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Prosodic focus in Vietnamese
(2007)
This paper reports on pilot work on the expression of Information Structure in Vietnamese and argues that Focus in Vietnamese is exclusively expressed prosodically: there are no specific focus markers, and the language uses phonology to express intonational emphasis in similar ways to languages like English or German. The exploratory data indicates that (i) focus is prosodically expressed while word order remains constant, (ii) listeners show good recoverability of the intended focus structure, and (iii) that there is a trading relationship between several phonetic parameters (duration, f0, amplitude) involved to signal prosodic (acoustic) emphasis.
In der vorliegenden Arbeit wird eine Studie zum mentalen Lexikon bei Kindern mit Williams-Beuren-Syndrom (WBS) präsentiert. Das Lexikon junger WBS-Kinder entwickelt sich verzögert (Mervis & Robinson, 2000). Trotzdem gilt das Lexikon jugendlicher WBS-Probanden im Vergleich zu Probanden mit anderen Syndromen als elaboriert (Wang et al. 1995). Dies könnte auf sich spät entwickelnde Sprachfähigkeiten hindeuten. Es wird vermutet, dass ab 11 Jahren Veränderungen stattfinden, durch die das typische Profil des WBS erst entsteht (Rossen et al. 1996). Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, sich der Aufholphase zu nähern, indem die lexikalischen Fähigkeiten vor dem kritischen Alter untersucht werden. Dazu werden zwei lexical constraints untersucht, die Markman (1989) für den ungestörten Lexikonerwerb postuliert. Whole object constraint (WOC): Das Kind nimmt an, dass sich ein unfamiliäres Wort auf ein ganzes Objekt bezieht. Mutual exclusivity constraint (MEC): Das Kind nimmt eine beidseitig exklusive Beziehung zwischen Wortform und Referenten an. Zum WBS gibt es eine einzige Studie zu den constraints (Stevens & Karmiloff-Smith 1997). Die WBS-Probanden sind zu alt (7;5 bis 31;5), um Aussagen über die Sprachfähigkeiten in der Zeit des Spurts machen zu können. Markman postuliert die constraints als Teil des universalen Wissens von Kindern. Dementsprechend ist die Hypothese, dass die constraints auch bei WBS-Kindern aktiv sind und in experimentellen Situationen zur Anwendung kommen. Zentral für die Hypothese ist die Untersuchung von Vorschulalkindern. Es werden 5 WBS-Kinder (3;2-7;0) und 98 chronologisch gematchte Kontrollkinder im WOC bzw. 97 im MEC untersucht. Es wird jeweils ein Versuch zum WOC (n=9) und zum MEC (n=12) durchgeführt. Beim WOC-Versuch wählen WBS-Kinder und Kontrollkinder am häufigsten das Zielitem. Die WBS-Kinder wählen häufig das Teilablenkerbild. Im Einzelfallvergleich sind 4 der 5 WBS-Kinder im Vergleich zu ihrer Kontrollgruppe auffällig. Im MEC-Versuch zeigen die ungestörten Kinder signifikant häufiger auf das Bild mit dem phonologischen Ablenker als die WBS-Kinder. In der Einzelfallanalyse liegen 4 von 5 WBS-Kindern bei der Auswahl des Zielitems oberhalb des Mittelwertes ihrer Kontrollgruppe. Insgesamt ergeben sich durch das Verhalten der WBS-Kinder in den Versuchen eher Hinweise auf defizitäre perzeptuelle Einflüsse auf die Anwendung der lexikalischen constraints als auf ihr Fehlen. Als Ursache für das Verhalten der WBS-Kinder wird die Detailpräferenzhypothese postuliert. Majerus et al.s (2003)Hypothese wird um die visuelle Verarbeitung erweitert. Diese findet lokal statt und kann nur bedingt Gattungsbegriffe aufbauen. Den überspezifizierten Wortformen stehen Teilrepräsentationen gegenüber. Die entstehenden semantischen Repräsentationen sind an konkreten Erfahrungen orientiert und verbleiben auf einer überspezifizierten Form. Mit der Hypothese der generellen Detailpräferenz wird zum ersten Mal eine einheitliche Wurzel für das Verhalten von WBS-Kindern im Vorschulalter in verschiedenen psychologischen Fakultäten aufgestellt. Majerus, S., Van der Linden, M., Mulder, L., Meulemans, T., & Peters, F. (2003). Verbal short-term memory reflects the sublexical organization of the phonological language network: evidence from an incidental phonotactic learning paradigm. Journal of Memory and Language, 51, 297-306. Markman, E. (1989). Categorization and naming in children. Cambridge MA: MIT Press. Mervis, C. B. & Robinson, B. F. (2000). Expressive vocabulary ability of toddlers with Williams syndrome or Down syndrome: a comparison. Developmental Neuropsychology, 17, 11-126. Rossen, M., Klima, E., Bellugi, U., Bihrle, A., & Jones, W. (1996). Interaction between language and cognition: evidence from Williams syndrome. In J. H. Beitchman, N. Cohen, M. Konstantareas, & R. Tannock (Eds.), Language, learning and behavior disorders: developmental, biological, and clinical perspectives. (367-392). New York: Cambridge University Press. Stevens, T. & Karmiloff-Smith, A. (1997). Word learning in a special population: do individuals with Williams syndrome obey lexical constraints? Journal of Child Language, 24, 737-765. Wang, P. P., Doherty, S., Rourke, S. B., & Bellugi, U. (1995). Unique profile of visuo-perceptual skills in a genetic syndrome. Brain and Cognition, 29, 54-65.
