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Die vorliegende Arbeit enthält eine statistische Analyse der Gesamtheit öffentlicher Unternehmen in Deutschland und ihrer wirtschaftlichen Lage. Für diese Untersuchung stand eine Datenbank für etwa 9000 öffentliche Unternehmen mit knapp 500 Merkmalen zur Verfügung, die im Wesentlichen den Posten der Jahresabschlüsse und verschiedenen Identifikationsmerkmalen (wie u. a. Unternehmenssitz, Wirtschaftszweig und Rechtsform) entsprechen. Die Analyse umfasst den Zeitraum von 1998 bis 2006. Die extrem umfangreiche Datengrundlage – Jahresabschlussstatistiken öffentlicher Unternehmen – ist für einen Statistiker eine große Versuchung. In der Arbeit wurden Methoden der beschreibenden Statistik und der Jahresabschlussanalyse mit Bilanzkennzahlen angewandt. Vor allem in den letzten zwanzig Jahren wurde die Entwicklung der Gesamtheit öffentlicher Unternehmen durch Wandelprozesse geprägt und von Diskussionen über ihre Leistungsfähigkeit begleitet. Die Dynamik der Gesamtheit öffentlicher Unternehmen zeigt sich v. a. an der Vielfalt ihrer Aufgabenbereiche und Organisationsformen. Daher wurde in dieser Arbeit versucht, zunächst eine Bestandsaufnahme des öffentlichen Unternehmensbereichs durchzuführen. Ein weiteres Ziel war die Beschreibung der Wirtschaftslage öffentlicher Unternehmen im letzten Jahrzehnt, wobei ihre Leistungsfähigkeit in den Vordergrund gestellt wird. Die Leistungsfähigkeit öffentlicher Unternehmen nur über die betriebswirtschaftliche Effizienz zu messen, ist gewiss einseitig und nicht ausreichend. Diese ließ sich aber im Vergleich zur volkswirtschaftlichen oder sozialen Effizienz leichter operationalisieren: Die betriebswirtschaftlichen Effizienzkriterien können gut aus den Jahresabschlüssen abgeleitet werden. Dadurch wird auch ein Vergleich mit privaten Unternehmen in gewissen Grenzen möglich. Die Beschreibung der Wirtschaftslage öffentlicher Unternehmen wurde als Analyse ihrer einzelnen Teillagen (Vermögens-, Finanz- und Ertragslage) strukturiert. Insgesamt unterstreicht die Analyse der Teillagen die enge Verflechtung zwischen öffentlichen Unternehmen und öffentlichen Haushalten. Die vorliegende Untersuchung soll die Forschung auf dem Gebiet der datengetriebenen Statistik, die im Universitätsbereich in letzten Jahren im Vergleich zur modellgetriebenen Statistik oft vernachlässigt wurde, ausweiten.
Die Dissertation befasst sich mit den Reformprozessen, die sich vom Zeitpunkt des System-umbruchs 1989/90 bis zum EU-Beitritt 2004 in den Ministerialverwaltungen Estlands und Polens vollzogen haben. Die Veränderungen, die während dieser Zeit stattfanden, standen im Spannungsfeld zweier Prozesse: des von innenpolitischen Erfordernissen geprägten Transformationsprozesses und des Europäisierungsprozesses, in dem die EU als einflussreicher externer Akteur hinzutrat. Konzeptionell greift die Untersuchung auf die Diskussionen aus der institutionellen Transformationsforschung und die Debatten um die Europäisierung von Regierungs- und Verwaltungssystemen zurück. Die Arbeit konzentriert sich auf die Veränderungen auf der zentralstaatlichen Ebene und betrachtet diese Veränderungen in ihrer horizontalen und sektoralen Dimension. Die horizontale Dimension umfasst Rahmenbedingungen des Verwaltungssystems insgesamt, dies sind zentrale Strukturen des Regierungsapparates, die regierungsinternen Koordinationsmechanismen und die Etablierung des öffentlichen Dienstes. In der sektoralen Dimension wird die Verwaltung im Politikfeld Landwirtschaft betrachtet. In beiden Ländern gab es einen gemeinsamen Ausgangspunkt der Entwicklungen, das sozialistische Verwaltungssystem, und einen ähnlichen Zielpunkt der Verwaltungsreformen in den 1990er Jahren: eine wie auch immer definierte „moderne Verwaltung“. Auch die Rahmenbedingungen des EU-Integrationsprozesses in Mittelosteuropa lassen eher Konvergenzen erwarten. Doch spielen nationale politische Konstellationen eine entscheidende Rolle für die Entwicklungen, so dass man bilanzierend sagen kann: Estland und Polen haben mit Beginn der Transformation unterschiedliche nationale Entwicklungspfade eingeschlagen und ihre Verwaltungssysteme unterscheiden sich mittlerweile stärker voneinander als zur Zeit des Sozialismus.
Ghana ist ein Musterbeispiel dafür, dass ein Entwicklungsland den Weg zu Good Governance schaffen kann. In vielen Studien wird dem Land im afrikanischen Vergleich heute bescheinigt, hier ein Vorreiter zu sein. Dies ist Ausgangslage der vorliegenden Studie, die der Frage nachgeht „Welche Gründe, Muster und Bedingungen führen zur Entstehung von Good Governance?“. Im Zentrum der vorliegenden Studie steht, wie aus der erkenntnisleitenden Fragestellung hervorgeht, eine empirische Untersuchung zur Entstehung von Good Governance und damit ein Transformationsprozess. Dieser wird bewusst über einen sehr langen Zeitraum (über ein halbes Jahrhundert) untersucht, um auch langfristige Entwicklungen einbeziehen zu können. Die Studie wird mit Hilfe eines „Mixed-Methods-Ansatzes“ sowohl unter Rückgriff auf quantitative als auch auf qualitative Methoden durchgeführt, was sich im Rückblick als sehr ertragreich erwiesen hat. Zunächst wird die Qualität der Governance über den gesamten Zeitraum anhand von sechs Indikatoren gemessen. Danach werden qualitativ die Gründe für die Fort- und Rückschritte analysiert. Dabei lassen sich immer wieder Systematiken herausarbeiten, wie zum Beispiel zirkuläre Entwicklungen, die über viele Jahre den Weg hin zu Good Governance verhinderten, bis jeweils Ausbrüche aus den Kreisläufen geschafft werden konnten. Sowohl in der demokratischen und rechtsstaatlichen Entwicklung als auch bezogen auf die Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Gütern und die wirtschaftliche Entwicklung. Auch wenn die verschiedenen Bereiche von Good Governance zunächst einzeln untersucht werden, so zeigen sich gleichzeitig deutlich die Wechselwirkungen der Komponenten. Zum Beispiel kristallisiert sich klar heraus, dass Rechtsstaatlichkeit sowohl auf die Stabilität politischer Systeme wirkt, als auch auf die wirtschaftliche Entwicklung. Ebenso beeinflussen diese wiederum die Korruption. Ähnliche Verknüpfungen lassen sich auch bei allen anderen Bereichen nachvollziehen. Die Entwicklung eines Landes kann also nur unter Berücksichtigung eines komplexen Governance-Systems verstanden und erklärt werden. Dabei können die Wechselwirkungen entweder konstruktiv oder destruktiv sein. Die Verflechtungen der einzelnen Bereiche werden in einem Negativ- und dann in einem Positiv-Szenario festgehalten. Diese Idealtypen-Bildung spitzt die Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit zu und dient dem analytischen Verständnis der untersuchten Prozesse. Die Untersuchung zeigt, wie Good Governance über das Zusammenspiel verschiedener Faktoren entstehen kann und dass es wissenschaftlich sehr ertragreich ist, Transformationsforschung auf ein komplexes Governance-System auszuweiten. Hierbei werden die vielen empirisch erarbeiteten Ergebnisse zu den einzelnen Transformationen zu komplexen, in sich greifenden Gesamtszenarien zusammengeführt. Da es bisher keine explizite Good Governance-Transformationsforschung gab, wurde hiermit ein erster Schritt in diese Richtung getan. Es wird darüber hinaus deutlich, dass eine Transformation zu Good Governance nicht durch eine kurzfristige Veränderung der Rahmenbedingungen zu erreichen ist. Es geht um kulturelle Veränderungen, um Lernprozesse, um langfristige Entwicklungen, die in der Studie am Beispiel Ghana analysiert werden. In vielen vorangegangenen Transformationsstudien wurde diese zeitliche Komponente vernachlässigt. Ghana hat bereits viele Schritte getan, um einen Weg in die Zukunft und zu Good Governance zu finden. Die Untersuchung dieser Schritte ist Kern der vorliegenden Arbeit. Der Weg Ghanas ist jedoch noch nicht abgeschlossen.
Die Arbeit geht der Frage nach, wie Innovationen in einer Organisation des öffentlichen Sektors aufgenommen wurden und zu welchen Veränderungen dies führte. Im Vordergrund steht hier nicht die Innovation selbst, sondern vielmehr die Anpassungsmechanismen in der Organisation. Folgende Forschungsfragen wurden dazu gewählt:
1. Wie wurde das Instrument Zielsteuerung bzw. Zielvereinbarung im öffentlichen Sektor eingeführt und in die Managementroutinen integriert?
2. Welche Faktoren führen zu einer Integration der Zielsteuerung in die Managementroutinen?
3. Welche Empfehlungen für die Praxis lassen sich daraus ableiten?
Dazu wurde ein Landesbetrieb in Brandenburg detailliert untersucht und 31 Interviews mit Führungskräften der zweiten und dritten Managementebene geführt. In dieser Organisation wurde im Rahmen der deutschlandweiten Reformbewegung in der öffentlichen Verwaltung das Instrument Zielsteuerung bzw. Zielvereinbarung eingeführt und mit ganz konkreten Erwartungen verbunden. Als Untersuchungseinheit der möglichen Anpassungen und Veränderungen wurde das Konstrukt der Managementroutinen herangezogen, welche als kollektive Handlungsmuster ganz bewusst individuelle Verhaltensweisen ausklammerten.
Die Arbeit konnte eine Reihe von früheren Erkenntnissen bestätigen und zudem nachweisen, dass, entgegen des häufigen Vorurteils, Innovationen aus dem privatwirtschaftlichem Raum doch auch zu positiven Veränderungen in Organisationen der öffentlichen Hand führen können. Es kam hier jedoch nicht zur Entwicklung neuer, sondern zu einer Anpassung der bestehenden Routinen. Auf dieser Basis konnte festgestellt werden, dass ein stufenweiser Einführungsvorgang zunächst auf der Ebene der veränderten Zielvorstellungen der Führungskräfte zum Erfolg führte. Erst nach der Anpassung auf dieser „ostentativen“ Ebene kam es mit etwas Verzögerung zu einer Veränderung auf der Ebene der konkreten Handlungen. Im Hinblick auf die Einflussfaktoren der Innovation konnte festgestellt werden, dass viele Aspekte der Zielsetzungstheorie nach wie vor relevant sind und instabile politische Rahmenbedingungen zu wesentlichen Einschränkungen der Entfaltungsmöglichkeiten der Innovation führen können. Für viele Einflussfaktoren konnten allerdings sowohl positive als auch negative Wirkungen identifiziert werden.
Was machen Schulleiter tatsächlich und welche Faktoren beeinflussen diese ausgeführten Tätigkeiten?
(2015)
Während die theoretische Arbeitsbeschreibung und das Rollenbild von Schulleitern vielfach in der Forschung aufgegriffen wurde, gibt es – wie übrigens im gesamten Bereich Public Management – nur wenige empirische Untersuchungen, die aus einer betriebswirtschaftlichen Managementbetrachtung heraus untersuchen, was Schulleiter wirklich machen, d.h. welchen Tätigkeiten und Aufgaben die genannten Personen nachgehen und welche Unterschiede sich feststellen lassen. Besondere Relevanz erhält die Thematik durch das sich wandelnde Aufgabenbild des Schulleiters, getrieben insbesondere durch die zusätzliche Autonomie der Einzelschule, aber auch durch die Fokussierung auf die Performance und Wirksamkeit der Einzelschule und verbunden damit, die Abhängigkeit dieser von der Arbeit des Schulleiters. Hier bildet das Verständnis der Aufgaben und Tätigkeiten eine wichtige Grundlage, die jedoch unzureichend erforscht ist. Mit Hilfe einer explorativen Beobachtung von 15 Schulleiterinnen und Schulleitern und damit einer empirischen Untersuchung von insgesamt 7591 Arbeitsminuten und 774 Aktivitäten in Kombination mit ausführlichen qualitativen, halboffenen Interviews wird durch diese Arbeit eine detaillierte Betrachtung des tatsächlichen Schulleitungsmanagementhandelns möglich. So wird sichtbar, dass sich die Aufgaben und Tätigkeiten der Schulleiter in zentralen Bereichen unterscheiden und eine Typologisierung entlang von Rollenbeschreibungen und Leadership Behavior zu kurz greift. Es konnte zum ersten Mal in dieser Ausführlichkeit innerhalb des deutschen Schulsystems gezeigt werden, dass Schulleiter Kommunikationsmanager sind. Darüber hinaus entwickelt das hier dokumentierte Forschungsvorhaben Hypothesen zu den Faktoren, die einen Einfluss auf die Aufgaben und Tätigkeiten haben und beschreibt dezidiert Implikationen, die diese Erkenntnisse auf die Tätigkeit des Schulleiters, die weitere Forschung aber auch die politische Rahmengestaltung und, damit verbunden, die Weiterentwicklung des Schulsystems haben.
