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Die Zeit um 1600 markiert eine Zäsur in der Ausbildung junger Adliger, da neben der etablierten humanistischen Ausbildung zunehmend moderne Fremdsprachen und die institutionalisierte Ausbildung standesspezifischer Inhalte wie Fechten, Tanzen und Reiten an Bedeutung gewannen. Im vorliegenden Band werden die Ausbildungsgänge der Söhne dreier südwestdeutscher Freiherren- und Grafenfamilien in der Zeit des Späthumanismus untersucht. Dabei werden standesspezifische Bildungsstrategien herausgearbeitet und familiäre sowie konfessionelle Unterschiede aufgezeigt. Die Familien der Reichsgrafen orientierten sich – soweit es ihr Budget zuließ – einerseits am Fürstenstand, andererseits waren sie bestrebt, eigene Akzente zu setzen, sei es aus standespolitischen Erwägungen oder, weil sie eigenen Traditionen verpflichtet waren. Die systematische Auswertung breiter Quellenbestände förderte dabei auch eine Fülle an Informationen zu weiteren Wissensgebieten wie etwa der Reise-, Medizin-, Musikgeschichte oder der Alltagskultur zutage.
Abzug unter Beobachtung
(2022)
Mehr als vier Jahrzehnte lang beobachteten die Streitkräfte und Militärnachrichtendienste der NATO-Staaten die sowjetischen Truppen in der DDR. Hierfür übernahm in der Bundesrepublik Deutschland der Bundesnachrichtendienst (BND) die militärische Auslandsaufklärung unter Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel und Methoden. Die Bundeswehr betrieb dagegen taktische Fernmelde- und elektronische Aufklärung und hörte vor allem den Funkverkehr der „Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland“ (GSSD) ab. Mit der Aufstellung einer zentralen Dienststelle für das militärische Nachrichtenwesen, dem Amt für Nachrichtenwesen der Bundeswehr, bündelte und erweiterte zugleich das Bundesministerium für Verteidigung in den 1980er Jahren seine analytischen Kapazitäten. Das Monopol des BND in der militärischen Auslandsaufklärung wurde von der Bundeswehr dadurch zunehmend infrage gestellt.
Nach der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 befanden sich immer noch mehr als 300.000 sowjetische Soldaten auf deutschem Territorium. Die 1989 in Westgruppe der Truppen (WGT) umbenannte GSSD sollte – so der Zwei-plus-Vier-Vertrag – bis 1994 vollständig abziehen. Der Vertrag verbot auch den drei Westmächten, in den neuen Bundesländern militärisch tätig zu sein. Die für die Militäraufklärung bis dahin unverzichtbaren Militärverbindungsmissionen der Westmächte mussten ihre Dienste einstellen. Doch was geschah mit diesem „alliierten Erbe“? Wer übernahm auf deutscher Seite die Aufklärung der sowjetischen Truppen und wer kontrollierte den Truppenabzug?
Die Studie untersucht die Rolle von Bundeswehr und BND beim Abzug der WGT zwischen 1990 und 1994 und fragt dabei nach Kooperation und Konkurrenz zwischen Streitkräften und Nachrichtendiensten. Welche militärischen und nachrichtendienstlichen Mittel und Fähigkeiten stellte die Bundesregierung zur Bewältigung des Truppenabzugs zur Verfügung, nachdem die westlichen Militärverbindungsmissionen aufgelöst wurden? Wie veränderten sich die Anforderungen an die militärische Auslandsaufklärung des BND? Inwieweit setzten sich Konkurrenz und Kooperation von Bundeswehr und BNDbeim Truppenabzug fort? Welche Rolle spielten dabei die einstigen Westmächte? Die Arbeit versteht sich nicht nur als Beitrag zur Militärgeschichte, sondern auch zur deutschen Nachrichtendienstgeschichte.
Der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestags steht seit seiner Gründung in rationaler und emotionaler Auseinandersetzung mit Parlament und Öffentlichkeit. Wolfgang Geist untersucht in seiner Langzeitanalyse die wechselnde Stellung des Ausschusses im Bundestag und gegenüber dessen Fraktionen unter den sich wandelnden politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten. So wird deutlich, welche Rolle der Ausschuss – auch in seiner besonderen Tätigkeit als Untersuchungsausschuss – in der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik spielte sowie welcher Bedeutung der personellen Zusammensetzung und einzelnen politischen Akteuren zukam. Gleichzeitig hinterfragt er das Schlagwort »Parlamentsarmee«.
Vermögen vererben
(2022)
Die politische Regulierung der Vermögensweitergabe und individuelle Erbregelungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Das Vererben von Vermögen stabilisiert die Gesellschaftsordnung. Erbregelungen können soziale Ungleichheitsverhältnisse in die Zukunft fortschreiben oder zu Enttäuschungen übergangener Familienmitglieder führen. Da das Vererben soziale Gerechtigkeits- und Familienvorstellungen berührt, ist seine Regulierung politisch höchst umstritten. Obwohl die jährlich vererbten Vermögen in den letzten Jahren immer neue Rekordhöhen erreichten, ist die Vorgeschichte dieser gegenwärtigen Entwicklung bisher kaum erforscht.
