Sozialwissenschaften
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Der Beitrag widmet sich zwei überaus fruchtbaren theoretischen Ansätzen in der Policy-Forschung und darüber hinaus: der Vetospielertheorie und Vetopunkt-Ansätzen. Neben den Grundzügen beider Ansätze stellen wir grundlegende Entwicklungslinien und Probleme dieser Literaturen anhand beispielhafter Studien dar. Es zeigt sich, dass beide Ansätze teils kontroverse Annahmen treffen, zu denen es plausible Alternativen gibt. Zum Beispiel kann das Verhalten von Koalitionsparteien im Policy-Prozess anders als von der Vetospielertheorie angenommen modelliert werden. Die kausalen Effekte bestimmter Institutionen oder Vetopunkte können zudem je nach Kontext variieren. Diesem Kontext sollte größere Beachtung geschenkt werden.
Eskalation
(2023)
Die Ereignisse um den G20-Gipfel im Juli 2017 haben viele Menschen schockiert und die Hamburger Stadtgesellschaft gespalten. Sie stehen in starkem Kontrast zu dem Sicherheitsversprechen, das der Senat im Vorfeld abgegeben hat, ebenso wie zu der Ankündigung, der Gipfel werde ein „Festival der Demokratie“. Dass ein Gipfelprotest in Unruhen mit breiter Beteiligung überging aber auch das teils gewaltsame polizeiliche Vorgehen gegen Protestierende ist erklärungsbedürftig. In der anhaltenden Diskussion über die Hintergründe der Auseinandersetzungen werden zumeist entweder die Polizei oder „gewaltbereite Gruppen“ für das Ausmaß der Gewalt verantwortlich gemacht. Letzteres lässt sich jedoch nur bedingt aus Motiven und vorgefassten Plänen bestimmter Akteure ableiten. Ein großer Teil der Gewalt entsteht – dies gerät allzu oft aus dem Blick – maßgeblich in Prozessen der Eskalation, in denen die Handlungen der verschiedenen Beteiligten miteinander verflochten sind, insofern sie auf Grundlage ihrer Deutung vorangegangener Erfahrungen und ihrer Wahrnehmung des Gegenübers aufeinander reagieren. Situationen der Gewalt haben zudem ihre eigene, in manchen Fällen kaum steuerbare, Dynamik. Der Bericht rekonstruiert, wie und warum die Gewalt in Hamburg in dieser Form eskalierte. Er enthält sich weitgehend einer moralischen Einordnung. Er beleuchtet konkrete Situationen des Aufeinandertreffens der Konfliktparteien und bettet sie in einen größeren Kontext ein, unter anderem in Hinblick auf die Konstitution der beteiligten Gruppen und in Hinblick auf die mediale Deutung des Geschehens. Der Bericht fasst die ersten Ergebnisse eines Forschungsprojektes zusammen, an dem über acht Monate mehr als 20 Gewalt-, Protest- und Polizeiforscher*innen mitgewirkt haben. Er beruht auf einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen: Interviews mit Beteiligten, Dokumente, Filmaufnahmen und Fotografien, die Kommunikation auf Twitter und die Berichterstattung in ausgewählten Tageszeitungen, Beobachtungsprotokolle aus der Protestwoche und danach. Die Analyse gliedert sich in drei Teile. (1) Die Ausgangskonstellation, in der sich die unmittelbar Beteiligten, Polizei und Protestierende, auf die Protestwoche einstellen und prägende Grundkonflikte sichtbar werden. (2) Schlüsselsituationen, in denen Konflikte ausgetragen werden und die Muster der Eskalation im Kleinen sichtbar machen. (3) Die mediale Deutung und Formung der Ereignisse, über die der Fokus auf „Gewalt“ verstärkt und die jeweils eigene Wahrnehmung bestätigt wird. Für die Analyse der Entstehung von Gewalt ist der Fall ein eindrückliches Beispiel für die Verkettung von Ereignissen ebenso wie für die Eigendynamik situativer Konfrontationen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Planungen, Erwartungen und Entscheidungen der Handelnden keine Rolle spielen würden. Die Dynamik des Geschehens verwirklicht sich, im Gegenteil, gerade darin, dass die Beteiligten in der Verflechtung ihrer Handlungen ihre Kalkulationen verändern und Situationsdeutungen entwickeln, welche Gewalt möglich oder notwendig erscheinen lassen
Einleitung
(2022)
Ausblick
(2022)
Die Transformation der öffentlichen Verantwortung im Bereich der sozialen Wohlfahrt führte in den letzten Jahren zu einem gestiegenen Forschungsinteresse an Mitarbeiten-den, die sich an der Schnittstelle zwischen öffentlicher Verwaltung und direktem Kontakt zu Klient*innen befinden. Die vorliegende Arbeit geht am Beispiel der Schulsozialarbeit an Potsdamer Grundschulen der Frage nach, inwieweit Vertrauen in Klient*innen die Nutzung von Ermessensspielräumen durch Schulsozialarbeiter*innen beeinflusst. Das Street-Level Bureaucracy Framework nach Michael Lipsky spannt dabei den theoretischen Rahmen, während qualitative Interviews mit Schulsozialarbei-ter*innen die Basis für die Beantwortung der Forschungsfrage darstellen. Die Ergebnis-se zeigen, dass ein geringeres Maß an Vertrauen in Klient*innen dafür sorgt, dass Schulsozialarbeiter*innen durch Bewältigungsstrategien wie der Rationierung von Res-sourcen und dem gedanklichen Rückzug von Klient*innen versuchen, ihre Arbeitslast zu verringern. Ein höheres Maß an Vertrauen in Klient*innen sorgt hingegen dafür, dass sie ihre Ermessensspielräume zu Gunsten dieser Klient*innen nutzen, zum Beispiel durch das Umgehen von Datenschutzregeln zur effektiveren Fallbearbeitung.
