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Die funktionelle Charakterisierung von therapeutisch relevanten Proteinen kann bereits durch die Bereitstellung des Zielproteins in adäquaten Mengen limitierend sein. Dies trifft besonders auf Membranproteine zu, die aufgrund von zytotoxischen Effekten auf die Produktionszelllinie und der Tendenz Aggregate zu bilden, in niedrigen Ausbeuten an aktivem Protein resultieren können. Der lebende Organismus kann durch die Verwendung von translationsaktiven Zelllysaten umgangen werden- die Grundlage der zellfreien Proteinsynthese. Zu Beginn der Arbeit wurde die ATP-abhängige Translation eines Lysates auf der Basis von kultivierten Insektenzellen (Sf21) analysiert. Für diesen Zweck wurde ein ATP-bindendes Aptamer eingesetzt, durch welches die Translation der Nanoluziferase reguliert werden konnte. Durch die dargestellte Applizierung von Aptameren, könnten diese zukünftig in zellfreien Systemen für die Visualisierung der Transkription und Translation eingesetzt werden, wodurch zum Beispiel komplexe Prozesse validiert werden können.
Neben der reinen Proteinherstellung können Faktoren wie posttranslationale Modifikationen sowie eine Integration in eine lipidische Membran essentiell für die Funktionalität des Membranproteins sein. Im zweiten Abschnitt konnte, im zellfreien Sf21-System, für den G-Protein-gekoppelten Rezeptor Endothelin B sowohl eine Integration in die endogen vorhandenen Endoplasmatisch Retikulum-basierten Membranstrukturen als auch Glykosylierungen, identifiziert werden.
Auf der Grundlage der erfolgreichen Synthese des ET-B-Rezeptors wurden verschiedene Methoden zur Fluoreszenzmarkierung des Adenosin-Rezeptors A2a (Adora2a) angewandt und optimiert. Im dritten Abschnitt wurde der Adora2a mit Hilfe einer vorbeladenen tRNA, welche an eine fluoreszierende Aminosäure gekoppelt war, im zellfreien Chinesischen Zwerghamster Ovarien (CHO)-System markiert. Zusätzlich konnte durch den Einsatz eines modifizierten tRNA/Aminoacyl-tRNA-Synthetase-Paares eine nicht-kanonische Aminosäure an Position eines integrierten Amber-Stopcodon in die Polypeptidkette eingebaut und die funktionelle Gruppe im Anschluss an einen Fluoreszenzfarbstoff gekoppelt werden. Aufgrund des offenen Charakters eignen sich zellfreie Proteinsynthesesysteme besonders für eine Integration von exogenen Komponenten in den Translationsprozess. Mit Hilfe der Fluoreszenzmarkierung wurde eine ligandvermittelte Konformationsänderung im Adora2a über einen Biolumineszenz-Resonanzenergietransfer detektiert. Durch die Etablierung der Amber-Suppression wurde darüber hinaus das Hormon Erythropoetin pegyliert, wodurch Eigenschaften wie Stabilität und Halbwertszeit des Proteins verändert wurden.
Zu guter Letzt wurde ein neues tRNA/Aminoacyl-tRNA-Synthetase-Paar auf Basis der Methanosarcina mazei Pyrrolysin-Synthetase etabliert, um das Repertoire an nicht-kanonischen Aminosäuren und den damit verbundenen Kopplungsreaktionen zu erweitern. Zusammenfassend wurden die Potenziale zellfreier Systeme in Bezug auf der Herstellung von komplexen Membranproteinen und der Charakterisierung dieser durch die Einbringung einer positionsspezifischen Fluoreszenzmarkierung verdeutlicht, wodurch neue Möglichkeiten für die Analyse und Funktionalisierung von komplexen Proteinen geschaffen wurden.