Auszug: In der psycho- und neurolinguistischen Morphologieforschung wird die Frage behandelt, wie polymorphematische Wörter, d. h. Wörter, die aus mehr als einem Morphem bestehen (z. B. Apfel-baum; Be-mal-ung, mal-e), im mentalen Lexikon repräsentiert sind und wie sie verarbeitet werden. Spielt die interne morphologische Wortstruktur dabei überhaupt eine Rolle oder sind solche Wörter ganzheitlich repräsentiert? Die beiden großen konkurrierenden Theorien zur Verarbeitung polymorphematischer Wörter sind die Dekompositionshypothese und die Auflistungshypothese. Nach der Dekompositionshypothese werden morphologisch komplexe Wörter bei der rezeptiven Worterkennung in ihre Einzelteile aufgespalten (dekomponiert), beim expressiven Wortabruf müssen die zugrunde liegenden Morpheme einzeln vom Lexikon abgerufen und zu einer Vollform zusammengesetzt (komponiert) werden (z. B. Taft & Forster 1976). Im Unterschied dazu besagt die Auflistungshypothese, dass komplexe Wörter als Vollformen im Lexikon repräsentiert sind und abgerufen werden (Butterworth 1983). Wortbildungsregeln kommen nach der Dekompositionshypothese also grundsätzlich zum Einsatz, während nach der Auflistungshypothese morphologische Prozesse nur bei der Verarbeitung von unbekannten Vollformen oder bei der Bildung neuer Vollformen ablaufen. [...]
Semantik
(2008)
Auszug: In diesem Beitrag werden „von der Theorie zur Therapie“ aktuelle theoretische Annahmen über die Organisation semantischer Repräsentationen sowie der gegenwärtige Stand der Forschungsliteratur zur Behandlung semantischer Störungen vorgestellt. Zunächst gebe ich einen Einblick in die Fragestellungen meiner Dissertation, in der mit zwei Reaktionszeitexperimenten insbesondere die Frage überprüft wurde, ob für Konzepte aus biologischen semantischen Kategorien andere Organisationsprinzipien angenommen werden müssen als für Konzepte aus künstlichen, von Menschenhand geschaffenen semantischen Kategorien. Anschließend wird ein Einblick in die gegenwärtige Literatur zur Therapie semantischer Störungen und den zu erwartenden Generalisierungseffekten auf in der Therapie nicht behandelte Items gegeben. [...]
Der vorliegende Tagungsband enthält alle Beiträge des 1. Herbsttreffens Patholinguistik, das am 24.11.2007 an der Universität Potsdam stattgefunden hat. Sowohl die drei Hauptvorträge zum Thema „Der Erwerb von Lexikon und Semantik – Meilensteine, Störungen und Therapie“ als auch die Kurzvorträge promovierter Patholinguisten sind ausführlich dokumentiert. Außerdem enthält der Tagungsband die Abstracts der präsentierten Poster.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Rolle von Konkordanzmarkierungen innerhalb einer Phrase für die Segmentierung eines fremden Sprachstroms. Das Merkmal der Konkordanz tritt auf, wenn alle Bestandteile einer Phrase gleichermaßen durch eine identische Markierung gekennzeichnet sind (z. B. los muchachos ricosSpanisch = die reichen Männer). Da diese wiederkehrenden Markierungen zumeist aus Affixen bestehen, kann Konkordanz als ein Sonderfall der Flexionsmorphologie betrachtet werden. Es wurde untersucht, ob die formale Korrespondenz zwischen den Bestandteilen konkordanter Phrasen als Hinweis auf die Grenzen der linguistisch relevanten Einheit Phrase im Spracherwerb fungieren kann. Zusätzlich wird auf das Zusammenspiel einzelner Hinweisreize untereinander eingegangen. Mit Kindern im Alter von zehn Monaten wurden vier Experimente mit dem Headturn Preference Paradigma (Jusczyk & Aslin, 1995) durchgeführt. Es wurde zunächst bei deutschen und englischen Kleinkindern untersucht, ob sie sensibel für gleich bleibende Suffixe innerhalb einer Phrase sind und diese für die Segmentierung nutzen können. Außerdem wurde das Zusammenspiel der Hinweise Konkordanz und Prosodie bei der Auffindung von Phrasengrenzen betrachtet. Es zeigte sich, dass deutsche Kinder in besonderer Weise auf konkordante Markierungen reagieren. Neben einer Sensitivität für Konkordanzmarkierungen zeigte das Ergebnis der deutschen Kinder auch, dass sie Flexionssuffixe im Deutschen bereits im Sprachstrom bemerken können. Ein solches Ergebnismuster ließ sich bei den Englisch lernenden Kindern nicht beobachten. Verschiedene Erklärungsmöglichkeiten für diesen Unterschied werden erläutert. Insgesamt weisen die Daten aus den Kindersprachexperimenten darauf hin, dass bereits im Alter von zehn Monaten bei Kindern eine Sensibilität für wiederholt in ähnlicher / gleicher Form auftretende sprachliche Elemente innerhalb der Domäne der Phrase vorhanden ist. Außerdem lassen die Resultate darauf schließen, dass Konkordanzmarkierungen bereits früh zur Segmentierung von kontinuierlicher Sprache verwendet werden. Diese Leistung steht in Zusammenhang mit der Beachtung von statistischen Regularitäten im Sprachstrom. Untersuchungen dazu zeigen, dass m. H. statistischer Lernmechanismen wiederkehrende Elemente im Sprachstrom erkannt werden können (Bonatti, Peña, Nespor, & Mehler, 2005; Newport & Aslin, 2004; Saffran, 2001; Saffran, Aslin & Newport, 1996). Anscheinend ist das Auftreten identischer Segmente innerhalb einer relativ kleinen Domäne im Sprachstrom für Lerner ein hervorstechendes Merkmal, das dazu beiträgt, diese Domäne aus dem Signal hervorzuheben und somit die Segmentierung des Sprachstroms in kleinere Anteile zu unterstützen. Neben den Untersuchungen mit den Kleinkindern wurden zusätzlich drei Reaktionszeitexperimente mit deutschen und englischen Erwachsenen zur Rolle von Konkordanzmarkierungen bei der