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Der Begriff Altruismus geht auf Auguste Comte, den Gründer der Soziologie zurück. Es bezeichnet zugleich Uneigennütziges als auch selbstloses Verhalten von Individuen und wird daher oft dem egoistischen Verhalten gegenübergestellt. Die zahlreichen Anhänger des rationalen-egoistischem Paradigma lehnen die Idee der altruistischen Natur des Menschen meist ab, wohingegen die Anhänger des Altruismus nicht nur schwerer zu finden sind, sondern vor allem die Idee einer rein egoistischen Natur ablehnen. Diese Arbeit untersucht die Altruismus-Begriffe der Soziologen Emile Durkheim und James Coleman, welche die Kontroverse zwischen den unterschiedlichen Paradigmen wiederspiegeln. Ziel dieser Arbeit wird es sein, die unterschiedlichen Altruismus-Konzepte von Durkheim und Coleman zunächst vorzustellen, anschließend einander gegenüberzustellen und darauf folgend zu untersuchen, welche Auswirkung ihre unterschiedlichen Weltanschauungen, Prämissen und Methodologien auf ihr Verständnis von der Logik des selbstlosen Gebens haben. Durch den Vergleich soll versucht werden die Grenzen beider Theorien aufzuzeigen und damit auch ein Ausweg aus dem methodologischem Disput, welcher folglich zur Überwindung der Altruismus-Egoismus Kontroverse beitragen soll.
Struggle for existence
(2022)
In this project, I sought to understand how Palestinian claim-making in the West Bank is possible within the context of continuing Israeli occupation and repression by the Palestinian political leadership. I explored the questions of what channels non-state actors use to advance their claims, what opportunities they have for making these claims, and what challenges they face. This exploration covers the time period from the Oslo Accords in the mid-1990s to the so-called Great March of Return in 2018.
I demonstrated that Palestinians used different modes and strategies of resistance in the past century, as the area of what today is Israel/Palestine has historically been a target for foreign penetration. Yet, the Oslo agreements between the Israeli government and the Palestinian leadership have ended Palestinians’ decentralized and pluralist social governance, reinforced Israeli rule in the Palestinian territories, promoted continuing dispossession and segregation of Palestinians, and further restricted their rights and their claim-making opportunities until this day. Therefore, today, Palestinian society in the West Bank is characterized by fragmentation, geographical and societal segregation, and double repression by Israeli occupation and Palestinian Authority (PA) policies. What is more, Palestinian claim-making is legally curtailed due to the establishment of different geographical entities in which Palestinians are subjugated to different forms of Israeli rule and regulations.
I argue that the concepts of civil society and acts of citizenship, which are often used to describe non-state actors’ rights-seeking activities, fall short on understanding and describing Palestinian claim-making in the West Bank comprehensively. By determining their boundaries, the concept of acts of subjecthood evolved as a novel theoretical approach within the research process and as a means of claim-making within repressive contexts where claim makers’ rights are curtailed and opportunities for rights-seeking activities are few. Thereby, this study applies a new theoretical framework to the conflict in Israel/Palestine and contributes to a better understanding of rights-seeking activities within the West Bank. Further, I argue that Palestinian acts of subjecthood against hostile Israeli rule in the West Bank are embedded within the comprehensive structure of settler colonialism. As a form of colonialism that aims at replacing an indigenous population, Israeli settler colonialism in the West Bank manifests itself in restrictions of Palestinian movement, settlement constructions, home demolitions, violence, and detentions.
By using grounded theory and inductive reasoning as methodological approaches, I was able to make generalizations about the state of Palestinian claim-making. These generalizations are based on the analysis of secondary materials and data collected via face-to-face and video interviews with non-state actors in Israel/Palestine. The conducted research shows that there is not a single measure or a standalone condition that hinders Palestinian claim-making, but a complex and comprehensive structure that, on the one hand, shrinks Palestinian living space by occupation and destruction and, on the other hand, diminishes Palestinian civic space by limiting the fundamental rights to organize and build social movements to change the status Palestinians live in.