Im Mittelpunkt dieser Arbeit standen Analysen zur Charakterisierung der periplasmatischen Aldehyd Oxidoreduktase aus E. coli. Kinetische Untersuchungen mit Ferricyanid als Elektronenakzeptor unter anaeroben Bedingungen zeigten für dieses Enzym eine höhere Aktivität als unter aeroben Bedingungen. Die getroffene Hypothese, dass PaoABC fähig ist Elektronen an molekularen Sauerstoff weiter zu geben, konnte bestätigt werden. Für den Umsatz aromatischer Aldehyde mit molekularem Sauerstoff wurde ein Optimum von pH 6,0 ermittelt. Dies steht im Gegensatz zur Reaktion mit Ferricyanid, mit welchem ein pH-Optimum von 4,0 gezeigt wurde. Die Reaktion von PaoABC mit molekularem Sauerstoff generiert zwar Wasserstoffperoxid, die Produktion von Superoxid konnte dagegen nicht beobachtet werden. Dass aerobe Bedingungen einen Einfluss auf das Auslösen der Expression von PaoABC haben, wurde in dieser Arbeit ebenfalls ermittelt.
Im Zusammenhang mit der Produktion von ROS durch PaoABC wurde die Funktion eines kürzlich in Elektronentransfer-Distanz zum FAD identifizierten [4Fe4S]-Clusters untersucht. Ein Austausch der für die Bindung des Clusters zuständigen Cysteine führte zur Instabilität der Proteinvarianten, weswegen für diese keine weiteren Untersuchungen erfolgten. Daher wird zumindest ein struktur-stabilisierender Einfluss des [4Fe4S]-Clusters angenommen. Zur weiteren Untersuchung der Funktion dieses Clusters, wurde ein zwischen FAD und [4Fe4S]-Cluster lokalisiertes Arginin gegen ein Alanin ausgetauscht. Diese Proteinvariante zeigte eine reduzierte Geschwindigkeit der Reaktion gegenüber dem Wildtyp. Die Bildung von Superoxid konnte auch hier nicht beobachtet werden. Die Vermutung, dass dieser Cluster einen elektronen-sammelnden Mechanismus unterstützt, welcher die Radikalbildung verhindert, kann trotz allem nicht ausgeschlossen werden. Da im Umkreis des Arginins weitere geladene und aromatische Aminosäuren lokalisiert sind, können diese den notwendigen Elektronentransfer übernehmen.
Neben der Ermittlung eines physiologischen Elektronenakzeptors und dessen Einfluss auf die Expression von PaoABC zeigt diese Arbeit auch, dass die Chaperone PaoD und MocA während der Reifung des MCD-Kofaktor eine gemeinsame Bindung an PaoABC realisieren. Es konnte im aktiven Zentrum von PaoABC ein Arginin beschrieben werden, welches auf Grund der engen Nachbarschaft zum MCD-Kofaktor und zum Glutamat (PaoABC-EC692) am Prozess der Substratbindung beteiligt ist. Im Zusammenhang mit dem Austausch dieses Arginins gegen ein Histidin oder ein Lysin wurden die Enzymspezifität und der Einfluss physiologischer Bedingungen, wie pH und Ionenstärke, auf die Reaktion des Enzyms untersucht. Gegenüber dem Wildtyp zeigten die Varianten mit molekularem Sauerstoff eine geringere Affinität zum Substrat aber auch eine höhere Geschwindigkeit der Reaktion. Vor allem für die Histidin-Variante konnte im gesamten pH-Bereich ein instabiles Verhalten bestimmt werden. Der Grund dafür wurde durch das Lösen der Struktur der Histidin-Variante beschreiben. Durch den Austausch der Aminosäuren entfällt die stabilisierende Wirkung der delokalisierten Elektronen des Arginins und es kommt zu einer Konformationsänderung im aktiven Zentrum.
Neben der Reaktion von PaoABC mit einer Vielzahl aromatischer Aldehyde konnte auch der Umsatz von Salicylaldehyd zu Salicylsäure durch PaoABC in einer Farbreaktion bestimmt werden. Durch Ausschluss von molekularem Sauerstoff als terminaler Elektronenakzeptor, in einer enzym-gekoppelten Reaktion, erfolgte ein Elektronentransport auf Ferrocencarboxylsäure. Die Kombination aus beiden Methoden ermöglichte eine Verwendung von Ferrocen-Derivaten zur Generierung einer enzym-gekoppelten Reaktion mit PaoABC.
Die Untersuchungen zu PaoABC zeigen, dass die Vielfalt der durch das Enzym katalysierten Rektionen weitere Möglichkeiten der enzymatischen Bestimmung biokatalytischer Prozesse bietet.