Verarbeitung der Fremdsprachen Spanisch, Suaheli und (für die englischen Probanden) Deutsch durchgeführt. Das erste Experiment befasste sich mit der Stimulussprache Spanisch, in der es bei Konkordanz zum mehrfachen Auftreten von identischen Suffixen mit Vollvokalen kommt. Dabei war zu beobachten, dass deutsche und englische Muttersprachler die zu erinnernden Phrasen besser in einem kontinuierlichen spanischen Sprachstrom wieder erkannten, wenn die kritischen Phrasen konkordant waren, als wenn sie nicht konkordant waren. Das zweite Experiment verwendete die Stimulussprache Suaheli (konkordante vs. nicht konkordante Präfixe). Dabei zeigte sich ein solches Muster ausschließlich bei den englischen Muttersprachlern. Das dritte Experiment untersuchte englische Muttersprachler mit deutschem Stimulusmaterial, wobei Konkordanz durch Suffixe markiert wird, die aus einer Schwa-Silbe bestehen. Hier ergab sich kein Hinweis für eine Nutzung konkordanter Markierungen bei der Erkennung von Phrasen. Als Grund dafür wird die reduzierte Vokalqualität angenommen, die Schwa-Silben u.U. schwerer wahrnehmbar macht als Vollvokalsilben (z.B. Widera & Portele, 1999; Goméz Lacabex, García Lecumberri, & Cooke, 2005). Es werden weitere Erklärungshypothesen bzgl. der Ergebnisunterschiede bei deutschen und englischen Muttersprachlern beschrieben, die auch auf den Unterschied zwischen der Verarbeitung von konkordanten Suffixen vs. Präfixen eingehen. Zusätzlich erfolgt eine Diskussion der Ergebnisse vor dem Hintergrund von Annahmen über Arten von (nicht-)sprachlichen Ähnlichkeiten und ihren Einfluss auf die Wahrnehmung von ähnlichen Elementen. Die vorliegenden Daten stützen die Annahme von Morgan (1986), dass der Input für einen Sprachlerner bereits zahlreiche Hinweise über die Struktur der jeweiligen Sprache enthält. Sowohl Kleinkinder als auch erwachsene Sprachlerner scheinen für einen beachtlichen Teil dieser Hinweisreize sensibel zu sein. Die bislang kaum beachteten konkordante Markierungen innerhalb von Phrasen scheinen zumindest einen Teil dieser Hinweisreize auszumachen.
Interdisciplinary studies on information structure : ISIS ; Working papers of the SFB 632. - Vol. 10
(2008)
The 10th volume of the working paper series contains two papers contributed by SFB-members. The first paper “Single prosodic phrase sentences” by Caroline Féry (A1) and Heiner Drenhaus (C6, University of Potsdam) investigates the prosody of Wide Focus Partial Fronting in a series of production and perception experiments. The second paper “Focus Asymmetries in Bura” by Katharina Hartmann, Peggy Jacob (B2, Humboldt University Berlin) and Malte Zimmermann (A5, University of Potsdam) explores the strategies of marking focus in Bura (Chadic).
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der wissensbasierten Modellierung von Audio-Signal-Klassifikatoren (ASK) für die Bioakustik. Sie behandelt ein interdisziplinäres Problem, das viele Facetten umfasst. Zu diesen gehören artspezifische bioakustische Fragen, mathematisch-algorithmische Details und Probleme der Repräsentation von Expertenwissen. Es wird eine universelle praktisch anwendbare Methode zur wissensbasierten Modellierung bioakustischer ASK dargestellt und evaluiert. Das Problem der Modellierung von ASK wird dabei durchgängig aus KDD-Perspektive (Knowledge Discovery in Databases) betrachtet. Der grundlegende Ansatz besteht darin, mit Hilfe von modifizierten KDD-Methoden und Data-Mining-Verfahren die Modellierung von ASK wesentlich zu erleichtern. Das etablierte KDD-Paradigma wird mit Hilfe eines detaillierten formalen Modells auf den Bereich der Modellierung von ASK übertragen. Neunzehn elementare KDD-Verfahren bilden die Grundlage eines umfassenden Systems zur wissensbasierten Modellierung von ASK. Methode und Algorithmen werden evaluiert, indem eine sehr umfangreiche Sammlung akustischer Signale des Großen Tümmlers mit ihrer Hilfe untersucht wird. Die Sammlung wurde speziell für diese Arbeit in Eilat (Israel) angefertigt. Insgesamt werden auf Grundlage dieses Audiomaterials vier empirische Einzelstudien durchgeführt: - Auf der Basis von oszillographischen und spektrographischen Darstellungen wird ein phänomenologisches Klassifikationssystem für die vielfältigen Laute des Großen Tümmlers dargestellt. - Mit Hilfe eines Korpus halbsynthetischer Audiodaten werden verschiedene grundlegende Verfahren zur Modellierung und Anwendung von ASK in Hinblick auf ihre Genauigkeit und Robustheit untersucht. - Mit einem speziell entwickelten Clustering-Verfahren werden mehrere Tausend natürliche Pfifflaute des Großen Tümmlers untersucht. Die Ergebnisse werden visualisiert und diskutiert. - Durch maschinelles mustererkennungsbasiertes akustisches Monitoring wird die Emissionsdynamik verschiedener Lauttypen im Verlaufe von vier Wochen untersucht. Etwa 2.5 Millionen Klicklaute werden im Anschluss auf ihre spektralen Charakteristika hin untersucht. Die beschriebene Methode und die dargestellten Algorithmen sind in vielfältiger Hinsicht erweiterbar, ohne dass an ihrer grundlegenden Architektur etwas geändert werden muss. Sie lassen sich leicht in dem gesamten Gebiet der Bioakustik einsetzen. Hiermit besitzen sie auch für angrenzende Disziplinen ein hohes Potential, denn exaktes Wissen über die akustischen Kommunikations- und Sonarsysteme der Tiere wird in der theoretischen Biologie, in den Kognitionswissenschaften, aber auch im praktischen Naturschutz, in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.
