300 Sozialwissenschaften
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Damit die EU ihre ambitionierten Klimaschutzziele erreichen kann, werden die Preise für Treibhausgasemissionen in den nächsten Jahren spürbar steigen. Das hat ökonomische Auswirkungen für die EU-Mitgliedsländer, aber auch den Rest der Welt. Einzelne Sektoren und auch Volkswirtschaften werden davon unterschiedlich stark getroffen.
Einleitung
(2021)
Das Verhältnis von Gemeinwohl und Gleichheit ist kein spannungsfreies. Soziale Gleichheit ist ein Grundwert liberal-demokratischer Gemeinwesen. Um diese Gleichheit zu bewahren, entwickelten sich im 20. Jahrhundert Konzeptionen von Gemeinwohl, die versuchten, das Gemeinwohl eher prozedural und pluralistisch zu verstehen. Eine zu spezifische, vorher festgelegte Definition des Gemeinwohls sei letzten Endes undemokratisch und ideologisch und somit der sozialen Gleichheit abträglich. In den letzten Jahren haben sich unter dem Oberbegriff des sozialen Egalitarismus jedoch auch die Vorstellungen der sozialen Gleichheit verändert, hin zu einem substanzielleren Verständnis, was die Frage aufwirft, ob prozedurale Gemeinwohlverständnisse ihrer Rolle als Wächter der Gleichheit immer noch gerecht werden können.
Er stellte die Entwicklung der Universität Basel an der Schwelle vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit bis zum 17. Jahrhundert dar und unterstrich ihre Bedeutung für die nichtkatholischen Studenten aus den Nachbarländern nach dem Beginn der Reformation: Die hiesige Universität war nämlich zudem ein idealer Ort, an dem sich sowohl frankophone Studenten als auch reformierte Studenten aus Frankreich, dem Herzogtum Savoyen-Piemont, England oder Italien als Glaubensflüchtlinge einschreiben konnten. Basel diente zudem als Transituniversität bei Bildungsreisen durch Europa im Rahmen der peregrinatio academica. Neben Basel widmete sich Asche auch den reformierten Hohen Schulen bzw. Akademien in Zürich, Bern, Lausanne und Genf sowie deren Stellung im schweizerischen Bildungssystem der Frühen Neuzeit; er erklärte deren Funktion (vornehmlich für die Pfarrerausbildung) sowie die regionale und soziale Herkunft der dortigen Studentenschaft, die ebenfalls teilweise aus dem Ausland stammte.
Wie hat sich die COVID-19 Pandemie auf geschlechtsspezifische Ungleichheiten im Arbeitsleben und dem subjektiven Wohlbefinden Erwerbstätiger ausgewirkt? Zur Beantwortung dieser Frage analysiert dieser Beitrag drei Wellen einer nicht zufallsbasierten Onlinestichprobe für den Zeitraum Mitte März bis Anfang August 2020 und umfassen damit den Zeitraum des ersten Lockdowns. Die Ergebnisse unserer multivariaten Analysen zeigen: Frauen, Eltern und insbesondere Mütter waren überdurchschnittlich von Arbeitszeitreduzierungen betroffen. Bei der Wahrscheinlichkeit im Homeoffice zu arbeiten gab es nur geringfügige Unterschiede nach Geschlecht und Familiensituation. Die Zufriedenheit mit der Arbeit, dem Familienleben und dem Leben insgesamt ging bei Frauen, Eltern und insbesondere Müttern überproportional stark zurück. Die beobachteten Unterschiede verringern sich gegen Ende des Lockdowns wieder, jedoch unterschiedlich stark für die einzelnen Ergebnisdimensionen.
Schließung, soziale
(2020)
In Wirtschaft und Gesellschaft führt Weber das Konzept »offener« und »geschlossener« sozialer Beziehungen (s. Kap. II.4) als § 10 der Soziologischen Grundbegriffe systematisch nach der Unterscheidung von »Vergemeinschaftung « und »Vergesellschaftung« (WuG, 21 § 9) ein. Während das soziale Handeln (s. Kap. II.16) bei der ersten dieser beiden Formen sozialer Beziehungen auf affektuell oder traditional begründeter Zusammengehörigkeit von Individuen beruht, gründet es bei der zweiten auf der wert- oder zweckrationalen Orientierung ihres Handelns. Trotz dieser wichtigen, anhand seiner Handlungstypen getroffenen Unterscheidung, macht Weber dann allerdings zugleich deutlich, dass im Hinblick auf Prozesse sozialer Schließung kein Unterschied darin besteht, ob es sich um subjektiv gefühlte oder rational motivierte Zusammengehörigkeiten dreht. Vielmehr gilt jegliche soziale Beziehung nach außen hin als »offen«, »wenn und insoweit die Teilnahme an dem an ihrem Sinngehalt orientierten gegenseitigen Handeln, welches sie konstituiert, nach ihren geltenden Ordnungen niemand verwehrt wird, der dazu tatsächlich in der Lage und geneigt ist« (ebd., 23).
