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Chemische und physikalische Eigenschaften von Polymeren können verschiedene Zelltypen unterschiedlich, z. B. hinsichtlich Adhärenz oder Funktionalität, beeinflussen. Die Elastizität eines Polymers beeinflusst vor allem, welche Zugkräfte eine Zelle gegenüber ihrem Substrat entwickeln kann. Das Zellverhalten wird dann über intrazelluläre Rückkopplungsmechanismen reguliert. Die Oberflächenladung und/oder Hydrophilie eines Polymers beeinflusst zunächst die Adsorption von Ionen, Proteinen und anderen Molekülen. Vor allem über die Zusammensetzung, Dichte und Konformation der adsorbierten Komponenten werden anschließend die Wechselwirkungen mit den Zellen vermittelt. Des Weiteren können verschiedene Zelltypen unterschiedliche membranassoziierte Proteine, Zucker und Lipide aufweisen, so dass Polymereigenschaften zellspezifische Effekte bewirken können. Für biotechnologische Anwendungen und für den Einsatz in der regenerativen Medizin gewinnen Polymere, die spezifische Zellreaktionen regulieren können, immer weiter an Bedeutung. Die Isolierung und Kultur von primären Keratinozyten ist noch immer anspruchsvoll und die adäquate Heilung von Hautwunden stellt eine fortwährende medizinische Herausforderung dar. Ein Polymer, das eine bevorzugte Adhärenz von Keratinozyten bei gleichzeitig verminderter Anheftung dermaler Fibroblasten ermöglicht, würde erhebliche Vorteile für den Einsatz in der Keratinozyten-Zellkultur und als Wundauflage bieten. Um den potentiell spezifischen Einfluss bestimmter Polymereigenschaften auf primäre humane Keratinozyten und dermale Fibroblasten zu untersuchen, wurde in der vorliegenden Arbeit ein Zellkultursystem für die Mono- und Cokultur beider Zelltypen entwickelt. Das Testsystem wurde als Screening konzipiert, um den Einfluss unterschiedlicher Polymereigenschaften in mehreren Abstufungen auf die Zellen zu untersuchen. Folgende Parameter wurden untersucht: 1. Vitalität und Dichte adhärenter und nicht-adhärierter Zellen, 2. Schädigung der Zellmembran, 3. selektive Adhärenz von Keratinozyten in Cokultur durch die spezifische immunzytochemische Färbung von Keratin14 und Vimentin. Für die Polymere mit variabler Elastizität wurden zusätzlich die Ablagerung extrazellulärer Matrixkomponenten und die Sekretion löslicher Faktoren durch die Zellen untersucht. Als Modellpolymere für die Variation der Elastizität wurden vernetzte Poly(n-butylacrylate) (cPnBA) verwendet, da deren Elastizität durch den Anteil des Vernetzers eingestellt werden kann. Auf dem weniger elastischen cPnBA zeigte sich in der Cokultur ein doppelt so hohes Verhältnis von Keratinozyten zu Fibroblasten wie auf dem elastischeren cPnBA, so dass ein leichter zellselektiver Effekt angenommen werden kann. Acrylnitril-basierte Copolymere wurden als Modellpolymere für die Variation der Oberflächenladung und Hydrophilie verwendet, da die Eigenschaften durch Art und molaren Anteil des Comonomers eingestellt werden können. Durch Variation des molaren Anteils der Comonomere mit positiver bzw. negativer Ladung, Methacrylsäure-2-aminoethylester-hydrochhlorid (AEMA) und N-3-Aminopropyl-methacrylamid-hydro-chlorid (APMA) bzw. Natriumsalz der 2-Methyl-2-propen-1-sulfonsäure (NaMAS), wurde