In this study the effect of phonotactic constraints concerning word-initial consonant clusters in children with delayed phonological acquisition was explored. Twelve German-speaking children took part (mean age 5;1). The spontaneous speech of all children was characterized by the regular appearance of the error patterns fronting, e.g., Kuh (cow) → /tu:/, or stopping, e.g., Schaf (sheep) → /ta:f/, which were inappropriate for their chronological age. The children were asked to produce words (picture naming task, word repetition task) with initial consonant clusters, in which the application of the error patterns would violate phonotactic sequence constraints. For instance, if fronting would apply in /kl-/, e.g., Kleid (dress), it would be realized as the phontactically illegal consonant cluster /tl-/. The results indicate that phonotactic constraints affect word production in children with delayed phonological developments. Surprisingly, we found that children with fronting produced the critical consonants correctly significantly more often in word-initial consonant clusters than in words in which they appeared as singleton onsets. In addition, the results provide evidence for a similar developmental trajectory of acquisition in children with typical development and in children with delayed phonological acquisition. Keywords: Children with delayed phonological acquisition, phonotactic constraints, word-initial consonant clusters, fronting, stopping.
Recent research has shown that the early lexical representations children establish in their second year of life already seem to be phonologically detailed enough to allow differentiation from very similar forms. In contrast to these findings children with specific language impairment show problems in discriminating phonologically similar word forms up to school age. In our study we investigated the question whether there would be differences in the processing of phonological details in normally developing and in children with low language performance in the second year of life. This was done by a retrospective study in which in the processing of phonological details was tested by a preferential looking experiment when the children were 19 months old. At the age of 30 months children were tested with a standardized German test of language comprehension and production (SETK2). The preferential looking data at 19 months revealed an opposite reaction pattern for the two groups: while the children scoring normally in the SETK2 increase their fixations of a pictured object only when it was named with the correct word, children with later low language performance did so only when presented with a phonologically slightly deviant mispronunciation. We suggest that this pattern does not point to a specific deficit in processing phonological information in these children but might be related to an instability of early phonological representations, and/or a generalized problem of information processing as compared to typically developing children.
Recent work has shown that English-learning 18-month-olds can detect the relationship between discontinuous morphemes such as is and -ing in Grandma is always running (Gomez, 2002; Santelmann & Jusczyk, 1998) but only at a maximum of 3 intervening syllables. In this article we examine the tracking of discontinuous dependencies in children acquiring German. Due to freer word order, German allows for greater distances between dependent elements and a greater syntactic variety of the intervening elements than English does. The aim of this study was to investigate whether factors other than distance may influence the child’s capacity to recognize discontinuous elements. Our findings provide evidence that children’s recognition capacities are affected not only by distance but also by their ability to linguistically analyze the material intervening between the dependent elements. We speculate that this result supports the existence of processing mechanisms that reduce a discontinuous relation to a local one based on subcategorization relations.
How do children determine the syntactic category of novel words? In this article we present the results of 2 experiments that investigated whether German children between 12 and 16 months of age can use distributional knowledge that determiners precede nouns and subject pronouns precede verbs to syntactically categorize adjacent novel words. Evidence from the head-turn preference paradigm shows that, although 12- to 13-month-olds cannot do this, 14- to 16-month-olds are able to use a determiner to categorize a following novel word as a noun. In contrast, no categorization effect was found for a novel word following a subject pronoun. To understand this difference we analyzed adult child-directed speech. This analysis showed that there are in fact stronger co-occurrence relations between determiners and nouns than between subject pronouns and verbs. Thus, in German determiners may be more reliable cues to the syntactic category of an adjacent novel word than are subject pronouns. We propose that the capacity to syntactically categorize novel words, demonstrated here for the first time in children this young, mediates between the recognition of the specific morphosyntactic frame in which a novel word appears and the word-to-world mapping that is needed to build up a semantic representation for the novel word.
Die jüngere Forschung zum Spracherwerb hat gezeigt, dass sich schon in den ersten Äußerungen von Kindern bestimmte Strukturmerkmale der Sprache, die die Kinder lernen, zeigen, d.h., es gibt Bereiche, in denen im normalen Erwerb praktisch keine Fehler zu beobachten sind. Dies lässt den Schluss zu, dass die Kinder entsprechendes Wissen über die Zielsprache bereits erwerben, bevor sie entsprechende Äußerungen produzieren. Diese frühen Erwerbsschritte können in erster Linie über die Untersuchung der Sprachwahrnehmung untersucht werden. Solche Untersuchungen haben gezeigt, dass Kinder schon sehr früh gerade für prosodische Eigenschaften der Sprache sensitiv sind und dass sie diese Sensitivität unter anderem für die Erkennung von Wortgrenzen einsetzen. Die frühen Fähigkeiten zur Sprachwahrnehmung und -verarbeitung stehen offenbar in einem direkten Zusammenhang zur späteren lexikalischen und syntaktischen Entwicklung.
