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PaRDeS : Zeitschrift der Vereinigung für Jüdische Studien e.V. = 100jähriges Jubiläum Tel Avivs
(2009)
Aus dem Editorial: "Seit Anfang April diesen Jahres feiert Tel Aviv sein 100jähriges Jubiläum. Bei über 400 verschiedenartigsten Veranstaltungen in dieser israelischen Stadt und in unzähligen Orten außerhalb Israels wird 2009 über deren Geschichte resümiert, reflektiert sowie (kritisch) diskutiert. Dabei wird nicht nur die Geschichte der Stadt thematisiert, sondern gerade auch die Gegenwart und insbesondere deren Zukunft. Aus diesem Anlass weist die diesjährige Ausgabe von PaRDeS den Themenschwerpunkt 100 Jahre Tel Aviv /100th anniversary of Tel Aviv auf. Israelische, (zeitweise) in Tel Aviv oder in anderen Ländern tätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nähern sich aus mitunter sehr unterschiedlichen Perspektiven und Wissensbereichen der Geschichte und Gegenwart dieser größten israelischen Stadt. Anita Shapira eröffnet mit Tel Aviv, a White City on the Sands den insgesamt sieben Artikel umfassenden Themenschwerpunkt. In ihrem Beitrag umreißt sie die Entstehungsgeschichte der israelischen Großstadt bis zur Gründung des Staates Israel 1948. Shapira geht dabei insbesondere auf zionistische Ideen bei der Stadtgründung und deren (stellenweise nicht) erfolgte Realisierung ein. In den 1920er und 30er Jahren wird das modernisierte Hebräisch zur Triebfeder bei der Herausbildung einer neuen säkular-jüdischen Kultur in Palästina. Innerhalb dieses Prozesses nimmt gerade die jungen Metropole Tel Aviv eine bedeutende Rolle ein. Philipp Messner beschreibt in seinem Beitrag Tel Aviv und die Revolution des hebräischen Schriftbilds diese Umwälzungen auf der graphisch-ästhetischen Ebene des hebräischen Schriftbildes. In ihrem Artikel Von der Einwanderung der Jekim zu ihrer politischen Partizipation bei den Wahlen zum Tel Aviver Stadtrat im Jahr 1936 zeigt Sarah Wittkopf anhand des Publikationsorgans Mitteilungsblatt der Irgun Olej Merkas Europa welchen Widerständen die Einwanderer aus den deutschsprachigen Ländern bei der Mitgestaltung der Politik in Palästina ausgesetzt waren. Im Zentrum der Auseinandersetzungen in Tel Aviv steht der Spitzenkandidat der Einwandererorganisation Felix Rosenblüth. Im vierten Artikel Building a Modern Jewish City: Projects of the Architect Wilhelm Zeev Haller in Tel Aviv stellt Ulrich Knufinke Kontinuitätslinien und -brüche im architektonischen Schaffen Wilhelm Zeev Hallers zwischen Europa und Tel Aviv dar." [die Herausgeber] PaRDeS, die Zeitschrift der Vereinigung für Jüdische Studien e.V., möchte die fruchtbare und facettenreiche Kultur des Judentums sowie seine Berührungspunkte zur Umwelt in den unterschiedlichen Bereichen dokumentieren. Daneben dient die Zeitschrift als Forum zur Positionierung der Fächer Jüdische Studien und Judaistik innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses sowie zur Diskussion ihrer historischen und gesellschaftlichen Verantwortung.
Aus dem Inhalt: Ende der siebziger Jahre kam aus Krakau eine sensationelle Nachricht: Der lange verlorengeglaubte Nachlaß von August Varnhagen von Ense, in dem sich auch die Briefe seiner Frau Rahel, geborene Levin, befinden, wurde in der Jagiellonen-Bibliothek wiedergefunden. Dadurch ergab sich für alle Interessierten - Germanisten, Judaisten, Historiker - erneut die Möglichkeit, in authentische Zeugnisse der deutsch-jüdischen Kultur des 19. Jahrhunderts Einblick zu nehmen. Sowohl die Varnhagen-Forschung als auch das damit zusammenhängende Interesse an den jüdischen Frauen der deutschen Romantik hat dadurch neue Impulse erhalten. Dies ist ein erfreuliches Beispiel fruchtbarer kultureller Wechselbeziehungen im Dreieck zwischen Deutschen, Polen und Juden. Aber es gibt auch anderes: Wenn man heute durch Polen fährt, kann man auf den Mauern die in deutscher Sprache (!) gepinselten Parolen »Juden raus!« lesen. Damit wären wir in medias res, denn die Geschichte der drei so eng miteinander verbundenen Völker ist gekennzeichnet durch wechselvolle, meist konfliktreiche Koexistenz, die aber trotzdem für alle Beteiligten kulturell sehr bereichernd sein kann.