Im Rahmen eines einjährigen Entwicklungsprozesses wurde das Fragebogenmodul "Einstellungen zu sozialer Ungleichheit" unter der Leitung der Infrastruktureinrichtung SOEP entwickelt und in der 38. Welle der Haupterhebung des Sozio-oekonomischen Panels erstmalig erhoben. Das finale Fragebogenmodul umfasst 43 Items zu den Themenbereichen Soziale Vergleiche, Soziale Mobilität, Sozialstaat und Nicht-materielle Ungleichheit. In der Tradition des SOEP als forschungsbasierte Infrastruktureinrichtung erfolgte die Fragebogenentwicklung in enger Zusammenarbeit mit externen Forschenden aus dem Bereich der Einstellungs- und Ungleichheitsforschung. Neben der etablierten Nutzung des SOEP Innovation Samples (SOEP-IS) für quantitative Pretests neu entwickelter Fragen kam erstmals ein kognitiver Pretest zum Einsatz. Der vorliegende Bericht dokumentiert den Entwicklungsprozess von der Konzeption bis zum finalen Fragebogen.
Über kaum ein Thema werden so hitzige Debatten geführt wie über Geschlechtsidentität. Das Wissen darum, dass Gender sozial konstruiert ist, wird von Anti-Gender Aktivist*innen häufig als ‚Gender-Ideologie‘ bezeichnet und ruft heftige Gegenreaktionen hervor. Dies gilt nicht nur in Deutschland – sondern länderübergreifend. Auffällig viele der transnationalen Anti- Gender Mobilisierungen der letzten 20 Jahre finden bezogen auf Bildungseinrichtungen statt. Dieser Beitrag widmet sich der besonderen Rolle der Universität und der Wissenschaft für transnationale Anti-Gender Diskurse. Anhand verschiedener Beispiele zeige ich auf, dass das Verhältnis zwischen Anti-Gender Bewegungen und Wissenschaft geprägt ist von widersprüchlichen Dynamiken, von Abgrenzung aber auch Imitation. In ihrem Zusammenspiel wirken beide Dynamiken mobilisierend und tragen zum Erstarken regressiver Rollenbilder und antidemokratischer rechter Bewegungen in der breiteren Gesellschaft bei. Der letzte Teil des Beitrags ruft daher zu mehr Selbstreflexion der wissenschaftlichen Praxis auf Grundlage feministischer und intersektionaler Ansätze auf.
Stress-Test Sozialamt
(2022)
Im Vergleich mit dem Privatsektor weist die öffentliche Verwaltung eine stark erhöhte Krankenstandsquote auf. Psychische Erkrankungen, welche in den letzten 12 Jahren massiv zugenommen haben, spielen dabei eine herausragende Rolle. Im Allgemeinen wird dies auf eine gesteigerte Arbeitsbelastung (z.B. in Folge des Personalmangels) zurückgeführt. Das Projekt „Stress-Test Sozialamt. Psychische Belastungen in der Sozialverwaltung“ soll dazu beitragen, die Verwaltungs-BürgerInnen-Interaktion näher zu beleuchten und den Blick auf Anforderungen und Konsequenzen für die Beteiligten vor allem im Hinblick auf das persönliche Stressniveau und die psychosoziale Gesundheit zu richten. Untersucht wurden Faktoren, die die psychische Gesundheit von VerwaltungsmitarbeiterInnen und das Verhalten von BürgerInnen in Interaktionen mit der Verwaltung darstellen sowie deren wechselseitigen Effekte zueinander. Das verwendete theoretische Modell geht davon aus, dass Stress dann auftritt, wenn (berufliche) Anforderungen (z.B. Arbeitsumfang) und Ressourcen (z.B. Unterstützung durch KollegInnen) nicht im Gleichgewicht stehen. Gerade bei langfristigem Missverhältnis ohne konstruktive Lösungsstrategie kann dies negative Folgen auf die individuelle Gesundheit nehmen.Mittels Multimethoden-Ansatz wurden Ergebnisse aus verschiedenen Quellen trianguliert und umfassend erfasst. Basis der Datenerhebung bildeten ExpertInnen-Interviews mit Mitarbeitenden und Führungskräften der teilnehmenden Sozialämter. Darauf aufbauend fanden teilnehmende Beobachtungen vor Ort und Befragungen von KundInnen und Mitarbeitenden per Kurzfragebögen nach direkten Interaktionen während der Sprechzeiten statt. Als letzter Schritt wurde schließlich eine Gesamtbefragung aller Mitarbeitenden der teilnehmenden Sozialämter durchgeführt. Aufgrund der Corona-Pandemie erfolgte letztere jedoch verzögert.