Contents: Introduction (The Editors) Basic Notions of Information Structure (Manfred Krifka) Notions of Focus Anaphoricity (Mats Rooth) Topic and Focus: Two Structural Positions Associated with Logical Functions in the Left Periphery of the Hungarian Sentence (Katalin É. Kiss) Direct and Indirect Aboutness Topics (Cornelia Endriss & Stefan Hinterwimmer) Information Structure as Information-based Partition (Satoshi Tomioka) Focus Presuppositions (Dorit Abush) Contrastive Focus, Givenness and the Unmarked Status of “Discourse-new”(Elisabeth O. Selkirk) Contrastive Focus (Malte Zimmermann) The Fallacy of Invariant Phonological Correlates of Information Structural Notions (Caroline Féry) Notions and Subnotions of Information Structure (Carlos Gussenhoven) The Restricted Access of Information Structure to Syntax – A Minority Report (Gisbert Fanselow) Focus and Tone (Katharina Hartmann)
Interdisciplinary studies on information structure : ISIS ; Working papers of the SFB 632. - Vol. 8
(2007)
The 8th volume of the working paper series Interdisciplinary Studies on Information Structure (ISIS) of the SFB 632 contains a collection of eight papers contributed by guest authors and SFB-members. The first paper on “Biased Questions” is an invited contribution by Nicholas Asher (CNRS, Laboratoire IRIT) & Brian Reese (University of Texas at Austin). Surveying English tag questions, negative polar questions, and what they term “focus” questions, they investigate the effects of prosody on discourse function and discourse structure and analyze the interaction between prosody and discourse in SDRT (Segmented Discourse Representation Theory). Stefan Hinterwimmer (A2) explores the interpretation of singular definites and universally quantified DPs in adverbially quantified English sentences. He suggests that the availability of a co-varying interpretation is more constrained in the case of universally quantified DPs than in the case of singular definites, because different from universally quantified DPs, co-varying definites are inherently focus-marked. The existence of striking similarities between topic/comment structure and bimanual coordination is pointed out and investigated by Manfred Krifka (A2). Showing how principles of bimanual coordination influence the expression of topic/comment structure beyond spoken language, he suggests that bimanual coordination might have been a preadaptation of the development of Information Structure in human communication. Among the different ways of expressing focus in Foodo, an underdescribed African Guang language of the Kwa family, the marked focus constructions are the central topic of the paper by Ines Fiedler (B1 & D2). Exploring the morphosyntactic facilities that Foodo has for focalization, she suggests that the two focus markers N and n have developed out of a homophone conjunction. Focus marking in another scarcely documented African tone language, the Gur language Konkomba, is treated by Anne Schwarz (B1 & D2). Comparing the two alleged focus markers lé and lá of the language, she argues that lé is better interpreted as a syntactic device rather than as a focus marker and shows that this analysis is corroborated by parallels in related languages. The reflexes of Information Structure in four different European languages (French, German, Greek and Hungarian) are compared and validated by Sam Hellmuth & Stavros Skopeteas (D2). The production data was collected with selected materials of the Questionnaire on Information Structure (QUIS) developed at the SFB. The results not only allow for an evaluation of the current elicitation paradigms, but also help to identify potentially fruitful venues of future research. Frank Kügler, Stavros Skopeteas (D2) & Elisabeth Verhoeven (University of Bremen) give an account of the encoding of Information Structure in Yucatec Maya, a Mayan tone language spoken on the Yucatecan peninsula in Mexico. The results of a production experiment lead them to the conclusion that focus is mainly expressed by syntax in this language. Stefanie Jannedy (D3) undertakes an instrumental investigation on the expressions and interpretation of focus in Vietnamese, a language of the Mon-Khmer family contrasting six lexical tones. The data strongly suggests that focus in Vietnamese is exclusively marked by prosody (intonational emphasis expressed via duration, f0 and amplitude) and that different focus conditions can reliably be recovered. This volume offers insights into current work conducted at the SFB 632, comprising empirical and theoretical aspects of Information Structure in a multitude of languages. Several of the papers mine field work data collected during the first phase of the SFB and explore the expression of Information Structure in tone and non-tone languages from various regions of the world.
Seit den Anfängen empirisch-neurowissenschaftlicher Forschung gilt Sprachkompetenz zuvorderst als eine Leistung der Hirnrinde (Kortex), jedoch wurden v. a. im Zuge sich verbessernder bildgebender Verfahren aphasische Syndrome auch nach Läsionen subkortikaler Hirnregionen, insbesondere der Basalganglien und des Thalamus nachgewiesen. Diese Strukturen liegen in der Tiefe des Gehirns und kommunizieren über weit gefächerte Faserverbindungen mit dem Kortex. In erster Linie werden den Basalganglien senso-motorische Kontrollfunktionen zugewiesen. Dementsprechend werden diverse Erkrankungen, die durch Störungen physiologischer Bewegungsabläufe gekennzeichnet sind (z. B. Morbus Parkinson, Chorea Huntington), auf Funktionsdefekte dieser Strukturen zurückgeführt. Der Thalamus wird häufig als Relaisstation des Informationsaustauschs zwischen anatomisch entfernten Arealen des Nervensystems aufgefasst. Basalganglien und Thalamus werden