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Essstörungen bei Jugendlichen im Hochleistungssport : eine Analyse sportbezogener Einflussfaktoren
(2012)
Essstörungen, wie Anorexia Nervosa oder Bulimia Nervorsa, gehen mit einer hohen psychischen Belastung einher und können gesundheitliche Schäden zur Folge haben. Bei Athleten mit einer Essstörung kann es darüber hinaus zu Einbußen in der Sportleistung kommen. Gerade für den Hochleistungssport ist es daher wichtig zu wissen, welches Risiko für Essstörungen besteht und wodurch das Risiko bedingt wird. Bisherige Studien zeigen deutliche Unterschiede zwischen den Sportarten. Eliteathleten aus ästhetischen Sportarten, wie rhythmische Sportgymnastik oder Eiskunstlauf, scheinen ein besonders hohes Essstörungsrisiko aufzuweisen. Deutlich geringere Prävalenzraten finden sich in Ballsportarten, wie Handball oder Basketball. Um zu verstehen, welche Aspekte der Sportart das Essstörungsrisiko beeinflussen, beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit der Rolle sportbezogener Variablen. In die Studien einbezogen wurden insgesamt 171 Athleten zwischen 11 und 18 Jahren (im Mittel 14.1 ± 1.8 Jahre) aus ästhetischen Sportarten und Ballsportarten, die einen Fragebogenpaket mit Instrumenten zu gestörtem Essverhalten, allgemeiner Körperunzufriedenheit, sozialem Druck im Sport, sportbezogener Körperunzufriedenheit, Schlankheitsstreben zur Leistungssteigerung und negativen Gefühle bei Trainingsausfall ausfüllten. Nach einem Jahr wieder befragt wurden 65 Athleten aus ästhetischen Sportarten. Nach Kontrolle von Alter, Geschlecht, BMI und allgemeiner Körperunzufriedenheit trugen sportbezogene Variablen signifikant zur weiteren Varianzaufklärung gestörten Essverhaltens bei. Die Längsschnittanalysen bestätigten einen Risikofaktorstatus für Schlankheitsstreben zur Leistungssteigerung. Zusammenhänge zwischen sportbezogenen Aspekten und gestörtem Essverhalten zeigten sich sowohl in Hochrisikosportarten für gestörtes Essverhalten (ästhetischen Sportarten), als auch in Niedrigrisikosportarten für gestörtes Essverhalten (Ballsportarten). Mit Ausnahme von negativen Gefühlen nach Trainingsausfall traten die sportbezogenen Variabeln häufiger in den ästhetischen Sportarten auf als in den Ballsportarten. Die eigenen Befunde verdeutlichen somit, dass der Einbezug potentieller sportbezogener Risikofaktoren − zusätzlich zu den allgemeinen Risikofaktoren − zum besseren Verständnis der Essstörungssymptomatik von Athleten beiträgt. Vor allem die Bedeutung von Gewicht für die Leistung beeinflusst das Essstörungsrisiko bei Athleten und ist stärker ausgeprägt in Hochrisikosportarten für Essstörungssymptomatik.
Gewichts- und essstörungsrelevante Auffälligkeiten sind bereits im Kindesalter verbreitet. Neben genetischen Faktoren kommt auch die familiale Vermittlung gestörten Essverhaltens als Genesefaktor in Betracht. Ab dem Alter von zehn Jahren gibt es eine breite empirische Basis für die Verknüpfung gestörten Essverhaltens zwischen Müttern und ihren Kindern. Für das Alter unter zehn Jahren existiert bislang wenig gesichertes Wissen. Die Erforschung der spezifischen Wirkung des mütterlichen auf kindliches gestörtes Essverhalten ist jedoch im Hinblick auf Ansätze zur Prävention kindlicher Gewichts- und Essstörungen für dieses Alter von Bedeutung. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde gestörtes Essverhalten von Müttern und Kindern im Alter zwischen einem und zehn Jahren sowie die Beziehung gestörten Essverhaltens von Müttern und ihren Kindern in zwei Studien analysiert. Die erste Studie verfolgte das Ziel, gestörtes Essverhalten von Müttern und Kindern sowie deren Beziehung im Kontext mütterlichen Übergewichts zu analysieren. Es wurden 219 Mütter von Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren befragt. In der zweiten Studie wurde neben mütterlichem Übergewicht die Rolle mütterlicher Essstörungssymptomatik fokussiert und in den Analysen des gestörten Essverhaltens von Kindern im Alter von einem bis zehn Jahren berücksichtigt. In die Untersuchung ging eine Stichprobe von 506 Müttern und deren Kindern ein. In beiden Studien beantworteten Mütter ein Fragebogenpaket, welches Instrumente zum gestörten Essverhalten der Mütter (emotionales, externales und gezügeltes Essverhalten) und gestörten Essverhalten des Kindes (emotionales und externales Essverhalten sowie Verlangen nach Essen) umfasste. In der zweiten Studie wurden darüber hinaus Primärsymptomatik einer Essstörung der Mutter (Schlankheitsstreben, Körperunzufriedenheit und bulimisches Essverhalten) und pathologisches Essverhalten der Kinder erfragt. Übergewichtige Mütter berichteten nicht nur höhere Ausprägungen emotionalen und externalen Essverhaltens, sondern auch mehr Schlankheitsstreben, Körperunzufriedenheit und bulimisches Essverhalten als normal- und untergewichtige Mütter. Insgesamt 26% der befragten Mütter der zweiten Studie berichteten eine relevante Essstörungssymptomatik, davon waren 62% übergewichtig. Für die Kinder konnten keine Geschlechtsunterschiede hinsichtlich des Essverhaltens nachgewiesen werden. Im Grundschulalter waren emotionales und pathologisches Essverhalten höher ausgeprägt als bei jüngeren Kindern. Kindliches Übergewicht war mit mehr emotionalem und externalem Essverhalten, Verlangen nach Essen sowie pathologischem Essverhalten verbunden. Das Vorliegen mütterlichen Übergewichts sowie einer mütterlichen Essstörungssymptomatik war mit höheren Ausprägungen v.a. emotionalen Essverhaltens des Kindes assoziiert. Die höchsten Ausprägungen emotionalen Essverhaltens zeigten Kinder, deren Mütter Übergewicht und eine komorbide Essstörungssymptomatik berichtet hatten. Darüber hinaus leisteten gestörte Essverhaltensweisen der Mutter über allgemeine und gewichtsspezifische Aspekte hinaus einen relevanten Beitrag zur Varianzaufklärung emotionalen und externalen Essverhaltens des Kindes. Dabei war emotionales und externales Essverhalten von Mutter und Kind spezifisch miteinander verknüpft. In der ersten Studie ließ sich im Rahmen eines Mediatormodells zeigen, dass die Beziehung zwischen mütterlichem BMI und emotionalem Essverhalten des Kindes vollständig durch das emotionale Essverhalten der Mutter vermittelt wurde. In der zweiten Studie moderierte das Alter des Kindes die Beziehung zwischen emotionalem Essverhalten von Müttern und ihren Kindern in Richtung einer signifikanten Assoziation ab dem Alter von 5,4 Jahren des Kindes. Die vorliegende Arbeit liefert deutliche Hinweise auf die Verknüpfung zwischen mütterlichen gewichts- und essstörungsrelevanten Merkmalen und kindlichem gestörtem Essverhalten. Die Befunde legen nahe, dass emotionales Essverhalten als spezifischer Übertragungsweg gewichts- und essbezogener Störungen zwischen Müttern und Kindern in Betracht kommt und in Präventionsansätzen berücksichtigt werden sollte.