der Anteil der positiven bzw. negativen Ladung im Copolymer variiert. Durch die Erhöhung des molaren Anteils des hydrophilen Comonomers N-Vinylpyrrolidon (NVP) wurde die Hydrophilie des Copolymers gesteigert. Die Erhöhung des molaren Anteils an positiv geladenem Comonomer AEMA im Copolymer führte tendenziell zu einer höheren Keratinozytendichte, wobei die Fibroblastendichte unverändert blieb. Durch die Erhöhung des molaren Anteils des positiv geladenen Comonomers APMA ergaben sich keine deutlichen Unterschiede in Dichte, Vitalität oder Selektivität der Zellen. Durch die stufenweise Erhöhung des molaren Anteils des negativ geladenen Comonomers NaMAS konnte, wie im Falle von AEMA, eine Tendenz zur verbesserten Keratinozytenadhärenz beobachtet werden. Die Steigerung der Hydrophilie der Copolymere führte sowohl für Keratinozyten als auch für Fibroblasten zu einer reduzierten Adhärenz und Vitalität. In der vorliegenden Doktorarbeit wurde ein Testverfahren etabliert, das die Untersuchung von primären humanen Keratinozyten und primären humanen Fibroblasten in Monokultur und Cokultur auf verschiedenen Polymeren ermöglicht. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass sich durch die gezielte Modifizierung verschiedener Polymereigenschaften die Adhärenz und Vitalität beider Zelltypen beeinflussen lässt. Die Reduktion der Elastizität sowie die Erhöhung des molaren Anteils geladener Comonomere führten zu einer Zunahme der Keratinozytenadhärenz. Da die Fibroblasten unbeeinflusst blieben, zeigte sich für einige der untersuchten Polymere eine leichte Zellselektivität. Diese könnte durch die weitere Erhöhung der Steifigkeit oder des Anteils geladener Comonomere möglicherweise weiter gesteigert werden.
Die Erkennung komplexer Kohlenhydrate durch das Tailspike Protein aus dem Bakteriophagen HK620
(2012)
Kohlenhydrate stellen aufgrund der strukturellen Vielfalt und ihrer oft exponierten Lage auf Zelloberflächen wichtige Erkennungsstrukturen dar. Die Wechselwirkungen von Proteinen mit diesen Kohlenhydraten vermitteln einen spezifischen Informationsaustausch. Protein-Kohlenhydrat-Interaktionen und ihre Triebkräfte sind bislang nur teilweise verstanden, da nur wenig strukturelle Daten von Proteinen im Komplex mit vorwiegend kleinen Kohlenhydraten erhältlich sind. Mit der vorliegenden Promotionsarbeit soll ein Beitrag zum Verständnis von Protein-Kohlenhydrat-Wechselwirkungen durch Analysen struktureller Thermodynamik geleistet werden, um zukünftig Vorhersagen mit zuverlässigen Algorithmen zu erlauben. Als Modellsystem zur Erkennung komplexer Kohlenhydrate diente dabei das Tailspike Protein (TSP) aus dem Bakteriophagen HK620. Dieser Phage erkennt spezifisch seinen E. coli-Wirt anhand der Oberflächenzucker, der sogenannten O-Antigene. Dabei binden die TSP des Phagen das O-Antigen des Lipopolysaccharids (LPS) und weisen zudem eine hydrolytische Aktivität gegenüber dem Polysaccharid (PS) auf. Anhand von isolierten Oligosacchariden des Antigens (Typ O18A1) wurde die Bindung an HK620TSP und verschiedener Varianten davon systematisch analysiert. Die Bindung der komplexen Kohlenhydrate durch HK620TSP zeichnet sich durch große Interaktionsflächen aus. Durch einzelne Aminosäureaustausche im aktiven Zentrum wurden