Die erhobenen Daten lassen auf ein heterogenes Stressbild der Mitarbeitenden schließen, wobei deutliche Ausschläge am oberen Ende der Skala zu verzeichnen sind. Ein Teil der Belegschaft ist demnach überdurchschnittlich gestresst. Zwar führt Stress nicht unmittelbar zur Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit. Ein dauerhaft erhöhtes Niveau zieht jedoch gesundheitliche wie psychische Folgen nach sich. Die hohe Stressbelastung lässt sich aufgrund der hier durchgeführten Datenerhebung im Wesentlichen auf hohe Arbeitsanforderungen zurückführen, was eine dauerhafte Belastung darstellen könnte. Weitere Stressquellen ergeben sich aus den hohen psychologischen Anforderungen der Arbeit, der eigentlichen Interaktion mit BürgerInnen sowie in Teilen einer unzureichenden Attraktivität des Arbeitsplatzes (z.B. durch fehlende Sauberkeit, Lärmbelästigung etc.). Aufgrund dieser Schlussfolgerungen wird daher empfohlen, aktives Gesundheitsmanagement und Sportkurse in den Ämtern auszubauen. Weiterhin sollte die gegenseitige und professionelle Supervision intensiviert werden. Um die Personalsituation zu verbessern, müssen Personalanwerbung und Einstellungsprozesse auf den Prüfstand gestellt werden. Weiterhin gilt es, die allgemeine Attraktivität des Arbeitsplatzes zu erhöhen, indem Großraumbüros in Bereichen mit KundInnenkontakt vermieden, technische Ausstattung und räumliche Begebenheiten verbessert werden. Nicht zuletzt müssen Amtsleitung und Führungskräfte informellen Austausch stärken und fördern sowie organisationale Lernprozesse ausbauen und etablieren.
Hochwasser, Brände, Stromausfälle oder Vandalismus – Kulturgüter können durch verschiedene Ereignisse gefährdet oder gar zerstört werden. Die Notfallvorsorge für Kulturgüter gehört zwar zu den Kernaufgaben von Kultureinrichtungen, doch nach wie vor fehlen vielerorts die nötigen Ressourcen sowie eine konsequente Koordination aller für einen effektiven Kulturgutschutz notwendigen Partner. Das Diskussionspapier „Organisatorische Voraussetzungen der Notfallvorsorge für Kulturgüter“ fasst die bereits etablierten Methoden zur Notfallvorsorge zusammen und gibt Empfehlungen zur Weiterentwicklung.
Einleitung
(2023)
Das Handbuch Organisationssoziologie liefert einen umfassenden Überblick über die Entwicklung, den Stand und die Zukunft der Organisationssoziologie als wissenschaftliche Disziplin. Dabei geht es sowohl um die systematische Aufnahme relevanter Theoriestränge, Methoden und Konzepte als auch um die Wechselbeziehungen, Überschneidungen und Komplementaritäten zu Nachbardisziplinen, die in einem Dialog aufgenommen werden. Das Handbuch vermittelt so einen eigenständigen Zugriff auf die Organisationssoziologie und bündelt gleichzeitig dessen Wissen auf dem neuesten Stand. Darüber soll es zu einem Standardwerk zur Organisationssoziologie im deutschsprachigen Raum werden.
Führung in Teilzeit?