Thermoresponsive Zellkultursubstrate für zeitlich-räumlich gesteuertes Auswachsen neuronaler Zellen
(2019)
Ein wichtiges Ziel der Neurowissenschaften ist das Verständnis der komplexen und zugleich faszinierenden, hochgeordneten Vernetzung der Neurone im Gehirn, welche neuronalen Prozessen, wie zum Beispiel dem Wahrnehmen oder Lernen wie auch Neuropathologien zu Grunde liegt. Für verbesserte neuronale Zellkulturmodelle zur detaillierten Untersuchung dieser Prozesse ist daher die Rekonstruktion von geordneten neuronalen Verbindungen dringend erforderlich. Mit Oberflächenstrukturen aus zellattraktiven und zellabweisenden Beschichtungen können neuronale Zellen und ihre Neuriten in vitro strukturiert werden. Zur Kontrolle der neuronalen Verbindungsrichtung muss das Auswachsen der Axone zu benachbarten Zellen dynamisch gesteuert werden, zum Beispiel über eine veränderliche Zugänglichkeit der Oberfläche.
In dieser Arbeit wurde untersucht, ob mit thermoresponsiven Polymeren (TRP) beschichtete Zellkultursubstrate für eine dynamische Kontrolle des Auswachsens neuronaler Zellen geeignet sind. TRP können über die Temperatur von einem zellabweisenden in einen zellattraktiven Zustand geschaltet werden, womit die Zugänglichkeit der Oberfläche für Zellen dynamisch gesteuert werden kann. Die TRP-Beschichtung wurde mikrostrukturiert, um einzelne oder wenige neuronale Zellen zunächst auf der Oberfläche anzuordnen und das Auswachsen der Zellen und Neuriten über definierte TRP-Bereiche in Abhängigkeit der Temperatur zeitlich und räumlich zu kontrollieren. Das Protokoll wurde mit der neuronalen Zelllinie SH-SY5Y etabliert und auf humane induzierte Neurone übertragen. Die Anordnung der Zellen konnte bei Kultivierung im zellabweisenden Zustand des TRPs für bis zu 7 Tage aufrecht erhalten werden. Durch Schalten des TRPs in den zellattraktiven Zustand konnte das Auswachsen der Neuriten und Zellen zeitlich und räumlich induziert werden. Immunozytochemische Färbungen und Patch-Clamp-Ableitungen der Neurone demonstrierten die einfache Anwendbarkeit und Zellkompatibilität der TRP-Substrate.
Eine präzisere räumliche Kontrolle des Auswachsens der Zellen sollte durch lokales Schalten der TRP-Beschichtung erreicht werden. Dafür wurden Mikroheizchips mit Mikroelektroden zur lokalen Jouleschen Erwärmung der Substratoberfläche entwickelt. Zur Evaluierung der generierten Temperaturprofile wurde eine Temperaturmessmethode entwickelt und die erhobenen Messwerte mit numerisch simulierten Werten abgeglichen. Die Temperaturmessmethode basiert auf einfach zu applizierenden Sol-Gel-Schichten, die den temperatursensitiven Fluoreszenzfarbstoff Rhodamin B enthalten. Sie ermöglicht oberflächennahe Temperaturmessungen in trockener und wässriger Umgebung mit hoher Orts- und Temperaturauflösung. Numerische Simulationen der Temperaturprofile korrelierten gut mit den experimentellen Daten. Auf dieser Basis konnten Geometrie und Material der Mikroelektroden hinsichtlich einer lokal stark begrenzten Temperierung optimiert werden. Ferner wurden für die Kultvierung der Zellen auf den Mikroheizchips eine Zellkulturkammer und Kontaktboard für die elektrische Kontaktierung der Mikroelektroden geschaffen.
Die vorgestellten Ergebnisse demonstrieren erstmalig das enorme Potential thermoresponsiver Zellkultursubstrate für die zeitlich und räumlich gesteuerte Formation geordneter neuronaler Verbindungen in vitro. Zukünftig könnte dies detaillierte Studien zur neuronalen Informationsverarbeitung oder zu Neuropathologien an relevanten, humanen Zellmodellen ermöglichen.