Verfassungsgericht, Regierung und Opposition : die vergleichende Analyse eines Spannungsdreiecks
(2007)
Unter Verschluss
(2020)
Gegenstand der Untersuchung ist die Umsetzung der europäischen, gleichstellungspolitischen Strategie Gender Mainstreaming (GM) in der Ministerialverwaltung des neuen EU-Mitgliedslands Estland. GM hat die Umsetzung der Gleichstellung von Männern und Frauen zum Ziel und wird als eine Querschnittsaufgabe mit Instrumenten der Verwaltungsmodernisierung (Folgenabschätzung, Wissensmanagement, u.a.) umgesetzt. Wie diese Strategie in der Ministerialverwaltung als ausführendes Organ der Regierung aufgenommen, übersetzt und umgesetzt wird in einem Land, das viele Jahrzehnte dem kommunistischen Gleichheitspostulat unterworfen war und als Staatsneugründung seine nationale Verwaltung erst aufbauen musste, wird in der Arbeit beschrieben und analysiert. Die Dissertation ist in vier Teile gegliedert: in Teil I wird in den Untersuchungsgegenstand und die Methode der Arbeit eingeführt. Teil II beschreibt die gesellschaftlich-politischen und administrativen Rahmenbedingungen im Fallbeispiel Estland. Teil III widmet sich dem Untersuchungsgegenstand „Umsetzung von GM in der estnischen Ministerialverwaltung“. Der IV. Teil beschließt die Arbeit mit der Analyse der Zusammenhänge zwischen den Rahmenbedingungen und der Umsetzung. Teil I beginnt mit der Darstellung des Forschungskonzepts, das sich aus Elementen der Verwaltungswissenschaft und der Forschung zu staatlichen Strukturen für Gleichstellungspolitik, einem Zweig der politikwissenschaftlichen Geschlechterforschung, zusammensetzt. Damit wird für die Untersuchung von GM erstmals systematisch die Verwaltungswissenschaft herangezogen. Die Arbeit wird methodisch und theoretisch als explorativ-explanative Single Case Studie verortet, die sich an neo-institutionalistischen Ansätzen orientiert. Teil II der Arbeit führt in das Fallbeispiel Estland ein: Es werden drei identifizierte Interpretationsmuster dargestellt anhand derer in Estland die Vergangenheit als besetzte Nation und die Gegenwart als demokratischer Staat (re )konstruiert werden und die das estnische, kollektive Selbstverständnis prägen. Anschließend werden die gesellschaftlichen und administrativen Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren beschrieben, die für die Umsetzung von Querschnittsreformen in der öffentlichen Verwaltung und für die Umsetzung von Gleichstellungspolitik von Bedeutung sind. Die Forschungsergebnisse in Teil II zeigen über die empirischen Befunde hinaus, dass Estland nicht immer eindeutig in klassische politikwissenschaftliche Kategorien einzuordnen ist. Sowohl die Transitionssituation des Landes als auch die an westlichen Demokratien ausgerichteten Untersuchungskriterien sind für diesen Befund ursächlich. Teil III der Arbeit widmet sich dem Untersuchungsgegenstand GM. Nach grundlegenden Informationen zu dieser Verwaltungsmodernisierungsstrategie folgt die Darstellung der Umsetzung in der estnischen Ministerialverwaltung. In Teil IV der Dissertation werden die in Teil II beschriebenen Variablen auf die Umsetzung von GM (Teil III) bezogen. Die Analyse erfolgt anhand von Kriterien, die sich aus der Auswertung internationaler GM-Implementierungserfahrungen ergeben. Die Untersuchung zeigt, dass das post-kommunistisch geprägte, gesellschaftliche Klima besondere Legitimitätsprobleme für eine an Gleichheit orientierte staatliche Politik schafft. Dies kann die schwache zivilgesellschaftliche gleichstellungspolitische Lobby nur sehr begrenzt beeinflussen. Die strukturellen Bedingungen der estnischen Ministerialverwaltung mit ihrer geringen Koordinationsfähigkeit und politischen Steuerbarkeit machen eine effektive Umsetzung von Querschnittsreformen allgemein schwierig. Als produktiv für die Umsetzung hat sich der hohe Grad der fachlichen Professionalität und Politikversiertheit der kleinen, gleichstellungspolitischen Elite in der Ministerialverwaltung herauskristallisiert. Über Kooperationen mit internationalen Akteuren und estnischen zivilgesellschaftlichen Kräften sowie einzelnen interessierten Personen in der Verwaltung treibt sie die Umsetzung von GM voran. Sie nutzte die EU-Beitrittsverhandlungen um politischen Handlungsdruck für die Verwaltungsmodernisierung durch GM aufzubauen. Nachdem dieser seit dem Beitritt nicht aufrecht erhalten werden kann, zeichnet sich eine neue Umsetzungsstrategie ab. Es wird zukünftig nicht mehr vor allem an den normativen und kognitiven Strukturen in der Verwaltung, also den Einstellungen und Fachkompetenzen des Verwaltungspersonals zu gleichstellungsorientierter Arbeit, angesetzt. Vielmehr sollen neue, gleichstellungsrelevante Wissensbestände durch Expertinnen und Experten und exponierte Persönlichkeiten in die Gesellschaft und die Verwaltung transportiert und damit grundlegende gesellschaftlich-normative Voraussetzungen für die Rezeptivität von GM verbessert werden.
Von einer Säkularisierung in einem Land wie Israel zu sprechen, wo die Religion offensichtlich einen wichtigen Teil des öffentlichen Lebens darstellt, scheint widersprüchlich zu sein. Doch Israel befindet sich bedingt durch Globalisierung, Pluralisierung und Modernisierung an einem Scheideweg. Teile der israelischen Gesellschaft säkularisieren sich bereits. Die religiöse orthodoxe Vorherrschaft scheint zu bröckeln. Kann jedoch deswegen von einem Mentalitätswandel oder einer Säkularisierung des Staates gesprochen werden? Kann ein Säkularisierungsprozess in Israel erfolgreich sein? Wie muss ein säkularer Staat beschaffen sein, um den unterschiedlichen religiösen Denominationen die gleichen Möglichkeiten zu bieten? Welche Rolle spielen dabei die jüdische Diaspora, Einwanderungen und gesellschaftliche Minderheiten? Ziel der vorliegenden Arbeit ist es diese Fragen zu erörtern. Auch wenn die enge Verknüpfung von Nation und Religion im Judentum eine Säkularisierung scheinbar unmöglich macht, so erlaubt unter Bezugnahme der Konzepte von Säkularismus und Nationalismus im Kontext der historischen Entwicklungen des Judentums eine differenziertere Betrachtung dieser Verknüpfung. Durch die Nutzung von unterschiedlichen qualitativen Methoden, wie der hermeneutischen Methode zur Betrachtung der verschiedenen theoretischen Begriffe und der Analyse des Verhältnisses von Nation und Religion im Judentum; der Nutzung von Zeitungsartikel zur Aufarbeitung der aktuellen Debatten in der israelischen Gesellschaft; der Auswertung von Statistiken; sowie der Durchführung von Experteninterviews erlauben einen vielseitigen Zugang zum Forschungsgegenstand. Letztendlich soll aufgezeigt werden, dass sich Israel zwar zunehmend säkularisiert, aber vor verschiedenen Herausforderungen, wie dem gesellschaftlichen Pluralismus, der instabilen Sicherheitslage, sowie einem zunehmenden religiösen Nationalismus steht.
Strategisches Personalcontrolling als Unterstützungsfunktion des strategischen Personalmanagements
(1998)
Die Wissenschaftsfreiheit ist ein Grundrecht, dessen Sinn und Auslegung im Rahmen von Reformen des Hochschulsystems nicht nur der Justiz, sondern auch der Wissenschaft selbst immer wieder Anlass zur Diskussion geben, so auch im Zuge der Einführung des so genannten Qualitätsmanagements von Studium und Lehre an deutschen Hochschulen. Die vorliegende Dissertationsschrift stellt die Ergebnisse einer empirischen Studie vor, die mit einer soziologischen Betrachtung des Qualitätsmanagements unterschiedlicher Hochschulen zu dieser Diskussion beiträgt.
Auf Grundlage der Prämisse, dass Verlauf und Folgen einer organisationalen Innovation nur verstanden werden können, wenn der alltägliche Umgang der Organisationsmitglieder mit den neuen Strukturen und Prozessen in die Analyse einbezogen wird, geht die Studie von der Frage aus, wie Akteurinnen und Akteure an deutschen Hochschulen die Qualitätsmanagementsysteme ihrer Organisationen nutzen. Die qualitative inhaltsanalytische Auswertung von 26 Leitfaden-Interviews mit Prorektorinnen und -rektoren, Qualitätsmanagement-Personal und Studiendekaninnen und -dekanen an neun Hochschulen ergibt, dass die Strategien der Akteursgruppen an den Hochschulen im Zusammenspiel mit strukturellen Aspekten unterschiedliche Dynamiken entstehen lassen, mit denen Implikationen für die Lehrfreiheit verbunden sind: Während die Autonomie der Lehrenden durch das Qualitätsmanagement an einigen Hochschulen unterstützt wird, sind sowohl Autonomie als auch Verantwortung für Studium und Lehre an anderen Hochschulen Gegenstand andauernder Konflikte, die auch das Qualitätsmanagement einschließen.
Die vorliegende Arbeit betrachtet Partizipation aus einer interaktionalen Perspektive und nimmt zunächst eine interdisziplinär orientierte Begriffsbestimmung vor. Daran anschließend werden anhand einer Längsschnittstudie Entwicklungsbedingungen sozialer Partizipationskompetenzen im Vorschulalter untersucht und Förderempfehlungen abgeleitet. Partizipation (Teilhabe) soll in Kontexten wie Schule oder Arbeitswelt Entscheidungen demokratisch legitimieren, individuelle Ressourcen ausschöpfen und soziale Grundbedürfnisse des Menschen befriedigen. Ein engeres Verständnis von sozialer Partizipation aus einer interaktionalen Perspektive erfordert die Beteiligung an den Aktivitäten einer bereits bestehenden Gruppe und die Aushandlung eigener Interessen innerhalb dieser Gruppe und wird in der Arbeit als Prozess anhand dreier Phasen (Anbahnung, Projektierung und Realisierung) dargestellt. Im Vorschulalter werden wichtige Grundsteine für eine erfolgreiche soziale Entwicklung und für den Erwerb von sozialen Partizipationskompetenzen gelegt. In der vorliegenden Arbeit wurden deshalb die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen sozialen Partizipationskompetenzen (Bereitschaft und Fähigkeit) und (1) kognitiven Leistungsparametern (Intelligenz und Perspektivenübernahme), (2) dem Selbstkonzept und (3) dem Konfliktverhalten (Aggression und Schüchternheit) mit 5- bis 7jährigen Kindern mit Hilfe von Kreuzpfadanalysen untersucht. Zudem wurde die Situationsgebundenheit sozialer Partizipationskompetenzen und die Bedeutung struktureller Parameter der Familie und der Kindertageseinrichtung auf explorativer Ebene analysiert. Die Stichprobe bestand aus 334 Kindern (51,5 % weiblich, Altersdurchschnitt zum ersten Messzeitpunkt 5,4 Jahre) in 71 Kindergartengruppen in 21 Kindertageseinrichtungen in vier Bundesländern. Die längsschnittliche Datenanalyse basiert auf drei Messzeitpunkten. Die Ergebnisse zeigen, dass soziale Partizipationskompetenzen über verschiedene Situationen hinweg bedeutsame, aber nur mäßig ausgeprägte, Zusammenhänge aufweisen. Hohe Ausprägungen kognitiver Leistungsparameter gehen mit hohen Erziehereinschätzungen sozialer Partizipationskompetenzen einher. Über die Zusammenhänge hinaus zeigen sich im Längsschnitt bedeutsame Wechselwirkungen zwischen kognitiver Entwicklung und sozialen Partizipationskompetenzen im Vorschulalter. Selbsteinschätzungen zur eigenen Kompetenz hängen im Vorschulalter hingegen nur gering mit Erziehereinschätzungen der sozialen Partizipationskompetenz zusammen. Im Längsschnitt zeigt sich, dass junge Kinder bei der Beurteilung ihrer Kompetenzen zunächst auf soziale Partizipationserfolge zurückgreifen. Später hingegen scheint der Partizipationserfolg dann umgekehrt eher durch das Selbstbild bedingt zu sein. Geringe Partizipationskompetenzen gehen mit hohen Erziehereinschätzungen beim aggressiven (schwach signifikant) und schüchternen Verhalten (mäßig signifikant) einher. Hinsichtlich der Aggression und des schüchternen Verhaltens ergaben sich längsschnittlich betrachtet nur schwache Wechselwirkungen zur sozialen Partizipationskompetenz. Die Kumulation familiärer Belastungssituationen (z.B. Krankheit und akute Finanznot) stellen eine größere Bedrohung für die kindliche Entwicklung dar als der sozio-ökonomische Status der Familie. Mit Blick auf die Förderung sozialer Partizipationskompetenzen lassen sich die Ergebnisse mit einem sozial-konstruktivistischen Ansatz verbinden. Dessen Ziel ist es, intra- und interpersonelle Konflikte auszulösen, deren erfolgreiche Bewältigung produktive Lernprozesse auf kognitiver, emotionaler und behavioraler Ebene anstoßen.
Die Frage nach dem Zusammenhalt einer ganzen Gesellschaft ist eine der zentralen Fragen der Sozialwissenschaften und Soziologie. Seit dem Übergang in die Moderne bildet das Problem des Zusammenhalts von sich differenzierenden Gesellschaften den Gegenstand des wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurses. In der vorliegenden Studie stellt soziale Integration eine Form der gelungenen Vergesellschaftung dar, die sich in der Reproduktion von symbolischen und nicht-symbolischen Ressourcen artikuliert. Das Resultat dieser Reproduktion sind pluralistische Vergesellschaftungen, die, bezogen auf politische Präferenzen, konfligierende Interessen verursachen. Diese Präferenzen kommen in unterschiedlichen Formen, in ihrer Intensität und Wahrnehmung der politischen Partizipation zum Ausdruck. Da moderne politische Herrschaft aufgrund der rechtlichen und institutionellen Ausstattung einen bedeutsamen Einfluss auf soziale Reproduktion ausüben kann (z.B. durch Sozialpolitik), stellt direkte Beeinflussung politischer Entscheidungen, als Artikulation von sich aus den Konfliktlinien etablierenden, unterschiedlichen Präferenzen, das einzige legitime Mittel zwecks Umverteilung von Ressourcen auf der Ebene des Politischen dar. Somit wird die Konnotation zwischen Integration und politischer Partizipation sichtbar. In die Gesellschaft gut integrierte Mitglieder sind aufgrund einer breiten Teilnahme an Reproduktionsprozessen in der Lage, eigene Interessen zu erkennen und durch politische Aktivitäten zum Ausdruck zu bringen. Die empirischen Befunde scheinen den Eindruck zu vermitteln, dass der demokratische Konflikt in der modernen Gesellschaft nicht mehr direkt von Klassenzugehörigkeit und Klasseninteressen geprägt wird, sondern durch den Zugang zu und die Verfügbarkeit von symbolischen und nicht-symbolischen Ressourcen geformt wird. In der Konsequenz lautet die Fragestellung der vorliegenden Arbeit, ob integrierte Gesellschaften politisch aktiver sind.
Die Fragestellung der Arbeit wird mithilfe von Aggregatdaten demokratisch-verfasster politischer Systemen untersucht, die als etablierte Demokratien gelten und unterschiedlich Breite wohlfahrtstaatlichen Maßnahmen aufweisen. Die empirische Überprüfung der Hypothesen erfolgte mithilfe von bivariaten und multivariaten Regressionsanalysen. Die überprüften Hypothesen lassen sich folgend in einer Hypothese zusammenfassen: Je stärker die soziale Integration einer Gesellschaft, desto größer ist die konventionelle bzw. unkonventionelle politische Partizipation. Verallgemeinert ist die Aussage zulässig, dass soziale Integration einer Gesellschaft positive Effekte auf die Häufigkeit politischer Partizipation innerhalb dieser Gesellschaft hat. Stärker integrierte Gesellschaften sind politisch aktiver und dies unabhängig von der Form (konventionelle oder unkonventionelle) politischer Beteiligung. Dabei ist der direkte Effekt der gesamtgesellschaftlichen Integration auf die konventionellen Formen stärker als auf unkonventionellen. Diese Aussage ist nur zulässig, wenn die Elemente des Wahlsystems, wie z.B. Verhältniswahlrecht, und das BIP nicht berücksichtigt werden. Auf der Grundlage der Ergebnisse mit Kontrollvariablen erlauben die Daten die auf die Makroebene bezogene Aussage, dass neben einem hohen Niveau sozialer Integration auch ein durch (Mit-)Beteiligung bestimmtes Wahlsystem und ein hoher wirtschaftlicher Entwicklungsgrad begünstigend für ein hohes Niveau politischer Partizipation sind.
