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Bei der Autorin Judith Hermann handelt es sich um eine sehr resonanzträchtige Autorin, der in der Vergangenheit eine phänomenale Aufmerksamkeit zuteil wurde und die es schaffte, sich erfolgreich auf dem Marktplatz Literatur zu positionieren und zur Bestsellerautorin zu avancieren.
Die vorliegende Studie verfolgt das Ziel, der Marke Judith Hermann auf die Spur zu kommen und die höchst unterschiedlichen Facetten der Erfolgsgeschichte zu rekonstruieren.
Juliane Witzke analysiert dazu detailliert die peri- und epitextuellen Praktiken der Jahre 1998 bis 2014 und bezieht sich dabei auf die Paratexte der ersten vier Werke der Autorin. Ergänzt werden diese Begleittexte durch eine Analyse der Bild- und Tondokumente sowie der Buchpreisverleihungen. Die grundlegende Frage lautet: Wie ist der Wandel der Inszenierungspraktiken gestaltet? Des Weiteren gibt die Arbeit – anhand von 100 Büchern der Gegenwart – Aufschluss über Strategien der Lektürelenkung der letzten 16 Jahre.
„Könn’Se berlinern?“
(2017)
Entgegen der dominierenden Rezeption ist Jean Améry, Überlebender der Konzentrationslager Auschwitz und Bergen-Belsen, ein marxistischer Denker. In Kontrastierung mit ausgewählten Werken der zeitgenössischen Intellektuellen Jürgen Habermas, Theodor W. Adorno und Jean-Paul Sartre zeichnet Sabine Volk die Konturen nach, die Amérys marxistisch-humanistisch geprägten Begriff des Engagements deutlich hervortreten lassen und eine Revision des bisherigen Améry-Bildes nahelegen. Das Buch zeigt, dass Wissenschaft nach Auschwitz auf mindestens zwei Ebenen produktiv sein muss, wenn sie den Ansprüchen an eine Kritische Denkpraxis gerecht werden will: als von der individuellen Erfahrung ausgehender, dialogisch konzipierter, ideologiekritischer Entwurf einer Gesellschaftstheorie, der ständiger Aktualisierung bedarf, und als Versuch, durch die Kritik der Vergangenheit hindurch eine Utopie zu realisieren, die den fühlenden, reflektierenden und gestaltenden Menschen auf die Bühne der Weltgeschichte ruft.
Incredible !ndia – Indienreisende haben viele Eindrücke im Gepäck. Dabei sind Weblogs ein noch relativ junges Tool zur Kommunikation und Aufzeichnung der gemachten Erfahrungen. In ihrer Studie zeichnet Maria Rost aktuelle Perzeptionen und Präsentationen der Destination Indien nach mit dem Ziel, den höchst unterschiedlichen Facetten visueller, akustischer, olfaktorischer, gustatorischer und taktiler Erfahrungen von bloggenden Reisenden auf die Spur zu kommen. Vor diesem Hintergrund werden nicht nur die Handlungspraktiken der Akteure analysiert und Entwicklungsprozesse anhand von Stadtbeschreibungen, Alltagsbeobachtungen, Zeitwahrnehmungen und Selbstbeobachtungen festgehalten, sondern ergänzend zu den Weblog-Einträgen auch gepostete Fotografien herangezogen und leitfadengestützte Interviews geführt.
Der Autor als Schwankheld
(2017)
Bobrowski hatte nach dem Abitur die Absicht geäußert, Kunstgeschichte zu studieren, doch Krieg und Kriegsgefangenschaft vereitelten seinen Plan: Der Wehrmachtsangehörige wurde einzig im Winter 1941/1942 für ein Studiensemester an der Universität Berlin vom Kriegsdienst freigestellt. Nachhaltig beeindruckt war Bobrowski insbesondere von der Vorlesung „Deutsche Kunst der Goethezeit“ des Lehrstuhlinhabers Wilhelm Pinder. Trotz eines grundlegenden Einflusses ist indessen zu keinem Zeitpunkt Pinders ideologischer Hintergrund in Bobrowskis Gedichten manifest geworden. Nach der Rückkehr aus sowjetischer Gefangenschaft an Weihnachten 1949 war für den mittlerweile Zweiunddreißigjährigen an ein Studium nicht mehr zu denken. Die lebenslange intermediale Auseinandersetzung mit Werken der bildenden Kunst in seinem Œuvre kann indessen als Ausdruck seiner vielfältigen kulturgeschichtlichen Interessen und Neigungen interpretiert werden. Die Lebensphasen des Dichters korrelieren mit einer motivischen Entwicklung seiner Bildgedichte: Insbesondere half ihm die unantastbare Ästhetik bedeutender Kunstwerke, das Grauen der letzten Kriegsjahre und die Entbehrungen in sowjetischer Kriegsgefangenschaft zu überwinden. Didaktisch-moralische Zielsetzungen prägten zunächst die in den Jahren nach seiner Heimkehr entstandenen Gedichte, bevor sich Bobrowski inhaltlich und formal von diesem Gedichttypus zu lösen vermochte und vermehrt Gedichte zu schreiben begann, die kulturgeschichtliche Dimensionen annahmen und historische, mythologische, biblische und religionsphilosophische Themen in epochenübergreifende Zusammenhänge stellten. Die Gedichte über die Künstler Jawlensky und Calder berühren gleichzeitig kulturlandschaftliche Aspekte. Im letzten Lebensjahrzehnt interessierte sich Bobrowski zunehmend für die Kunst des 20. Jahrhunderts, während die moderne Architektur aus seinem Werk ausgeklammert blieb.