Aus dem Inhalt: Die Jahre 1780-1806 gelten als die Epoche der ersten, nunmehr weltbekannten jüdischen Salons von Berlin. Während die amerikanische Forscherin Deborah Hertz insgesamt neun jüdische Salons aufzählt, werden üblicherweise als die drei wichtigsten die folgenden genannt: die der Henriette Herz, Rahel Varnhagen und Dorothea Schlegel. Diese drei Frauen haben - als Frauen und Jüdinnen - die doppelte Leistung des Ausbruchs aus ihrer gesellschaftlichen Stellung vollbracht, der später Emanzipation genannt wurde, zugleich haben sie durch Taufe die Emanzipation überschritten und dadurch die - zumindest äußere - Assimilation vollzogen. Unter Historikern gab es über sie geteilte Meinungen: Den jüdischen waren sie zu wenig, den nicht-jüdischen zu sehr jüdisch gewesen. Wer sich aber mit der deutsch-jüdischen Geschichte der Aufklärung und der Romantik befaßt, kann an ihren kurzen Schöpfungen, den kulturprägenden Salons, kaum vorbei.
Heinrich Heine (1797–1856) als Nachfahre sephardischer Juden mütterlicherseits verfasste mehrere Werke mit spanischer Thematik, die Bezug zu seinem Judentum und den persönlichen Traumata („marranische Haltung“) haben. Die damit verbundenen Chiffren „Vertreibung“, „Verrat“, „Niederlage“, „Verwundung“ u. ä. subsumierte er unter das Symbol des Tals von Ronceval, den Todesort des legendären Roland, der zu des Dichters literarischen Alter Egos zählt.
rezensiertes Werk: Shraibman, Yechiel: Sieben Jahre und sieben Monate : meine Bukarester Jahre ; Roman. - Berlin : be.bra, 2009. - 272 S. ISBN 978-3-937233-56-7
Der Nachlass von Israil Bercovici wurde samt seiner jiddischen Bibliothek im Jahre 1997 von der Professur für Religionswissenschaft an der Universität Potsdam erworben, erschlossen und katalogisiert. Israil Bercovici wurde am 20. Dezember 1921 in Botosani, Rumänien, geboren, gestorben ist er am 15. Februar 1988 in Bukarest. Er war von 1955 bis 1982 literarischer Leiter und Chefdramaturg des Jüdischen Staatstheaters Bukarest. Neben seinen häufigen Regiearbeiten war er zugleich bedeutender Historiker des jiddischen Theaters wie der jiddischen Literatur und betätigte sich regelmäßig auch als Vortragsredner zu literatur- und theatergeschichtlichen Themen sowie als Übersetzer und aktiver Teilnehmer am jüdisch-rumänischen Leben. Aus dem Nachlass von Israil Bercovici kann über den Alltag der Juden im rumänischen „Kernland“, in Bukarest, Vieles erfahren werden, denn er bietet nicht nur einen tiefen Einblick in das Leben und Schaffen eines der heute immer seltener noch anzutreffenden Intellektuellen, die in der jiddischen Kultur zu Hause sind, sondern auch in die nicht mehr existierende osteuropäische jiddische Lebenswelt. Der Potsdamer Nachlass besteht aus vielen losen, ungeordneten Dokumenten und ca. 350 Mappen mit etwa 2300 vor allem rumänischen und jiddischen Briefen, Lebensdokumenten, Werkmanuskripten und einem umfangreichen Pressearchiv. Die erschlossenen Unterlagen sind hauptsächlich in jiddischer und rumänischer, aber auch in englischer, hebräischer, französischer, polnischer, spanischer, portugiesischer, russischer und ungarischer Sprache verfaßt. [aus dem Vorwort]