Nathalie Hirschmann geht der Frage nach, auf welche Weise sich die Sicherheitswirtschaft im System der Sicherheit zu etablieren sucht und wie erfolgreich ihr dies gelingt. Ihre Analyse verdeutlicht, wie Schmuddelimage und begrenzte Kompetenzzuschreibung der Branche einerseits erschweren, neben der Polizei als institutionelle Trägerin der öffentlichen Sicherheit zu bestehen, und andererseits, gegenüber dem Kunden bzw. Auftraggeber in ein professionelleres Gefüge zu treten. Einen inhaltsanalytisch theoriegeleiteten, soziologisch-konzeptionellen Blick einnehmend wird deutlich, welche Ausbaubestrebungen kognitiver und sozialer Art die Sicherheitswirtschaft vorgenommen hat und wo diese an ihre Grenzen stoßen.
Serious games in andragogy
(2015)
Diese von der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam angenommene Dissertation thematisiert die Selbstorganisation von Migranten in eigenen Sportvereinen und auf anderen Ebenen des Vereinssports. Sie beruht auf den Ergebnissen eines vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft geförderten Forschungsprojekts der Universität Potsdam. Mit mehreren hundert Migrantensportvereinen in ganz Deutschland stellt der Sport einen der wichtigsten Gesellschaftsbereiche für die Selbstorganisation von Zuwanderern dar. Doch obwohl sich Migranten in der Bundesrepublik schon seit den 1960er Jahren in eigenen Sportvereinen zusammenschließen, ist das Thema zuvor noch nicht umfassend untersucht worden. Um diese Forschungslücke zu schließen, stellt die Arbeit Basisinformationen über verschiedene Organisationsformen, typische Entstehungszusammenhänge, spezifische Problemfelder sowie wiederkehrende Konfliktmuster bereit und präsentiert darauf aufbauende Annahmen über die Wirkungen der sportbezogenen Selbstorganisation auf das Verhältnis von Einheimischen und Zuwanderern im Sport, auf die allgemeinen interethnischen Beziehungen und auf den gesamtgesellschaftlichen Integrationsprozess. Daran anknüpfend werden mögliche Konsequenzen aufgezeigt, die die verschiedenen Akteure des Sportsystems aus den dargestellten Forschungsbefunden ziehen können. Die Arbeit basiert auf den Befunden einer in den Jahren 2006 bis 2009 durchgeführten empirischen Untersuchung, in der verschiedene qualitative Methoden eingesetzt wurden, um das Forschungsfeld explorativ, ergebnisoffen und in einer möglichst weiten Perspektive zu beleuchten. In erster Linie bestand diese Feldstudie in einer Interviewreihe, für die 25 Vertreter von Migrantensportvereinen sowie 15 Feldexperten aus verschiedenen Berufsgruppen und Organisationen in Leitfaden-Interviews befragt wurden. Ergänzt wurde die Interviewstudie durch eine Zeitungsanalyse, für die sieben Tages- und Wochenzeitungen nach Artikeln zum Thema durchsucht wurden, sowie gezielte Feldbeobachtungen, etwa beim Besuch von Fußballspielen, bei Versammlungen und Festen sowie in Vereinsheimen. Darüber hinaus wurde eine umfangreiche Internetrecherche durchgeführt, bei der vor allem die Webseiten von über 65 Migrantensportvereinen in Augenschein genommen wurden. In allen Untersuchungsteilen war das Vorgehen des Verfassers stark an der Grounded-Theory-Methode orientiert. Die so gewonnenen Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass eigenständige Migrantensportvereine, die als vorherrschende Form der sportbezogenen Selbstorganisation von Zuwanderern im Mittelpunkt der Arbeit stehen, aus komplexen gesellschaftlichen Inklusions-, Schließungs- sowie Segmentationsprozessen resultieren und interindividuell unterschiedliche Beteiligungsmotive ihrer Mitglieder aufnehmen. Sie stellen typischerweise multifunktionale Hybridorganisationen dar und erbringen für die beteiligten Migranten und deren lokale Gemeinschaften spezifische Integrations-, Repräsentations- und Solidarleistungen, durch die sie sich signifikant von deutschen Sportvereinen und Migrantenorganisationen in anderen Sektoren abheben. Zugleich unterscheiden sich die Migrantensportvereine untereinander hinsichtlich Vereinstätigkeit, Selbstverständnis und Konfliktbeteiligung sehr stark. Ihre Rückwirkung auf den Vereinssport als organisationales Feld, auf die interethnischen Beziehungen in anderen Gesellschaftsbereichen und auf den gesamtgesellschaftlichen Integrationsprozess ist den präsentierten Forschungsergebnissen zufolge gleichfalls sehr ambivalent. Einerseits erbringen Migrantenvereine nicht nur die gleichen gemeinnützigen Leistungen im Bereich der sozialen Integration wie andere Sportvereine auch, sondern entfalten darüber hinaus, indem sie die Integrationsfähigkeit ihrer Mitglieder erhöhen und Personen in den organisierten Sport einbeziehen, die sonst gar keinem Sportverein beitreten würden, spezifische Integrationswirkungen, die andere Sportvereine nicht aufweisen. Andererseits erhöht die Selbstorganisation von Migranten in eigenen Sportvereinen soziale Distanzen und Spannungen zwischen Einheimischen und Zuwanderern, zumal Migrantensportvereine vor allem an den manchmal gewaltvollen Konflikten im Amateurfußball überproportional häufig beteiligt sind. Darüber hinaus stellt ein relativ kleiner Teil der Migrantensportvereine wegen Organisationsdefiziten eine ernste Belastung für die Tätigkeit der Sportverbände dar. Pauschalisierende Negativbewertungen der Vereine werden vom Verfasser jedoch als ungerechtfertigt und nicht sachangemessen zurückgewiesen.
Übernimmt eine Protestpartei Regierungsverantwortung, sieht sie ihre Prinzipien und Forderungen der realpolitischen Nagelprobe ausgesetzt. Es ist ein Dilemma von Anspruch und Wirklichkeit, ein Spagat zwischen Protestimage und Regierungspolitik , der diese Parteien oftmals zu zerreißen droht. Anhand der Fallstudien von vier mitregierenden Protestparteien in Deutschland sollen folgende Fragen beantwortet werden: Was macht eine Partei zur Protestpartei? Was waren die Ursachen für die Wahlerfolge der Grünen, der AL, der STATT-Partei und der Schill-Partei? Wie verliefen die Koalitionsverhandlungen? Welche Forderungen konnten die Protestparteien gegenüber ihren großen Koalitionspartnern durchsetzen? Wo mussten sie Abstriche machen? Welche Reformvorhaben wurden angedacht und welche wurden tatsächlich umgesetzt? Welche innerparteilichen Konflikte ergaben sich aus der neuen Rolle der Protestparteien? Letztendlich zeigt sich: Protestparteien scheitern nicht an ihrem schmalspurigen Programm, geringer Stammwählerschaft oder unerfahrenem Personal, sondern weil sie naturgemäß in die „Erwartungsfalle“ tappen.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einer klassischen aber noch immer zentralen und aktuellen Frage der Evaluationsforschung, der Hinterfragung der Verwendung bzw. Wirksamkeit von Evaluationsverfahren. Vor dem Hintergrund der seit Ende der 1990er Jahre vor allem in Europa starken Zunahme von institutionalisierten Politik-Evaluationsverfahren sowie der zugleich zunehmenden Kritik dieser Verfahren in Wissenschaft und Praxis, untersucht die Arbeit diese Wirksamkeit am Fallbeispiel der Forschungspolitik der Europäischen Union. Aufbauend auf einer Aufarbeitung des Forschungsstandes zur Evaluationsverwendungsforschung und einer Vorstellung des gewählten Politikfeldes sowie der spezifischen Evaluationspraxis, erfolgt dazu eine systematische Gegenüberstellung der zentralen Evaluationsempfehlungen und der Entwicklung im Politikfeld über die vergangenen 15 Jahre. Im Ergebnis kommt die Arbeit zu der Feststellung eines (überraschend) hohen Ausmaßes an Entsprechung der Evaluationsempfehlungen mit der Politikentwicklung im untersuchten Fallbeispiel. Auf der Basis der Untersuchung des Fallbeispiels aber auch unter Heranziehung weiterer empirischer Beiträge in der Literatur ist damit der Behauptung der fehlenden Wirksamkeit der institutionalisierten Evaluation auf die Politikgestaltung klar zu widersprechen. Eine weitergehende Diskussion des Ergebnisses der Fallstudie legt darüber hinaus nahe, dass einige spezifische Faktoren und Bedingungen die Wirksamkeit der Evaluationsverfahren im untersuchten Fallbeispiel positiv zu beeinflussen scheinen. Im Einzelnen sind dies: der Charakter und die Ausprägung der Evaluationsempfehlungen, das spezifische institutionelle Umfeld der Evaluation sowie das spezifische 'politische Klima'. Aus dem Ergebnis lässt sich andererseits aber auch folgern, dass insbesondere im Hinblick auf die Akzeptanzproblematik eine Verstärkung der Bemühungen zur Wahrnehmung der Evaluations-wirksamkeit auf Seiten aller Beteiligten geboten scheint. Die Arbeit stellt hierzu abschließend einige Vorschläge und Ideen zusammen, die diese Wahrnehmung verbessern können.
Politik des Projektmanagements : mikropolitische Analysen zu Entscheidungsprozessen in IT-Projekten
(2008)
In der hier vorliegenden Dissertation wurden anhand einer empirischen Fallstudie die Entscheidungs- und Aushandlungsprozesse zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer in IT-Projekten analysiert und auf diesem Wege die Handlungszwänge des Projektmanagements beleuchtet. Damit sollte ein Beitrag zum näheren Verständnis der Eigendynamik von IT-Projekten und zur Wirkungsweise der gängigen Ansätze von Projektmanagement und QM geleistet werden. In dieser Arbeit wurden IT-Projekte und die Empfehlungen zum Projektmanagement aus politik- und organisationstheoretischer Perspektive beleuchtet, um Effekte begrenzter Rationalität, opportunistischen Verhalten und Inkrementalismus mit berücksichtigen zu können. Theoretische Ausgangspunkte für die Untersuchung sind auf der einen Seite die mikropolitischen Ansätze und auf der anderen Seite die Agenturtheorie. Gemeinsam ist diesen Ansätzen, die Auffassung, wonach das Handeln der Akteure in ergebnisoffenen, interdependenten Handlungskonstellationen stattfindet, in denen die Auswirkungen von Entscheidungen wenig bekannt sind und die benötigten Informationen den Akteuren in unterschiedlichem Maße zur Verfügung stehen. Bezüglich der Empfehlungen des Projektmanagements wurde auf Normen und Richtlinien sowie die Einführungs- und Praxisliteratur zum Projekt- und Qualitätsmanagement und zur Verwaltungs- und Organisationsberatung Bezug genommen. Die Fallstudie bezieht sich auf ein Realisierungsprojekt zur Einführung eines Personalmanagementsystems in einem Ministerium und seinen nachgeordneten Behörden. Das Projekt fand im Rahmen eines umfassenden Modernisierungsprogramms nach dem NSM statt und legte erstmals einen Schwerpunkt auf das Personalmanagement. Das Vorhaben war ursprünglich in drei Phasen von jeweils einem Jahr Laufzeit geplant. Mit der Realisierung wurde ein Konsortium aus drei Firmen beauftragt. Die Studie bezieht sich auf die erste der drei Phasen der Systemeinführung, die Pilotierungsphase in drei Pilotbehörden. Diese Phase beanspruchte insgesamt zwei Jahre und acht Monate und hatte damit ein Jahr und acht Monate Verspätung vor allem wegen wechselnden Ziel- und Aufgabenstellungen durch das Ministerium und aufgrund interner Steuerungsdefizite und Entscheidungsblockaden auf beiden Seiten. Die Entwicklung einer Schnittstelle in die Personalabrechnung wurde erfolglos abgebrochen. Hauptergebnis der Arbeit ist, dass die Anwendung von Methoden und Instrumenten, die in den Projektmanagement-Leitfäden bereitgestellt werden, stets den jeweils individuellen Interessen der Akteure unterliegen und als Bausteine der akteursspezifischen Strategien fungieren. Dabei führen insbesondere Strategien der Unsicherheitsabsorption, die auf die gegenseitige Kontrolle von Auftraggeber und Auftragnehmer hinauslaufen, zu unproduktiven, sich selbst verstärkende Blockadezyklen („Circuli vitiosi“), aus denen die Akteure nur durch Strategiewechsel ausbrechen können. Zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer besteht eine strukturelle Informationsasymmetrie, weil der Auftragnehmer über die fachlichen-technischen Aspekte und über den aktuellen Projektstand besser informiert ist als der Auftraggeber. Gleichzeitig besteht jedoch auch eine entgegen gesetzte Entscheidungsasymmetrie, bei der der Auftraggeber formale Entscheidungsbefugnisse an sich ziehen kann und im Konfliktfall über das größere Drohpotenzial verfügt. Diese wird durch die Rechtsform des Werkvertrags verstärkt. Die Leitfäden des Projektmanagements werden hierbei zwar angewendet, doch die Anwendung beschränkt sich auf fachlich-operative Aspekte der Projektdurchführung, in denen die Empfehlungen einen hinreichenden Konkretisierungsgrad erreicht haben. Nur unzureichend umgesetzt werden jedoch die Empfehlungen zu politisch-strategischen Problemen, deren Anwendung entweder einen komplexen strategischen Entscheidungsprozess erfordert oder zwischen den Vertragsparteien strittig ist. Als äußerst kritisch lässt sich vor allem der Umgang mit dem Leistungsumfang im Projektverlauf bezeichnen, die von Seiten des Auftraggebers häufig im Projektverlauf verändert wird. Hier kollidiert das Gebot der Unabänderlichkeit der Leistungsbeschreibung mit den vitalen Interessen des Auftraggebers, und es zeigt sich anhand der Fallstudie, dass die vertrauensvolle Zusammenarbeit beider Vertragsparteien nötig ist, um zu eine befriedigenden Lösung zu gelangen. Gelingt dies nicht, so kann das Projekt nur mit Hilfe so genannter starker Ideologien wie dem NSM in einer Art Krisenmanagement fortgeführt werden, bedarf aber dann der strategischen Neuorientierung z.B. in Form von Personalwechsel oder Reorganisationen. Im Fallstudienprojekt hat sich herausgestellt, dass, eine Analyse der spezifischen Akteursstrategien (Policy-Analyse) den Akteuren helfen kann, die Ausgangskonstellationen besser zu verstehen und die eigene Strategie auf ihre Konsens- oder Durchsetzungsfähigkeit hin zu justieren. Hier halten die Leitfäden zum Projektmanagement jedoch keine befriedigenden Handlungsanweisungen bereit.