Architektur bildet eine Leitmotivik in Bobrowskis lyrischem Werk. Die übertragene Bedeutungsebene der in den Gedichten benannten sakralen und profanen Einzelbauten, aber auch der städtischen und dörflichen Ensembles sowie einzelner Gebäudeteile, verändert sich mehrfach im Laufe der Jahre. Ausgehend von traditionellen, paargereimten Jugendgedichten in jambischem Versmaß, in denen architektonische Elemente Teil einer Wahrnehmung bilden, die alles Außerästhetische ausblendet, wandelt sich der Sinngehalt der Sakral- und Profanbauten in Bobrowskis lyrischem Werk ein erstes Mal während den Kriegsjahren in Russland, die der Wehrmachtsangehörige am Ilmensee verbracht hat. In den damals entstandenen Oden zeugen die architektonischen Relikte von Leid, Tod und Zerstörung. Noch fehlt indessen der später so zentrale Gedanke der Schuld, der erst im Rückblick auf jene Zeit in den Gedichten, die nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft bis zu Bobrowskis frühem Tod entstanden sind, thematisiert worden ist.
Gegen Ende des Kriegs und in den Jahren der Kriegsgefangenschaft besinnt sich Bobrowski erneut auf Heimatthemen, und die Architektur in seinen Gedichten wird zu einem ästhetisch überhöhten Fluchtpunkt seiner Sehnsucht nach Ostpreußen und dem Memelgebiet. In Kriegsgefangenschaft tritt erstmals der Aspekt des Sublimen in seinen Gedichten auf, und zwar sowohl bezogen auf die Malerei als auch auf die Architektur. Dieser Gedanke wird einerseits nach der Rückkehr nach Berlin in den Gedichten über die Architektur gotischer Kathedralen und das bauliche Erbe des Klassizismus weitergesponnen, doch steht in den damals entstandenen Gedichten das Kulturerbe Europas auch für historisches Unrecht und eine schwere, weit zurückreichende Schuld.
Von dieser auf den ganzen Kontinent bezogenen Kritik wendet sich Bobrowski in den nachfolgenden Jahren ab und konzentriert sich auf die Schuld der Deutschen gegenüber den Völkern Osteuropas. Damit erhält auch die Architektur in seinen Gedichten eine neue Bedeutung. Die Relikte der Ritterburgen des deutschen Ordens zeugen von der Herrschaft der mittelalterlichen Eroberer und verschmelzen dabei mit der Natur: Das Zeichenhafte der Architektur wird Teil der Landschaft. Im letzten Lebensjahrzehnt entstehen vermehrt Gedichte, die sich auf Parkanlagen und städtische Grünräume beziehen.
Der Dichter hat sich nicht nur auf persönliche Erfahrungen, sondern mitunter auch auf Bildquellen abstützt, ohne dass er das Original je gesehen hätte. Nur schwer zugänglich sind die Gedichte über Chagall und Gauguin ohne die Erkenntnis, dass sie sich auf Bildvorlagen in schmalen, populärwissenschaftlichen Büchern beziehen, die Bobrowski jeweils kurz vor der Niederschrift der entsprechenden Gedichte erworben hat. Anders verhält es sich mit jenen russischen Kirchen, die Eingang in sein lyrisches Werk gefunden haben. Bobrowski hat sie alle selbst im Krieg gesehen, und die meisten scheinen noch heute zu bestehen und können mit einiger Sicherheit identifiziert werden, wozu auch die Briefe des Dichters aus jener Zeit beitragen.