Zunehmend komplexe Herausforderungen und Aufgaben lassen sich nicht mehr mit den bisherigen Strukturen, Methoden und Prozessen der klassischen Verwaltung bewältigen. Vielmehr gewinnen Ansätze und Methoden des New Work im öffentlichen Sektor angesichts der sich stetig ändernden und dynamischen Arbeitswelt eine immer größere Bedeutung. Umso mehr besteht die Notwendigkeit, sich in der Verwaltung agil aufzustellen. Unter Agilität wird hierbei die Fähigkeit einer Organisation verstanden, sich schnell verändernden Rahmenbedingungen flexibel und dynamisch anzupassen.
Im Fokus dieser Arbeit steht der Einfluss von Agilität auf die Führungskräfte-Mitarbeiter-Beziehung. Mittels einer halbstandardisierten Online-Befragung im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten und im Bezirksamt Neukölln von Berlin wird zunächst der vorliegende Agilitätsgrad mit dem Fokus auf agile Organisationsstrukturen, agile Organisationskultur und agile Führung ermittelt und sodann anhand der Qualität der dyadischen Arbeitsbeziehung von Führungskraft und Mitarbeiter (LMX-Qualität) überprüft, inwiefern die agile Arbeitsweise im Vergleich zu einer nicht-agilen Arbeitsumgebung die Beziehung beeinflusst.
Im Ergebnis der Untersuchung zeigt sich, dass ein positiver Zusammenhang zwischen Agilität und der Führungskräfte-Mitarbeiter-Beziehung besteht. Es stellt sich in beiden Ämtern ein mäßig bis starker Agilitätsgrad heraus, wobei besonders agile Führungseigenschaften zu den wesentlichen Faktoren zählen, die eine hochqualitative Beziehung begünstigen. Während im Bezirksamt ein Zusammenhang zwischen Agilität und hoher LMX-Qualität ermittelt wurde, konnte dieser nicht für die untersuchte Stichprobe des Landesamts festgestellt werden. Dennoch ließ sich in beiden Behörden ein positiver Einfluss von Agilität auf zumindest die Entwicklung einer erfolgreichen Führungskräfte-Mitarbeiter-Beziehung erfassen.
Typen von Forschungsdesigns
(2022)
Sozialwissenschaftliche Forschungsdesigns umfassen alle wesentlichen Entscheidungen, die im Forschungsprozess getroffen werden müssen. Der Beitrag unterscheidet drei rundlegende Typen von Forschungsdesigns: x-zentriert, y-zentriert und kontrastiv. Das x-zentrierte Design versucht einen theoretisch spezifizierten kausalen Effekt zu identifizieren und dessen Größe möglichst genau und ohne Verzerrungen zu schätzen. Das y-zentrierte Design versucht mehrere komplementäre Theorien über kausale Effekte so zu kombinieren, dass bestimmte Phänomene möglichst gut erklärt werden. Das kontrastive Design vergleicht die Erklärungskraft von zwei oder mehr konkurrierenden Theorien. Die Unterscheidung der drei Typen ist für qualitative Fallstudien ebenso relevant wie für Experimente oder statistische Studien mit Beobachtungsdaten. Der Beitrag grenzt die drei Typen voneinander ab, erklärt ihre jeweiligen Annahmen und diskutiert ihre Vor- und Nachteile sowie die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Kombination. Daneben diskutiert er den Unterschied zwischen Modellen und Theorien sowie die Bedeutung des Sparsamkeitsprinzips bei der Entwicklung und Bewertung wissenschaftlicher Theorien und Erklärungen.
Mit narrativen Medien lernen
(2022)
Serene Khader ist eine der wenigen feministischen Philosoph:innen in der anglosächsischen Philosophie, die sich gezielt mit globaler Ungerechtigkeit und Imperialismus aus Sicht jener Frauen beschäftigen, die von kolonialer und kultureller Herrschaft betroffen sind. Hierbei entlarvt sie eindrucksvoll die oftmals westliche Prägung von Feminismus, Gleichstellungspolitik und Philosophie und verfolgt so das Ziel, die Autonomie und Entscheidungskraft aller Frauen anzuerkennen. So zielt Khader in Decolonizing Universalism: A Transnational Feminist Ethic auf eine Neuausrichtung der feministischen Perspektive, welche es schafft, dekolonial und anti-imperialistisch zu sein, ohne gleichzeitig dem Universalismus komplett abzuschwören. Die folgende Buchdiskussion begibt sich in eine kritische Auseinandersetzung mit Khaders interessanter wie wichtiger Theorie. Einleitend werden wir einen Überblick über Khaders Grundgedanken geben. Es schließen sich kritische Kommentare von Tamara Jugov, Mirjam Müller, Kerstin Reibold sowie Hilkje C. Hänel und Fabian Schuppert an, auf die Serene Khader abschließend antwortet.
In diesem Beitrag untersuchen wir den Zusammenhang zwischen staatlicher Regulierung im Umweltschutz und der Umweltperformanz. Ausgehend von drei theoretischen Perspektiven, welche die Beziehung von Staat und Markt beim Umweltschutz unterschiedlich konzeptualisieren, identifizieren wir fünf Pfade, wie staatlicher Eingriff und Umweltperformanz miteinander verknüpft sein könnten. Wir untersuchen dann die empirische Relevanz dieser Pfade mit einer quantitativen Analyse, die 29 umweltpolitische Maßnahmen in für 37 Länder und den Zeitraum von 1970 bis 2010 umfasst. Dabei finden wir zumindest für einige Politikbereiche und einige Länder Hinweise, die auf eine Effektivität nationalstaatlicher Regulierung hinweisen. Zukünftige Forschung kann auf unserem Rahmen aufbauen, um weitere Hypothesen zum Policy-Outcome-Nexus zu generieren und zu testen.
