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Der Beitrag widmet sich dem Genre der „galizischen“ Ghettogeschichte und bezieht sich auf Nathan Samuelys zweibändige Cultur-Bilder aus dem jüdischen Leben in Galizien (1885 und 1892) und auf Karl Emil Franzos’ Novellenzyklus Die Juden von Barnow (1877) sowie stellenweise auf ausgewählte Texte aus Franzos’ Band Aus Halb-Asien. Culturbilder aus Galizien, der Bukowina, Südrußland und Rumänien (1876). Durchgeführt wird eine punktuelle Analyse der literarischen Typologie und der Handlungsräume in den genannten Texten, wobei die Ghettogeschichten in ihrer Gesamtheit als ein komplexes soziokulturelles Konstrukt einer Mikrogesellschaft problematisiert werden.
Bei den nationalsozialistischen Ghettos handelte es nicht nur um Orte der Verfolgung, sondern auch um Lebenswelten, die von den Bewohner/innen selbst mitgestaltet wurden – auch wenn die Handlungsspielräume durch die Rahmenbedingungen stark eingeschränkt waren. Im Artikel werden die Pläne für ein Museum im Ghetto Litzmannstadt diskutiert, das neben einer wirtschaftlichen und statistischen Ausstellung über die Produktionsleistungen der Ghettobetriebe auch einen kulturell-religiösen Bereich über das osteuropäische Judentum umfassen sollte. Die Idee für das Museum entstand in der deutschen Ghettoverwaltung, diese richtete für die Ausgestaltung der Räume über das Judentum eine Wissenschaftliche Abteilung innerhalb des Ghettos ein. Die Position der Wissenschaftlichen Abteilung, deren Arbeit in Sammlungs- und künstlerischen Aktivitäten bestand, war im Ghetto allerdings umstritten, da die propagandistische Vereinnahmung der ausgeführten Arbeiten durch die deutsche Ghettoverwaltung befürchtet wurde. Aber auch außerhalb des Ghettos stieß die Idee auf Ablehnung durch das Propagandaministerium. Im Artikel werden die sich überschneidenden aber teilweise auch widersprüchlichen Interessen und Motivationen der verschiedenen Protagonisten/innen dargestellt.
Die Beziehungen zwischen Juden und Christen in Thessaloniki waren nicht immer konfliktfrei; in der Zwischenkriegszeit herrschten gegenseitiges Misstrauen und Spannungen, die religiös, kulturell und wirtschaftlich motiviert waren. Vor allem der wirtschaftliche Antagonismus zwischen Juden und kleinasiatischen Flüchtlingen nährte den Antisemitismus kleiner extremnationalistischer Gruppen wie der „Nationalen Union Griechenlands“ (EEE), die ihre Feindschaft gegen den „jüdischen Bolschewismus“ offen demonstrierten und deren Aktivitäten vom Staat toleriert wurden. Obwohl sich die Lage seit Mitte der dreißiger Jahre entspannte, waren die alten Ressentiments nicht aus der Welt geschaffen. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Griechenland im April 1941 war die jüdische Gemeinde den repressiven Maßnahmen der deutschen Besatzungsmacht unterworfen. Die systematische nationalsozialistische Propaganda, gestützt auf die zensierte griechische Presse und örtliche ideologische Kollaborateure, zielte auf die Reaktivierung der alten Gegensätze, um die griechischen Juden zu isolieren. Die Beziehungen zwischen der jüdischen und der christlichen Bevölkerung wurden somit erneut auf die Probe gestellt. Die Errichtung von Ghettobezirken um das Zentrum der Stadt im Frühjahr 1943 bedeutete die Trennung der Juden von der übrigen Bevölkerung. Die Ghettoisierung schuf zwischen ihnen und den Christen eine „Mauer“, die kulturelle und wirtschaftliche Auswirkungen auf das Leben aller Bewohner hatte und letztlich ihre jahrhundertealte Symbiose beendete. In der Alltagspraxis offenbarte sich zugleich, dass diese „Mauer“ nicht ganz unüberwindlich war und neue Formen des Zusammenlebens prägte.
Dieser Text geht der Frage nach, wie die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Ghettos in der Zeit von 1945 bis 1960 im englischen Sprachraum betrieben wurde. Werke, die jüdisches Erleben und Handeln mitsamt der gesellschaftlichen Organisation in den Mittelpunkt rücken, sind in diesem Zeitraum deutlich stärker vertreten, als dies nach einer Lektüre der Sekundärliteratur zu erwarten wäre. Ein wissenschaftlicher Ansatz, der die Juden nicht nur als namenlose Masse von Opfern wahrnimmt, tritt also durchaus schon früh auf. Ebenso wird die Politik der jüdischen Führungsschichten, der so genannten ‚Judenräte‘, deutlich differenzierter verhandelt als vermutet; neben vernichtenden Urteilen finden sich Kontextualisierungen, die ihr Agieren aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten und einordnen. Auch wenn diese Forschungsanliegen zunächst nur bedingt rezipiert wurden und vor allem universitär marginal blieben, lassen sich doch von dieser Seite Traditionslinien besonders in die entstehende israelische Holocaustforschung beobachten.