jedoch auch darüber hinausgehende Funktionen, z. B. zur Bereitstellung, Aufrechterhaltung und Auslenkung von Aufmerksamkeit bei der Bearbeitung kognitiver Aufgaben zugesprochen. In der vorliegenden Arbeit wurde mit elektrophysiologischen Methoden untersucht, ob auf der Ebene von Thalamus und Basalganglien kognitive Sprachleistungen, spezifisch der syntaktischen und semantischen Verarbeitung nachgewiesen werden können und inwieweit sich eventuell subkortikale von kortikaler Sprachverarbeitung unterscheidet. Die Untersuchung spezieller Sprachfunktionen der Basalganglien und des Thalamus ist im Rahmen der operativen Behandlung bewegungsgestörter Patienten mit der sog. Tiefenhirnstimulation (DBS = engl. Deep Brain Stimulation) möglich. Hierbei werden Patienten mit Morbus Parkinson Stimulationselektroden in den Nucleus subthalamicus (STN) implantiert. Bei Patienten mit generalisierten Dystonien erfolgt die Implantation in den Globus pallidus internus (GPI) und bei Patienten mit essentiellem Tremor in den Nucleus ventralis intermedius (VIM). STN und GPI sind Kernareale der Basalganglien, der VIM ist Teil des motorischen Systems. Nach der Implantation besteht die Möglichkeit, direkt von diesen Elektroden elektroenzephalographische (EEG)-Signale abzuleiten und diese mit simultan abgeleiteten Oberflächen-EEG zu vergleichen. In dieser Arbeit wurden DBS-Patienten aus allen genannten Gruppen in Bezug auf Sprachverständnisleistungen untersucht. Neben der Präsentation korrekter Sätze hörten die Patienten Sätze mit syntaktischen oder semantischen Fehlern. In verschiedenen Studien wurden an der Skalp-Oberfläche EKP-Komponenten (EKP = ereigniskorrelierte Potentiale) beschrieben, welche mit der Verarbeitung solcher Fehler in Verbindung gebracht werden. So verursachen syntaktische Phrasenstrukturverletzungen eine frühe links-anteriore Negativierung (ELAN). Dieser Komponente folgt eine späte Positivierung (P600), die mit Reanalyse und Reparaturmechanismen in Verbindung gebracht wird. Semantische Verletzungen evozieren eine breite Negativierung um 400ms (N400). In den thalamischen Ableitungen wurden zwei zusätzliche syntaktische fehlerbezogene Komponenten gefunden, die (i) ~ 80ms nach der Skalp-ELAN und (ii) ~ 70ms vor der Skalp-P600 auftraten. Bei semantischen Verletzungen wurde im Thalamus ein fehlerbezogenes Potential nachgewiesen, welches weitgehend parallel mit dem am Skalp gefundenen Muster verläuft. Aus den Ergebnissen der vorliegenden Studie folgt, dass der Thalamus spezifische Sprachfunktionen erfüllt. Komponenten, die Sprachverarbeitungsprozesse reflektieren, konnten in den Basalganglienstrukturen STN und GPI nicht identifiziert werden. Aufgrund der erhobenen Daten werden zwei getrennte Netzwerke für die Verarbeitung syntaktischer bzw. semantischer Fehler angenommen. In diesen Netzwerken scheint der Thalamus spezifische Aufgaben zu übernehmen. In einem ‚Syntaxnetzwerk’ kommunizieren frontale Hirnstrukturen unter Einbeziehung des Thalamus mit parietalen Hirnstrukturen. Dem Thalamus wurde eine Mediationsfunktion in der syntaktischen Reanalyse zugesprochen. In einem ‚Semantiknetzwerk’ waren keine eindeutig zuordenbaren Prozesse auf thalamischer Ebene nachweisbar. Es wurde eine unscharfe, jedoch aber spezifische Aktivierung des Thalamus über den gesamten Zeitraum der kortikalen semantischen Analyse gezeigt, welche als Integration verschiedener Analysemechanismen gewertet wurde.
This volume presents annotation guidelines that have been developed in the context of the SFB 632, a collaborative research center entitled "Information Structure: the Linguistic Means for Structuring Utterances, Sentences and Texts". An important result of the SFB 632 are the SFB corpora from more than 20 typologically different languages, which have been annotated according to the guidelines presented here. The ultimate target of the data and its annotations is to support the study of Information Structure. Information Structure involves all levels of grammar and, hence, the present guidelines cover relevant aspects of all these levels: - Phonology - Morphology - Syntax - Semantics - Information Structure These levels are dealt with in individual chapters, containing tagset declarations with obligatory and optional tags, detailed annotation instructions, and illustrative examples. The volume also presents an evaluation of inter-annotator agreement of Syntax and Information Structural annotation.
Interdisciplinary studies on information structure : ISIS ; Working papers of the SFB 632 - Vol. 5
(2006)
In this paper we compare the behaviour of adverbs of frequency (de Swart 1993) like usually with the behaviour of adverbs of quantity like for the most part in sentences that contain plural definites. We show that sentences containing the former type of Q-adverb evidence that Quantificational Variability Effects (Berman 1991) come about as an indirect effect of quantification over situations: in order for quantificational variability readings to arise, these sentences have to obey two newly observed constraints that clearly set them apart from sentences containing corresponding quantificational DPs, and that can plausibly be explained under the assumption that quantification over (the atomic parts of) complex situations is involved. Concerning sentences with the latter type of Q-adverb, on the other hand, such evidence is lacking: with respect to the constraints just mentioned, they behave like sentences that contain corresponding quantificational DPs. We take this as evidence that Q-adverbs like for the most part do not quantify over the atomic parts of sum eventualities in the cases under discussion (as claimed by Nakanishi and Romero (2004)), but rather over the atomic parts of the respective sum individuals.