Spannung mit dem Strom-Quiz
(2021)
Vorwort
(2021)
Dieser Beitrag in der Zeitschrift GIO schlägt eine äquivalenzfunktionalistische Perspektive auf postbürokratische Reformen vor, die Teile der Unsicherheitsabsorption von Organisationen in Interaktionssysteme verlagern. Postbürokratie versucht, organisationale und gesellschaftliche Entwicklungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf den Begriff zu bringen. Auch aktuelle agile Managementkonzepte lassen sich der Postbürokratie zuordnen und zeichnen sich unter anderem durch eine Multiplikation von Interaktionen aus. Mithilfe der Theorie sozialer Systeme untersuchen wir wie neue Unsicherheiten in Organisationen durch postbürokratische Reformen entstehen und von agilen Managementkonzepten bearbeitet werden. An den agilen Konzepten Scrum und Holacracy wird gezeigt, dass diese Verlagerung neuen Formalisierungsbedarf produziert. Im Fokus stehen dabei die Zentrierungen kommunikativer Interdependenzen in Interaktionen in der Sach‑, Zeit- und Sozialdimension. Der Beitrag plädiert für eine äquivalenzfunktionalistische Perspektive auf Postbürokratie, die den Zusammenhang von Formalisierungsverzicht in Organisationen und neuen Formalisierungsbedarfen als funktionalen Leistungszusammenhang begreift.
Ausgehend von der Teilung in nichtaktive (Haushalt) und aktive Bevölkerung (Markt) fragt der Beitrag nach der Rolle, die statistische Vergleichsverfahren bei dieser Grenzziehung in der Welt der Arbeit spielen. Dies geschieht vor dem Hintergrund der Verzweigung von zwei strukturellen Entwicklungen, nämlich dem Wandel der (Arbeits‑)Welten und der statistischen Vergleichsverfahren. Der Beitrag gehört zu den ersten, der diese Nahtstelle systematisch und empirisch an der nationalen und internationalen (Beschäftigungs‑)Statistik untersucht. In diesem Beitrag schlage ich vor, die beiden Beobachtungsebenen als ein Feld der inter/nationalen Statistik zu verstehen. Ihre Ähnlichkeiten, Unterschiede und Verzweigungen werden soziologisch bislang noch nicht wahrgenommen. Im Unterschied dazu behandele ich sie aus einer wissensgeschichtlichen und wissenssoziologischen Perspektive gemeinsam hinsichtlich ihrer Selektionsleistungen, Beobachtungsinstrumente und Beschreibungsebenen. Die Ergebnisse zeigen die zunehmende Spezifizierung und Ausdehnung der ökonomischen Dimension von Arbeitstätigkeiten, die durch die Ordnungstechniken der inter/nationalen Statistik, verstärkt nach 1945, forciert werden. Diese Verschiebungen, so das Argument, sind eng mit dem Aufstieg des technischen Wissens im „technical internationalism“ verbunden, die nach 1945 das statistische und das Alltagsverständnis von der wirtschaftlich nichtaktiven Haushaltsarbeit bekräftigen.
Mundus vult decipi
(2021)
Die Menschen glauben, was sie glauben wollen. Betonung auf wollen. (…) Nein, der Glaube der Menschen hängt nicht von Fakten ab, nicht von Beweisen. Schlimmer noch – und das ist fast so etwas wie der zweite Teil der Erleuchtung, eine Steigerung: Man kann ihnen Fakten liefern, man kann sie widerlegen, es hilft nichts. Im Gegenteil, wer etwas glauben will, findet einen Weg! Er wird sich durch den winzigen Spalt quetschen, den die Wahrheit im lässt. Wird die Dinge so lange so drehen und wenden, bis sie wieder in seinen Glauben hineinpassen, und seine ganze Klugheit wird ihn nicht etwa daran hindern, sondern ihm noch dabei behilflich sein.
Eugen Ruge, Metropol
Toren sind, die alles loben und lieben, was im Nebel verdrehter Worte dunkel daherkommt; Toren, die für wahr halten, was ihnen eingefärbt durch wohltönende Phrasen, reizvoll die Ohren kitzelt.
Lukrez, Über die Natur der Dinge
Ein Volkskanzler
(2021)
Wie Grundrechte unter den Augen aller ausgehöhlt und umgebaut werden, wie kurz der Weg von der Demokratie zur Diktatur ist, zeigt Maximilian Steinbeis‘ Gedankenexperiment »Ein Volkskanzler« in sechs Schritten. Auf der Grundlage seines Essays hat er ein Theaterstück verfasst, das bereits auf vielen Bühnen gespielt und nun auch als Kammerspiel verfilmt wurde.
Die didaktische Handreichung unterstützt Lehrerinnen und Lehrer bei der Einbettung des Theaterstücks oder der Verfilmung von »Ein Volkskanzler« im Unterricht.
