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In den Jahren 2015–2017 haben Wissenschaftler/ innen der Universitäten Potsdam und Lausanne alle ermittelbaren religiösen, spirituellen und weltan-schaulichen Gemeinschaften in Potsdam besucht und interviewt. Dabei wurde ein inklusiver Religionsbe-griff angewendet, der auch Gruppen und Netzwerke jenseits der sog. Weltreligionen umfasst wie Freimau-rer, Humanisten und Yoga-Studios. Der Band bietet eine lokale Religionsgeschichte, stellt 75 Gemein-schaften in Einzelporträts vor und analysiert sie vergleichend: Wie werden die Versammlungen bzw. Gottesdienste gestaltet? Welche Infrastrukturen (Ge-bäude, Ämter, Kreise) nutzen sie? Wie binden die Ge-meinschaften ihre Mitglieder auch in der Situation des Postsozialismus?
Das Buch ist ein einzigartiges, umfassendes Nach-schlagewerk zur Religionssituation einer Großstadt und bietet darüber hinaus Reflexionen zur Einord-nung in die Potsdamer Stadtdynamik sowie in die übergeordneten religiösen Kontexte.
Die Lebensgeschichte des jüdischen Gelehrten und Aufklärers Moses Mendelssohn (1729–1786), der allen Hindernissen zum Trotz in den Rang einer allseits anerkannten intellektuellen Autorität aufstieg, wurde innerhalb der Geschichte des deutschen Judentums zum Inbegriff einer individuellen Emanzipation im Medium der Bildung. Mendelssohns Vita fand ein theoretisches Pendant in seiner Philosophie der Bestimmung des Menschen zu einer unaufhörlichen Vervollkommnung. Beide Stränge dieser für anthropologische Fragestellungen sensiblen, lebenspraktisch relevanten Metaphysik – das Nachdenken über eine allgemeingültige Bestimmung des Menschen auf der einen und die Reflexion über eine spezifisch jüdische Existenz auf der anderen Seite – erschließen die universelle und partikulare Dimension des menschlichen Lebens und ergeben in ihrer Verbindung ein theoretisches Integral von allgemeiner Menschennatur und kultureller Partikularität. Am Beispiel des Judentums führt Mendelssohn die Allgemeingültigkeit des partikularen Anspruchs auf die Bewahrung kultureller Andersartigkeit vor. Sein bestimmungsmetaphysisches Denken gipfelt in einem Plädoyer für die Toleranz, welches das geistige Erbe des deutsch-jüdischen Philosophen ausmacht.
Heinrich Loewe
(2018)
Die zionistische Geschichte Berlins ist zweifellos mit den Biographien einer Vielzahl von Aktivistinnen und Aktivisten verknüpft, die sich vom ausgehenden 19. Jahrhundert an selbstorganisierten. Heinrich Loewe, den Barbara Schäfer zum „Paradebeispiel einer ganzen Epoche“ erklärte, spielte im Zuge der zionistischen ‚Aneignung‘ der Großstadt zweifelsohne eine entscheidende Rolle. Auf seinem Grabstein auf dem Alten Friedhof in Tel Aviv ist zurecht eingraviert: „Einer unter den Gründern der zionistischen Bewegung“.
Loewe – geboren in Wanzleben, Berliner seit 1933 – war um die Jahrhundertwende an zahlreichen zionistischen Vereinsgründungen beteiligt und viele Jahre als Journalist und Chefredakteur tätig. Früh unternahm er mehrmonatige Reisen nach Palästina, war Delegierter (nicht nur) auf dem 1. Zionistenkongress, später sogar Referent für „Palästina-Kulturfragen“ im 1907 in Berlin eröffneten Zentralbüro der Zionistischen Weltorganisation. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 endete Loewes langjährige Tätigkeit als Bibliothekar der Berliner Universitätsbibliothek und er emigrierte mit seiner Familie nach Tel Aviv. Zu diesem Zeitpunkt blickte er auf einen 30 Jahre andauernden Einsatz für den Aufbau einer jüdischen Nationalbibliothek in Jerusalem zurück. Er wäre beinahe ihr erster Direktor geworden.