Varianten generiert, die eine tausendfach erhöhte Affinität (KD ~ 100 nM) im Vergleich zum Wildtyp-Protein (KD ~ 130 μM) aufweisen. Dabei zeichnet sich das System dadurch aus, dass die Bindung bei Raumtemperatur nicht nur enthalpisch, sondern auch entropisch getrieben wird. Ursache für den günstigen Entropiebeitrag ist die große Anzahl an Wassermolekülen, die bei der Bindung des Hexasaccharids verdrängt werden. Röntgenstrukturanalysen zeigten für alle TSP-Komplexe außer für Variante D339N unabhängig von der Hexasaccharid-Affinität analoge Protein- und Kohlenhydrat-Konformationen. Dabei kann die Bindestelle in zwei Regionen unterteilt werden: Zum einen befindet sich am reduzierenden Ende eine hydrophobe Tasche mit geringen Beiträgen zur Affinitätsgenerierung. Der Zugang zu dieser Tasche kann ohne große Affinitätseinbuße durch einen einzelnen Aminosäureaustausch (D339N) blockiert werden. In der zweiten Region kann durch den Austausch eines Glutamats durch ein Glutamin (E372Q) eine Bindestelle für ein zusätzliches Wassermolekül generiert werden. Die Rotation einiger Aminosäuren bei Kohlenhydratbindung führt zur Desolvatisierung und zur Ausbildung von zusätzlichen Wasserstoffbrücken, wodurch ein starker Affinitätsgewinn erzielt wird. HK620TSP ist nicht nur spezifisch für das O18A1-Antigen, sondern erkennt zudem das um eine Glucose verkürzte Oligosaccharid des Typs O18A und hydrolysiert polymere Strukturen davon. Studien zur Bindung von O18A-Pentasaccharid zeigten, dass sich die Triebkräfte der Bindung im Vergleich zu dem zuvor beschriebenen O18A1-Hexasaccharid verschoben haben. Durch Fehlen der Seitenkettenglucose ist die Bindung im Vergleich zu dem O18A1-Hexasaccharid weniger stark entropisch getrieben (Δ(-TΔS) ~ 10 kJ/mol), während der Enthalpiebeitrag zu der Bindung günstiger ist (ΔΔH ~ -10 kJ/mol). Insgesamt gleichen sich diese Effekte aus, wodurch sehr ähnliche Affinitäten der TSP-Varianten zu O18A1-Hexasaccharid und O18A-Pentasaccharid gemessen wurden. Durch die Bindung der Glucose werden aus einer hydrophoben Tasche vier Wassermoleküle verdrängt, was entropisch stark begünstigt ist. Unter enthalpischen Aspekten ist dies ebenso wie einige Kontakte zwischen der Glucose und einigen Resten in der Tasche eher ungünstig. Die Bindung der Glucose in die hydrophobe Tasche an HK620TSP trägt somit nicht zur Affinitätsgenerierung bei und es bleibt zu vermuten, dass sich das O18A1-Antigen-bindende HK620TSP aus einem O18A-Antigen-bindenden TSP evolutionär herleitet. In dem dritten Teilprojekt der Dissertation wurde der Infektionsmechanismus des Phagen HK620 untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass analog zu dem verwandten Phagen P22 die Ejektion der DNA aus HK620 allein durch das Lipopolysaccharid (LPS) des Wirts in vitro induziert werden kann. Die Morphologie und Kettenlänge des LPS sowie die Aktivität von HK620TSP gegenüber dem LPS erwiesen sich dabei als essentiell. So konnte die DNA-Ejektion in vitro auch durch LPS aus Bakterien der Serogruppe O18A induziert werden, welches ebenfalls von dem TSP des Phagen gebunden und hydrolysiert wird. Diese Ergebnisse betonen die Rolle von TSP für die Erkennung der LPS-Rezeptoren als wichtigen Schritt für die Infektion durch die Podoviren HK620 und P22.