Although the concrete, tangible outcomes of Palestinian acts of subjecthood are marginal, they contribute to strengthening and perpetuating Palestinian’s long history of resistance against Israeli oppression. With a lack of adherence to international law, the neglect of UN resolutions by the Israeli government, the continuous defeats of rights organizations in Israeli courts, and the repression of institutions based in the West Bank by PA and occupation policies, Palestinian acts of subjecthood cannot overturn current power structures. Nevertheless, the ongoing persistence of non-state actors claiming rights, as well as the pop-up of new initiatives and youth movements are all essential for strengthening Palestinians’ resilience and documenting current injustices. Therefore, they can build the pillars for social change in the future.
Das Ziel der vorliegenden Dissertation war es zu untersuchen, wie palästinensisches claim-making, also die Artikulation von Forderungen bzw. die Geltendmachung von bestimmten Rechten, vor dem Hintergrund der anhaltenden israelischen Besatzung und Repressalien durch die palästinensische politische Führung im Westjordanland durchgesetzt werden kann. Dabei soll der Frage nachgegangen werden, welche Kanäle nichtstaatliche Akteure nutzen, um ihre Ansprüche geltend zu machen, welche Möglichkeiten sich ihnen dafür bieten und vor welchen Herausforderungen sie stehen. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich dabei vom Osloer Friedensprozess Mitte der 1990er Jahre bis hin zum sogenannten Great March of Return im Jahr 2018.
Die im Gebiet des heutigen Israel/Palästina lebenden PalästinenserInnen bedienten sich in Zeiten ausländischer Einflussnahme, z.B. während der britischen Besatzung im vergangenen Jahrhundert, verschiedenster Widerstandsformen und -strategien. Jedoch haben die Osloer Abkommen zwischen der israelischen Regierung und der palästinensischen Führung die dezentrale und partizipative Mobilisierung der palästinensischen Gesellschaft erschwert, die andauernde Enteignung von PalästinenserInnen begünstigt und ihre Rechte bis zum heutigen Tag weiter eingeschränkt. Die heutige palästinensische Gesellschaft im Westjordanland ist daher durch Zersplitterung, geografische und gesellschaftliche Segregation und doppelte Un-terdrückung durch die israelische Besatzung sowie die Palästinensische Autonomiebehörde gekennzeichnet. Zudem führt die Etablierung verschiedener geografischer Entitäten, in denen PalästinenserInnen unterschiedlichen Formen israelischer Herrschaft, Regularien und Ein-griffsrechten unterworfen sind, dazu, dass palästinensisches claim-making auch formalrecht-lich eingeschränkt ist.
Um die Aktivitäten nichtstaatlicher Akteure in diesem Kontext beschreiben zu können, wer-den häufig das Konzept der Zivilgesellschaft oder das der acts of citizenship herangezogen. In der vorliegenden Arbeit wird jedoch argumentiert, dass diese Konzepte nur bedingt auf den Status Quo im Westjordanland anwendbar sind und palästinensisches claim-making nicht hinreichend verstehen und beschreiben können. Im Laufe des Forschungsprozesses hat sich daher das Konzept der acts of subjecthood als neuer theoretischer Ansatz herausgebildet, der claim-making in repressiven Kontexten beschreibt, in denen nichtstaatliche Akteure nur geringen Handlungsspielraum haben, ihre Forderungen durchsetzen zu können. Durch diese „Theorie-Brille“ ermöglicht meine Forschung einen neuartigen Blick auf den israelisch-palästinensischen Konflikt und trägt auf diese Weise zu einem besseren Verständnis von claim-making-Aktivitäten im Westjordanland bei. Darüber hinaus bettet die vorliegende Ar-beit acts of subjecthood in den größeren Kontext des Siedlungskolonialismus ein. Dieser beschreibt eine Form des Kolonialismus, die darauf abzielt, eine einheimische Bevölkerung durch die der Kolonialmacht zu ersetzen. Im Westjordanland manifestiert sich der israelische Siedlungskolonialismus in der Einschränkung der Bewegungsfreiheit von PalästinenserIn-nen, dem Bau von Siedlungen, der Zerstörung von Häusern, Gewalt und Inhaftierungen.