Aporien des Rechts
(2021)
Organisation und Algorithmus
(2021)
Der vorliegende Beitrag analysiert, wie Organisationen Algorithmen, die wir als digitale Beobachtungsformate verstehen, mit Handlungsfähigkeit ausstatten und damit actionable machen. Das zentrale Argument lautet, dass die soziale Relevanz digitaler Beobachtungsformate sich daraus ergibt, dass und wie sie in organisationale Entscheidungsarchitekturen eingebettet sind. Diesen Zusammenhang illustrieren wir am Beispiel des österreichischen Arbeitsmarktservice (AMS), der 2018 einen Algorithmus einführte, um die Integrationschancen arbeitsuchender Personen zu bewerten. Der AMS steht dabei stellvertretend für aktuelle Bestrebungen vieler Organisationen, algorithmische Systeme einzusetzen, um knappe öffentliche Ressourcen vermeintlich effizienter zu distribuieren. Um zu rekonstruieren, wie dies geschieht, zeigen wir, welche Operationen des Kategorisierens, Vergleichens und Bewertens das algorithmische Modell vollzieht. Darauf aufbauend demonstrieren wir, wie das algorithmische Modell in die organisationale Entscheidungsarchitektur eingebunden ist. Erst durch diese Einbindung – die Möglichkeit, Unterschiede für andere, relativ stabil erzeugte Entscheidungen zu machen – entfaltet das digitale Beobachtungsformat soziale Relevanz. Abschließend argumentieren wir, dass algorithmische Modelle, wie sie am Fall des AMS beobachtet werden können, dazu tendieren, sich in Organisationen zu stabilisieren. Dies begründen wir damit, dass die organisationalen Lernchancen im Umgang mit dem Algorithmus dadurch reduziert sind, dass dieser in einem Bereich zum Einsatz kommt, der durch Technologiedefizit und koproduktive Leistungserstellung geprägt ist.
Die vorliegende Research Note stellt die erste systematische Dokumentation der Gesetzgebung in den deutschen Landtagen vor. Der Datensatz umfasst insgesamt 16.610 dokumentierte Gesetzgebungsvorgänge zwischen den Jahren 1990 und 2020. Nach einer Beschreibung des Datensatzes werden einige Gesetzgebungsmuster in den deutschen Ländern exemplarisch dargestellt. Die Landesgesetzgebung erweist sich dabei als stark durch den neuen Dualismus zwischen Regierung und Opposition geprägt. Im Initiativverhalten lassen sich zudem die Anreize des thematischen Parteienwettbewerbs ablesen. Wenig Evidenz findet sich für die These, dass innerkoalitionäre Gegensätze die Dauer der Gesetzgebungsverfahren in die Länge ziehen. Der mit dieser Research Note veröffentlichte Datensatz steht der Forschung für die Untersuchung zahlreicher weiterer Fragestellungen zur Verfügung.
Ingo Juchler setzt sich am Beispiel des Romans „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“ (1999) von Thomas Brussig mit „Groteske und Satire im DDR-Roman als didaktische Momente in der politischen Bildung“ auseinander. Nach der Einführung in den Roman erörtert er dessen politischen Sinngehalt, den er in der Auseinandersetzung mit den literarischen Leitfiguren des Romans, Friedrich Schiller und Jean-Paul Sartre, im besonderen Wert der Freiheit findet. Den Toten der Berliner Mauer, die davon Zeugnis geben, setzt Juchler im abschließenden Kapitel ein Denkmal.
Obwohl seit der Finanzkrise 2008 systemische Finanzrisiken das Objekt zahlreicher wissenschaftlicher Studien waren, hat die Frage, unter welchen Bedingungen und Umständen die Auferlegung eines systemischen Finanzrisikos moralisch unzulässig ist, bisher kaum Beachtung gefunden. Ziel dieses Aufsatzes ist es, eine Reihe von normativen Kriterien für die Einschätzung der moralischen Unzulässigkeit von systemischen Risiken zu entwickeln. Darüber hinaus wird argumentiert, dass staatliche und andere relevante Institutionen zwei zentrale Pflichten hinsichtlich des Umgangs mit systemischen Finanzrisiken haben: eine Schutzpflicht gegenüber allen Bürger*innen und eine Sorgfaltspflicht, um die diesen Institutionen obliegenden Kontroll- und Aufsichtsfunktionen verantwortungsvoll auszuüben.
Hauptanliegen dieser Bachelorarbeit ist es, verschiedene Interpretationsmöglichkeiten des Films „Zoomania“ aufzuzeigen und für dessen politikdidaktische Potenziale im Rahmen eines kompetenzorientierten Politikunterrichts zu sensibilisieren. Außerdem werden allgemeine Aspekte des didaktisch-reflektierten Einsatzes von Spielfilmen im Politikunterricht diskutiert.
Dazu wurde die zum Themenbereich vorhandene fachwissenschaftliche, fach- und mediendidaktische Literatur interdisziplinär aufgearbeitet und der Film „Zoomania“ erstmalig politikdidaktisch analysiert sowie hinsichtlich seiner Eignung für den Unterricht beurteilt.
Das Ergebnis dieses Vorgehens sind die folgenden vier inhaltlichen politikdidaktischen Potenziale, die die exemplarische Bedeutung von „Zoomania“ für ebendiese allgemeinen und potenziell unterrichtsrelevanten Sachverhalte versinnbildlichen: Rassismus, Vorurteile und Toleranz; Macht; Female Empowerment; Neoliberalismus und Promotion neoliberaler Werte.
Insbesondere durch die enthaltenen unterrichtspraktischen Schlussfolgerungen richtet sich diese Arbeit vordergründig an Politiklehrerinnen und -lehrer, die dazu ermuntert werden sollen, „Zoomania“ als motivierendes Unterrichtsmedium zum Erschließen des Politischen zu nutzen. Dies verlangt jedoch auch nach der Lektüre der vorliegenden Thesis, dass der Film vertiefend didaktisch analysiert und daraufhin zielgerichtet eingesetzt wird.