(2023)
Teilzeitarbeit in Führungsetagen ist eine Ausnahme, obwohl das Thema Arbeitszeitreduzierung durch veränderte Familienarrangements und zunehmende berufliche Belastung wichtiger geworden ist. Daran hat weder der seit mehr als 20 Jahren bestehende Rechtsanspruch auf einen Teilzeitarbeitsplatz noch das im Jahr 2019 eingeführte Rückkehrrecht auf einen Vollzeitarbeitsplatz nach zeitlich begrenzten Arbeitszeitreduktionen etwas geändert. Dieser Beitrag nutzt Daten der Europäischen Arbeitskräfteerhebung, um Teilzeitarbeit von Führungskräften in Deutschland sowohl im zeitlichen als auch im internationalen Vergleich einzuordnen und damit ein empirisches Fundament für die gesellschaftliche Diskussion um Teilzeitführungskräfte zu legen. Die Auswertungen zeigen: In Deutschland arbeiteten im Jahr 2019 laut eigener Aussage rund 14 % der Führungskräfte in Teilzeit. Im europäischen Vergleich gehört Deutschland damit zu den Ländern mit dem höchsten Anteil an teilzeitarbeitenden Führungskräften. Die Auswertungen zeigen auch, dass in Deutschland der Anteil der weiblichen Führungskräfte in Teilzeit mit rund 32 % deutlich über dem der männlichen Führungskräfte liegt (rund 3 %) und es große Unterschiede nach Altersgruppen gibt. Als Motiv für eine Arbeitszeitreduktion geben Führungskräfte, insbesondere Frauen, zumeist Pflege- und Betreuungsverpflichtungen an.
Der vorliegende Artikel analysiert die niedersächsische Polizeiaffäre aus einer Perspektive, die sich für das Zusammenspiel von Recht und Organisationen interessiert. Zunächst argumentieren wir, dass Recht in Organisationen nicht aus sich heraus wirkt, es benötigt Akteur:innen, die es durchsetzen. Diese sitzen formal auf bestimmten Relaisstellen, deren Funktion es ist, dem Recht Geltung zu verschaffen. Im vorliegenden Fall, so zeigen wir, versagen diese Relaisstellen. Recht dient am Ende weniger dem Schutz der Betroffenen als vielmehr dem Schutz der Organisation.
Einleitung
Pflege in Deutschland befindet sich in einem Veränderungsprozess. Die politisch forcierte Zuwanderung von Pflegekräften sowie die Akademisierung führen zu einem enormen Anpassungsdruck bei allen Beteiligten. Wie wirkt sich dies auf den Arbeitsalltag aus?
Methoden
Die qualitative Datenbasis umfasst bisher 36 Tage Teilnehmende Beobachtung, 17 Themenzentrierte Leitfadeninterviews sowie vier Gruppendiskussionen in vier Pflegeteams zweier Krankenhäuser. Die Analyse erfolgt mit der Dokumentarischen Methode.
Ergebnisse
Am Beispiel der Grundpflege (u. A. dem „Waschen“) wird deutlich, wie die Pflegeteams ihren Arbeitsalltag neu aushandeln. Die Teams mit einer hohen migrationsbezogenen Diversität argumentieren eher, dass die Aufgaben der Grund- und Behandlungspflege entsprechend der Qualifikation als Hilfs- oder Fachkraft erledigt werden sollen. Hier treten stereotype (kulturalisierende) Zuschreibungen in den Hintergrund. Demgegenüber berufen sich Pflegeteams mit einer niedrigen migrationsbezogenen Diversität eher darauf, dass die Grundpflege in Deutschland – anders als in anderen Ländern – zu den Aufgaben einer examinierten Pflegefachkraft zählt. Kolleg*innen aus dem Ausland wird die pflegerische Kompetenz daher eher abgesprochen.
Schlussfolgerung
Die Frage nach der Aufteilung von Grund- und Behandlungspflege, ist auf allen Stationen virulent. Die Teams entwickeln jedoch in Abhängigkeit von ihrer spezifischen Heterogenität unterschiedliche Umgangsweisen. Demzufolge sollte sich Personal- und Organisationsentwicklung insbesondere an den Pflegeteams orientieren.
Militär
(2022)
Das Militär hat besondere Bedeutung für die Formung des männlichen Körpers vor allem durch Drill und militärisch geprägte Leibesübungen. Dadurch sollen Soldat*innen tauglich dafür gemacht werden, die Verletzungen des eigenen Körpers, Schmerzen, Durst und Hunger zu ertragen. Die gegenwärtige technologisch unterstütze asymmetrische Kriegsführung ist auch darauf ausgerichtet, die Gefahren für den soldatischen Körper zu reduzieren.