Die Verwendung der Grounded Theory und des induktiven Denkens als methodische Ansätze ermöglichte es, verallgemeinerbare Aussagen zum Zustand palästinensischen claim-makings treffen zu können. Diese Verallgemeinerungen beruhen auf der Analyse von Sekundärquellen und Daten, die im Rahmen von Interviews mit VertreterInnen nichtstaatlicher Organisationen in Israel/Palästina erhoben wurden. Die durchgeführte Analyse macht deutlich, dass nicht eine einzelne Maßnahme oder Bedingung palästinensisches claim-making behindert, sondern eine komplexe, vielschichtige und zielgerichtet implementierte Struktur. Diese verringert einerseits den Lebensraum von PalästinenserInnen durch Besatzung und Zerstörung und schränkt andererseits den zivilen Raum ein, indem sie ihnen grundlegende Rechte und fundamentale Freiheiten verwehrt.
Obwohl die konkreten Auswirkungen palästinensischer acts of subjecthood marginal sind, tragen sie dazu bei, den Widerstand gegen politische Unterdrückung zu stärken und fortzusetzen. Angesichts der Verletzung von Völkerrecht und der Missachtung zahlreicher UN-Resolutionen durch die israelische Regierung, der Niederlagen von Menschenrechtsorganisationen vor israelischen Gerichten, der Unterdrückung von Institutionen im Westjordanland durch die Palästinensische Autonomiebehörde und die Besatzungspolitik können acts of subjecthood die derzeitigen Machtstrukturen nicht aufbrechen. Dennoch sind die anhaltende Beharrlichkeit nichtstaatlicher Akteure, Forderungen zu artikulieren und Rechte einzufordern und die Gründung neuer Initiativen und Organisationen essenziell für die Stärkung gesellschaftlicher Resilienz sowie die Dokumentation von Ungerechtigkeiten und Rechtsverletzungen. Diese Akteure legen so den Grundstein für einen möglichen gesellschaftspolitischen Wandel in der Zukunft.
Digitale und gesellschaftliche Entwicklungen fordern kontinuierliche Weiterbildung für Mitarbeiter im Vertrieb. Es halten sich in dieser Berufssparte aber immer noch einige Mythen zum Training von Vertriebsmitarbeitern. Unter anderem deshalb wurde in der Vergangenheit der Trainingsbedarf im Vertrieb stark vernachlässigt. Die Arbeit befasst sich deshalb zunächst mit der Frage, wie der Vertrieb in Deutschland aktuell geschult wird (unter Einbezug der Corona-Pandemie) und ob sich aus den Trainingsgewohnheiten erste Hinweise zur Erlangung eines strategischen Wettbewerbsvorteils ergeben könnten.
Dabei greift die Arbeit auf, dass Investitionen in das Training von Vertriebsmitarbeitern eine Anlage in die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sein könnten. Automatisierte Trainings, beispielsweise basierend auf Virtual Reality (VR) und Künstlicher Intelligenz (KI), könnten in der Aus- und Weiterbildung des Vertriebs einen effizienten Beitrag in der Sicherstellung eines strategischen Wettbewerbsvorteils leisten. Durch weitere Forschungsfragen befasst sich die Arbeit anschließend damit, wie ein automatisiertes Vertriebstraining mit KI- und VR-Inhalten unter Einbeziehung der Nutzer gestaltet werden muss, um Vertriebsmitarbeiter in einem dafür ausgewählten Verhandlungskontext zu trainieren. Dazu wird eine Anwendung mit Hilfe von Virtual Reality und Künstlicher Intelligenz in einem Verhandlungsdialog entwickelt, getestet und evaluiert.
Die vorliegende Arbeit liefert eine Basis für die Automatisierung von Vertriebstrainings und im erweiterten Sinne für Trainings im Allgemeinen.
Kenya and Uganda are amongst the countries that, for different historical, political, and economic reasons, have embarked on law reform processes as regards to citizenship. In 2009, Uganda made provisions in its laws to allow citizens to have dual citizenship while Kenya’s 2010 constitution similarly introduced it, and at the same time, a general prohibition on dual citizenship was lifted, that is, a ban on state officers, including the President and Deputy President, being dual nationals (Manby, 2018).
Against this background, I analysed the reasons for which these countries that previously held stringent laws and policies against dual citizenship, made a shift in a close time proximity. Given their geo-political roles, location, regional, continental, and international obligations, I conducted a comparative study on the processes, actors, impact, and effect. A specific period of 2000 to 2010 was researched, that is, from when the debates for law reforms emerged, to the processes being implemented, the actors, and the implications.
