anlauf- und Kontaktstellen auf. Ziel ist es, betroffenen Familien die bimodale Bilingualität als alternativen Kommunikationsweg vorzustellen und somit Kindern von Geburt an die Möglichkeit der grenzenlosen Kommunikation zu ermöglichen.
1,7 Milliarden Studierende waren von der ad hoc Umstellung der Lehre an Hochschulen durch den Ausbruch der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 betroffen. Innerhalb kürzester Zeit mussten Lehr- und Lernformate digital transformiert werden, um ein Distanzlernen für Studierende überall auf der Welt zu ermöglichen. Etwa zwei Jahre später können die Erfahrungen aus der Entwicklung von digitalen Lehr- und Lernformaten dazu genutzt werden, um Blended Learning Formate zielgerecht weiterzuentwickeln. Die nachfolgende Untersuchung zeigt einerseits einen Prozess der evolutionären Entwicklung am Beispiel eines Inverted Classrooms auf. Andererseits wird das Modell des Student Engagement genutzt, um die Einflussfaktoren, im Speziellen die des Verhaltens, zielgerecht anzupassen und so die Outcomes in Form von besseren Noten und einer erhöhten Zufriedenheit bei den Studierenden zu erzielen. Grundlage für die Untersuchung bildet die Lehrveranstaltung Projektmanagement, die an einer deutschen Hochschule durchgeführt wird.
Der neurodegenerativen Erkrankung Morbus Parkinson (MP) liegt der Zerfall von Neuronen in den Basalganglien (BG) zugrunde, der mitunter zu kognitiv-sprachlichen Einschränkungen führt. Dies betrifft beispielsweise die Lautstärkeproduktion und -wahrnehmung. Betroffene sprechen signifikant leiser und weisen eine verringerte Wahrnehmungsspanne für Lautstärke auf. Dieses Wahrnehmungsdefizit und die Tatsache, dass die BG die betroffene neurologische Struktur bei MP sind, lässt eine Beteiligung dieser bei der Lautstärkeverarbeitung von Gesunden vermuten.
Um die Rolle der BG bei der Lautstärkeverarbeitung zu untersuchen, wurde eine generalisierte lineare Modellanalyse durchgeführt. Anhand von fMRT-Daten von gesunden Proband*innen, erhoben von Erb et al. (2020), wurde nach linearen Regressionen zwischen den präsentierten Lautstärkewerten und dem BOLD-Signal in acht BG-Regionen gesucht. Hierfür wurden Daten von 63 Proband*innen im Alter zwischen 18 und 78 Jahren (Durchschnitt: 43,4 Jahre) genutzt.
Im linken und rechten Putamen angrenzend zum Globus pallidus pars externa war eine positive lineare Regression beobachtbar. Eine negative lineare Regression zeigte sich im Kopf des Nucleus caudatus beider Hemisphären.
Teile der BG scheinen somit möglicherweise eine Rolle bei der Verarbeitung von Lautstärke zu spielen. In Bezug auf MP besteht die Möglichkeit, dass ihre neuronale Degeneration mitursächlich für die Wahrnehmungseinschränkungen ist. Dies sowie der Einfluss dieses rezeptiven Lautstärkedefizits auf die produktiven sprachlichen Einschränkungen sollten Gegenstand zukünftiger Untersuchungen sein. Es ist gut möglich, dass die Ursache der produktiven Lautstärkedefizite nicht motorischer, sondern rezeptiver Natur ist. Dies hätte einen großen Einfluss auf künftige sprachtherapeutische Konzepte bei der Behandlung produktiver Sprachstörungen bei MP.
Die Geschichte der Preußischen Seehandlung als Institut für Handels- und Gewerbeförderung ist nur partiell erforscht. Vor allem für die Jahrzehnte nach 1870, als die Seehandlung zur preußischen Staatsbank wurde, bleibt vieles unbekannt. Mit Alliiertem Kontrollratsbeschluss vom 15. Februar 1947 wurden das Land Preußen und auch die Seehandlung aufgelöst. Die Abwicklung der Geschäfte dauerte bis 1983. Mit dem Restvermögen wurde die heute existierende Stiftung gegründet, die sich der Förderung von Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur widmet. Die von der Stiftung geförderten Aktivitäten reichen von Wissenschafts- und Literaturstipendien über den Ankauf von Nachlässen und Sammlungen bis hin zu Kulturpreisen, v.a. dem Theaterpreis Berlin.