Ramadan in der Schule
(2023)
Wenn Schüler:innen im Ramadan fasten, müssen Schulen sowohl die Religionsausübung respektieren, als auch ihrem Bildungsauftrag nachkommen. Die daraus erwachsenden Herausforderungen werden vor allem an die Lehrkräfte und weniger an formale Bildungsstrukturen adressiert. Beim Versuch, diese widersprüchlichen Erwartungen als einzelne Lehrkraft zu bewältigen, entstehen Risiken für Diskriminierung. Unser Beitrag zeigt damit beispielhaft den Zusammenhang von schulorganisatorischen Rahmenbedingungen und Diskriminierungsrisiken auf.
Der Umgang mit Diversität in militärischen Organisationen wird auf drei Ebenen diskutiert: Auf der ersten geht es um Gemeinsamkeiten und die typischen Diskurse um Vielfalt in den Streitkräften. Auf der zweiten wird aufgezeigt, wie unterschiedlich in den Streitkräften um Diversität gerungen wird. Auf der dritten Ebene wird auf die mikropolitischen Auseinandersetzungen innerhalb von Streitkräften eingegangen. Deutlich gemacht wird in dem Beitrag, wie vielfältig der Umgang mit Diversität in den Streitkräften ist.
Im Zentrum dieser Forschungsnotiz steht die Frage nach der Bewertung von Einkommensungleichheit in der österreichischen Gegenwartsgesellschaft. Anhand von ISSP- und SSÖ-Daten können unsere Analysen diesbezüglich zeigen, dass Einkommensungleichheit von einer großen Mehrheit aktuell als zu hoch wahrgenommen wird. Zudem sehen die Menschen in Österreich sehr häufig den Staat in der Verantwortung Einkommensungleichheit abzubauen; viel häufiger als das in anderen europäischen Ländern der Fall ist. Während der Bereich Gesundheit und Pension seit Mitte der 1980er von der überwiegenden Mehrheit als staatliche Aufgabe gesehen wurde, liegt die Verantwortung für den Abbau von Einkommensungleichheit auf einem niedrigeren Zustimmungsniveau. Die Befürwortung der Absicherung von Arbeitslosen als Verantwortung des Staats nimmt aktuell eher ab, trotz der gestiegenen Arbeitslosigkeit zu Beginn der Pandemie. Schließlich zeigen unsere Regressionsanalysen, dass Unterschiede in der Beurteilung von Einkommensungleichheiten u. a. durch sozio-demographische Faktoren, die berufliche Stellung, das Haushaltseinkommen aber auch durch persönliche Einstellungen und Gerechtigkeitsüberzeugungen erklärt werden können.
Ausgehend von Bourdieus Kapitaltheorie diskutieren wir in diesem Beitrag, inwiefern ökonomisch verwertbare personenbezogene Daten als Fundament einer eigenständigen Form eines neuen digitalen Kapitals gesehen werden können. Als wertvolles und umkämpftes Gut entfaltet es in spezifischen Feldern eine soziale Wirkmächtigkeit und spiegelt sich in den Reproduktionsstrategien von Akteur*innen und korrespondierenden Ungleichheitsstrukturen.
In diesem Beitrag untersuchen wir den Zusammenhang zwischen staatlicher Regulierung im Umweltschutz und der Umweltperformanz. Ausgehend von drei theoretischen Perspektiven, welche die Beziehung von Staat und Markt beim Umweltschutz unterschiedlich konzeptualisieren, identifizieren wir fünf Pfade, wie staatlicher Eingriff und Umweltperformanz miteinander verknüpft sein könnten. Wir untersuchen dann die empirische Relevanz dieser Pfade mit einer quantitativen Analyse, die 29 umweltpolitische Maßnahmen in für 37 Länder und den Zeitraum von 1970 bis 2010 umfasst. Dabei finden wir zumindest für einige Politikbereiche und einige Länder Hinweise, die auf eine Effektivität nationalstaatlicher Regulierung hinweisen. Zukünftige Forschung kann auf unserem Rahmen aufbauen, um weitere Hypothesen zum Policy-Outcome-Nexus zu generieren und zu testen.