Parlamentarier als Beruf
(2019)
Die politische Professionalisierung hat innerhalb der institutionellen Rahmenbedingungen zur Sozialfigur des Berufspolitikers geführt. Diese Entwicklung wird im theoretischen Teil der Arbeit hergeleitet und im empirischen Teil mit umfangreichen Daten belegt. Bemerkenswert ist, dass es dabei nicht zu erheblichen Veränderungen in den Rekrutierungsmustern und Karriereverläufen der Abgeordneten gekommen ist. Vielmehr erweisen sich die von Dietrich Herzog herausgearbeiteten Karrieretypen auch heute noch als gültig und mussten nur moderat angepasst werden. Es zeigt sich damit eine erstaunliche Kontinuität in der politischen Elitenbildung. Die in Deutschland sehr gefestigten institutionellen Rahmenbedingungen, die den Zugang und die Attraktivität politischer Karrieren determinieren, haben offensichtlich auch zu einer Stabilisierung der Karrieretypen geführt.
Muster globaler anthropogener CO₂-Emissionen : sozio-ökonomische Determinanten und ihre Wirkung
(2004)
Die wesentlichen sozio-ökonomischen Prozesse, die die vermehrten anthropogenen CO₂-Emissionen verursachen, können durch die Determinanten Bevölkerung, Wohlstand (Bruttoinlandsprodukt pro Kopf) und Technologie (Energie- und Kohlenstoffintensität) vereinfacht beschrieben werden. Der Einfluss dieser Determinanten auf die Emissionsänderungen ist nicht für alle Länder der Erde gleich. Zeitreihen der CO₂-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger, der Bevölkerung, des Bruttoinlandsproduktes und des Primärenergieverbrauches von 121 Ländern bilden die Grundlage für das entwickelte statistische Verfahren zur schrittweisen Informationsverdichtung, mit dem der gesamte Datenraum zu 6 energiewirtschaftlichen Ländertypen schrittweise zusammengefasst wird. Zur Beschreibung dieser Ländertypen wird mit Hilfe der Dekompositionsanalyse der Einfluss der Bevölkerungs-, der Wohlstands- und der Technologiekomponenten an den Emissionsänderungen quantifiziert. Die Ländertypen können vereinfacht als Repräsentanten unterschiedlicher Entwicklungsstufen und -richtungen angesehen werden. Sie bilden unter anderem eine Grundlage für die Weiterentwicklung und Kalibrierung regionalisierter makro-ökonomischer Modelle zu den sozio-ökonomischen Hintergründen der vermehrten anthropogenen CO₂-Emissionen.
Modernisierung und Biopolitik : Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch in Deutschland nach 1945
(2000)
Üblicherweise vermeiden deutsche Parteien Kampfkandidaturen um den Vorsitz. Dennoch kam es auf dem Mannheimer SPD-Parteitag 1995 zu einer unerwarteten offenen Konkurrenz um das Spitzenamt. Das unbeabsichtigte Scheitern der Inszenierung der „Geschlossenheit“ der Partei führte zum Ausbruch der bis dahin unterdrückten Kämpfe um den Parteivorsitz. Der Mannheimer Parteitag steht exemplarisch für den Zusammenhang zwischen Inszenierung, Disziplin und den informellen Regeln innerparteilicher Machtkonstruktion. Am Beispiel dieses Parteitages zeigt die vorliegende Arbeit, wie umstrittenen Parteivorsitzenden sich gegen Widerstände im Amt behaupten können bzw. woran diese Strategie scheitern kann. Aus figurationstheoretischer Perspektive wird die Inszenierung als Notwendigkeit medienvermittelter Parteienkonkurrenz um Wählerstimmen gefasst. Inszenierung erfordert Selbstdisziplin und das koordinierte Handeln der Parteimitglieder. Innerparteilich wird so wechselseitige Abhängigkeit erzeugt. Diese wird gesteigert durch die Medien-Konzentration auf wenige Spitzenpolitiker. Die Mehrheit der Mandatsträger und Funktionäre ist angewiesen auf das medienwirksame Auftreten der Führung. Für den Medienerfolg braucht die Führung ihrerseits die Unterstützung der Mitglieder. Diese wechselseitige Abhängigkeit erzeugt sowohl typische Relevanzen als auch Möglichkeiten, die jeweils andere Interessengruppe unter Zugzwang zu setzen. Imageprobleme des Vorsitzenden sind als verletzte Erwartungen Anlass für innerparteiliche Machtkämpfe, in denen die Parteiführung insbesondere die Inszenierung der „Geschlossenheit“ nutzen kann, um offene Personaldiskussionen zu verhindern. Da Handlungsoptionen und -grenzen durch das Handeln der Akteure immer wieder neu geschaffen werden, besteht stets das Risiko des Scheiterns innerparteilicher Disziplinierung. Mit dem Nachvollzug von Disziplinierung und den Gründen ihrer Kontingenz versteht sich die vorliegende Arbeit als Beitrag zu einer Theorie informeller Machtregeln in Organisationen mit schwach ausgeprägten Herrschaftsstrukturen. Im ersten Teil der Arbeit wird der Zusammenhang zwischen Inszenierung und Macht durch die Konzepte Theatralität und Figuration entwickelt. Im zweiten Teil werden typische Konstellationen der gegenwärtigen parlamentarischen Demokratie auf typische beziehungsvermittelte Situationsdeutungen, Handlungsmöglichkeiten und -grenzen untersucht. Im dritten Teil wird der kontingente Prozess des innerparteilichen Machtkampfes am Beispiel des Mannheimer Parteitages 1995 nachvollzogen.
Gesetzgebungsmehrheiten in parlamentarischen Systemen mit ihrem Dualismus aus Regierungslager und Oppositionsparteien bilden sich nicht frei. Vielmehr findet ihre Koordination in einem Spannungsfeld aus den programmatischen Positionen der Akteure und ihrem opportunistischen Wettbewerb untereinander statt. Diese Problematik bricht die Arbeit auf drei konkrete Fragestellungen herunter, im Rahmen derer sie die Konfliktmuster zwischen Akteuren bei der legislativen Mehrheitskoordination unter Mehrheitsregierungen in den deutschen Landesparlamenten untersucht: 1) Inwieweit hängt es von programmatischen Positionen oder vom opportunistischen Wettbewerb des Neuen Dualismus zwischen Regierungslager und Oppositionsparteien ab, ob Oppositionsparteien und Regierungslager bei der Bildung von Gesetzgebungsmehrheiten kooperieren oder konfligieren? 2) Inwieweit kommt es vor dem Hintergrund unterschiedlicher programmatischer Positionen und opportunistischer Überlegungen zu Konflikt statt Kooperation zwischen Koalitionsakteuren bei der Bildung gemeinsamer Gesetzgebungsmehrheiten? Letztere Fragestellung wird sodann auch in den Kontext des bundesrepublikanischen Kooperativföderalismus eingebettet: 3) Inwieweit geht die Bildung von Gesetzgebungsmehrheiten bei der Ausführung von Bundesgesetzen in Mischkoalitionen (bestehend aus Parteien, die sich auf Bundesebene in konkurrierenden Lagern gegenüberstehen) mit mehr Konflikt einher als in ebenenübergreifend kongruenten Regierungskoalitionen?
Theoretisch wird ein rationalistisches Modell der grundlegenden Handlungsanreize bei der Bildung von Gesetzgebungsmehrheiten in den deutschen Landesparlamenten erarbeitet. Auf dieser Basis beschäftigt sich die Arbeit damit, wie die Akteure strategisch programmatische und opportunistische Anreize zu Konflikt und Kooperation abwägen. Die Arbeit leitet dann konkrete Determinanten ab, die vorwiegend – aber nicht nur – mittels quantitativer Methoden getestet werden. Die Arbeit stützt sich dabei auf eine größtenteils neu zusammengestellte Gesetzgebungsdatenbank aus 3.359 Gesetzgebungsvorgängen aus 23 Legislaturperioden zwischen 1990 und 2013 in den Ländern Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt.
Die Analyse der Konfliktmuster zwischen Oppositionsparteien und Regierungslager zeigt, dass programmatische Distanz einer Oppositionspartei zum Regierungslager für Oppositionsverhalten eine Rolle spielt; dies gilt jedoch auch für opportunistische Aspekte (so lässt sich beispielsweise ein kompetitiveres Oppositionsverhalten beobachten, wenn nach der letzten Wahl ein vollständiger Regierungswechsel erfolgte). Oppositionsverhalten erscheint dabei recht kleinteilig ausgeprägt. Neben Unterschieden zwischen Legislaturperioden treten solche auch innerhalb von Legislaturperioden zwischen Akteuren sowie zwischen Gesetzentwürfen auf. Die Analyse generellen Koalitionskonflikts weist darauf hin, dass ein nicht unerheblicher Teil von Koalitionskonflikt strukturell bedingt ist. Handelt es sich bei einer gebildeten Regierungskoalition um die Wunschkoalition der beteiligten Parteien, so ist dies Koalitionskonflikt abträglich. Selbiges gilt für eine größere Mehrheitsmarge des Regierungslagers. Darüber hinaus ergeben sich Hinweise, dass die Ausführung von Bundesgesetzen unter Mischkoalitionen bei bundespolitischer Abgrenzung der Koalitionspartner mit mehr Koalitionskonflikt einhergeht als eine Ausführung unter kongruenten Koalitionen.
Der Beitrag der Arbeit ist polymorph angelegt. Sie hilft zunächst, die Strategien von Akteuren im Gesetzgebungsprozess besser zu verstehen. Als normativer Beitrag tritt auf einer zweiten Ebene die bessere Erforschung etwaiger nachteiliger Effekte des Neuen Dualismus unter Mehrheitsregierungen hinzu. Gleichzeitig soll die Arbeit drittens in der Zusammenschau helfen, die Mechanik der parlamentarischen Systeme in den Ländern selbst zu erhellen und besser normativ bewerten zu können. Hintergrund sind hier die jahrzehntealten Debatten um das beste Regierungssystem und -format der deutschen Länder als subnationale Entitäten. Die dritte Fragestellung dieser Arbeit konnte diese Debatte zudem mit einem neuen Aspekt bereichern. Wissen darüber, inwieweit die Ausführung von Bundesgesetzen in den Ländern je nach ebenenübergreifendem Koalitionsmuster in unterschiedlichem Ausmaß mit einem ‚coalition governance‘-Problem verbunden ist, fügt der Forschung zum föderalen Entscheiden in der Bundesrepublik eine neue und beachtenswerte Facette hinzu. Denn dabei handelt es sich um eine föderal bedingte mechanische Beeinträchtigung der Mehrheitskoordination in den Landesparlamenten selbst, die die potenziell gegebene föderale Flexibilität bei der Ausführung von Bundesgesetzen hemmt. Dies ebnet den Weg zu neuen Debatten darüber, wie in den deutschen Ländern mehr legislative Abstimmungsflexibilität ermöglicht werden kann als unter den bisher üblichen Mehrheits-Koalitionsregierungen.
In der vorliegenden Dissertation werden lebensweltliche Erfahrungszusammenhänge in 128 Aufsätzen ausländischer Studierender, die oft auch als Bildungsausländer bezeichnet werden, und grundsätzliche Prozesse bei der Herausbildung sowie Veränderung kollektiver Zuschreibungen im Rahmen der sozialen Identitätsbildung hermeneutisch untersucht.
Mit Hilfe der nach der empirischen Methode der Grounded Theory kodierten Interpretationsergebnisse werden in der qualitativen Längsschnittstudie Vergleiche angestellt, sowohl fallintern als auch fallübergreifend, um Muster zu entdecken, Typologien zu konstruieren und die jeweiligen (kulturellen) Horizonte in den Aufsätzen zu verallgemeinern.
Neben der Grounded Theory bildet die Theorie der „alltäglichen Lebenswelt“ (Alfred Schütz) eine Basis der Herangehensweise an die Untersuchung der Aufsätze. In diesem Kontext wird ausgehend von der graduellen Unterteilung der Fremdheit in alltägliche, strukturelle und radikale Fremdheit sowie ausgehend von Goffmans Identitätskonzept der Frage nachgegangen, inwieweit sich in den untersuchten Texten die Bildung und Veränderung sozialer Identitäten feststellen lassen. Dabei werden Akkulturationsprozesse und Prozesse der Selbstidentifikation, bezüglich einer angenommenen Gemeinschaft, analysiert, die von kollektiven (kulturellen) Schemata bestimmt sind. In diesem Zusammenhang kann die vorliegende Dissertation zeigen, dass sich bestimmte kulturelle Schemata in der Auseinandersetzung mit dem vormals neuen Leben in Deutschland herausgebildet haben und bestimmte ältere Erfahrungen immer wieder zur Bestätigung dieser Bilder bzw. Erfahrungsschemata herangezogen und wie der Abdruck in Gestein fossiliert werden.
Das Europäische Parlament ist zweifelsohne die mächtigste parlamentarische Versammlung auf supranationaler Ebene. Das provoziert die Frage, wie Entscheidungen in diesem Parlament gefällt werden und wie sie begründet werden können. Darin liegt das Hauptanliegen dieser Arbeit, die zur Beantwortung dieser Frage auf soziologische Ansätze der Erklärung sozialen Handelns zurückgreift und damit einen neuen Zugang zur Beobachtung parlamentarischen Handelns schafft. Dabei arbeitet sie heraus, wie wichtig es ist, bei der Analyse politischer Entscheidungsprozesse zu beachten, wie politische Probleme von Akteuren interpretiert und gegenüber Verhandlungspartnern dargestellt werden. An den Fallbeispielen der Entscheidungsprozesse zur Dienstleistungsrichtlinie, zur Chemikalien-Verordnung REACH und dem TDIP (CIA)-Ausschuss in der Legislaturperiode 2004–2009, wird der soziale Mechanismus dargestellt, der hinter Einigungen im Europäischen Parlament steckt. Kultur als Interpretation der Welt wird so zum Schlüssel des Verständnisses politischer Entscheidungen auf supranationaler Ebene.
Kompetenzentwicklung im universitären Studienfach Personal für das Berufsfeld Personalmanagement
(2003)
Klassengebundene Cleavage-Strukturen in Ost- und Westdeutschland : eine empirische Untersuchung
(2007)
Sandra Eger befasst sich in diesem Buch mit der Möglichkeit, politisches Verstehen durch den Einsatz von Jugendliteratur zu fördern. Dabei wird sowohl die Möglichkeit eines Einsatzes im Fachunterricht Politische Bildung als auch im fächerübergreifenden Unterricht der Sekundarstufe I betrachtet. Neben einer empirischen Studie, die die Frage beantwortet, inwiefern derzeit Jugendliteratur in der Sekundarstufe I zur Förderung politischen Verstehens eingesetzt wird, bieten jugendliterarische Beispiele zur Förderung politischen Verstehens Anregungen für die Unterrichtspraxis.
Deutschland und Frankreich benötigen stetige Metallimporte, um ihr Wirtschaftsmodell aufrechtzuerhalten. Internationale Kooperation ist unerlässlich, damit diese Importe zuverlässig und nachhaltig verlaufen. Doch welche Potenziale bieten sich in diesem Bereich, welche Grenzen sind dabei zu erkennen? Dieser Frage geht Yann Wernert durch einen Fallstudienvergleich mit prozessanalytischen Methoden und auf der theoretischen Grundlage des neoliberalen Institutionalismus nach. Er zeigt, dass beide Länder ihre Bemühungen als reaktive Mittelmächte gestalten. Sie wollen durch staatliche Rohstoffstrategien wirtschaftliche, strategische und Nachhaltigkeitsziele erreichen. Während die Analyse durchaus Kooperationspotenziale ausmacht, fallen diese je nach Ländergruppe und Politikbereich sehr unterschiedlich aus.