Der Beitrag fragt nach einer Bildungsrelevanz Forschenden Lernens in der Lehrkräftebildung und richtet diese auf ein sinn- und verantwortungsvolles Sich-ins-Verhältnis-Setzen zu unterrichtsrelevanten Szenarien aus. Damit erschöpft sich Forschendes Lernen nicht in datenfokussierten Untersuchungen, sondern leistet einen Beitrag zum Aufbau einer Lehrer:innenpersönlichkeit, die sich in transformatorischen Bildungsprozessen dem Wagnis einer Konfrontation mit Kontingenz aussetzt und durch Irritation des Erfahrungshorizonts Unterrichtssituationen differenziert und nachhaltig reflektiert. Plädiert wird für eine Situationssensibilität jenseits des vermeintlichen In-den-Begriff-Bekommens durch Datafizierung und schematische Verhaltensmuster.
Das Vorsorgeprinzip ist ein mittlerweile weit verbreiteter und etablierter Grundsatz des internationalen und europäischen Umweltrechts. Demnach sollen auch in Situationen wissenschaftlicher Unsicherheit präventive Maßnahmen ergriffen werden, um schwerwiegende Umweltschäden zu vermeiden. Dieser Beitrag untersucht die Rolle des Vorsorgeprinzips im Zusammenhang mit menschenrechtlichen Klimaklagen, die aufgrund langsamer politischer Fortschritte und erfolgreicher Gerichtsentscheidungen zunehmend an Popularität gewinnen.
Zunächst wird ein Überblick über die Entwicklung und den materiellen Gehalt des Vorsorgeprinzips im internationalen und europäischen Recht gegeben. Obwohl das Vorsorgeprinzip seit den 1980er Jahren ein fixer Bestandteil des internationalen Umweltrechts ist, bestehen über dessen genauen Inhalt und Rechtsnatur nach wie vor Kontroversen. Im Unionsrecht wurde das Vorsorgeprinzip insbesondere durch die Rechtsprechung des EuGH konkretisiert.
Im nächsten Teil des Beitrags wird beleuchtet, welche Bedeutung der EGMR dem Vorsorgeprinzip in umweltrechtlichen Fällen bisher zugemessen hat. Hierbei steht die Entscheidung Tǎtar gegen Rumänien im Mittelpunkt. Gegenstand dieser Entscheidung war der Goldabbau in der rumänischen Stadt Baia Mare, der unter anderem unter dem Einsatz von Natriumzyanid erfolgte und zu wesentlichen Schadstoffbelastungen führte. Der EGMR bejahte unter Verweis auf das Vorsorgeprinzip eine Verletzung von Art. 8 EMRK, obwohl der Beschwerdeführer die Kausalität zwischen der Schadstoffbelastung und der behaupteten Schädigung nicht nachweisen konnte. Eine Analyse der nachfolgenden Entscheidungen veranschaulicht jedoch, dass sich das Vorsorgeprinzip noch nicht als fixer Bestandteil in der Rechtsprechung des EGMR etablieren konnte.
Abschließend wird gezeigt, welchen Beitrag das Vorsorgeprinzip zu der bisher wohl erfolgreichsten Klimaklage „Urgenda“ leistete. Das Vorsorgeprinzip wurde vom niederländischen Höchstgericht in diesem Fall insbesondere herangezogen, um Schutzpflichten aus Art. 2 und Art. 8 EMRK abzuleiten und den staatlichen Ermessenspielraum einzuschränken.
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit einer problematischen Seite der Samen- und Eizellenspende. Konkret konzentriert er sich auf die Anonymität im Rahmen dieses Verfahrens, die in manchen europäischen Staaten als eine gesetzliche Bedingung festgelegt ist. Es geht um eine Konsequenz der unklaren Regulierung auf EU-Ebene, die es ermöglicht, nationale Vorschriften nach individuellen Präferenzen des Gesetzgebers zu konzipieren. Trotzdem muss auch der menschenrechtliche Kontext berücksichtigt werden, weil die Anonymität des:der Spender:in dazu führt, dass das Kind de facto keine Chancen hat, seine (genetischen oder biologischen) Eltern zu kennen. Im Prinzip verletzt ein solcher Ansatz das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung, das in entsprechenden Menschenrechtskonventionen verankert und in der Judikatur des EGMR interpretiert wurde.