Carbohydrate recognition is a ubiquitous principle underlying many fundamental biological processes like fertilization, embryogenesis and viral infections. But how carbohydrate specificity and affinity induce a molecular event is not well understood. One of these examples is bacteriophage P22 that binds and infects three distinct Salmonella enterica (S.) hosts. It recognizes and depolymerizes repetitive carbohydrate structures of O antigen in its host´s outer membrane lipopolysaccharide molecule. This is mediated by tailspikes, mainly β helical appendages on phage P22 short non contractile tail apparatus (podovirus). The O antigen of all three Salmonella enterica hosts is built from tetrasaccharide repeating units consisting of an identical main chain with a distinguished 3,6 dideoxyhexose substituent that is crucial for P22 tailspike recognition: tyvelose in S. Enteritidis, abequose in S. Typhimurium and paratose in S. Paratyphi. In the first study the complexes of P22 tailspike with its host’s O antigen octasaccharide were characterized. S. Paratyphi octasaccharide binds less tightly (ΔΔG≈7 kJ/mol) to the tailspike than the other two hosts. Crystal structure analysis of P22 tailspike co crystallized with S. Paratyphi octasaccharides revealed different interactions than those observed before in tailspike complexes with S. Enteritidis and S. Typhimurium octasaccharides. These different interactions occur due to a structural rearrangement in the S. Paratyphi octasaccharide. It results in an unfavorable glycosidic bond Φ/Ψ angle combination that also had occurred when the S. Paratyphi octasaccharide conformation was analyzed in an aprotic environment. Contributions of individual protein surface contacts to binding affinity were analyzed showing that conserved structural waters mediate specific recognition of all three different Salmonella host O antigens. Although different O antigen structures possess distinct binding behavior on the tailspike surface, all are recognized and infected by phage P22. Hence, in a second study, binding measurements revealed that multivalent O antigen was able to bind with high avidity to P22 tailspike. Dissociation rates of the polymer were three times slower than for an octasaccharide fragment pointing towards high affinity for O antigen polysaccharide. Furthermore, when phage P22 was incubated with lipopolysaccharide aggregates before plating on S. Typhimurium cells, P22 infectivity became significantly reduced. Therefore, in a third study, the function of carbohydrate recognition on the infection process was characterized. It was shown that large S. Typhimurium lipopolysaccharide aggregates triggered DNA release from the phage capsid in vitro. This provides evidence that phage P22 does not use a second receptor on the Salmonella surface for infection. P22 tailspike binding and cleavage activity modulate DNA egress from the phage capsid. DNA release occurred more slowly when the phage possessed mutant tailspikes with less hydrolytic activity and was not induced if lipopolysaccharides contained tailspike shortened O antigen polymer. Furthermore, the onset of DNA release was delayed by tailspikes with reduced binding affinity. The results suggest a model for P22 infection induced by carbohydrate recognition: tailspikes position the phage on Salmonella enterica and their hydrolytic activity forces a central structural protein of the phage assembly, the plug protein, onto the host´s membrane surface. Upon membrane contact, a conformational change has to occur in the assembly to eject DNA and pilot proteins from the phage to establish infection. Earlier studies had investigated DNA ejection in vitro solely for viruses with long non contractile tails (siphovirus) recognizing protein receptors. Podovirus P22 in this work was therefore the first example for a short tailed phage with an LPS recognition organelle that can trigger DNA ejection in vitro. However, O antigen binding and cleaving tailspikes are widely distributed in the phage biosphere, for example in siphovirus 9NA. Crystal structure analysis of 9NA tailspike revealed a complete similar fold to P22 tailspike although they only share 36 % sequence identity. Moreover, 9NA tailspike possesses similar enzyme activity towards S. Typhimurium O antigen within conserved amino acids. These are responsible for a DNA ejection process from siphovirus 9NA triggered by lipopolysaccharide aggregates. 9NA expelled its DNA 30 times faster than podovirus P22 although the associated conformational change is controlled with a similar high activation barrier. The difference in DNA ejection velocity mirrors different tail morphologies and their efficiency to translate a carbohydrate recognition signal into action.