Basierend auf umfangreichem Material aus israelischen und deutschen Archiven sowie einem großen Korpus weiterer zeitgenössischer Quellen untersucht Frank Schlöffels Buch am Beispiel der Biographie Heinrich Loewes soziale und kulturelle Verflechtungsprozesse. Häufig von konkreten raum-zeitlichen Settings ausgehend – einem Ort etwa wie der Bibliothek oder der Redaktion –, richtet er einerseits den Blick auf das in diesen Kontexten entstehende Wissen, anderseits auf die sich knüpfenden Beziehungen zwischen Orten und zwischen Menschen, Gegenständen und Ideen.
Mitöffentlichkeit
(2018)
Im Mittelpunkt dieser beziehungsgeschichtlichen Darstellung steht die Geschichte der deutsch-deutschen Arbeit der Evangelischen Akademie Berlin-Brandenburg seit ihrer Gründung 1951 bis Ende der 1970er- bzw. Anfang der 1980er-Jahre. Nach einem Überblick zur Geschichte der Ev. Akademien und der Evangelischen Akademie Berlin-Brandenburg wird sie als ein exemplarischer deutsch-deutscher Ort literarischer Kommunikation, der „Vergangenheitsbewältigung“ und des christlich-jüdischen Dialogs als Teil der NS-Auseinandersetzung beschrieben. Im Rahmen der literarischen Arbeit wurden häufig in der DDR – noch – nicht veröffentlichte westdeutsche und westeuropäische Texte in den literarischen Kreislauf eingespeist; hiermit konstitutiv verbunden ist das ebenfalls hochpolitische und gesamtdeutsch dimensionierte Thema der Vergangenheitsbewältigung. Über den Kontext der Akademie hinaus versteht sich die Arbeit auch als ein Beitrag zur deutsch-deutschen Geschichte der Vergangenheitsbewältigung. Mit den seit 1961 durchgeführten Israel-Tagungen institutionalisierte sich der christlich-jüdische Dialog etwa 15 Jahre früher als in der evangelischen Kirche in der DDR. Damit bietet diese Arbeit auch neue Aspekte der Geschichte des Protestantismus in Ostdeutschland und der christlich-jüdischen Beziehungen in der DDR. Hinsichtlich der kirchlichen Vergangenheitsbewältigung leistete die Akademie Pionierarbeit. Im Horizont deutschland-, kultur- und kirchenpolitischer Entwicklungen schwächte sich ab Ende der 1960er-Jahre der gesamtdeutsche Bezug ab. Die Akademie war durch Nähe und Distanz zu staatlichen und kirchlichen Kontexten geprägt. Massive Überwachungen durch die Staatssicherheit und Konflikte mit staatlichen Organen sind Ausdruck dieses „Eigen-Sinns“. Als christlicher Akteur beharrte die Akademie auf Mitgestaltung und Mitwirkung und erzeugte durch ihre Arbeit Mitöffentlichkeit. Dieser neu eingeführte Begriff entzieht sich dem Dualismus von offizieller Öffentlichkeit und Gegenöffentlichkeit und leistet eine wesentliche Differenzierung des Formenkreises von Öffentlichkeit in der DDR.
Weil ich hier leben will ...
(2018)
Gibt es im 21. Jahrhundert so etwas wie ein „deutsches Judentum“? Wie sinnvoll ist das Reden von einer jüdischen Renaissance, wenn sich Jüdinnen und Juden heute ganz neu und in Abgrenzung zu alten Bildern und Vorstellungen definieren? Was bedeutet es für Deutschland, wenn sich Jüdinnen und Juden mit anderen religiösen, ethnischen und kulturellen Minderheiten solidarisieren und sich nicht gegen sie ausspielen lassen möchten? Und wie ist dem neu erwachenden Antisemitismus zu begegnen? Junge Jüdinnen und Juden in Deutschland schreiben an gegen altbewährte Klischees und Voreingenommenheiten. Und sie zeigen wie anders und lebendig jüdisches Leben heute ist.