Die Arbeit untersucht die Annahme einer unterschiedlichen Gewichtung von distinktiven enzyklopädischen, funktionalen und sensorischen Merkmalen innerhalb der Repräsentationen von Objekten der belebten und unbelebten semantischen Domäne. Hierzu wurde ein Reaktionszeitexperiment zur Merkmalsverifikation durchgeführt. Vorab wurden deutsche Normen über das geschätzte Erwerbsalter für 244 Stimuli aus dem Korpus von Snodgrass & Vanderwart (1980) erhoben. Weiterhin wurde eine Datenbank von Merkmalsnormen für 80 konkrete Objektbegriffe erstellt. Insgesamt wurden zwei Reaktionszeitexperimente durchgeführt, die sich lediglich durch die Darbietungsdauer des Konzeptbegriffes unterschieden. Der Konzeptbegriff wurde entweder 1000 ms (lange Darbietung) oder 250 ms (kurze Darbietung) präsentiert, bevor das zu verifizierende semantische Merkmal erschien. Bei langer Präsentationszeit des Objektbegriffes zeigten sich für Objekte der unbelebten Domäne schnellere Reaktionszeiten beim Verifizieren von distinktiven funktionalen Merkmalen als beim Verifizieren von distinktiven enzyklopädischen Merkmalen. Dieser Effekt wurde bei kurzer Darbietungsdauer des Konzeptbegriffes repliziert. Bei kurzer Darbietung konnten für Objekte der unbelebten Domäne zusätzlich kürzere Reaktionszeiten beim Verifizieren distinktiver funktionaler Merkmale als beim Verifizieren distinktiver sensorischer Merkmale beobachtet werden. Für Objekte der belebten Domäne lagen weder nach kurzer noch nach langer Präsentation des Objektbegriffes Unterschiede in den Reaktionszeiten beim Verifizieren der semantischen Merkmale vor. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund aktueller neurolinguistischer Modelle zur Organisation des semantischen Gedächtnisses diskutiert. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass innerhalb der Objektrepräsentationen belebter Objekte alle drei Merkmalstypen interkorrelieren. Für Objekte der unbelebten Domäne werden starke Interkorrelationen zwischen funktionalen und sensorischen Merkmalen angenommen. Zusätzlich wird davon ausgegangen, dass distinktive funktionale Merkmale innerhalb der Repräsentationen unbelebter Objekte besonders stark gewichtet sind.
Semantische Repräsentation, obligatorische Aktivierung und verbale Produktion arithmetischer Fakten
(2006)
Die vorliegende Arbeit widmet sich der Repräsentation und Verarbeitung arithmetischer Fakten. Dieser Bereich semantischen Wissens eignet sich unter anderem deshalb besonders gut als Forschungsgegenstand, weil nicht nur seine einzelne Bestandteile, sondern auch die Beziehungen dieser Bestandteile untereinander außergewöhnlich gut definierbar sind. Kognitive Modelle können also mit einem Grad an Präzision entwickelt werden, der in anderen Bereichen kaum je zu erreichen sein wird. Die meisten aktuellen Modelle stimmen darin überein, die Repräsentation arithmetischer Fakten als eine assoziative, netzwerkartig organisierte Struktur im deklarativen Gedächtnis zu beschreiben. Trotz dieser grundsätzlichen Übereinstimmung bleibt eine Reihe von Fragen offen. In den hier vorgestellten Untersuchungen werden solche offene Fragen in Hinsicht auf drei verschiedene Themenbereiche angegangen: 1) die neuroanatomischen Korrelate 2) Nachbarschaftskonsistenzeffekte bei der verbalen Produktion sowie 3) die automatische Aktivierung arithmetischer Fakten. In einer kombinierten fMRT- und Verhaltensstudie wurde beispielsweise der Frage nachgegangen, welche neurofunktionalen Entsprechungen es für den Erwerb arithmetischer Fakten bei Erwachsenen gibt. Den Ausgangspunkt für diese Untersuchung bildete das Triple-Code-Modell von Dehaene und Cohen, da es als einziges auch Aussagen über neuroanatomische Korrelate numerischer Leistungen macht. Das Triple-Code-Modell geht davon aus, dass zum Abruf arithmetischer Fakten eine „perisylvische“ Region der linken Hemisphäre unter Einbeziehung der Stammganglien sowie des Gyrus angularis nötig ist (Dehaene & Cohen, 1995; Dehaene & Cohen, 1997; Dehaene, Piazza, Pinel, & Cohen, 2003). In der aktuellen Studie sollten gesunde Erwachsene komplexe Multiplikationsaufgaben etwa eine Woche lang intensiv üben, so dass ihre Beantwortung immer mehr automatisiert erfolgt. Die Lösung dieser geübten Aufgaben sollte somit – im Gegensatz zu vergleichbaren ungeübten Aufgaben – immer stärker auf Faktenabruf als auf der Anwendung von Prozeduren und Strategien beruhen. Hingegen sollten ungeübte Aufgaben im Vergleich zu geübten höhere Anforderungen an exekutive Funktionen einschließlich des Arbeitsgedächtnisses stellen. Nach dem Training konnten die Teilnehmer – wie erwartet – geübte Aufgaben deutlich schneller und sicherer beantworten als ungeübte. Zusätzlich wurden sie auch im Magnetresonanztomografen untersucht. Dabei konnte zunächst bestätigt werden, dass das Lösen von Multiplikationsaufgaben allgemein von einem vorwiegend linkshemisphärischen Netzwerk frontaler und parietaler Areale unterstützt wird. Das wohl wichtigste Ergebnis ist jedoch eine Verschiebung der Hirnaktivierungen von eher frontalen Aktivierungsmustern zu einer eher parietalen Aktivierung und innerhalb des Parietallappens vom Sulcus intraparietalis zum Gyrus angularis bei den geübten im Vergleich zu den ungeübten Aufgaben. So wurde die zentrale Bedeutung von Arbeitsgedächtnis- und Planungsleistungen für komplexe ungeübte Rechenaufgaben erneut herausgestellt. Im