Schutz und Schaden
(2023)
Der Bereich der grenzüberschreitenden Daseinsvorsorge ist eines der zentralen Potentialfelder in der Grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Grenzüberschreitende Daseinsvorsorge kann ein wesentliches Element zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in Grenzregionen sein.
Bei der Umsetzung von Projekten im diesem Bereich sind – sofern der politische Wille hierfür vorhanden ist – erhebliche rechtliche Hürden zu überwinden: Zwar existieren passend ausgerichtete europäische Fördermittelprogramme als Anreiz, andererseits scheinen die europarechtlichen und nationalrechtlichen Rahmenbedingungen vielfach hochgradig komplex und können auch mit europarechtlichen Instrumenten, etwa dem Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ), kaum überwunden werden.
Der vorliegende Text analysiert am Beispiel der deutsch-polnischen die rechtlichen Schwierigkeiten, aber auch die Möglichkeiten zur Umsetzung grenzüberschreitender Projekte in diesem Bereich.
Morbus Parkinson (MP) ist in Europa die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung und durch das Störungsbild der Dysarthrie logopädisch relevant. Die Behandlung einer Dysarthrie erfordert ein hochfrequentes Therapieangebot für eine nachhaltige Verbesserung der kommunikativen Fähigkeiten. Trotz der hohen Prävalenz von Sprechstörungen bei MP nehmen in Deutschland nur etwa 4 % der Betroffenen eine ambulante logopädische Therapie in Anspruch. Die veränderte Selbstwahrnehmung der Patient*innen ist ein zentrales Symptom der Erkrankung, das ein wirksames Eigentraining einschränkt.
Neue Technologien mit integrierter Spracherkennung ermöglichen ein individuelles Training. Im Rahmen des Verbundprojektes HUMAINE (human centered AI network) wird der Prototyp eines auf künstlicher Intelligenz (KI) basierendem Sprechassistenzsystems in einem klinischen Versorgungssetting erprobt und evaluiert. Das Ziel ist, das digitale System in die Regelversorgung zu integrieren. Eine nutzer*innenzentrierte Implementierung ist im Rahmen einer Machbarkeitsstudie geplant, dabei wird der Prototyp ISi-Speech in die bestehende Parkinson-Komplex-Therapie integriert. Im Anschluss an die stationäre Behandlung erfolgt eine zweiwöchige Eigentrainingsphase im häuslichen Setting. Durch Interviews soll die Usability sowie die Anwender*innenakzeptanz aus der therapeutischen Sicht und Patient*innenperspektive erhoben werden. Ziel ist die Entwicklung von Implementierungsstrategien, die zur Entwicklung von nachhaltigen Kompetenzmodellen beitragen.
Durch die erhöhte Therapiefrequenz können verbesserte klinische Ergebnisgrößen wie Sprechverständlichkeit, Lebensqualität und individuell wahrgenommene Kommunikationserfolge erreicht werden. Nur durch die Evaluation digitaler Technologien kann eine dauerhafte Implementierung in die Praxis erfolgen. Neue Technologien können eine sinnvolle Ergänzung zur etablierten Therapie sein und eine Strategie gegen die Unterversorgung durch Heilmittel darstellen.
Die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie gingen mit Schulschließungen und variablen Unterrichtsformen einher, was laut Studienlage zum Thema viele Schüler:innen vor große Herausforderungen gestellt hat und noch immer stellt. Es werden Leistungsabfälle und negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit diskutiert. Da besonders die Lesekompetenz eine grundlegende Ressource für schulische Leistungssituationen ist, soll sie im Fokus dieser Studie stehen.