According to Rubenstein (2000, p. 520), citizenship is observed in terms of “political institutions” that are free to act according to the will of, in the interests of, or with authority over, their citizenry. Institutions are emergent national or international, higher-order factors above the individual spectrum, having the interests and political involvement of their actors without requiring recurring collective mobilisation or imposing intervention to realise these regularities. Transnational institutions are organisations with authority beyond single governments. Given their International obligations, I analysed the role of the UN, AU, and EAC in influencing the citizenship debates and reforms in Kenya and Uganda. Further, non-state actors, such as civil society, were considered.
Veblen, (1899) describes institutions as a set of settled habits of thought common to the generality of men. Institutions function only because the rules involved are rooted in shared habits of thought and behaviour although there is some ambiguity in the definition of the term “habit”. Whereas abstracts and definitions depend on different analytical procedures, institutions restrain some forms of action and facilitate others. Transnational institutions both restrict and aid behaviour. The famous “invisible hand” is nothing else but transnational institutions. Transnational theories, as applied to politics, posit two distinct forms that are of influence over policy and political action (Veblen, 1899). This influence and durability of institutions is “a function of the degree to which they are instilled in political actors at the individual or organisational level, and the extent to which they thereby “tie up” material resources and networks. Against this background, transitional networks with connection to Kenya and Uganda were considered alongside the diaspora from these two countries and their role in the debate and reforms on Dual citizenship.
Sterian (2013, p. 310) notes that Nation states may be vulnerable to institutional influence and this vulnerability can pose a threat to a nation’s autonomy, political legitimacy, and to the democratic public law. Transnational institutions sometimes “collide with the sovereignty of the state when they create new structures for regulating cross-border relationships”. However, Griffin (2003) disagrees that transnational institutional behaviour is premised on the principles of neutrality, impartiality, and independence. Transnational institutions have become the main target of the lobby groups and civil society, consequently leading to excessive politicisation. Kenya and Uganda are member states not only of the broader African union but also of the E.A.C which has adopted elements of socio-economic uniformity. Therefore, in the comparative analysis, I examine the role of the East African Community and its partners in the dual citizenship debate on the two countries.
I argue in the analysis that it is not only important to be a citizen within Kenya or Uganda but also important to discover how the issue of dual citizenship is legally interpreted within the borders of each individual nation-state. In light of this discussion, I agree with Mamdani’s definition of the nation-state as a unique form of power introduced in Africa by colonial powers between 1880 and 1940 whose outcomes can be viewed as “debris of a modernist postcolonial project, an attempt to create a centralised modern state as the bearer of Westphalia sovereignty against the background of indirect rule” (Mamdani, 1996, p. xxii). I argue that this project has impacted the citizenship debate through the adopted legal framework of post colonialism, built partly on a class system, ethnic definitions, and political affiliation. I, however, insist that the nation-state should still be a vital custodian of the citizenship debate, not in any way denying the individual the rights to identity and belonging. The question then that arises is which type of nation-state? Mamdani (1996, p. 298) asserts that the core agenda that African states faced at independence was threefold: deracialising civil society; detribalising the native authority; and developing the economy in the context of unequal international relations. Post-independence governments grappled with overcoming the citizen and subject dichotomy through either preserving the customary in the name of “defending tradition against alien encroachment or abolishing it in the name of overcoming backwardness and embracing triumphant modernism”. Kenya and Uganda are among countries that have reformed their citizenship laws attesting to Mamdani’s latter assertion.
Mamdani’s (1996) assertions on how African states continue to deal with the issue of citizenship through either the defence of tradition against subjects or abolishing it in the name of overcoming backwardness and acceptance of triumphant modernism are based on the colonial legal theory and the citizen-subject dichotomy within Africa communities. To further create a wider perspective on legal theory, I argue that those assertions above, point to the historical divergence between the republican model of citizenship, which places emphasis on political agency as envisioned in Rousseau´s social contract, as opposed to the liberal model of citizenship, which stresses the legal status and protection (Pocock, 1995).
I, therefore, compare the contexts of both Kenya and Uganda, the actors, the implications of transnationalism and post-nationalism, on the citizens, the nation-state and the region. I conclude by highlighting the shortcomings in the law reforms that allowed for dual citizenship, further demonstrating an urgent need to address issues, such as child statelessness, gender nationality laws, and the rights of dual citizens. Ethnicity, a weak nation state, and inconsistent citizenship legal reforms are closely linked to the historical factors of both countries. I further indicate the economic and political incentives that influenced the reform.