Die Annäherung von Entwicklung und Sicherheit seit Beginn der 1990er Jahre gilt in Teilen der Fachöffentlichkeit als wesentliches Merkmal einer zunehmenden Eigennutz- und Interessenorientierung der deutschen Entwicklungspolitik nach Ende des Ost-West-Konflikts. Den Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung bildete die Skepsis gegenüber diesem Befund eines Wandels deutscher Entwicklungspolitik weg von moralischen Begründungszusammenhängen und hin zu nationaler Interessenpolitik seit Beginn der 1990er Jahre. Diese Skepsis begründet sich in der Annahme, dass die bisherige Kritik gegenüber einer möglichen Versicherheitlichung von Entwicklungspolitik die Rolle von eigennutzorientierten Interessen als erklärendem Faktor überbetont und gleichzeitig ideellen Strukturen und deren möglichem Wandel als konstitutivem Faktor für politische Prozesse zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. Die Forschungsfrage lautet dementsprechend: Kann die deutsche Entwicklungspolitik im Lichte der Verknüpfung von Entwicklung und Sicherheit als zunehmend interessenorientiert gedeutet werden und hat sich damit ein grundlegender Politikwandel vollzogen?
Theoretisch knüpft die Arbeit an die konstruktivistisch-orientierte Forschung im Thema Entwicklung und Sicherheit an und entwickelt diese weiter. Für die Herleitung der theoretischen Position wird auf konstruktivistische Überlegungen in den Theorien der Internationalen Beziehungen rekurriert. Im Vordergrund stehen dabei jene Ansätze der Internationalen Beziehungen, die die konstruktivistische Wende nicht nur ontologisch, sondern auch epistemologisch vollziehen und der Rolle von Sprache besondere Aufmerksamkeit schenken. In empirischer Hinsicht wird die Verknüpfung von Entwicklung und Sicherheit in der deutschen staatlichen Entwicklungspolitik anhand von Interpretationen dieser Verknüpfung im Agenda-Setting und in der Politikformulierung untersucht. Der Untersuchungszeitraum der empirischen Analyse beläuft sich auf die Amtsjahre der SPD-Politikerin Heidemarie Wieczorek-Zeul als Bundesministerin für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, nämlich 1998 2009. Der Datenkorpus der Untersuchung in Agenda-Setting und Politikformulierung umfasst über 50 Reden von Mitgliedern der Bundesregierung sowie ausgewählte offizielle Politikdokumente, in denen relevante Textpassagen enthalten sind. Die beispielhafte Untersuchung der Institutionalisierung im Lichte der Verknüpfungen von Entwicklung und Sicherheit bezieht sich auf weitere Primär- und Sekundärquellen.
Auf der Grundlage der empirischen Analyse wird deutlich, dass unterschiedliche Interpretationen in der staatlichen deutschen Entwicklungspolitik hinsichtlich der Verknüpfung von Entwicklung und Sicherheit über den Untersuchungszeitraum 1998 - 2009 nachgezeichnet werden können. Bemerkenswert ist dabei insbesondere die diffuse Vielfalt der Konstruktionen des Sicherheitsbegriffs. Außerdem wird anhand der empirischen Untersuchung nachgezeichnet, dass zum Teil erhebliche Unterschiede bestehen zwischen den Verknüpfungen von Entwicklung und Sicherheit auf der ressortübergreifenden Ebene einerseits und der entwicklungspolitischen Ebene andererseits. Auch die beispielhafte Diskussion von Meilensteinen der institutionalisierten Entwicklungspolitik bestätigt diese Varianzen, die durch die nuancierte Analyse sprachlicher Konstruktionen sichtbar gemacht werden konnte. Ausgehend vom empirischen Ergebnis der Varianz und Variabilität der Begründungsmuster für die Verknüpfungen von Entwicklung und Sicherheit ist es nunmehr möglich, Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Forschungsfrage zu ziehen: Ist deutsche Entwicklungspolitik im Lichte der Verknüpfung von Entwicklung und Sicherheit zunehmend eigennutz- und interessenorientiert?
In den Anfangsjahren von Wieczorek-Zeul spielen normative Aspekte wie Gerechtigkeit und Frieden im Zusammenhang mit der Genese des Themenfelds Frieden und Sicherheit eine wichtige Rolle. Prägend für die Politikformulierung sind dabei vor allem die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Globalisierung, die den Ausgangspunkt für die Formulierung der von Wieczorek-Zeul geprägten Globalen Strukturpolitik bilden. Eine Eigennutzorientierung im realistischen Sinne scheint nur dann präsent, wenn es um unser Interesse der Wohlstandssicherung geht. Entwicklungspolitische Friedenförderung und Krisenpräventionen dienen dazu, die ökonomischen Kosten von Kriegen zu verringern und leisten einen Beitrag zur Vermeidung von wohlstandsgefährdender Migration. Es wird auf einen Sicherheitsbegriff rekurriert, der die Menschliche Sicherheit der Bevölkerung in den Entwicklungs- und Transformationsländern in den Vordergrund stellt. Nach 9/11 verschieben sich die sprachlichen Konstruktionen weg von unserem Wohlstand und dem Frieden weltweit in Richtung unsere Sicherheit. Artikulierte Eigennutzorientierung mit Bezug auf Sicherheit gewinnt an Dominanz gegenüber moralischen Begründungszusammenhängen. Diese Entwicklung lässt sich vor allem im Rahmen der ressortübergreifenden Interpretationen des Zusammenhangs von Entwicklung und Sicherheit nachzeichnen. Auch bei dieser ressortübergreifenden Verschiebung lässt sich die Verknüpfung von Entwicklung und Sicherheit auf der Ebene des für die deutsche Entwicklungspolitik federführenden Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hingegen weiterhin als vorwiegend verpflichtungsorientiert deuten. Erst mit der Großen Koalition ab 2005 kann von umfassenderer Neu-Interpretation der Verknüpfung von Entwicklung und Sicherheit ausgegangen werden: Wohlstand und Sicherheit in der Welt werden nunmehr gleichermaßen als in unserem Interesse artikuliert, die neben der internationalen Verpflichtung zur Friedenssicherung als gleichwertig eingeschätzt werden können
Zusammenfassend bringen diese empirischen Ergebnisse im Lichte der theoretischen Deutung ein nuancierter es Bild hervor als in der bisherigen Forschung mit ihrem meist einseitigen Fokus auf einer zunehmenden Interessenorientierung angenommen wurde. Die ideellen Bezüge waren immer präsent als prägender Faktor für die deutsche Entwicklungspolitik, sie haben sich allerdings im Zeitverlauf verändert. Der theoretische Ertrag der Studie und die Policy-Relevanz liegen auf mehreren Ebenen. Erstens wird mit der differenzierten Untersuchung und Deutung deutscher Entwicklungspolitik im Lichte der Verknüpfungen von Entwicklung und Sicherheit die Forschung zum Thema Versicherheitlichung von Entwicklungspolitik angereichert und deren theoretische Prämissen weiterentwickelt. Zweitens leistet die Arbeit einen Beitrag zur Forschung zur deutschen Entwicklungspolitik. Mit der vorliegenden Studie wird diese oft an der Umsetzung und Praxis interessierte Forschung durch die theoretische Beschäftigung mit der Deutung deutscher Entwicklungspolitik angereichert. Dieser Beitrag ergibt sich konkret aus der Anwendung theoretischer Überlegungen der Sicherheitsstudien, aus dem konstruktivistischen Strang der Theorien der Internationalen Beziehungen (IB) sowie konzeptionellen Überlegungen aus der Policy-Forschung, die miteinander verknüpft werden.
Die vergleichende Arbeit beschäftigt sich mit der Bürgerbeteiligung in Städten in Deutschland und Frankreich. In den letzten 20 Jahren haben sich die Formen lokaler Demokratie immer wieder verändert und sich den örtlichen Gegebenheiten angepasst. Das Interesse der Bürger, Verwaltung und politisch gewählten Vertreter an Partizipation wächst stetig . Das heißt aber auch, dass sich diese 3 Akteure den neuen Strukturen anpassen und eigene Strategien entwickeln müssen. Die demokratischen Formen der kooperativen bzw. partizipativen Demokratie werden immer häufiger angewandt. Diese Arbeit evaluiert die verschiedenen Bürgerbeteiligungsinstrumente in Frankreich und Deutschland in dem zwischen Input, Output und Outcome unterschieden wird. Insbesondere die Bürgerhaushalte, Beiräte und Quartiersräte werden genauer betrachtet. Die Ergebnisse zeigen erste Hinweise in welche demokratische Richtung sich die deutschen Städte künftig entwickeln.
Ikonische Macht
(2016)
Bilder sind Teil der medialen Öffentlichkeit. Sie konstruieren Gesellschaft. Wie machtvoll sind sie? Die Studie analysiert die soziale Gestaltung von Pressefotografien in Tageszeitungen. In Feininterpretationen werden die gestalterischen Routinen der Redaktionen nachgezeichnet. Zudem wird gezeigt, wie bei der Veröffentlichung um die Auslegung der Bilder gerungen wird. Die Autorin entwickelt die qualitative Bildanalyse innovativ weiter und liefert zugleich einen eigenständigen Beitrag zur Diskussion der ,Macht der Bilder‘.
Für Rechtsetzung sind nicht nur die Parlamente als Legislativorgan zuständig. Auch - und in weitaus größerem Umfang - werden hier exekutive öffentlich-rechtliche Organisationen tätig und erstellen Rechtsverordnungen, Satzungen und Verwaltungsvorschriften. Bisher liegen noch keine umfassenden und wissenschaftlich verwertbaren Erfahrungen darüber vor, ob sich der in Wirtschaft und Privatleben sehr intensiv entwickelnde Einsatz von Social Software auch vorteilhaft auf die Gestaltung von Rechtsetzungsprozessen auswirken kann. Im Rahmen der Arbeit wird daher ein Ordnungssystem entwickelt, das eine strukturierte und nachvollziehbare Auswahl einer Social Software-Anwendung für die Recht setzende Exekutive ermöglicht.
Unter dem Eindruck einer zunehmenden Einengung finanzieller Spielräume entwickelt die öffentliche Hand Strategien zur Haushaltskonsolidierung, die über den Einsatz des Neuen Steuerungsmodells hinausgehen. Eine zentrale Bedeutung im Rahmen der Verwaltungsoptimierung nehmen aufgaben- und organisationskritische Ansätze ein. Letztgenannte umfassen Überlegungen, wie durch eine Ablösung hergebrachter behördlicher Strukturen nachhaltige Entlastungseffekte ausgelöst werden können. Das Organisationsrecht kennt hierfür auf allen Verwaltungsebenen grundsätzlich zahlreiche Ausgestaltungen von der Beleihung Privater Dritter über Beteiligungsgesellschaften, Anstalten oder Stiftungen bis hin zu Regiebetrieben. Die verbleibenden Möglichkeiten einer Einflussnahme durch Politik und Verwaltung gestalten sich. Im Interesse einer hinreichenden Steuerung durch politische und administrative Leitungsinstanzen erfahren Landesbetriebe nach § 26 der Landeshaushaltsordnungen in den letzten Jahren in vielen Landesverwaltungen eine Renaissance. Obgleich die betreffende Ermächtigung seit 1969 im Haushaltsrecht verankert ist und bereits Gegenstand der Reichshaushaltsordnung war, liegen kaum systematisierte Erkenntnisse über den Einsatz dieser Organisationsform vor. In den Rechts-, Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften finden sich praktisch keine über den Wortlaut des Gesetzes und hierzu kaum ergangene Verwaltungsvorschriften hinausgehenden Hilfestellungen. Die Arbeit widmet sich dem Modell „Landesbetrieb nach § 26 LHO“, indem sie damit verbundene Entwicklungspotenziale für ein betriebswirtschaftliches Handeln und Rahmenbedingungen seines Einsatzes beleuchtet. Sie stellt den Landesbetrieb dabei in ein Verhältnis zu Behörden, welche unter Anwendung von Elementen des Neuen Steuerungsmodells geführt werden und privatrechtlich ausgestalteten Unternehmen. Zu diesem Zweck erfolgt eine vertiefte empirische Untersuchung der Landesbetriebe im amtlichen Geoinformationswesen, welche eine breite Aufgabenpalette aufweisen. Die in diesem Rahmen vollzogene Primäranalyse wird im Interesse einer Verbreiterung der Aussagekraft der Ergebnisse ergänzt um ausgewählte Sekundäranalysen zur praktischen Ausgestaltung weiterer Landesbetriebe insbesondere in den Bereichen Bau- und Liegenschaftsmanagement, Mess- und Eichwesen und der Datenverarbeitung. Ergänzend zu den deskriptiven Darstellungen der empirischen Betrachtung werden normative Betrachtungen für die einzelnen betriebswirtschaftlichen Funktionalbereiche vorgenommen soweit hier spezifische Problemstellungen in der Praxis der Landesbetriebe bekannt geworden sind. Im Ergebnis kommt die Arbeit zu der Erkenntnis, dass Landesbetriebe ein Entwicklungspotenzial über das Neue Steuerungsmodell hinaus bergen, dieses aber weniger als erwartet im Bereich der Finanzwirtschaft und damit in der tatsächlichen Haushaltskonsolidierung liegt, als vielmehr in der strukturellen Optimierung der Verhältnisse zwischen, Betriebsleitung, Kunden sowie administrativer und politischer Spitze und der Gestaltungsräume der einzelnen Akteure.