Die Daten der längsschnittlich angelegten BLab-Studie, die den Erwerbsverlauf von Lese- und Rechtschreibleistungen über die Klassenstufen 1 bis 10 untersucht, wurden dazu genutzt, Unterschiede zwischen den Leseleistungen (operationalisiert aus den normierten und standardisierten Untertests zur Lesekompetenz aus ELFE 1 – 6 und SLRT-II) und vier Skalen des Fragebogens zur Erfassung von schulrelevanten Einstellungen und Sichtweisen von Grundschüler:innen FEESS 3 – 4 (Schuleinstellung, Anstrengungsbereitschaft, Lernfreude und Selbstkonzept) statistisch zu analysieren. Dazu wurden die Testergebnisse von N = 174 Viertklässler:innen zweier Kohorten ausgewertet, von denen eine vom variablen Unterrichtsmodus während der COVID-19-Pandemie betroffen war.
Die Ergebnisse der Gruppenvergleiche stellen sich heterogen dar und müssen differenziert betrachtet werden. Insgesamt scheinen die hier einbezogenen Schüler:innen mit den schulbezogenen Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie gut zurechtgekommen zu sein.
Der Beitrag widmet sich der Baugeschichte des Gebäudes der Preußischen Seehandlung bis zu seinem Abriss und dem Neubau in den Jahren 1901–1903, um dann die Veränderungen dieses Bauwerkes bis in die Gegenwart zu verfolgen. In einem zweiten Schritt wird versucht, die Stellung dieser Gebäude im urbanen Kontext zu verorten. Der dritte Teil rekonstruiert an Beispielen, welch markanten Beitrag die Preußische Seehandlung für die Berliner Museen und insbesondere für die im Berliner Schloss lozierte Kunstkammer wie auch für das Museum für Naturkunde geleistet hat, indem seine Großsegler Meteor und Princess Louise von ihren Weltreisen jeweils reich beladen mit naturkundlichen und völkerkundlichen Exponaten zurückkamen, die durch Austausch oder Kauf oder auch als Geschenk erworben worden waren.
Das Jahr 1772
(2023)
Im Jahr 1772 beschäftigten drei Dinge, die lange Zeit ihre Bedeutung behalten sollten, den preußischen König Friedrich den Großen. Zunächst war dies die Adelsrepublik Polen. Polen beabsichtigte er zusammen mit der Zarin Katharina II. von Russland und Kaiserin Maria Theresia zu zerteilen. Dies geschah am 5. August des Jahres. Der geraubte Landgewinn führte bei Friedrich II. zu wirtschaftlichen Überlegungen. Mit und in den annektierten Gebieten wollte er den preußischen Handel intensivieren, zuvörderst den Salzhandel, und zwar am liebsten mit Spanien, einem Land, mit dem er schon seit geraumer Zeit versuchte, einen Handelsvertrag abzuschließen. Dazu gründete er u. a. die Preußische Seehandlungs-Gesellschaft, die, um sich zu behaupten, verschiedene weitreichende Privilegien erhielt. Ein schneller Erfolg der Bemühungen blieb jedoch aus. Trotz aller gewährten Privilegien florierten die Geschäfte der Seehandlungs-Gesellschaft in den ersten Jahren nach ihrer Gründung nicht in dem erhofften Maß. Zu Lebzeiten des Königs kam auch kein Handelsvertrag mit Spanien zustande. Bis die Seehandlung durch die Vorteile, die sie aus dem annektierten Polen ziehen konnte, profitierte, dauerte es noch einige Jahre.
Dieser theoretisch ausgerichtete Beitrag schlägt eine weltbeziehungssoziologische Ergänzung des strukturtheoretischen Verständnisses von Reflexion als Befremdung des eigenen Blicks vor und diskutiert die Frage, inwiefern weltbeziehungssoziologische Annahmen das Konzept der Reflexion durch das Einfangen seiner Ambivalenz schärfen können. Hierzu wird ein empirisches Fallbeispiel herangezogen, in welchem eine reflexive Umgangsweise mit widersprüchlichen Anforderungen an die schulische Praxis – das doppelte Distanzieren – sichtbar wird. Mit Bezug auf die Weltbeziehungssoziologie wird die rekonstruierte Umgangsweise als situative Entfremdung theoretisiert. Ausblickhaft werden Konsequenzen für Forschung und Lehre skizziert.
Abgelegte Musik
(2023)