Im Rahmen eines explorativen Vergleichsuntersuchungsplans wurde untersucht, inwieweit sich die durch biologische Faktoren bedingte unterschiedliche Lebenserfahrung sowie die Sozialisationsbedingungen in der psychosexuellen Entwicklung bei hetero-, homo- und postoperativen transsexuellen Männern (N = 191) auf die Integration der Geschlechterstereotypen in die kognitiven (Selbst-, Fremdwahrnehmung), emotionalen (Selbst- und Fremdbewertung) und verhaltensmäßigen Aspekte (Normen der geschlechtsspezifischen Verhaltens) der Geschlechtsidentität auswirken und ob sich Identifikationsmuster der Entwicklung des geschlechtlichen Selbstkonzepts ableiten lassen. Die Messung der kognitiven Aspekte des geschlechtlichen Selbstkonzepts (Maskulinität und Femininität) erfolgte mittels der GERO-Skala von Brengelmann und Hendrich (1990). Zur Erfassung der emotionalen Aspekte und Identifikationsmuster der Entwicklung des geschlechtlichen Selbstkonzepts wurden die Werte für die Variablen Maskulinität und Femininität zuerst mittels der computergesteuerten Methodik IDEXMONO und IDEXIDIO, die auf der Identitätsstrukturanalyse (Identity Structure Analysis) von Weinreich (2003) basiert, aufgearbeitet und weiter interferenzstatistisch ausgewertet. Weiterhin wurden der Fragebogen zur Messung normativer Geschlechtsrollenorientierung (NGRO) von Athenstaedt (2000) sowie ein ad hoc entworfener demographischer Fragebogen eingesetzt. Die Ergebnisse zeigen, dass der Verlauf der psychosexuellen Entwicklung einen starken Einfluss auf die Integration der Geschlechterstereotypen in die geschlechtliche Selbst- und Fremdwahrnehmung hat. Im kognitiven Bereich, bezogen auf die persönliche Identität (Grad der Selbstzuschreibung männlicher und weiblicher Merkmale), stellt die Maskulinität eine stabile und erstrebenswerte Variable zur Herausbildung des geschlechtlichen Selbstkonzepts bei allen Gruppen dar. Die Femininität trägt am meisten zur Differenzierung zwischen den Hetero-, Homo- und Transsexuellen bei. Sie wird, je nach der Entwicklungsphase, unterschiedlich in das geschlechtliche Selbstkonzept integriert. Hinsichtlich der sozialen Identität (Zugehörigkeitsgefühl) lassen sich die Gruppen bezüglich der wahrgenommenen Ähnlichkeiten sowohl mit männlichen als auch weiblichen Personen, je nach der Entwicklungsphase, unterscheiden. Die soziale Wahrnehmung von Männern und Frauen (Fremdwahrnehmung), ist bei Transsexuellen traditioneller als die der Hetero- und Homosexuellen. Bei der Selbst- und Fremdbewertung ergaben sich keine signifikanten Unterschiede. Bei der Internalisierung der sozialen Normen des geschlechtsspezifischen Verhaltens zeigt sich, dass Heterosexuelle der Ausübung der Geschlechterrollen gegenüber egalitärer eingestellt sind als Trans- und Homosexuelle. Bei den Sozialisationsfaktoren ist hervorzuheben, dass generell weibliche Identifikationspersonen einen stärkeren Einfluss auf die Herausbildung des geschlechtlichen Selbstkonzeptes hatten als männliche Identifikationspersonen. Es scheint jedoch, dass Homosexuelle bei der Entwicklung ihres geschlechtlichen Selbstkonzepts stärker unter dem Einfluss der Frauen stehen als die anderen zwei erforschten Gruppen. Zur Beantwortung der Frage, welche selbstkonzeptbezogenen Variablen und Entwicklungsfaktoren die größte statistische Bedeutung für die Trennung und Prädiktion der einzelnen untersuchten Gruppen haben, wurde eine Diskriminanzanalyse berechnet. Die größte diskriminatorische Bedeutung besitzen die Variablen „Stereotypische Wahrnehmung der männlichen Personen“ und „Ego-Involvement mit weiblichen Personen“ für die Diskriminanzfunktion 1 (Trennung der Transsexuellen von Hetero- und Homosexuellen) und die Variablen „Empathische Identifikation mit männlichen Personen in der Vergangenheit“ und „Zuwachs an empathischer Identifikation mit weiblichen Personen“ für die Diskriminanzfunktion 2 (Trennung der Hetero- von Homosexuellen).