Ronny Grundig untersucht den Wandel der Vermögensvererbung vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Ende der 1980er Jahre. Er blickt auf politische Regulierungen,
die Praktiken des Vererbens und die Aneignung des Erbes durch die Hinterbliebenen. Der Autor analysiert die Steuervermeidung Vermögender sowie Konflikte zwischen Erben und Erbinnen. Ebenso zeigt er den Wandel von Paar- und Familienbeziehungen beim Vererben, die sich in den Testamenten niederschlagen und die Verteilung der hinterlassenen Vermögen beeinflussen.
Was bewegt Menschen dazu, freiwillig in einem Krieg zu kämpfen, obwohl ihr Heimatland nicht involviert ist? Warum riskieren sie in Konflikten weltweit ihr Leben für eine fremde Sache? Bedeutet das Fehlen institutioneller Strukturen, die den Akteuren klare Regeln und Verhaltensweisen vorgeben würden, immer eine Eskalation von Gewalt? Diese Studie hilft, das Phänomen freiwilliger Kombattanten zu verstehen. Am Fallbeispiel internationaler Kriegsfreiwilliger, die in den Jugoslawienkriegen der 1990er Jahre auf Seiten Kroatiens kämpften, macht Julia Ludwig zudem den Mehrwert einer Analyse kultureller Faktoren in der Gewaltforschung deutlich.
Umdeutungen des Islams
(2022)
Fanatismus, Krieg und Terror – öffentliche Deutungen und Stereotype über Muslim*innen in der Bundesrepublik.
Ein großer Teil der deutschen Bevölkerung hat heutzutage eine negative Wahrnehmung von Muslim*innen. Ihnen wird pauschal ein Hang zu Gewalt, religiösem Fanatismus, Extremismus und Unterdrückung von Frauen unterstellt. Diese Zuschreibungen bestehen nicht erst seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001, sondern haben sich bereits in den drei Jahrzehnten zuvor etabliert.
Alexander Konrad untersucht den Wandel der bundesdeutschen Wahrnehmungen von Muslim*innen von den Siebzigerjahren bis zur Jahrtausendwende. Dabei nimmt er öffentliche Aussagen und Handlungen von Akteur*innen aus Politik, Medien, Wissenschaft, Religionsgemeinschaften und Zivilgesellschaft kritisch in den Blick. Hintergründe, argumentative Überschneidungen und Agenden stehen im Zentrum seiner Analyse. Auch den damaligen Bemühungen um reflektierte Sichtweisen zu Muslim*innen spürt der Autor nach. Mit seiner Studie leistet Alexander Konrad einen fundamentalen Beitrag zur zeithistorischen Dekonstruktion von Denkweisen über Islam und Muslim*innen.
Das vergessene Gedenken
(2022)
Seit Aufstellung der Bundeswehr 1955 verloren über 3300 Soldaten und Soldatinnen ihr Leben im Dienst. Nur eine kleine Minderheit von ihnen fiel während des Kampfeinsatzes in Afghanistan. Die weitaus meisten Soldaten starben bei Unfällen. Ihnen hat die Bundeswehr lange das öffentliche Gedenken verweigert.
Erst mit Beginn des Afghanistan-Einsatzes 2002 setzte letztlich ein Umdenken ein, das in der Einweihung des Berliner Ehrenmales der Bundeswehr 2009 seinen vorläufigen Höhepunkt findet. Seitdem gedenkt die Bundeswehr offiziell und öffentlich ihrer toten Soldaten.
Aber warum verweigerte die Bundeswehr ihren Toten so lange ein öffentlich sichtbares und dauerhaftes Gedenken?
Julia Katharina Nordmann beleuchtet die komplexen Ursachen für diesen Umgang der Bundeswehr mit ihren Toten. Und sie rekonstruiert den langen und mühsamen Prozess, der zur Ausbildung einer Gedenkkultur geführt hat. Einer Gedenkkultur, die heute in vielfältiger Weise die Toten der Bundeswehr würdigt.
Die Jagdflieger der Wehrmacht waren die »Popstars« der nationalsozialistischen Propaganda. Doch was steckte hinter der glänzenden Fassade? Jens Wehner wirft – nüchtern und ausgewogen – ein neues Licht auf ihre militärische Funktion in der Luftkriegsführung. Seine Studie analysiert den militärischen Nutzen der Jagdflugzeugtypen von Messerschmitt und Focke-Wulf, ihre taktische Anwendung und Leitbilder. Vergleiche mit dem Entwicklungsstand der alliierten Kriegsgegner hinterfragen die Sinnhaftigkeit des Strebens nach technischer Überlegenheit. So entsteht das Bild einer Technik, welche die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllte, einer fehlerhaften und statischen Doktrin, die für zahlreiche Rückschläge sorgte, und von individualistisch agierenden Piloten, die sich dem militärhierarchischen System entfremdeten.