Unter Verschluss
(2020)
Die Praktische Fahrerlaubnisprüfung dient der Erfassung und Beurteilung der Fahrkompe-tenz von Fahrerlaubnisbewerbern. Die aus dieser Prüfung gewonnenen Rückschlüsse auf das Niveau der Fahrkompetenz sollen insbesondere auch der Weiterentwicklung des Bewerbers dienen. Bisher erhalten Bewerber nur bei nicht bestandener Praktischer Fahrerlaubnisprü-fung eine Auflistung der wichtigsten Fehler, die zum Nichtbestehen geführt haben. Für ein zielgerichtetes Weiterlernen ist es aber notwendig, dass die Ergebnisse der Leistungserfas-sung und der Leistungsbewertung gemäß prüfungsdidaktischer Grundsätze pädagogisch an-spruchsvoll an alle Fahranfänger (unabhängig vom Prüfungsergebnis) zurückgemeldet wer-den.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, die Gestaltungsgrundlagen und einen Umset-zungsvorschlag für ein kompetenzbezogenes und lernförderliches Rückmeldesystem für die Praktische Fahrerlaubnisprüfung zu erarbeiten. Dieses Rückmeldesystem soll in der Praxis erprobt werden. Darüber hinaus sollen anhand einer Bewerberbefragung zur Nutzerzufrie-denheit Erkenntnisse für die Weiterentwicklung gewonnen werden. Der Entwicklungs- und Erprobungsprozess des optimierten Rückmeldesystems lässt sich in drei Projektphasen auf-teilen:
1. Im Zuge der Optimierungsarbeiten zur Praktischen Fahrerlaubnisprüfung wurde in der ersten Projektphase ein neues Rückmeldesystem erarbeitet, das aus einem kompetenz-bezogenen mündlichen Auswertungsgespräch und einer ergänzenden schriftlichen Rückmeldung einschließlich weiterführender Lernhinweise für alle Bewerber besteht. Dieses Rückmeldesystem soll einerseits die Fahranfänger dabei unterstützen, die Leis-tungsbewertung inhaltlich besser zu verstehen sowie ein zielgerichtetes Weiterlernen ermöglichen. Andererseits soll es die Bewerber dazu motivieren, die festgestellten Kompetenzdefizite weiter zu bearbeiten, und dadurch Lernzuwachs fördern.
2. Das Rückmeldesystem wurde in der zweiten Projektphase in verschiedenen Modell-
regionen Deutschlands anhand von ca. 9.000 realen Praktischen Fahrerlaubnisprüfun-gen erprobt. Die Fahrerlaubnisbewerber, die in den Modellregionen an einer optimier-ten Praktischen Fahrerlaubnisprüfung teilgenommen und somit eine schriftliche Rückmeldung gemäß der optimierten Vorgaben bzw. einen individuellen Zugangscode zum Downloadbereich erhalten haben, wurden zu einer Befragung eingeladen. Dabei wurden vor allem Aspekte der Akzeptanz und der Lernwirksamkeit aus Sicht der Be-werber erfasst. Ziel war es, die Qualität der verkehrspädagogischen Gestaltung des Rückmeldesystems und seinen Nutzen zu untersuchen, um die erprobte Rückmeldung weiterzuentwickeln. Für die Bewerberbefragung wurde eine Onlinebefragung mit ei-nem standardisierten Fragebogen durchgeführt.
3. Die Erprobungs- und Befragungsergebnisse dienten in der dritten Projektphase der Ableitung von Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung des Rückmeldesystems. Die vorliegenden Ergebnisse der Felderprobung deuten darauf hin, dass die Bereitstel-lung einer schriftlichen, ausführlichen Rückmeldung zu den Prüfungsleistungen der Praktischen Fahrerlaubnisprüfungen insgesamt als nützlich und gewinnbringend ange-sehen wird. Allerdings wurde auch deutlich, dass bezüglich der Umsetzung noch Op-timierungspotenzial besteht. Im Anschluss an die Erprobung wurde die schriftliche Rückmeldung daher – ausgehend von den Nutzererfahrungen während der Felderpro-bung – umfassend überarbeitet und eine revidierte Version vorgelegt.
Als Ergebnis der Arbeit liegt ein in mehreren Schritten entwickeltes, empirisch fundiertes und erprobtes Rückmeldesystem vor, das eine differenzierte Kompetenzrückmeldung er-möglicht. Die umfassende Rückmeldung bietet künftig einerseits eine verbesserte Ausgangs-lage für eine ggf. anschließende Wiederholungsprüfung und andererseits ist es dem Bewer-ber anhand der aufgezeigten Stärken und Schwächen auch nach einer bestandenen Prüfung möglich, diese Rückmeldung für das weitere Lernen zu nutzen.
In der Ausgabe Politisches Lernen 1-2|2019 setzte sich Kurt P. Tudyka mit dem Verhältnis von Theater und Politik auseinander. Er gelangte zu dem ernüchternden Resümee: „Der Anspruch, Theater sei die Schule der Nation, – soweit er überhaupt noch besteht –, müsste aufgegeben werden.“ (S. 32) In Tudykas Einführung hieß es bereits: „Eine politisierende Wirkung auf das Publikum wird bestritten.“ (S. 30) Vor diesem Hintergrund könnte bei Lehrerinnen und Lehrern der Politischen Bildung der Eindruck entstehen, ein Besuch im Theater mit Schülerinnen und Schülern sei didaktisch nicht sinnvoll. Dagegen wird im folgenden Beitrag die Auffassung vertreten, dass ein Theaterbesuch mit den Lernenden durchaus mit Erkenntnisgewinnen, seien sie politisch oder über das Politische hinausweisend, verbunden sein kann. Der Beitrag stellt eine gekürzte Fassung des Textes „Theater und politische Bildung“ dar, der in Markus Gloe / Tonio Oeftering (Hrsg.): Politische Bildung meets Kulturelle Bildung, Baden-Baden (Nomos) 2020, erscheinen wird.
Zur Jahreswende 1959/60 sorgten Hakenkreuzschmierereien an jüdischen Einrichtungen in Köln und anderswo für Entsetzen und Empörung. Diese Vorkommnisse machten bewusst, was im Verlauf der 1960er Jahre zu einem Politikum für die jüngere Generation werden sollte: Die mangelnde Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit. Diese Thematik sowie der von den USA in Vietnam geführte Krieg stellten mobilisierende Faktoren für die Herausbildung einer außerparlamentarischen Opposition (APO) in der Bundesrepublik dar, die sich in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre verbreitert. Prof. Ingo Juchler beschreibt den Weg der Politischen Bildung durch die 60er Jahre und die Entwicklung hin zur sog. „didaktischen Wende“.
