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Dieser Text geht der Frage nach, wie die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Ghettos in der Zeit von 1945 bis 1960 im englischen Sprachraum betrieben wurde. Werke, die jüdisches Erleben und Handeln mitsamt der gesellschaftlichen Organisation in den Mittelpunkt rücken, sind in diesem Zeitraum deutlich stärker vertreten, als dies nach einer Lektüre der Sekundärliteratur zu erwarten wäre. Ein wissenschaftlicher Ansatz, der die Juden nicht nur als namenlose Masse von Opfern wahrnimmt, tritt also durchaus schon früh auf. Ebenso wird die Politik der jüdischen Führungsschichten, der so genannten ‚Judenräte‘, deutlich differenzierter verhandelt als vermutet; neben vernichtenden Urteilen finden sich Kontextualisierungen, die ihr Agieren aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten und einordnen. Auch wenn diese Forschungsanliegen zunächst nur bedingt rezipiert wurden und vor allem universitär marginal blieben, lassen sich doch von dieser Seite Traditionslinien besonders in die entstehende israelische Holocaustforschung beobachten.
Der Beitrag widmet sich dem Genre der „galizischen“ Ghettogeschichte und bezieht sich auf Nathan Samuelys zweibändige Cultur-Bilder aus dem jüdischen Leben in Galizien (1885 und 1892) und auf Karl Emil Franzos’ Novellenzyklus Die Juden von Barnow (1877) sowie stellenweise auf ausgewählte Texte aus Franzos’ Band Aus Halb-Asien. Culturbilder aus Galizien, der Bukowina, Südrußland und Rumänien (1876). Durchgeführt wird eine punktuelle Analyse der literarischen Typologie und der Handlungsräume in den genannten Texten, wobei die Ghettogeschichten in ihrer Gesamtheit als ein komplexes soziokulturelles Konstrukt einer Mikrogesellschaft problematisiert werden.
Bei den nationalsozialistischen Ghettos handelte es nicht nur um Orte der Verfolgung, sondern auch um Lebenswelten, die von den Bewohner/innen selbst mitgestaltet wurden – auch wenn die Handlungsspielräume durch die Rahmenbedingungen stark eingeschränkt waren. Im Artikel werden die Pläne für ein Museum im Ghetto Litzmannstadt diskutiert, das neben einer wirtschaftlichen und statistischen Ausstellung über die Produktionsleistungen der Ghettobetriebe auch einen kulturell-religiösen Bereich über das osteuropäische Judentum umfassen sollte. Die Idee für das Museum entstand in der deutschen Ghettoverwaltung, diese richtete für die Ausgestaltung der Räume über das Judentum eine Wissenschaftliche Abteilung innerhalb des Ghettos ein. Die Position der Wissenschaftlichen Abteilung, deren Arbeit in Sammlungs- und künstlerischen Aktivitäten bestand, war im Ghetto allerdings umstritten, da die propagandistische Vereinnahmung der ausgeführten Arbeiten durch die deutsche Ghettoverwaltung befürchtet wurde. Aber auch außerhalb des Ghettos stieß die Idee auf Ablehnung durch das Propagandaministerium. Im Artikel werden die sich überschneidenden aber teilweise auch widersprüchlichen Interessen und Motivationen der verschiedenen Protagonisten/innen dargestellt.