Die Studie analysiert das brandenburgisch-preußische Gesandtschaftszeremoniell um 1700. Der Untersuchungszeitraum, von 1648 bis 1740, umfasst die Regentschaft dreier Hohenzollern, veranschaulicht vorhandene Kontinuitäten und erläutert den Einfluss einzelner Personen auf das Zeremoniell. Zugleich wird die Entwicklung des Gesandtschaftszeremoniells an sich über einen längeren Zeitraum verfolgt. Hier offenbart sich, die Vorgänge am und das Vorgehen des Berliner Hofes muten geradezu exemplarisch an. Die Hohenzollern waren Vertreter der allgemein vorherrschenden zeremoniellen Konjunkturen. In der vorliegenden Arbeit werden wiederkehrende Muster und Mechanismen des Gesandtschaftszeremoniells, sei es das Aufeinderbeziehen von Forderungen, der beständige Vergleich mit den übrigen Mächten oder die Darstellung von Abhängigkeiten, aufgezeigt. Es wird analysiert, welche Elemente einander bedingten, wie diese zusammenwirkten und welche Bestandteile häufig zu Diskussionen führten.
Zu Seiner Majestät allerhöchstem Interesse als titelgebendem Zitat bekannten sich die zeitgenössischen Amtsträger in ihrer Beeidigung als grundlegende Maxime des durch den König verkörperten werdenden preussischen Staates.Die Domänenpolitik Friedrich Wilhelms I., dem zweiten preussischen König, war die wesentliche Voraussetzung für die folgende Entwicklung Preussens von einer Regionalmacht im Heiligen Römischen Reich zu einer europäischen Grossmacht. Ohne nennenswerte Rohstoffe und handwerkliche Traditionen, agrarisch geprägt und ganz dem merkantilistischen Wirtschaftsmodell und seiner kameralistischen Methodik verhaftet, war der Ausbau und die Intensivierung der landesherrlichen Gutswirtschaft der für Preussen verheissungsvollste Weg zur Erwirtschaftung der Mittel, die es zum Schuldenabbau, dem Aufbau einer starken Militärmacht und Anhäufung eines Staatsschatzes befähigte. Erreicht wurde dies durch konsequente Einnahmen- und Ausgabenkontrolle und die Schaffung eines effizienten Verwaltungsapparates mit detaillierten Vorschriften, was knapp einhundert Jahre Bestand behalten sollte und bis zu nahezu 50 Prozent der Staatseinnahmen hervorbrachte. Das friderizianische Preussen wäre ohne die Leistungen Friedrich Wilhelms I. nicht möglich gewesen.Der vorliegende Band stellt diese Entwicklung mit einer Fülle von Quellenmaterial und dessen Auswertungen sowie einem umfangreichen Anhang unter Beweis. Der allein 22seitige Personenindex mit über 1.300 Verweisen und 103 Kurzbiogra-fien der kurmärkischen Kammerräte machen deutlich, wer hinter den Leistungen dieser Epoche stand.
Das Image der Päpste
(2022)
Wie jede öffentlichkeitssuchende Institution oder Person legen auch die katholische Kirche und ihre Päpste großen Wert auf das eigene Image. Dabei weicht die intendierte Selbstdarstellung oftmals von der medialen Wahrnehmung ab oder steht ihr sogar diametral entgegen. Ganz gleich ob Pius XII. als „Hitlers Papst“, Johannes XXIII. als „Revoluzzer“ oder Paul VI. als „Antipillenpapst“ – es existieren eine Fülle von außen zugetragener printmedialer Papst-Images, deren Entstehung, Verlauf und Brüche es in diesem Buch mithilfe einer mediensemiotischen, textbasierten Methodik auszumachen und nachzuzeichnen gilt.
Ein Dach über Europa
(2022)
Wo ist Deutschlands Raketenabwehr? Diese Frage rückte nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland 2014 in den Fokus der Presseberichterstattung. Für die Abwehr von ballistischen Raketen ist die Flugabwehrraketentruppe der Luftwaffe zuständig. Im Ost-West-Konflikt schützten rund 18.600 deutsche Soldaten im Rahmen der Integrierten NATO-Luftverteidigung die westliche Allianz vor Luftangriffen durch den Warschauer Pakt. Nach der Wiedervereinigung befand sich der Luftverteidigungsgürtel des Bündnisses nicht nur in einer geografisch wirkungslosen Position, sondern ihm fehlte auch die Daseinsberechtigung. Mit seiner Auflösung ging ein erheblicher Abbau von Personal und Material der Flugabwehrraketenverbände einher. Nach der Neuausrichtung der Bundeswehr 2012 blieb diesem Dienstbereich der Luftwaffe nur noch ein Geschwader mit rund 2.300 Dienstposten. Der alte Feind war weg – und Deutschland nach 1989/90 umgeben von Freunden und Verbündeten. Warum also sollte die Regierung in eine Fähigkeit investieren, die Deutschland für sich selbst nicht brauchte?