Grenzen des Organiesierbaren
(2020)
Interessiert man sich für den gesellschaftlichen Einfluss der Organisationssoziologie auf die Praxis des Organisierens, so muss der Befund ernüchtern. Stärker als auf organisationssoziologische Wissensbestände wird in Unternehmen oder Verwaltungen auf aktuelle Managementtrends rekurriert. Man könnte diesen Befund beklagen und als fehlerhafte Rezeption der Praxis beiseitelegen. Alternativ ließe sich aber auch diskutieren, welchen Beitrag die Disziplin selbst zu dieser Rezeption leistet. Mit einer solchen Diskussion begibt man sich fast unweigerlich auf einen schwierigen Pfad. Zum einen kann die Soziologie gerade dann, wenn sie ihren Blick auf die Erforschung von Unternehmen oder Verwaltungen richtet, nicht die von der Praxis erwarteten positiven Antworten liefern. Gerade die Organisationssoziologie begibt sich zum anderen jedoch in direkte Konkurrenz zu Nachbardisziplinen wie die Betriebswirtschaftslehre oder die Organisationspsychologie, die die Rezeptionsfähigkeit ihrer Wissensbestände im Praxisfeld in den letzten Jahren unter Beweis gestellt haben. Die Erwartungen an die Umsetzbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Praxis sind dadurch gestiegen. Eine Soziologie, die ihre Erkenntniskraft in der kritischen Distanz sieht, mag das skeptisch stimmen. Es gilt daher, die Frage zu beantworten, wie die Praxisrelevanz einer Wissenschaft des zweiten Blicks auf Organisationen konkret aussehen kann. Diesem Vorhaben widmet sich das vorgelegte Promotionsprojekt. Die in der kumulativen Dissertation versammelten Beiträge verstehen sich allesamt als Erkundungen und Erprobungen der Praxisrelevanz der Organisationssoziologie anhand aktueller Managementfragen in Unternehmen. Die These lautet dabei, dass sich diese Praxisrelevanz nur als Kritik entfalten kann. Eine solche Kritik kann dabei zwei grundsätzliche Formen annehmen: Als Strukturkritik bezieht sie sich auf konkrete Organisationen, deren spezifische Eigenlogiken und strukturelle Verstrickungen. Sie beschreibt dabei für den Einzelfall Funktionen und Folgen von Erwartungsstrukturen, die sich dann z. B. fallvergleichend generalisieren oder typisieren lassen. Organisationssoziologische Strukturkritik kann sich damit sowohl als vergleichender, praxissensibler Forschungsansatz realisieren, als auch die Grundlage einer soziologisch orientierten Beratung bilden. Als Schematakritik richtet sie sich gegen verkürzte Vorstellungen des Organisierens, die sich etwa in Managementmoden finden lassen. Dem Kumulus zugrunde liegen fünf Beiträge, die konkrete Ausprägungen beider Kritikformen ausloten. Der erste Beitrag „Datafizierung und Organisation“ zeigt, wie Schematakritik an Nachbardisziplinen aussehen kann, indem er Organisation als blinden Fleck der Digitalisierungsforschung diskutiert und Anschlussstellen für interdisziplinäre Forschung ausweist. Daher liefert der Beitrag einen systematischen Zugang zu organisationalen Implikationen der Digitalisierung. Neben der Anreicherung der Digitalisierungsforschung kann die entwickelte Argumentation auch für die Praxis Erkenntniskraft haben, indem z. B. problematisiert wird, dass im Managementdiskurs um Digitalisierung überzogene Rationalisierungserwartungen herrschen oder durch digitale Infrastrukturen entstehende Informalitäten systematisch ausgeblendet werden Der zweite Beitrag „Führung als erfolgreiche Einflussnahme in kritischen Momenten“ legt eine Umdeutung des populären Managementbegriffs Führung durch Schematakritik vor. Damit trägt er in mehrfacher Hinsicht zu einer praxisrelevanten Neubestimmung von Führung bei. Für Führungskräfte ermöglicht er beispielsweise die Einsicht, dass sie ihre Führungsaufgaben auf kritische Momente konzentrieren können und postuliert die Abkehr vom heroischen Bild des dauerhaft Führenden. Diese Umdeutung kann auch für Führungskräfte in Organisationen entlastend sein, weist sie doch auf den Zusammenhang zwischen der organisationalen Verfasstheit und Führungschancen hin und eröffnet damit Gestaltungschancen jenseits der Führungskräfte- und Personalentwicklung. Für die Organisationsforschung liefert der Beitrag einen theoretisch integrierten Führungsbegriff, der Führung sowohl organisational als auch situativ bestimmt. Er steht somit exemplarisch für eine organisationssoziologische Schematakritik, die etablierte Managementbegriffe neu deutet. Der dritte Beitrag kritisiert mit dem Konzept der transformationalen Führung eine Managementmode und zeigt auf, wie das darin enthaltene Führungsmodell durch die Bildung moralischer Kategorien Organisationsprobleme auf Organisationsmitglieder (hier: Führungskräfte) verschiebt. Es wird einerseits eine organisationssoziologische Kritik am populären Managementkonzept der transformationalen Führung vorgelegt. Andererseits verdeutlicht der Beitrag anhand systemtheoretischer Konzepte wie elementarer Verhaltensweisen, Moral oder Rollentrennung exemplarisch, dass organisationssoziologisches Denken den Managementdiskurs bereichern kann, indem es Verkürzungen und Simplifizierungen aufdeckt und alternative Analyse- und Gestaltungsansätze bereitstellt. Dafür lässt sich auch im Praxisdiskurs Gehör finden, weil man annehmen darf, dass mit den Heilsversprechen von Kompaktlösungen auch Enttäuschungen einhergehen, für die die Organisationssoziologie Erklärungen liefern kann. Die Möglichkeiten und Grenzen von Strukturkritik werden in den letzten beiden Beiträgen diskutiert. Das Potenzial von Strukturkritik für die soziologisch orientierte Beratung von Organisationen exploriert der Beitrag „Die schwierige Liaison von Organisationssoziologie und Praxisbezug am Beispiel der Beratung“. Ausgehend vom Theorie-Praxis-Komplex wird eruiert, wie soziologischer Praxisbezug im Feld der Beratung aussehen kann. Dafür systematisiert der Beitrag organisationssoziologische Ansätze von Beratung und zeigt auf, wie ein genuin soziologischer Beratungsansatz aussehen könnte. Der letzte Beitrag stellt Grundzüge einer Methodologie strukturkritischer Forschung vor und illustriert diese an einem durchgeführten Forschungsprojekt zu Managementmoden. Anhand der Forschung in einem Produktionsbetrieb wird gezeigt, wie strukturkritische Forschung konkret aussehen kann. Solch strukturkritische Forschung steht im Forschungsprozess vor drei Herausforderungen: dem qualitativ hochwertigen Feldzugang, der Entwicklung einer für Forschung und Praxis instruktiven Fragestellung und der Rückspiegelung der Ergebnisse in das Feld. Der Beitrag stellt Grundzüge einer Methodologie strukturkritischer Organisationsforschung vor, die sich sachlich, zeitlich und sozial entlang der drei beschriebenen Momente des Feldzugangs, der Ausgangsfragestellung und der Rückspiegelung der Ergebnisse spezifizieren lassen.
Alexandra Silbermann entwickelt einen neuartigen, systematischen Ansatz, der eine ganzheitliche Analyse und Erklärung des Bewusstseins für einen gesunden Konsum zulässt und die Identifikation bedeutender Einflussfaktoren, die für Maßnahmen zugänglich sind, ermöglicht. Ohne fundierte Kenntnisse der kognitiven Prozesse, die dem gesundheitsbewussten Konsumentenverhalten zugrunde liegen, können Marketing- bzw. Interventionsmaßnahmen nur begrenzt wirkungsvoll sein. Die Autorin leitet Implikationen für eine effizientere Förderung gesundheitsbewussten Konsums ab. Die Systematisierung ist über den Gesundheitsbezug hinaus einsetzbar. Der Inhalt Arten des Bewusstseins als Systematisierungsansatz zentraler sozial-kognitiver Konstrukte der Verhaltensforschung Theoretische Darstellung der Determinanten gesundheitsbewussten Konsumentenverhaltens Empirische Prüfung des Modells zur Erklärung gesundheitsbewussten Konsumentenverhaltens Diskussion der Einflussfaktoren und deren Beziehungsstrukturen Implikationen für Marketingwissenschaft und -management Die Zielgruppen Dozierende und Studierende der Wirtschafts-, Sozial- und Gesundheitswissenschaften mit den Schwerpunkten Konsumentenverhalten, Marktforschung sowie präventive Gesundheitsförderung Praktiker in Marketing und Marktforschung bei Anbietern von Konsumgütern und in der präventiven Gesundheitsförderung Die AutorIn Alexandra Silbermann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Potsdam bei Univ.-Prof. Dr. Ingo Balderjahn am Lehrstuhl für Marketing I.
Fundraising interdisziplinär : ein Beitrag zur Erneuerung der Kultur gemeinwohlbezogenen Gebens
(2011)
Diese Arbeit untersucht, was passiert, wenn in Non-Profit-Organisation (NPO) der Anspruch des Bürgerschaftlichen Engagements auf Praktiken des Freiwilligenmanagements trifft. Ausgangspunkt dieser Fragestellung ist eine doppelte Diagnose: Zum einen setzen NPOs aufgrund mehrerer Faktoren - u.a. Ressourcenknappheit, Wettbewerb und Nachahmungseffekten – vermehrt auf Freiwilligenmanagement. Mit dieser von der BWL inspirierten, aber für NPO entwickelten Personalführungsmethode wollen sie mehr und bessere Freiwillige gewinnen und deren Einsatz effizienter strukturieren. Zum anderen haben sich gleichzeitig viele NPO dem Ziel des bürgerschaftlichen Engagements verschrieben. Damit reagieren sie auf den aus Politik und Wissenschaft zu vernehmenden Anspruch, die Zivilgesellschaft möge die knappen Kassen der öffentlichen Hand kompensieren und das wachsende Partizipationsbedürfnis weiter Teile der Bevölkerung durch eine neue Kultur der Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger befriedigen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch: Während Freiwilligenmanagement einer ökonomischen Handlungslogik folgt, ist bürgerschaftliches Engagement Ausdruck einer Handlungslogik der Zivilgesellschaft. Beide sind unter gegenwärtigen Bedingungen weder theoretisch noch praktisch miteinander vereinbar. Um beide Entwicklungen miteinander zu versöhnen, muss Freiwilligenmanagement unter dem Banner des Bürgerschaftlichen neu gedacht werden. Dieses Argument unterfüttert die Arbeit sowohl theoretisch und empirisch. Der Theorieteil gliedert sich in drei Teile. Zunächst wird der Begriff der NPO näher eingegrenzt. Dazu wird die bestehende Literatur zum Dritten Sektor und Non-Profit-Organisationen zu einem operationalisierbaren Begriff von NPO kondensiert. Daran anschließend werden aktuelle Trends im Feld der NPO identifiziert, die zeigen, dass NPO tatsächlich oft von widerstreitenden Handlungslogiken gekennzeichnet sind, darunter eine ökonomische und eine bürgerschaftliche. Die beiden folgenden Kapitel untersuchen dann jeweils eine der beiden Logiken. Zunächst wird das Leitbild des bürgerschaftlichen Engagements als Ausdruck einer zivilgesellschaftlichen Handlungslogik näher definiert. Dabei zeigt sich, dass dieser Begriff oft sehr unscharf verwendet wird. Daher greift die Arbeit auf die politiktheoretische Diskussion um Zivil- und Bürgergesellschaft auf und schmiedet daraus eine qualifizierte Definition von bürgerschaftlichem Engagement, die sich maßgeblich am Ideal von gesellschaftlich-politischer Partizipation und bürgerschaftlicher Kompetenz orientiert. Dem wird im dritten und letzten Kapitel des Theorieteils die ökonomische Handlungslogik in Form der Theorie des Freiwilligenmanagements gegenübergestellt. Bei der Darstellung zeigt sich schnell, dass dessen Grundprinzipien – anders als oft vorgebracht – mit den qualifizierten Idealen von Partizipation und Konkurrenz im Konflikt stehen. In der empirischen Analyse wird dann in den 8 Interviews den Widersprüchen zwischen bürgerschaftlichem Engagement und Freiwilligenmanagement in der Praxis nachgegangen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung lassen sich in 5 Punkten zusammenfassen: 1. Freiwilligenmanagement orientiert sich erstens im wesentlichen an einer Zahl: Dem Zugewinn oder Verlust von freiwilliger Arbeit. 2. Freiwilligenmanagement installiert ein umfassendes System der Selektion von „passenden“ Freiwilligen. 3. Positiv hervorzuheben ist die institutionalisierte Ansprechbarkeit, die im Rahmen von Freiwilligenmanagement in NPO Einzug erhält. 4. Freiwilligenmanagement ist eng mit dem Anspruch verbunden, die Arbeit der Freiwilligen zu kontrollieren. Der Eigensinn des Engagements, die Notwendigkeit von Spielräumen, die Möglichkeit des Ausprobierens oder der Anspruch der Freiwilligen, an Entscheidungen zu partizipieren bzw. gar selbstorganisiert und -verantwortlich zu handeln, rückt dabei in den Hintergrund. 5. In den Interviews wird eine starke Ökonomisierung des Engagements sichtbar. Freiwillige werden als Ressource betrachtet, ihr Engagement als „Zeitspende“ statistisch erfasst, ihre (Dienst-)Leistung monetär bewertet. Im Zuge dessen erhält auch der Managerialism verstärkt Einfluss auf die Arbeit in NPO und begründet ein stark hierarchisches Verhältnis: Während die Freiwilligenmangerin aktiv handelt, wird die freiwillig Engagierte zum Objekt von Management-Techniken. Dass dies dem Anspruch der Partizipation entgegenläuft, ergibt sich dabei von selbst. Angesichts dieser Diagnose, dass real-existierendes Freiwilligenmanagement nicht mit dem Ideal des bürgerschaftlichen Engagement im engeren Sinne zusammenpasst, formuliert das Fazit Vorschläge für ein bürgerschaftlich orientiertes, engagement-sensibles Freiwilligenmanagement.
Das Thema der Arbeit sind Formen wissenschaftlicher Wissensproduktion in anwendungsbezogenen Forschungsprojekten und ihre Effekte auf Technisierungsprozesse. Diese untersuche ich am Beispiel eines öffentlich geförderten Forschungsprojekts, das ein automatisiertes Videoüberwachungssystem entwickelt. Als anwendungsbezogenes Forschungsprojekt unterliegt die Entwicklung des Videoüberwachungssystems besonderen Rahmenbedingungen: Die Arbeit der Forschergruppe soll erstens auf makrosoziale Kriminalitätsprobleme reagieren, zweitens politische Hoffnungen auf einen erfolgreichen Technologietransfer erfüllen, und drittens dem innerdisziplinären Erkenntnisfortschritt dienen. Daraus ergeben sich alltagspraktische Handlungsprobleme für die Forschergruppe, da sie zwischen heterogenen und möglicherweise widersprüchlichen Erwartungshaltungen vermitteln muss. Diese Vermittlungsstrategien beeinflussen jedoch in die Entscheidungsprozesse, wie und in welchem Ausmaß Überwachungsprozesse technisiert werden.
Das Promotionsprojekt geht der Frage nach, auf welche Weise die Forschergruppe die Integration der verschiedenen Erwartungshaltungen bewältigt, und welche Auswirkungen diese besondere Form des anwendungsbezogenen Forschens auf die Entwicklung der Überwachungstechnologie hat. Auf der Grundlage einer ethnographischen Fallstudie beantworte ich die Frage durch den Nachweis, dass die präferierten Lösungen der Forschergruppe sich eher an disziplinären Fragestellungen ausrichten als an ihrer Praxistauglichkeit. Dies wird besonders darin sichtbar, dass die ursprünglichen Problemstellungen im Verlaufe des Arbeitsprozesses anhand der tatsächlich verfügbaren Instrumente umdefiniert werden. Die daraus resultierenden Konflikte mit den gesellschaftlichen Erwartungshaltungen bewältigt die Forschergruppe, indem sie lernt, die Anwendungsbezogenheit gegenüber der Förderinstitution sorgfältig zu inszenieren.