Eigentlich leben wir heute im Holozän, dem Erdzeitalter, das mit dem Ende der letzten großen Eiszeit vor etwa 12.000 Jahren seinen Ausgang nahm. Doch seit geraumer Zeit ist in Wissenschaft und Öffentlichkeit die Rede vom Anthropozän als der vom Menschen bestimmten gegenwärtigen Epoche. Mit der Begriffsschöpfung soll der gravierende Einfluss des Menschen auf die Umwelt zum Ausdruck gebracht werden, der sich nicht zuletzt in der Versauerung der Meere, im Artensterben und Klimawandel äußert. Doch wie spiegelt sich diese Erkenntnis in der Politischen Bildung wider?
Wie ästhetische Bildung, vom Theater ausgehend, zusammen mit politischer Bildung realisiert werden kann, wird in diesem Beitrag vorgestellt. Politiklehrer_innen bekommen einen Einblick in die didaktische Bedeutung und den Gewinn für Schüler_innen durch den außerschulischen Lernort des Theaters. Am Beispiel des antiken Schauspiels wird die Bedeutung des Theaters für politische, genauer demokratische Bildung aufgezeigt, indem dargelegt wird, wie sie die Handlungskompetenz, den Perspektivwechsel sowie die Urteilsfähigkeit einzelner positiv beeinflusst. Da diese Kompetenzen heute länderübergreifend in den Curricula festgeschrieben sind, bietet es sich an, das Theater in den Unterricht miteinzubinden. Im letzten Absatz dieses Beitrags liefert der Autor ein Beispiel für den Unterricht anhand des Schauspiels „Der Volksfeind“ von Henrik Ibsen, mithilfe dessen Politiklehrer_innen das Theater in ihren Unterricht integrieren können.
Politische Urteilsbildung
(2020)
Die Fähigkeit zum politischen Urteilen gilt als das übergeordnete Ziel politischer Bildungsbemühungen. Epistemologisch nimmt das Theorem der politischen Urteilsbildung seinen Ausgang in der Epoche der Aufklärung. Immanuel Kants Ausführungen über den Zusammenhang von Aufklärung und Mündigkeit in seiner Schrift Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? bietet eine programmatische Vorlage für die weitere Auseinandersetzung mit Mündigkeit und politischer Urteilsbildung. Der Königsberger Philosoph erklärte hierin eingangs: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“
Die Autoren haben mit diesem Buch den ersten politikwissenschaftlichen Lehrtext zum Thema Verwaltung und Verwaltungswissenschaften in Deutschland vorgelegt. Die spezifisch sozialwissenschaftlichen Perspektiven unterscheiden diese Studie vom bislang vorliegenden vor allem juristisch geprägten Lehrmaterial. Dargestellt werden die Entwicklung und Perspektiven der Verwaltungswissenschaften sowie der institutionelle Aufbau, die internen Strukturen und Prozesse sowie die Entwicklungsphasen der öffentlichen Verwaltung in Deutschland.
Grenzen des Organiesierbaren
(2020)
Interessiert man sich für den gesellschaftlichen Einfluss der Organisationssoziologie auf die Praxis des Organisierens, so muss der Befund ernüchtern. Stärker als auf organisationssoziologische Wissensbestände wird in Unternehmen oder Verwaltungen auf aktuelle Managementtrends rekurriert. Man könnte diesen Befund beklagen und als fehlerhafte Rezeption der Praxis beiseitelegen. Alternativ ließe sich aber auch diskutieren, welchen Beitrag die Disziplin selbst zu dieser Rezeption leistet. Mit einer solchen Diskussion begibt man sich fast unweigerlich auf einen schwierigen Pfad. Zum einen kann die Soziologie gerade dann, wenn sie ihren Blick auf die Erforschung von Unternehmen oder Verwaltungen richtet, nicht die von der Praxis erwarteten positiven Antworten liefern. Gerade die Organisationssoziologie begibt sich zum anderen jedoch in direkte Konkurrenz zu Nachbardisziplinen wie die Betriebswirtschaftslehre oder die Organisationspsychologie, die die Rezeptionsfähigkeit ihrer Wissensbestände im Praxisfeld in den letzten Jahren unter Beweis gestellt haben. Die Erwartungen an die Umsetzbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Praxis sind dadurch gestiegen. Eine Soziologie, die ihre Erkenntniskraft in der kritischen Distanz sieht, mag das skeptisch stimmen. Es gilt daher, die Frage zu beantworten, wie die Praxisrelevanz einer Wissenschaft des zweiten Blicks auf Organisationen konkret aussehen kann. Diesem Vorhaben widmet sich das vorgelegte Promotionsprojekt. Die in der kumulativen Dissertation versammelten Beiträge verstehen sich allesamt als Erkundungen und Erprobungen der Praxisrelevanz der Organisationssoziologie anhand aktueller Managementfragen in Unternehmen. Die These lautet dabei, dass sich diese Praxisrelevanz nur als Kritik entfalten kann. Eine solche Kritik kann dabei zwei grundsätzliche Formen annehmen: Als Strukturkritik bezieht sie sich auf konkrete Organisationen, deren spezifische Eigenlogiken und strukturelle Verstrickungen. Sie beschreibt dabei für den