Obwohl seit der Finanzkrise 2008 systemische Finanzrisiken das Objekt zahlreicher wissenschaftlicher Studien waren, hat die Frage, unter welchen Bedingungen und Umständen die Auferlegung eines systemischen Finanzrisikos moralisch unzulässig ist, bisher kaum Beachtung gefunden. Ziel dieses Aufsatzes ist es, eine Reihe von normativen Kriterien für die Einschätzung der moralischen Unzulässigkeit von systemischen Risiken zu entwickeln. Darüber hinaus wird argumentiert, dass staatliche und andere relevante Institutionen zwei zentrale Pflichten hinsichtlich des Umgangs mit systemischen Finanzrisiken haben: eine Schutzpflicht gegenüber allen Bürger*innen und eine Sorgfaltspflicht, um die diesen Institutionen obliegenden Kontroll- und Aufsichtsfunktionen verantwortungsvoll auszuüben.
Serene Khader ist eine der wenigen feministischen Philosoph:innen in der anglosächsischen Philosophie, die sich gezielt mit globaler Ungerechtigkeit und Imperialismus aus Sicht jener Frauen beschäftigen, die von kolonialer und kultureller Herrschaft betroffen sind. Hierbei entlarvt sie eindrucksvoll die oftmals westliche Prägung von Feminismus, Gleichstellungspolitik und Philosophie und verfolgt so das Ziel, die Autonomie und Entscheidungskraft aller Frauen anzuerkennen. So zielt Khader in Decolonizing Universalism: A Transnational Feminist Ethic auf eine Neuausrichtung der feministischen Perspektive, welche es schafft, dekolonial und anti-imperialistisch zu sein, ohne gleichzeitig dem Universalismus komplett abzuschwören. Die folgende Buchdiskussion begibt sich in eine kritische Auseinandersetzung mit Khaders interessanter wie wichtiger Theorie. Einleitend werden wir einen Überblick über Khaders Grundgedanken geben. Es schließen sich kritische Kommentare von Tamara Jugov, Mirjam Müller, Kerstin Reibold sowie Hilkje C. Hänel und Fabian Schuppert an, auf die Serene Khader abschließend antwortet.
Wie ästhetische Bildung, vom Theater ausgehend, zusammen mit politischer Bildung realisiert werden kann, wird in diesem Beitrag vorgestellt. Politiklehrer_innen bekommen einen Einblick in die didaktische Bedeutung und den Gewinn für Schüler_innen durch den außerschulischen Lernort des Theaters. Am Beispiel des antiken Schauspiels wird die Bedeutung des Theaters für politische, genauer demokratische Bildung aufgezeigt, indem dargelegt wird, wie sie die Handlungskompetenz, den Perspektivwechsel sowie die Urteilsfähigkeit einzelner positiv beeinflusst. Da diese Kompetenzen heute länderübergreifend in den Curricula festgeschrieben sind, bietet es sich an, das Theater in den Unterricht miteinzubinden. Im letzten Absatz dieses Beitrags liefert der Autor ein Beispiel für den Unterricht anhand des Schauspiels „Der Volksfeind“ von Henrik Ibsen, mithilfe dessen Politiklehrer_innen das Theater in ihren Unterricht integrieren können.
Politische Urteilsbildung
(2020)
Die Fähigkeit zum politischen Urteilen gilt als das übergeordnete Ziel politischer Bildungsbemühungen. Epistemologisch nimmt das Theorem der politischen Urteilsbildung seinen Ausgang in der Epoche der Aufklärung. Immanuel Kants Ausführungen über den Zusammenhang von Aufklärung und Mündigkeit in seiner Schrift Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? bietet eine programmatische Vorlage für die weitere Auseinandersetzung mit Mündigkeit und politischer Urteilsbildung. Der Königsberger Philosoph erklärte hierin eingangs: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“
In der Ausgabe Politisches Lernen 1-2|2019 setzte sich Kurt P. Tudyka mit dem Verhältnis von Theater und Politik auseinander. Er gelangte zu dem ernüchternden Resümee: „Der Anspruch, Theater sei die Schule der Nation, – soweit er überhaupt noch besteht –, müsste aufgegeben werden.“ (S. 32) In Tudykas Einführung hieß es bereits: „Eine politisierende Wirkung auf das Publikum wird bestritten.“ (S. 30) Vor diesem Hintergrund könnte bei Lehrerinnen und Lehrern der Politischen Bildung der Eindruck entstehen, ein Besuch im Theater mit Schülerinnen und Schülern sei didaktisch nicht sinnvoll. Dagegen wird im folgenden Beitrag die Auffassung vertreten, dass ein Theaterbesuch mit den Lernenden durchaus mit Erkenntnisgewinnen, seien sie politisch oder über das Politische hinausweisend, verbunden sein kann. Der Beitrag stellt eine gekürzte Fassung des Textes „Theater und politische Bildung“ dar, der in Markus Gloe / Tonio Oeftering (Hrsg.): Politische Bildung meets Kulturelle Bildung, Baden-Baden (Nomos) 2020, erscheinen wird.