Die vorliegende explorative empirische Untersuchung muslimischer Frauengruppen leistet einen Beitrag zur Erforschung des religiösen Wandels im religiösen Feld in Deutschland. Zum einen werden damit erstmals qualitative Daten zu religiösen Gruppen muslimischer Frauen erhoben. Zum anderen liefern die analysierten Anlässe der Gruppengründung und die Gruppenziele Einblicke in die relevanten Themen des religiös-muslimischen Engagements im Zeitverlauf. Gemäß der explorativen Konzeption interessiert sich diese Studie insbesondere für die Vielfalt muslimischer Frauengruppen in Deutschland. Es wurde gefragt, welche Selbstbeschreibungen als muslimische Frauengruppen sich derzeit erkennen lassen? Dazu wurden thematische Leitfadeninterviews mit Ansprechpartnerinnen muslimischer Frauengruppen im religiösen Feld (2006-2011) durchgeführt.
Die Gründungen der zwölf untersuchten muslimischen Frauengruppen lagen im Zeitraum von 1978 bis 2009. Dies umfasst im Hinblick auf das muslimisch-religiöse Engagement Phasen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, die von der Verfestigung der religiösen Strukturen über den Kampf um rechtliche Gleichstellung als religiöse Minderheit bis zu einer Auseinandersetzung mit der staatlichen Islampolitik reichen. Die ältesten der untersuchten Gruppen reflektieren in ihrem historischen Verlauf den Aufbau der religiösen Strukturen, indem sie zunächst Räume für sich in den Gemeinden schufen. Diese füllten sie in Form von religiösen Bildungsprozessen und zwar indem sie einander an ihren Kenntnissen teilhaben ließen und gemeinsam die religiöse Quelle erschlossen. Andere Gruppen schlossen sich zusammen, um von den Kenntnissen religiöser Expertinnen zu profitieren, wieder andere etablierten Angebote, die über den eigenen Gruppenzusammenhang hinausreichten. Mit dieser Ausrichtung der Weltgestaltung ging auch die Gründung einer Organisation, d.h. ein Wandel der Sozialform einher.
Die Ergebnisse konstatieren eine Kontingenz hinsichtlich der Selbstzuordnung muslimische Frauengruppe. Es handelt sich um historisch spezifische Selbstzuschreibungen, die Ausdruck eines religiösen Wandels im muslimisch-religiösen Feld initiiert von muslimischen Frauen sind. Zentrales Ergebnis ist hier, dass die Gruppen zwar hinsichtlich ihrer Formen heterogen sind, allerdings eine Verbindungslinie in ihren Kernideen als Frauengruppen- und Organisationen besteht. Es zeigt sich durch alle Phasen des muslimisch-religiösen Engagements im religiösen Feld ein hohes Interesse an religiösen Bildungsthemen seitens muslimischer Frauen. Diese sind verbunden mit der Auseinandersetzung mit dem religiösen Geschlechterverhältnis.
Die Aufmerksamkeit, die das religiöse Geschlechterverhältnis im Kontext des Institutionalisierungs- und Partizipationsprozess des Islam im politischen Feld derzeit besitzt, kann einerseits als spezifisch gelten. Andererseits zeigen historische Kontextualisierungen mit der religiösen Frauenbewegung im 19. Jahrhundert, dass auch hier über religiöse Geschlechterbilder Partizipationsfragen verhandelt wurden.
Die Ergebnisse dieser Studie belegen die Relevanz von religiösen Gruppen innerhalb religiöser Wandlungsprozesse. Weiterhin liefern sie neue Erkenntnisse hinsichtlich des Verhältnisses von religiöser Individualisierung und Gruppenbindung: Muslimische Frauen vergemeinschaften sich aus religiösen Bildungszwecken innerhalb von religiösen Gruppen und behandeln dabei Themen ihre weibliche religiöse Identität und die religiöse Lebensführung als Frau betreffend und dies stärkt ihre individuelle religiöse Bindung.
Der Zugang zu öffentlichem und privatem Kapital ist für Innovationen unerlässlich. Zur Beantwortung der Frage, wie KMU ihre Innovationstätigkeit in Deutschland derzeit finanzieren, wird anhand eigens erhobener Unternehmensdaten eine Analyse vorgestellt. Hierbei wird zunächst ein originärer Innovationsindex entwickelt, um innovative KMU statistisch sauber zu klassifizieren. Die anschließende Untersuchung des Finanzierungsverhaltens unterschiedlich innovativer KMU zeigt auf, dass je nach Innovationsgrad Nuancen im Finanzierungsmix bestehen. Im Ergebnis wird nachgewiesen, dass die verfügbaren internen Finanzmittel die Innovationstätigkeit und somit das Wachstum innovativer Unternehmen limitieren. Typische Innovationspartner, in Form von Beteiligungskapital (Venture Capital/Private Equity) oder Business Angels, können die aufgezeigte Kapitallücke bisher nicht schließen. Vorwiegend durch öffentliche Subventionen wird der Mangel an Finanzierungsalternativen teilweise kompensiert. Diese empirisch gewonnenen Erkenntnisse werden in den gesamtwirtschaftlichen Kontext eingeordnet und Handlungsnotwendigkeit sowie Vorschläge präsentiert. Die bisherige Forschungs- und Innovationsförderung wird aus der Perspektive innovativer KMU kritisch beleuchtet und es werden Alternativen für die deutsche Förderpolitik - u.a. im internationalen Vergleich - abgeleitet.
Evaluierung auf kommunaler Ebene : ein erweitertes Modell der Erfolgskontrolle in der Stadtsanierung
(2002)
Im Rahmen der Dissertation wird die Anwendung und Wirkung von Kernelementen des New Public Management (NPM) am Beispiel der Bürgerdienste der sechs europäischen Hauptstädte Berlin, Brüssel, Kopenhagen, Madrid, Prag und Warschau analysiert. Hierbei steht der Vergleich von Hauptstädten der MOE-Staaten mit Hauptstädten alter EU-Mitgliedsstaaten im Vordergrund. Es wird die folgende Forschungshypothese untersucht: Die Verwaltungen in den Hauptstädten der östlichen Mitgliedsstaaten der EU haben in Folge der grundsätzlichen gesellschaftlichen und politischen Umbrüche in den 1990er Jahren bedeutend mehr Kernelemente des NPM beim Neuaufbau ihrer öffentlichen Verwaltungen eingeführt. Durch den folgerichtigen Aufbau kundenorientierter und moderner Verwaltungen sowie der strikten Anwendung der Kernelemente des New Public Management arbeiten die Bürgerdienste in den Hauptstädten östlicher EU-Mitgliedsstaaten effizienter und wirkungsvoller als vergleichbare Bürgerdienste in den Hauptstädten westlicher EU-Mitgliedsstaaten. Zur Überprüfung der Forschungshypothese werden die Vergleichsstädte zunächst den entsprechenden Rechts- und Verwaltungstraditionen (kontinentaleuropäisch deutsch, napoleonisch und skandinavisch) zugeordnet und bezüglich ihrer Ausgangslage zum Aufbau einer modernen Verwaltung (Westeuropäische Verwaltung, Wiedervereinigungsverwaltung und Transformations-verwaltung) kategorisiert. Im Anschluss werden die institutionellen Voraussetzungen hinterfragt, was die deskriptive Darstellung der Stadt- und Verwaltungsgeschichte sowie die Untersuchung von organisatorischen Strukturen der Bürgerdienste, die Anwendung der NPM-Instrumente als auch die Innen- und Außenperspektive des NPM umfasst. Es wird festgestellt, ob und in welcher Form die Bürgerdienste der Vergleichsstädte die Kernelemente des NPM anwenden. Im Anschluss werden die Vergleichsstädte bezüglich der Anwendung der Kernelemente miteinander verglichen, wobei der Fokus auf dem persönlichen Vertriebsweg und der Kundenorientierung liegt. Der folgende Teil der Dissertation befasst sich mit dem Output der Bürgerdienste, der auf operative Resultate untersucht und verglichen wird. Hierbei stellt sich insbesondere die Frage nach den Leistungsmengen und der Produktivität des Outputs. Es werden aber auch die Ergebnisse von Verwaltungsprozessen untersucht, insbesondere in Bezug auf die Kundenorientierung. Hierfür wird ein Effizienzvergleich der Bürgerdienste in den Vergleichsstädten anhand einer relativen Effizienzmessung und der Free Disposal Hull (FDH)-Methode nach Bouckaert durchgeführt. Es ist eine Konzentration auf populäre Dienstleistungen aus dem Portfolio der Bürgerdienste notwendig. Daher werden die vergleichbaren Dienstleistungen Melde-, Personalausweis-, Führerschein- und Reisepass-angelegenheiten unter Einbeziehung des Vollzeitäquivalents zur Berechnung der Effizienz der Bürgerdienste herangezogen. Hierfür werden Daten aus den Jahren 2009 bis 2011 genutzt, die teilweise aus verwaltungsinternen Datenbanken stammen. Anschließend wird der Versuch unternommen, den Outcome in die Effizienzanalyse der Bürgerdienste einfließen zu lassen. In diesem Zusammenhang wird die Anwendbarkeit von verschiedenen erweiterten Best-Practice-Verfahren und auch eine Erweiterung der relativen Effizienzmessung und der FDH-Methode geprüft. Als Gesamtfazit der Dissertation kann festgehalten werden, dass die Bürgerdienste in den untersuchten Hauptstädten der MOE-Staaten nicht mehr Kernelemente des NPM anwenden, als die Hauptstädte der westlichen Mitgliedsstaaten der EU. Im Gegenteil wendet Prag deutlich weniger NPM-Instrumente als andere Vergleichsstädte an, wohingegen Warschau zwar viele NPM-Instrumente anwendet, jedoch immer von einer westeuropäischen Vergleichsstadt übertroffen wird. Auch die Hypothese, dass die Bürgerdienste in den Hauptstädten der MOE-Staaten effizienter arbeiten als vergleichbare Bürgerdienste in den Hauptstädten westlicher EU-Mitgliedsstaaten wurde durch die Dissertation entkräftet. Das Gegenteil ist der Fall, da Prag und Warschau im Rahmen des Effizienzvergleichs lediglich durchschnittliche oder schlechte Performances aufweisen. Die aufgestellte Hypothese ist durch die Forschungsergebnisse widerlegt, lediglich das gute Abschneiden der Vergleichsstadt Warschau bei der Anwendungsanalyse kann einen Teil der These im gewissen Umfang bestätigen.
Die Populärkultur hat mit der Sitcom ein eigentümliches Genre im Fernsehen etabliert. Während Fernsehserien oft hinausblicken in jene Bereiche, die sich zum Teil drastisch von der Lebenswelt des Zuschauers unterscheiden, widersetzt sich die Sitcom seit über einem
halben Jahrhundert dieser Blickrichtung. Stattdessen lenkt sie die populärkulturelle Aufmerksamkeit auf Themen, die diesseits unseres
lebensweltlichen Horizonts verortet sind und liefert Alltagsbeschreibungen in pointierter Form. Damit bündelt sie eine Fülle von gesellschaftlichen Relevanzen und situiert sie dort, wo sie zugleich ihr Publikum findet: zu Hause, in den eigenen vier Wänden.
Situation Comedies erweisen sich nicht nur deswegen als soziologische Erkenntnismittel, die – gerade weil es sich bei ihnen um Wirklichkeitskonstruktionen zweiter Ordnung handelt – normativ aufgeladene Bilder des Alltags zeigen. Im Genre der Sitcom wird dem Alltag als Sujet gleichsam ein medialer Ort innerhalb der Populärkultur zugewiesen.
Die damit einhergehenden soziologischen und medialen Facetten ergründet die vorliegende Studie – als erste deutschsprachige Monografie zu dem Thema – im Hinblick auf verschiedene Topoi wissenssoziologisch und hermeneutisch am Beispiel ausgewählter Sitcoms der zurückliegenden 20 Jahre. Als beeindruckend erweisen sich hierbei die tiefgreifenden und bildhaften Analysen der Sitcoms und ihre Rückbindungen an wissens-, kultur- und allgemeinsoziologische Erkenntnisse. Die Sitcom erscheint als Unter-haltungsformat, das nicht nur Alltagsgeschichten erzählt, sondern die Produktions- und Rezeptionsbedingungen dieser Geschichten immer auch miterzählt. Es handelt sich mithin um mediale Artefakte, die gleichsam als unterhaltsame Mittel gesellschaftlicher Wahrnehmung und medialer Selbstwahrnehmung auftreten.
Angelegt als qualitative Studie an der Schnittstelle von Medien- und Sozialwis-senschaften, fügt das Buch dem gegenwärtigen Diskurs um Populärkultur, Fernsehserien und Kulturwissenschaften eine soziologisch fundierte Perspektive hinzu, die für Sozial- und Medienwissenschaftler ebenso anregend ist wie für jene, die mit besonderem Augenmerk auf die gegenwärtige akademische Rezeption von TV-Serien schauen – kenntnisreich dargelegt in einer klaren und zugänglichen Sprache
Die Praktische Fahrerlaubnisprüfung dient der Erfassung und Beurteilung der Fahrkompe-tenz von Fahrerlaubnisbewerbern. Die aus dieser Prüfung gewonnenen Rückschlüsse auf das Niveau der Fahrkompetenz sollen insbesondere auch der Weiterentwicklung des Bewerbers dienen. Bisher erhalten Bewerber nur bei nicht bestandener Praktischer Fahrerlaubnisprü-fung eine Auflistung der wichtigsten Fehler, die zum Nichtbestehen geführt haben. Für ein zielgerichtetes Weiterlernen ist es aber notwendig, dass die Ergebnisse der Leistungserfas-sung und der Leistungsbewertung gemäß prüfungsdidaktischer Grundsätze pädagogisch an-spruchsvoll an alle Fahranfänger (unabhängig vom Prüfungsergebnis) zurückgemeldet wer-den.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, die Gestaltungsgrundlagen und einen Umset-zungsvorschlag für ein kompetenzbezogenes und lernförderliches Rückmeldesystem für die Praktische Fahrerlaubnisprüfung zu erarbeiten. Dieses Rückmeldesystem soll in der Praxis erprobt werden. Darüber hinaus sollen anhand einer Bewerberbefragung zur Nutzerzufrie-denheit Erkenntnisse für die Weiterentwicklung gewonnen werden. Der Entwicklungs- und Erprobungsprozess des optimierten Rückmeldesystems lässt sich in drei Projektphasen auf-teilen:
1. Im Zuge der Optimierungsarbeiten zur Praktischen Fahrerlaubnisprüfung wurde in der ersten Projektphase ein neues Rückmeldesystem erarbeitet, das aus einem kompetenz-bezogenen mündlichen Auswertungsgespräch und einer ergänzenden schriftlichen Rückmeldung einschließlich weiterführender Lernhinweise für alle Bewerber besteht. Dieses Rückmeldesystem soll einerseits die Fahranfänger dabei unterstützen, die Leis-tungsbewertung inhaltlich besser zu verstehen sowie ein zielgerichtetes Weiterlernen ermöglichen. Andererseits soll es die Bewerber dazu motivieren, die festgestellten Kompetenzdefizite weiter zu bearbeiten, und dadurch Lernzuwachs fördern.