Keywords: Citizenship, dual citizenship, nation state, republicanism, liberalism, transnationalism, post-nationalism
Schon früh während der Corona-Pandemie entwickelte sich die Idee einer Schutzimpfung gegen das Virus zu einem zentralen Motiv im Kampf gegen die globale und teils tödliche Seuche. Dies spiegelt sich auch in den medial ausgetragenen Debatten um Anti-Corona-Vakzine wider, in denen bestimmtes, teils konflikthaftes Wissen produziert und vermittelt wurde.
Die vorliegende Masterarbeit rekonstruiert den deutschsprachigen Diskurs um die Corona-Schutzimpfung in Form einer wissenssoziologischen Diskursanalyse. Sie untersucht, wie gesellschaftliches Wissen zur Impfung in meinungsführenden Tages- und Wochenzeitungen sowie in ausgewählten Blogs während der Pandemie von Anfang 2020 bis Mitte 2022 (re)produziert wird.
Ausgangspunkt sind – anknüpfend an aktuelle Beiträge der kritischen Soziologie – die politisch-ökonomischen Zusammenhänge und Voraussetzungen, wie beispielsweise globale Lebens-, Wirtschafts- und Konsumweisen, durch die diese Pandemie erst möglich wurde. Durch diese Perspektive kann die Pandemie als soziales Ereignis begriffen werden, anstatt als unvorhersehbare medizinische Katastrophe, wie es in den politischen und medialen Debatten den Anschein hatte. In der Analyse zeigt sich, dass diese Umstände in der medialen Auseinandersetzung keinerlei Widerhall fanden, was den Diskurs de-kontextualisiert und den herausgearbeiteten Radikalismen den Boden bereitet hat.
Die Analyse ermöglicht es, zwei Zugänge zum Diskurs zu unterscheiden: Ein Portal eröffnet den Zugang über gesellschaftlich mehrheitlich anerkanntes, also orthodoxes Wissen, das zweite über gesellschaftlich mehrheitlich nicht anerkanntes, also heterodoxes Wissen. Entlang von benannten Themen, Problemen und Lösungen lassen sich auf einer Pro-Kontra-Achse sieben Wissenstypen rekonstruieren, die von radikaler Impfbefürwortung bis radikaler Ablehnung reichen. Vier der Wissensbestände argumentieren für die Impfung, drei dagegen – der Raum des Indifferenten dazwischen bleibt medial unbesetzt. Anschließend werden diese Typen entlang von Werten, auf die rekurriert wird, und schließlich nach Ressourcen, Verantwortlichkeiten und Sprecher*innenrollen unterschieden, sodass eine klare und idealtypische Charakterisierung des jeweiligen Wissens entsteht.
Durch die Analyse werden überdies diskursive Verschiebungen im Zeitverlauf sichtbar. Es zeigen sich einerseits eine Polarisierung des Diskurses insgesamt, andererseits eine Ernüchterung innerhalb der Impfbefürwortung sowie die interdependente Radikalisierung von Positionen an beiden Enden des Spektrums.
Abschließend werden die Ergebnisse der Analyse komplementär zum Ausgangspunkt gesellschaftstheoretisch eingebettet. Zum einen werden Eigendynamiken de-kontextualisierter und sich infolgedessen radikalisierender Diskurse reflektiert, innerhalb derer sich die Extreme so weit voneinander entfernen, dass sie sich schlussendlich wieder berühren. Zum anderen wird die im Diskurs sichtbar dominante neo-soziale Anrufung der individuellen Verantwortung in einer gleichzeitig wenig solidarischen Gesellschaft im Kontext eines neoliberal geprägten Verständnisses von individueller Freiheit, Demokratie und sozialer Verantwortung diskutiert.
Die aktuelle Politik der Europäischen Union hat im Umgang mit flüchtenden Menschen das Mittelmeer in ein Massengrab verwandelt. Dass auch im Jahr 2021 täglich Menschen an den EU-Außengrenzen sterben hängt dabei mit dem Ausbau von Sicherheitsmechanismen zum Zweck eines verstärkten Grenzschutzes zusammen. Durch Sicherheitsmechanismen wie bspw. den Ausbau von Frontex und die elektronische Erfassung von Ein- und Ausreisedaten schottet sich die EU dabei immer weiter ab während gleichzeitig die Thematik der Flucht und Migration eine zunehmende ‚Versicherheitlichung‘ erfährt.