Eigentlich leben wir heute im Holozän, dem Erdzeitalter, das mit dem Ende der letzten großen Eiszeit vor etwa 12.000 Jahren seinen Ausgang nahm. Doch seit geraumer Zeit ist in Wissenschaft und Öffentlichkeit die Rede vom Anthropozän als der vom Menschen bestimmten gegenwärtigen Epoche. Mit der Begriffsschöpfung soll der gravierende Einfluss des Menschen auf die Umwelt zum Ausdruck gebracht werden, der sich nicht zuletzt in der Versauerung der Meere, im Artensterben und Klimawandel äußert. Doch wie spiegelt sich diese Erkenntnis in der Politischen Bildung wider?
Zur Jahreswende 1959/60 sorgten Hakenkreuzschmierereien an jüdischen Einrichtungen in Köln und anderswo für Entsetzen und Empörung. Diese Vorkommnisse machten bewusst, was im Verlauf der 1960er Jahre zu einem Politikum für die jüngere Generation werden sollte: Die mangelnde Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit. Diese Thematik sowie der von den USA in Vietnam geführte Krieg stellten mobilisierende Faktoren für die Herausbildung einer außerparlamentarischen Opposition (APO) in der Bundesrepublik dar, die sich in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre verbreitert. Prof. Ingo Juchler beschreibt den Weg der Politischen Bildung durch die 60er Jahre und die Entwicklung hin zur sog. „didaktischen Wende“.
Mit narrativen Medien lernen
(2022)
Aporien des Rechts
(2021)
Mundus vult decipi
(2021)
Die Menschen glauben, was sie glauben wollen. Betonung auf wollen. (…) Nein, der Glaube der Menschen hängt nicht von Fakten ab, nicht von Beweisen. Schlimmer noch – und das ist fast so etwas wie der zweite Teil der Erleuchtung, eine Steigerung: Man kann ihnen Fakten liefern, man kann sie widerlegen, es hilft nichts. Im Gegenteil, wer etwas glauben will, findet einen Weg! Er wird sich durch den winzigen Spalt quetschen, den die Wahrheit im lässt. Wird die Dinge so lange so drehen und wenden, bis sie wieder in seinen Glauben hineinpassen, und seine ganze Klugheit wird ihn nicht etwa daran hindern, sondern ihm noch dabei behilflich sein.
Eugen Ruge, Metropol
Toren sind, die alles loben und lieben, was im Nebel verdrehter Worte dunkel daherkommt; Toren, die für wahr halten, was ihnen eingefärbt durch wohltönende Phrasen, reizvoll die Ohren kitzelt.
Lukrez, Über die Natur der Dinge
Ein Volkskanzler
(2021)
Wie Grundrechte unter den Augen aller ausgehöhlt und umgebaut werden, wie kurz der Weg von der Demokratie zur Diktatur ist, zeigt Maximilian Steinbeis‘ Gedankenexperiment »Ein Volkskanzler« in sechs Schritten. Auf der Grundlage seines Essays hat er ein Theaterstück verfasst, das bereits auf vielen Bühnen gespielt und nun auch als Kammerspiel verfilmt wurde.
Die didaktische Handreichung unterstützt Lehrerinnen und Lehrer bei der Einbettung des Theaterstücks oder der Verfilmung von »Ein Volkskanzler« im Unterricht.
Ingo Juchler setzt sich am Beispiel des Romans „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“ (1999) von Thomas Brussig mit „Groteske und Satire im DDR-Roman als didaktische Momente in der politischen Bildung“ auseinander. Nach der Einführung in den Roman erörtert er dessen politischen Sinngehalt, den er in der Auseinandersetzung mit den literarischen Leitfiguren des Romans, Friedrich Schiller und Jean-Paul Sartre, im besonderen Wert der Freiheit findet. Den Toten der Berliner Mauer, die davon Zeugnis geben, setzt Juchler im abschließenden Kapitel ein Denkmal.