Einzelfall Funktionen und Folgen von Erwartungsstrukturen, die sich dann z. B. fallvergleichend generalisieren oder typisieren lassen. Organisationssoziologische Strukturkritik kann sich damit sowohl als vergleichender, praxissensibler Forschungsansatz realisieren, als auch die Grundlage einer soziologisch orientierten Beratung bilden. Als Schematakritik richtet sie sich gegen verkürzte Vorstellungen des Organisierens, die sich etwa in Managementmoden finden lassen. Dem Kumulus zugrunde liegen fünf Beiträge, die konkrete Ausprägungen beider Kritikformen ausloten. Der erste Beitrag „Datafizierung und Organisation“ zeigt, wie Schematakritik an Nachbardisziplinen aussehen kann, indem er Organisation als blinden Fleck der Digitalisierungsforschung diskutiert und Anschlussstellen für interdisziplinäre Forschung ausweist. Daher liefert der Beitrag einen systematischen Zugang zu organisationalen Implikationen der Digitalisierung. Neben der Anreicherung der Digitalisierungsforschung kann die entwickelte Argumentation auch für die Praxis Erkenntniskraft haben, indem z. B. problematisiert wird, dass im Managementdiskurs um Digitalisierung überzogene Rationalisierungserwartungen herrschen oder durch digitale Infrastrukturen entstehende Informalitäten systematisch ausgeblendet werden Der zweite Beitrag „Führung als erfolgreiche Einflussnahme in kritischen Momenten“ legt eine Umdeutung des populären Managementbegriffs Führung durch Schematakritik vor. Damit trägt er in mehrfacher Hinsicht zu einer praxisrelevanten Neubestimmung von Führung bei. Für Führungskräfte ermöglicht er beispielsweise die Einsicht, dass sie ihre Führungsaufgaben auf kritische Momente konzentrieren können und postuliert die Abkehr vom heroischen Bild des dauerhaft Führenden. Diese Umdeutung kann auch für Führungskräfte in Organisationen entlastend sein, weist sie doch auf den Zusammenhang zwischen der organisationalen Verfasstheit und Führungschancen hin und eröffnet damit Gestaltungschancen jenseits der Führungskräfte- und Personalentwicklung. Für die Organisationsforschung liefert der Beitrag einen theoretisch integrierten Führungsbegriff, der Führung sowohl organisational als auch situativ bestimmt. Er steht somit exemplarisch für eine organisationssoziologische Schematakritik, die etablierte Managementbegriffe neu deutet. Der dritte Beitrag kritisiert mit dem Konzept der transformationalen Führung eine Managementmode und zeigt auf, wie das darin enthaltene Führungsmodell durch die Bildung moralischer Kategorien Organisationsprobleme auf Organisationsmitglieder (hier: Führungskräfte) verschiebt. Es wird einerseits eine organisationssoziologische Kritik am populären Managementkonzept der transformationalen Führung vorgelegt. Andererseits verdeutlicht der Beitrag anhand systemtheoretischer Konzepte wie elementarer Verhaltensweisen, Moral oder Rollentrennung exemplarisch, dass organisationssoziologisches Denken den Managementdiskurs bereichern kann, indem es Verkürzungen und Simplifizierungen aufdeckt und alternative Analyse- und Gestaltungsansätze bereitstellt. Dafür lässt sich auch im Praxisdiskurs Gehör finden, weil man annehmen darf, dass mit den Heilsversprechen von Kompaktlösungen auch Enttäuschungen einhergehen, für die die Organisationssoziologie Erklärungen liefern kann. Die Möglichkeiten und Grenzen von Strukturkritik werden in den letzten beiden Beiträgen diskutiert. Das Potenzial von Strukturkritik für die soziologisch orientierte Beratung von Organisationen exploriert der Beitrag „Die schwierige Liaison von Organisationssoziologie und Praxisbezug am Beispiel der Beratung“. Ausgehend vom Theorie-Praxis-Komplex wird eruiert, wie soziologischer Praxisbezug im Feld der Beratung aussehen kann. Dafür systematisiert der Beitrag organisationssoziologische Ansätze von Beratung und zeigt auf, wie ein genuin soziologischer Beratungsansatz aussehen könnte. Der letzte Beitrag stellt Grundzüge einer Methodologie strukturkritischer Forschung vor und illustriert diese an einem durchgeführten Forschungsprojekt zu Managementmoden. Anhand der Forschung in einem Produktionsbetrieb wird gezeigt, wie strukturkritische Forschung konkret aussehen kann. Solch strukturkritische Forschung steht im Forschungsprozess vor drei Herausforderungen: dem qualitativ hochwertigen Feldzugang, der Entwicklung einer für Forschung und Praxis instruktiven Fragestellung und der Rückspiegelung der Ergebnisse in das Feld. Der Beitrag stellt Grundzüge einer Methodologie strukturkritischer Organisationsforschung vor, die sich sachlich, zeitlich und sozial entlang der drei beschriebenen Momente des Feldzugangs, der Ausgangsfragestellung und der Rückspiegelung der Ergebnisse spezifizieren lassen.