Lebenswelt Ghetto
(2011)
Der Aufsatz zeigt, inwiefern raumtheoretische Ansätze mit dem interpretativen Paradigma verbunden werden können und so einen Zugang zu den durch die nationalsozialistische Ghettoisierung hervorgerufenen Veränderungen im sozialen Handeln der Ghettobewohner ermöglichen. Es wird argumentiert, dass die Raumtheorie hier zu kurz greift und durch interpretative Ansätze ergänzt werden muss, um den sozialen Phänomenen im Ghetto gerecht zu werden. Die beiden Ansätze werden in ihrer Bedeutung für die Erforschung der Ghettogesellschaften dargestellt und an zwei Beispielen, „Kriminalität“ und Bildung, in ihrer Anwendbarkeit vorgeführt.
Vom Raum zur Geschichte
(2011)
Der Begriff des Ghettos hat eine lange Forschungsgeschichte. Dieser Beitrag diskutiert ihn im Kontext der Historisierung der Lebenswelten des 19. Jahrhunderts. Der Terminus wird im 19. Jahrhundert zum Inbegriff der frühneuzeitlichen Tradition. Im Folgenden werden einige Aspekte der Entstehungsgeschichte dieses Bedeutungswandels analysiert, der auf einer Zivilisierungsdynamik gegenüber den Juden im ausgehenden 18. Jahrhundert wie der Historisierung der Hebräischen Bibel in der Aufklärung basierte.
Der Band enthält die Vorträge einer Konferenz vom November 2009 in Potsdam. Die Texte untersuchen anhand ausgewählter Beispiele die Entwicklungen der zurückliegenden zwanzig Jahre im Zivilrecht, Strafrecht und öffentlichen Recht. Die Bundesrepublik Deutschland sieht sich seit der Wiedervereinigung und dem Ende des Kalten Krieges in einer ganz neuen Situation. Dies gilt für den völkerrechtlichen Rahmen ihrer Außenpolitik, für den Wettbewerb der Rechtsordnungen, für die mit erhöhter Dynamik fortschreitende europäische Einigung und ihre Konsequenzen. Die bei der Grundrechtsinterpretation im Mehrebenensystem auftauchenden Divergenzen und die Auswirkungen technischer Neuerungen auf das Sozialverhalten prägen Rechtswirklichkeit und Rechtsdogmatik.
Unter Rekurs auf zwei historische Erscheinungsformen des Ghettos – auf jüdische Wohnviertel der Frühen Neuzeit und nationalsozialistische Ghettos – wurde der Begriff ‚Ghetto’ zum Symbol von Joch und Verfolgung stilisiert. Diese Sprachpraxis etablierte eine einseitige Forschungsperspektive, die sich ihrem Gegenstand aus dem Täter-Opfer-Paradigma heraus näherte. In der jüngsten Zeit unternahm man jedoch Versuche, diese Perspektive zu brechen, indem man das Ghetto-Phänomen anhand solcher Untersuchungskategorien wie ‚Lebenswelt’, ‚Erfahrung’ und ‚Konstruktion von Raum’ sowie ‚Ambivalenz von Raum und Grenze’ befragte. Das stetig wachsende Interesse an begrifflicher Reflexion über den Sprachkörper ‚Ghetto’ und an den von ihm bezeichneten historischen Phänomenen samt ihren Widerspiegelungen in der Literatur und bildenden Künsten ist ein starkes Indiz für einen Wandel der Sehgewohnheiten innerhalb der Forschung. In Folge der vorgenommenen Differenzierungen entwickeln sich neue Fragestellungen und Ansätze, die die Reduktion der Wissenschaft von der jüdischen Geschichte und Kultur auf die Kategorien von ‚Unterdrückung’ und ‚Verfolgung’ zu überwinden erlauben. Mit dem vorliegenden Heft möchten wir einen Beitrag zu diesem Fachgespräch leisten. Die hier abgedruckten Beiträge lassen sich in zwei Kategorien unterteilen. Zum einen sind es explizite Befragungen des Ghetto-Begriffs im Dienste wissenschaftsgeschichtlicher Reflexionen oder neuer Verfahren zur Erforschung historischer Erscheinungsformen des Ghettos. Hierzu gehören die Artikel von Kristiane Gerhardt, Svenja Bethke und Hanna Schmidt Holländer sowie Birgitt Wagner. In ihren historiographiegeschichtlich bzw. methodologisch orientierten Erörterungen zeigen die Autorinnen die normative Dimension und die daraus resultierende semantische Wandelbarkeit des Ghetto-Begriffs samt ihren Konsequenzen für die Forschungspraxis. In die zweite Kategorie lassen sich wiederum phänomenologisch interessierte Untersuchungen einreihen, die entweder geschichtliche Fallstudien oder Betrachtungen literarischer Repräsentationen des Themas sind. Hierzu gehören die Beiträge von Luca Baraldi, Stratos N. Dordanas und Vaios Kalogrias, Tanja Kinzel, Francisca Solomon und Elvira Grözinger.
Das vorliegende Heft 16 der Reihe Studien zu Grund- und Menschenrechten enthält den Tagungsband zum Workshop „Mechanismen zur Folterverhütung im Vergleich“, welcher am 6. und 7. Oktober 2010 in Potsdam stattfand und die unterschiedlichen Mechanismen zur Folterprävention auf universeller, regionaler und nationaler Ebene beleuchtete.