Typen von Forschungsdesigns
(2022)
Sozialwissenschaftliche Forschungsdesigns umfassen alle wesentlichen Entscheidungen, die im Forschungsprozess getroffen werden müssen. Der Beitrag unterscheidet drei rundlegende Typen von Forschungsdesigns: x-zentriert, y-zentriert und kontrastiv. Das x-zentrierte Design versucht einen theoretisch spezifizierten kausalen Effekt zu identifizieren und dessen Größe möglichst genau und ohne Verzerrungen zu schätzen. Das y-zentrierte Design versucht mehrere komplementäre Theorien über kausale Effekte so zu kombinieren, dass bestimmte Phänomene möglichst gut erklärt werden. Das kontrastive Design vergleicht die Erklärungskraft von zwei oder mehr konkurrierenden Theorien. Die Unterscheidung der drei Typen ist für qualitative Fallstudien ebenso relevant wie für Experimente oder statistische Studien mit Beobachtungsdaten. Der Beitrag grenzt die drei Typen voneinander ab, erklärt ihre jeweiligen Annahmen und diskutiert ihre Vor- und Nachteile sowie die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Kombination. Daneben diskutiert er den Unterschied zwischen Modellen und Theorien sowie die Bedeutung des Sparsamkeitsprinzips bei der Entwicklung und Bewertung wissenschaftlicher Theorien und Erklärungen.
Der Beitrag widmet sich zwei überaus fruchtbaren theoretischen Ansätzen in der Policy-Forschung und darüber hinaus: der Vetospielertheorie und Vetopunkt-Ansätzen. Neben den Grundzügen beider Ansätze stellen wir grundlegende Entwicklungslinien und Probleme dieser Literaturen anhand beispielhafter Studien dar. Es zeigt sich, dass beide Ansätze teils kontroverse Annahmen treffen, zu denen es plausible Alternativen gibt. Zum Beispiel kann das Verhalten von Koalitionsparteien im Policy-Prozess anders als von der Vetospielertheorie angenommen modelliert werden. Die kausalen Effekte bestimmter Institutionen oder Vetopunkte können zudem je nach Kontext variieren. Diesem Kontext sollte größere Beachtung geschenkt werden.
Reformen bei Elterngeld und Ehegattensplitting könnten gleichstellungspolitische Impulse setzen
(2023)
Germany is characterised by large gender gaps in the labour market. Both the gender pay gap as well as the gender gap in working hours are among the highest in Europe. Family policy reforms such as increasing the parental leave period that is ear-marked for fathers as well as reducing the high marginal tax rates for secondary earners resulting from the joint taxation of married couples with full income splitting (“Ehegattensplitting”) could help to mitigate the existing gender gaps in the labour market. These reforms are also paramount due to the increasing labour scarcity stemming from the demographic change.
Pulp Science?
(2023)
Der Beitrag hat sich in Teil 1 (abgedruckt in SGb 2023, 461 ff.) dem rechtlichen Rahmen und den offenen Rechtsfragen bei der Gliederung des Gefahrtarifs nach Tarifstellen gewidmet. Teil 2 zeigt anhand des aktuellen Falls des 4. Gefahrtarifs der BG BAU, welche Rechtsfehler zur Rechtswidrigkeit von Gefahrtarifen führen.
Bei der Festsetzung des Gefahrtarifs steht den Unfallversicherungsträgern nach § 157 SGB VII ein weiter Gestaltungsspielraum zu. An Grenzen stößt er bei der Zusammenfassung verschiedener Gewerbezweige in einer Tarifstelle. Unternehmensarten, die ein vom Durchschnitt der Tarifstelle erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko haben, steht ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigene Tarifstelle oder auf Neuzuordnung zu einer anderen, passenderen Tarifstelle zu. Ein fester Grenzwert für eine nicht mehr zulässige Abweichung der Belastungsziffer von Unternehmen von der Belastungsziffer des Tarifstellendurchschnitts hat sich aber bislang nicht herausgebildet. Der vorliegende Teil I befasst sich mit dem rechtlichen Rahmen für die Tarifstellenbildung im Gefahrtarif. Teil II (abgedruckt in einem der nächsten Hefte der SGb 2023) geht auf den aktuellen Fall des 4. Gefahrtarifs der BG BAU ein.
Wer schreibt? Wer spricht?
(2022)