Sowohl in der intersektionalen Ungleichheitsforschung als auch in feministischer Geschlechterforschung bleibt der Fokus bezüglich Themen wie Geschlechterdiskriminierung der Geschlechtergerechtigkeit - trotz der jahrelangen Erkenntnis über die Vielzahl von Geschlechtsidentitäten - zumeist nur auf Lebenssituationen von Männern und Frauen. Dies erweist sich jedoch als höchst problematisch, da Personen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität in einem hohen Maß von Diskriminierung und sozialer Ungleichheit betroffen sind. In der Abschlussarbeit wird deswegen mit Hilfe einer intersektionalen Perspektive auf diese Forschungslücke eingegangen. Es wird dabei die Frage gestellt, welche Möglichkeiten und Grenzen das Konzept der Intersektionalität in Bezug auf die Erforschung von Diskriminierungserfahrungen von Personen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität bietet und worauf die soziale Ungleichheit dieser Personengruppe basiert. Hierfür wird zunächst nicht nur auf grundlegende geschlechtersoziologische Theorien eingegangen sowie das Konzept der Intersektionalität erläutert, sondern auch ausführlich der Wissenschaftsstand zu nicht-binären Personen nachgezeichnet. Bei der darauffolgenden Analyse der Diskriminierungserfahrungen werden vor allem die sprachliche Benachteiligung, die Invalidierung der Geschlechtsidentität sowie die durch Institutionen und systematische Strukturen hervorgerufene, besonders dramatische soziale Ungleichheit deutlich. Aus einer intersektionalen Perspektive zeigen sich zudem deutliche Unterschiede zwischen nicht-binären Personen, wobei sich vor allem der Einfluss von Rassismus als äußerst auffällig erweist. Die soziale Ungleichheit der nicht-binären Personen lässt sich dabei zu einem großen Teil durch die in der Gesellschaft vorherrschende Heteronormativität und dem Alltagswissen über eine vermeintliche Dualität der Geschlechter erklären. Im Hinblick auf die Fruchtbarkeit einer intersektionalen Perspektive auf Diskriminierungserfahrungen von nicht-binären Personen zeigen sich Grenzen des Konzepts vor allem bei der notwendigen Limitierung der Kategorienanzahl und bei einer Herangehensweise, welche den Begriff der Intersektionalität wörtlich nimmt. Möglichkeiten bei der Verwendung einer Mischung aus antikategorialen und interkategorialen Ansatzes sind hingegen, eine Kritik an Ausschlüssen in der Forschung zu sozialer Ungleichheit, die kritische Sichtbarhaltung der machtvollen Prozesse hinter Kategorisierungen und das Aufzeigen von Unterschieden innerhalb ansonsten als homogen behandelten sozialen Gruppen. Um das Ausmaß an Diskriminierung für nicht-binäre Personen zu reduzieren, werden deswegen abschließend sowohl strukturelle Veränderung als notwendig erachtet als auch ein aufgeklärter, respektvoller und einschließender Umgang mit nicht-binären Personen in der Wissenschaft und im Alltag.
Die Wissenschaftsfreiheit ist ein Grundrecht, dessen Sinn und Auslegung im Rahmen von Reformen des Hochschulsystems nicht nur der Justiz, sondern auch der Wissenschaft selbst immer wieder Anlass zur Diskussion geben, so auch im Zuge der Einführung des so genannten Qualitätsmanagements von Studium und Lehre an deutschen Hochschulen. Die vorliegende Dissertationsschrift stellt die Ergebnisse einer empirischen Studie vor, die mit einer soziologischen Betrachtung des Qualitätsmanagements unterschiedlicher Hochschulen zu dieser Diskussion beiträgt.
Auf Grundlage der Prämisse, dass Verlauf und Folgen einer organisationalen Innovation nur verstanden werden können, wenn der alltägliche Umgang der Organisationsmitglieder mit den neuen Strukturen und Prozessen in die Analyse einbezogen wird, geht die Studie von der Frage aus, wie Akteurinnen und Akteure an deutschen Hochschulen die Qualitätsmanagementsysteme ihrer Organisationen nutzen. Die qualitative inhaltsanalytische Auswertung von 26 Leitfaden-Interviews mit Prorektorinnen und -rektoren, Qualitätsmanagement-Personal und Studiendekaninnen und -dekanen an neun Hochschulen ergibt, dass die Strategien der Akteursgruppen an den Hochschulen im Zusammenspiel mit strukturellen Aspekten unterschiedliche Dynamiken entstehen lassen, mit denen Implikationen für die Lehrfreiheit verbunden sind: Während die Autonomie der Lehrenden durch das Qualitätsmanagement an einigen Hochschulen unterstützt wird, sind sowohl Autonomie als auch Verantwortung für Studium und Lehre an anderen Hochschulen Gegenstand andauernder Konflikte, die auch das Qualitätsmanagement einschließen.
Die Stadtwerkebetriebe, zumindest diejenigen die im Strom- und Gassektor tätig sind, sind meist nicht mehr im Stadtwerke Eigenbetrieb organisiert, sondern von den Kommunen in den vergangenen zwei Jahrzehnten in die Privatrechtsform der GmbH ausgegliedert worden. Hinzu kommt, dass diese kommunalen Unternehmen in einem Energiebinnenmarkt agieren, der durch die EU-Marktliberalisierung entstanden ist. Die unternehmerische Verselbstständigung der Stadtwerke GmbH von politischer Steuerung wird durch das Credo des Neuen Steuerungsmodells bestärkt, das gerade in der unternehmerischen Unabhängigkeit die Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg sieht. Diese Rahmenbedingungen zwingen die Unternehmen der kommunalen Wirtschaft, sich ausschließlich nach unternehmerischen und marktinduzierten Systemen zu richten. Dass die Logik des unternehmerischen Handelns keinen Platz lässt für eine politische Steuerung der Unternehmen, wird zum Legitimationsproblem für die kommunale Wirtschaft. Denn eine ausschließliche Orientierung an den Überschüssen der kommunalen Unternehmen legitimiert nicht den öffentlichen Zweck, weder politisch noch organisationsrechtlich. Die Gemeinwohlorientierung ist konstitutiver Bestandteil der kommunalen wirtschaftlichen Betätigung. Hier wird die These hervorgebracht, dass Bürgerbeteiligung in dieser Situation von den Stadtwerken zugelassen wird, um dieses Legitimationsdefizit abzuschwächen. Zwei Fälle werden qualitativ analysiert und verglichen: erstens die Stadtwerke Wolfhagen GmbH, die anhand von Bürgerbeteiligung Akzeptanz für einen Windpark generieren wollen. Zweitens die Stadtwerke Potsdam GmbH, die aus einer - hier als PR-Krise beschriebenen - Situation heraus, Legitimation mit verschiedenen Instrumenten der Bürgerbeteiligung wiederherzustellen versuchen.