2. Das Rückmeldesystem wurde in der zweiten Projektphase in verschiedenen Modell-
regionen Deutschlands anhand von ca. 9.000 realen Praktischen Fahrerlaubnisprüfun-gen erprobt. Die Fahrerlaubnisbewerber, die in den Modellregionen an einer optimier-ten Praktischen Fahrerlaubnisprüfung teilgenommen und somit eine schriftliche Rückmeldung gemäß der optimierten Vorgaben bzw. einen individuellen Zugangscode zum Downloadbereich erhalten haben, wurden zu einer Befragung eingeladen. Dabei wurden vor allem Aspekte der Akzeptanz und der Lernwirksamkeit aus Sicht der Be-werber erfasst. Ziel war es, die Qualität der verkehrspädagogischen Gestaltung des Rückmeldesystems und seinen Nutzen zu untersuchen, um die erprobte Rückmeldung weiterzuentwickeln. Für die Bewerberbefragung wurde eine Onlinebefragung mit ei-nem standardisierten Fragebogen durchgeführt.
3. Die Erprobungs- und Befragungsergebnisse dienten in der dritten Projektphase der Ableitung von Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung des Rückmeldesystems. Die vorliegenden Ergebnisse der Felderprobung deuten darauf hin, dass die Bereitstel-lung einer schriftlichen, ausführlichen Rückmeldung zu den Prüfungsleistungen der Praktischen Fahrerlaubnisprüfungen insgesamt als nützlich und gewinnbringend ange-sehen wird. Allerdings wurde auch deutlich, dass bezüglich der Umsetzung noch Op-timierungspotenzial besteht. Im Anschluss an die Erprobung wurde die schriftliche Rückmeldung daher – ausgehend von den Nutzererfahrungen während der Felderpro-bung – umfassend überarbeitet und eine revidierte Version vorgelegt.
Als Ergebnis der Arbeit liegt ein in mehreren Schritten entwickeltes, empirisch fundiertes und erprobtes Rückmeldesystem vor, das eine differenzierte Kompetenzrückmeldung er-möglicht. Die umfassende Rückmeldung bietet künftig einerseits eine verbesserte Ausgangs-lage für eine ggf. anschließende Wiederholungsprüfung und andererseits ist es dem Bewer-ber anhand der aufgezeigten Stärken und Schwächen auch nach einer bestandenen Prüfung möglich, diese Rückmeldung für das weitere Lernen zu nutzen.
Entwicklung eines Instrumentes zur Messung von Präsentismus und Handlungsempfehlungen zur Reduktion
(2018)
Die sozialwissenschaftliche Dissertation nimmt den derzeitigen DIY-Trend, konkret den Handarbeitstrend, in den Fokus. Welche individuellen Gründe und gesellschaftliche Entwicklungen bewegen die Menschen, wieder gemeinsam und/oder allein zu nähen und zu stricken, alte Dinge aufzuwerten oder anders zu nutzen bzw. einfach kreativ zu sein? Ist es der Wunsch nach dem Besonderen, die Abgrenzung von Anderen, der wiedererwachte Sinn für Gemeinschaft oder die Freude an der praktischen Arbeit? Und nicht zuletzt, gibt es eine Verbindung von Handarbeit zu einer nachhaltig orientierten Lebensweise? Ist Handarbeit eine soziale Innovation?
Die Untersuchung basiert auf dem bereichsspezifischen Lebensstilkonzept, welches verschiedene gesellschaftliche Ebenen, die individuelle, gemeinschaftliche und gesellschaftliche Ebene, einschließt. Nach einer historischen Betrachtung der Handarbeit und einer ebenen-spezifischen Literaturschau einschließlich der Auswertung von Experteninterviews zum Thema Handarbeit erfolgt im empirischen Teil die Inhaltsanalyse von zwölf leitfadengestützten problemzentrierten Interviews mit Personen, die in ihrer Freizeit handarbeiten.
Die Untersuchung bestätigt die forschungsleitenden Annahmen. Es wird deutlich, dass bei der Herausbildung der Affinität zur Handarbeit alle drei gesellschaftlichen Ebenen relevant sind: Individuelle Vorerfahrungen und Motivationen spielen ebenso eine Rolle wie die Gemeinschaft und Vernetzung mit Anderen.Gesellschaftlich betrachtet zeigt die Arbeit, dass die historischen Brüche in der Bedeutung der Handarbeit für deren heutigen Stellenwert relevant sind. Handarbeit - und im weiteren Sinne DIY - wird als soziale Innovation wahrgenommen und kann bewusstseinsbildend hinsichtlich nachhaltig orientierter Lebensweisen wirken.
Die Empirie des beginnenden 21. Jahrhunderts weist mehr autoritäre Regime aus als am Ende des 20. Jahrhunderts angenommen. Die gegenwärtige Autoritarismusforschung versucht die Fortdauer dieses Regimetyps in Hinblick auf die politischen Institutionen zu erklären – dabei bleiben politische Akteure, die nicht zum Herrschaftszentrum gehören, außen vor.
Das vorliegende Projekt untersucht die Rolle und Funktion politischer Opposition in autoritären Regimen. Es wird davon ausgegangen, dass sich an der Opposition eine signifikante Charakteristik autoritärer Regime manifestiert. Das akteurszentrierte Projekt ist der qualitativ orientierten Politikwissenschaft zuzurechnen und verknüpft das Autoritarismuskonzept von Juan Linz mit klassischen Ansätzen der Oppositionsforschung und macht diese Theorien für die gegenwärtige Autoritarismusforschung nutzbar.
Die eigens entwickelte elitenorientierte Oppositionstypologie wird am Beispiel Kenias im Zeitraum 1990-2005 angewendet. Die Oppositionsgruppen werden im Institutionengefüge autoritärer Regime verortet und ihr politisches Agieren in den Dimensionen Handlungsstatus, Handlungsüberzeugung und Handlungsstrategie analysiert. Unter Beachtung der historisch gewachsenen regionalen und kulturellen Spezifika wird angenommen, dass generelle, Regionen übergreifende Aussagen zur Opposition in autoritären Regimen getroffen werden können: Kein Oppositionstyp kann allein einen Herrschaftswechsel bewirken. Der Wechsel bzw. die Fortdauer der Herrschaft hängt von der Dominanz bestimmter Oppositionstypen im Oppositionsgeflecht sowie der gleichzeitigen Schwäche anderer Oppositionstypen ab.
Durch die konzeptionelle Beschäftigung mit Opposition sowie deren empirische Erschließung soll ein substantieller Beitrag für die notwendige Debatte um autoritäre Regime im 21. Jahrhundert geleistet werden.
Die Interdependenz formaler und informaler Strukturen im Lichte der Systemtheorie Niklas Luhmanns
(2009)
Die meisten Menschen verbringen heutzutage den Großteil ihres Daseins in Organisationen. Sie werden immer häufiger in Organisationen geboren (Krankenhaus), in Organisationen sozialisiert (Kindergärten, Schulen usw.), sind für ihre Existenzsicherung auf Lohnzahlungen von Organisationen angewiesen, und zunehmend fristen sie ihr Lebensende in Organisationen (Krankenhaus, Altenheim etc.). Aus soziologischer Sicht sind Organisationen deshalb besonders interessant und verdienen eine besondere Beachtung in der Gesellschaftsanalyse. In dieser Untersuchung soll nicht der Siegeszug der Organisation in der soziokulturellen Evolution der Gesellschaft im Mittelpunkt stehen, sondern die Frage: Wie kommt das Driften (Maturana, Varela, 1991) der Organisation zustande? Geht man davon aus, dass in der Evolution Aussterben die Regel und Anpassung die Ausnahme ist, scheint der Aspekt des Driftens organisierter Sozialsysteme besonderes Augenmerk zu verdienen. Liest man die für Deutschland veröffentlichten Zahlen der Unternehmensinsolvenzen, gerade in den heutigen Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise, scheint der Fortbestand einer einmal ins Leben gerufenen Organisation eher ungewiss als gesichert zu sein. Des Weiteren scheint es so zu sein, dass Organisationen gewissen Lebenszyklen (Küpper, Felsch) unterworfen sind. In den älteren Organisationstheorien wurde noch von einem einheitlichen Zweck ausgegangen, der die gesamte Strukturierung der Organisation übergreift. Alle Organisationsmitglieder haben ihr Handeln im Hinblick auf die Verwirklichung dieses spezifischen Zwecks der Intention nach rational zu gestalten. In der Organisationsanalyse stellte man aber fest, dass Zweckverschiebungen innerhalb der formalen Organisationen eher die Regel als die Ausnahme sind. (Mayntz, 1963 u.a.) Dies Problem der rational gestalteten Organisation wurde somit den Organisationsmitgliedern zugeschrieben. Gleichsam als die andere Seite der formalen Organisation agieren die Mitglieder der formalen Organisation in der informellen Organisation als Mikropolitiker (Bosetzky, Heinrich, 1989), die die formalen Strukturen unterminieren, um ihre persönliche Nutzenmaximierung voranzutreiben. Übernimmt man diese Perspektive für die Betrachtung der formalen Organisation, kann man sich schwer der Annahme verweigern, dass die Organisationsmitglieder grundlegend feindlich gegenüber der Organisation gesinnt sind. Mit dieser Perspektive würde man all den freiwilligen Mitgliedern in Hilfsorganisationen, sozialen Vereinen usw. nicht gerecht werden. In der hier durchgeführten Analyse wird die Perspektive der Luhmannschen Systemtheorie eingenommen. Damit sind die Organisationsmitglieder nicht aus der theoretischen Betrachtung eliminiert, sondern im Gegenteil, sie werden in der Umwelt der organisierten Sozialsysteme verortet. Das hat den entscheidenden Vorteil, dass den Organisationsmitgliedern aus der theoretischen Betrachtung heraus mehr Freiheit zugestanden wird als in akteurszentrierten Theorien. Denn Systembildung bedeutet immer die Streichung mindestens eines Freiheitsgrades (Foerster von, 1997). Mit der Luhmannschen Systemtheorie wird des Weiteren davon ausgegangen, dass sich gleichsam unbeobachtet hinter dem Rücken der Anwesenden ein Netzwerk webt, ein soziales System sich bildet. Alle sozialen Systeme beruhen letztlich auf der Unterscheidung von Bewusstsein und Kommunikation. Die Kommunikation selbst kann man nicht beobachten sondern nur erschließen. Solange sie störungsfrei läuft, bleibt sie den Anwesenden unbewusst. Erst bei Störungen des Kommunikationsflusses macht sie sich bemerkbar, obgleich sie fast nie den Anwesenden bewusst wird. Denn die Kommunikation drillt den Menschen auf den Menschen, weil sie sich der Wahrnehmung entzieht (Fuchs, 1998). Die Autopoiesis der Kommunikation ist auf die Anwesenheit zweier psychischer Systeme bzw. Bewusstseinssysteme angewiesen. Sie ermöglichen überhaupt erst den Raum oder den Phänomenbereich, in dem die Autopoiesis sozialer Systeme möglich ist (Luhmann, 1990). Die Autopoiesis der Kommunikation setzt entsprechend immer Interaktion der Anwesenden voraus. In der Interaktion selbst, werden sich die Anwesenden in besonderer Weise wechselseitig bewusst und können sich entsprechend anders zur Geltung bringen, als in den Strukturzwängen einer formalern Organisation. Die Kommunikation selbst gibt den Beteiligten gewisse Changiermöglichkeiten an die Hand, z.B. das An- und Ausschalten verschiedener operativer Displacement (Fuchs, 1993), um ihren störungsfreien Ablauf zu ermöglichen und entsprechende Brüche zu vermeiden. Zum Beispiel den nahtlosen Übergang von einem Thema zu einem anderen. Die Interaktion selbst wird als zeitinstabiles Kontaktsystem (Luhmann, 1997) begriffen, das mit dem Auseinandergehen der Beteiligten erloschen ist. Die hier kurz angerissene Bedeutung der Kommunikation in der Luhmannschen Systemtheorie erklärt, warum ihr in der durchgeführten Analyse ein so breiter Raum eingeräumt wurde. Organisationen sind Sozialsysteme eines anderen Typs und besitzen damit verbunden ganz andere emergente Eigenschaften. Sie können mit der diffusen Kommunikation der Interaktion nichts anfangen. Ihre Operationen basieren auf Entscheidungen. Jede Entscheidung schließt an eine Entscheidungskommunikation an, aber sie selbst ist die Sinnverdichtung dieser Kommunikation. Und eben dieser Sachverhalt stellt ihre Effizienz, ihr Tempovorteil gegenüber allen anderen Typen sozialer Systeme dar. Erst wenn es der Organisation gelingt Entscheidungen an Entscheidungen zu knüpfen, ist sie in der Lage ihr eigenes Netzwerk ihrer eigenen Entscheidungen zu etablieren. Nur in der Form der Entscheidung kann sie ihre für sie selbst nicht weiter hintergehbaren Systemelemente (Entscheidungen) aneinander anschließen, Entscheidungen anhand von Entscheidungen produzieren. Gelingt ihr das, gewinnen die Entscheidungen füreinander Relevanz, können sich wechselseitig stützen, vorbereiten und entlasten. Jede Entscheidung muss jetzt ihre eigene Vorgängerentscheidung und den jeweiligen Kontext anderer Entscheidungen mit berücksichtigen. Es bildet sich ein Zusammenhang der Entscheidungen, der die Grenzen des Systems begründet und bezeichnet. Da jede Organisation sich immer nur jeweils im Moment ihres Entscheidens realisiert, bekommt sie ein Zeitproblem. Man muss nicht nur entscheiden, sondern man muss mit Bezug auf den Entscheidungszusammenhang korrekt und rechtzeitig entscheiden bevor sich das zu entscheidende Problem zu Ungunsten der Organisation von selbst erledigt hat. Alles was jetzt in der Organisation als relevant betrachtet werden soll, muss die Form einer Entscheidung annehmen. Dies bedeutet nicht, dass in der Entscheidungskommunikation nicht Einfluss auf die Entscheidung genommen werden kann, aber zum einen wird man aufgrund des Entscheidungsdrucks versuchen die Entscheidungskommunikation soweit wie möglich zu verkürzen, z.B durch Programmierung. Zum anderen sieht man der Entscheidung ihre Entscheidungskommunikation nicht an. Man kann sie nur noch erahnen. Organisationen kommunizieren am liebsten mit Organisationen in ihrer Umwelt, da diese gezwungen sind, selbst Entscheidungen zu produzieren, mit denen man selbst etwas anfangen kann. Man kann sie entweder in den eigenen Entscheidungszusammenhang übernehmen, oder man kann sie mit einer eigenen Entscheidung ablehnen. Aber jede Entscheidung, die die Organisation trifft bestätigt oder ändert ihre Strukturen. Dieser Gedankengang führte zu der Überlegung, dass informale Strukturen selbst organisierte Interaktionssysteme sein müssen. Sie müssen sich bereits in irgendeiner Form selbst organisieren. Sie stehen unter dem Gesetz des Wiedersehens. Die sozialen Kontakte werden sich in einem absehbaren Zeit- und Interessenhorizont wiederholen, sich verdichten und konfirmieren (Luhmann, 1997) und dies erfordert bereits ein gewisses Maß an Organisation. Man muss die nächsten Treffen planen, ein Thema auswählen usw. Letztlich produzieren sie Entscheidungen mit denen die formale Organisation etwas anfangen kann. Dies ist einer der Gründe, warum sich die formale Organisation zunehmend den Zugriff auf informale Strukturen ermöglicht.