Die vorliegende Arbeit geht davon aus, dass die Grundzüge der Versicherheitlichung von Flucht und Migration bereits im liberalen Staatsverständnis der EU angelegt sind. Mithilfe einer foucaultschen Diskursanalyse hinterfragt die Arbeit daher die historisch entstandenen und im Liberalismus inbegriffenen Vorannahmen über nicht-europäische Menschen und deren Fortentwicklung in die heutigen Politiken der EU. Dabei geht die Arbeit einerseits der Frage nach, wie sich die zunehmende Versicherheitlichung der Migration und der damit verbundene Umgang mit Nicht-Europäer*innen an den EU-Außengrenzen erklären lässt. Vertieft wird gefragt, inwieweit sich die konstruierten Wissensmuster über das europäische ‚wir‘ und die nicht-europäischen ‚Anderen‘ aus dem Liberalismus in der heutigen EU-Politik wiederfinden.
Auf Basis der Werke Michel Foucaults führt die Arbeit in die Entwicklung liberaler Staatlichkeit seit dem 17. Jahrhundert ein. Ergänzt werden diese Darstellungen um eine postkoloniale Perspektive, die eine Darstellung des liberalen Denkens über das europäische ‚Außen‘ vermittelt. Gemeinsam legen diese beiden Perspektiven die Strukturen liberalen Denkens offen, die im späteren Verlauf der Analyse in aktuellen EU-Dokumenten wiedererkannt werden. Als Analysedokumente dienen dabei sechs von der EU veröffentlichte Agenden, Verordnungen und Strategien, die die thematische Schnittstelle zwischen Sicherheit und Migration umfassen.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich ein ‚Othering‘ - die historisch entstandene Gruppenbildung des homogen begriffenen europäischen ‚Wirs‘ gegenüber den nicht-europäischen ‚Anderen‘ - in der heutigen Politik der EU an deren Außengrenzen reproduziert. Das im 17. Jahrhundert entstandene Sicherheitsdenken des liberalen Staates wird über die Reproduktion bestimmter Wissensmuster in Form von ‚Stories‘ auf die heutigen EU-Außengrenzen übertragen. Nach ‚innen‘ handelt die EU dabei nach einem Grundsatz der ‚gemeinsamen Stärke‘ der europäischen Staaten bzw. der EU-Mitgliedstaaten, während nach ‚außen‘ eine zweckrationale Kooperation mit Drittstaaten verfolgt wird. Statt um die Wahrung von Menschenleben geht es damals wie heute v.a. um den Vorteil Europas bzw. der EU. Von diesen Ergebnissen ausgehend wird die Zunahme der Versicherheitlichung von Flucht und Migration an den EU-Außengrenzen durch die Reproduktion des geschichtlich entstandenen Sicherheitsdenkens erklärt.
Der Beteiligungsimperativ
(2023)
Spätestens seit den 1990-er Jahren erscheint der Begriff Beteiligung in diversen gesellschaftlichen Bereichen als allgemein anerkannter Imperativ, der von unterschiedlichen Akteur*innen als Allheilmittel angepriesen wird. Doch wenn Beteiligung proklamiert wird, bedeutet das mitnichten eine Garantie für gesellschaftliche Teilhabe. Mit Hilfe einer dispositivanalytischen Untersuchung von top-down Beteiligungsmaßnahmen in der Berliner Quartiersentwicklung zeigt Magdalena Otto, wie der Begriff Beteiligung verschiedenartig anschlussfähig ist und dadurch eine kaum hinterfragte Legitimationskraft ausstrahlt. Im Zentrum der hier entwickelten Theorie über den Beteiligungsimperativ steht die Rekonstruktion von vier idealtypisch zu verstehenden Deutungsmustern zur Legitimation von Beteiligungsmaßnahmen sowie ihre intendierten und unbeabsichtigten Folgen. Der konstatierte Beteiligungsimperativ zeigt sich dabei als eine auf Aktivierung setzende, neoliberale Gouvernementalität in Reaktion auf städtische Segregations- und Marginalisierungsprozesse, die Krise des Kommunalstaats und damit einhergehende veränderte Steuerungserfordernisse für Regierungshandeln.