Sinne des Triple-Code-Modells könnte die Verschiebung innerhalb des Parietallappens auf einen Wechsel von quantitätsbasierten Rechenleistungen (Sulcus intraparietalis) zu automatisiertem Faktenabruf (linker Gyrus angularis) hindeuten. Gibt es bei der verbalen Produktion arithmetischer Fakten Nachbarschaftskonsistenzeffekte ähnlich zu denen, wie sie auch in der Sprachverarbeitung beschrieben werden? Solche Effekte sind nach dem aktuellen „Dreiecksmodell“ von Verguts & Fias (2004) zur Repräsentation von Multiplikationsfakten erwartbar. Demzufolge sollten richtige Antworten leichter gegeben werden können, wenn sie Ziffern mit möglichst vielen semantisch nahen falschen Antworten gemeinsam haben. Möglicherweise sollten demnach aber auch falsche Antworten dann mit größerer Wahrscheinlichkeit produziert werden, wenn sie eine Ziffer mit der richtigen Antwort teilen. Nach dem Dreiecksmodell wäre darüber hinaus sogar der klassische Aufgabengrößeneffekt bei einfachen Multiplikationsaufgaben (Zbrodoff & Logan, 2004) auf die Konsistenzverhältnisse der richtigen Antwort mit semantisch benachbarten falschen Antworten zurückzuführen. In einer Reanalyse der Fehlerdaten von gesunden Probanden (Campbell, 1997) und einem Patienten (Domahs, Bartha, & Delazer, 2003) wurden tatsächlich Belege für das Vorhandensein von Zehnerkonsistenzeffekten beim Lösen einfacher Multiplikationsaufgaben gefunden. Die Versuchspersonen bzw. der Patient hatten solche falschen Antworten signifikant häufiger produziert, welche die gleiche Zehnerziffer wie das richtigen Ergebnisses aufwiesen, als ansonsten vergleichbare andere Fehler. Damit wird die Annahme unterstützt, dass die Zehner- und die Einerziffern zweistelliger Zahlen separate Repräsentationen aufweisen – bei der Multiplikation (Verguts & Fias, 2004) wie auch allgemein bei numerischer Verarbeitung (Nuerk, Weger, & Willmes, 2001; Nuerk & Willmes, 2005). Zusätzlich dazu wurde in einer Regressionsanalyse über die Fehlerzahlen auch erstmalig empirische Evidenz für die Hypothese vorgelegt, dass der klassische Aufgabengrößeneffekt beim Abruf von Multiplikationsfakten auf Zehnerkonsistenzeffekte zurückführbar ist: Obwohl die Aufgabengröße als erster Prädiktor in das Modell einging, wurde diese Variable wieder verworfen, sobald ein Maß für die Nachbarschaftskonsistenz der richtigen Antwort in das Modell aufgenommen wurde. Schließlich wurde in einer weiteren Studie die automatische Aktivierung von Multiplikationsfakten bei gesunden Probanden mit einer Zahlenidentifikationsaufgabe (Galfano, Rusconi, & Umilta, 2003; Lefevre, Bisanz, & Mrkonjic, 1988; Thibodeau, Lefevre, & Bisanz, 1996) untersucht. Dabei sollte erstmals die Frage beantwortet werden, wie sich die automatische Aktivierung der eigentlichen Multiplikationsergebnisse (Thibodeau et al., 1996) zur Aktivierung benachbarter falscher Antworten (Galfano et al., 2003) verhält. Ferner sollte durch die Präsentation mit verschiedenen SOAs der zeitliche Verlauf dieser Aktivierungen aufgeklärt werden. Die Ergebnisse dieser Studie können insgesamt als Evidenz für das Vorhandensein und die automatische, obligatorische Aktivierung eines Netzwerkes arithmetischer Fakten bei gesunden, gebildeten Erwachsenen gewertet werden, in dem die richtigen Produkte stärker mit den Faktoren assoziiert sind als benachbarte Produkte (Operandenfehler). Dabei führen Produkte kleiner Aufgaben zu einer stärkeren Interferenz als Produkte großer Aufgaben und Operandenfehler großer Aufgaben zu einer stärkeren Interferenz als Operandenfehler kleiner Aufgaben. Ein solches Aktivierungsmuster passt gut zu den Vorhersagen des Assoziationsverteilungsmodells von Siegler (Lemaire & Siegler, 1995; Siegler, 1988), bei dem kleine Aufgaben eine schmalgipflige Verteilung der Assoziationen um das richtige Ergebnis herum aufweisen, große Aufgaben jedoch eine breitgipflige Verteilung. Somit sollte die vorliegende Arbeit etwas mehr Licht in bislang weitgehend vernachlässigte Aspekte der Repräsentation und des Abrufs arithmetischer Fakten gebracht haben: Die neuronalen Korrelate ihres Erwerbs, die Konsequenzen ihrer Einbindung in das Stellenwertsystem mit der Basis 10 sowie die spezifischen Auswirkungen ihrer assoziativen semantischen Repräsentation auf ihre automatische Aktivierbarkeit. Literatur Campbell, J. I. (1997). On the relation between skilled performance of simple division and multiplication. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition, 23, 1140-1159. Dehaene, S. & Cohen, L. (1995). Towards an anatomical and functional model of number processing. Mathematical Cognition, 1, 83-120. Dehaene, S. & Cohen, L. (1997). Cerebral pathways for calculation: double dissociation between rote verbal and quantitative knowledge of arithmetic. Cortex, 33, 219-250. Dehaene, S., Piazza, M., Pinel, P., & Cohen, L. (2003). Three parietal circuits for number processing. Cognitive Neuropsychology, 20, 487-506. Domahs, F., Bartha, L., & Delazer, M. (2003). Rehabilitation of arithmetic abilities: Different intervention strategies for multiplication. Brain and Language, 87, 165-166. Galfano, G., Rusconi, E., & Umilta, C. (2003). Automatic activation of multiplication facts: evidence from the nodes adjacent to the product. Quarterly Journal of Experimental Psychology A, 56, 31-61. Lefevre, J. 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