Gespiegelte Fassung der elektronischen Zeitschrift auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam, Stand: 5. Juli 2011 |
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HiN XII, 22 (2011)
Über die Autorin
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Elena Roussanova
Russland ist seit jeher das gelobte Land für Magnetismus gewesen:
Alexander von Humboldt, Carl Friedrich Gauß und die Erforschung des Erdmagnetismus in RusslandAbstract
Russia covers an essential part of the earth’s surface. Hence it played an exceptional role in the scientific investigation of earthmagnetism during the 18th and even more in the 19th century. Through Alexander von Humboldt’s interest in earthmagnetism and his organizational and diplomatic abilities earthmagnetism became an international phenomenon studied at many research institutions. Unlike Humboldt, Carl Friedrich Gauss established a new scientific approach. Humboldt’s aim to globally investigate the physical earth and Gauss’ idea to centralize the measurements led to the foundation of a main physical observatory in St. Petersburg in 1849, which, at its time, was a completely new institution exclusively set up for the new discipline geophysics. The head of this institution became the Russian physicist Adolph Theodor Kupffer, collaborator and colleague as well of Humboldt and of Gauss.
Zusammenfassung
Wegen seiner riesigen Ausdehnung hat Russland bei der wissenschaftlichen Erforschung des Erdmagnetismus bereits im 18. Jahrhundert und erst recht im 19. Jahrhundert eine herausragende Rolle gespielt. Alexander von Humboldts Engagement auf dem Gebiet des Erdmagnetismus, sein organisatorisches und diplomatisches Geschick verhalfen dazu, dass man sich international und vielerorts dem Phänomen des Erdmagnetismus zuwandte. Carl Friedrich Gauß stellte dessen Erforschung in der relativ kurzen Zeit zwischen 1833 und 1839 auf ein ganz neues wissenschaftliches Fundament. Die Pläne Humboldts, die Erde möglichst global physikalisch zu erforschen, und die Pläne von Gauß, die erdmagnetischen Forschungen zentral zu koordinieren, gipfelten 1849 in der Gründung des Physikalischen Hauptobservatoriums in St. Petersburg, das zu jener Zeit eine absolut neuartige Institution darstellte – es war der Erforschung der neuen Disziplin Geophysik gewidmet. An der Spitze dieser Institution stand der russische Physiker Adolph Theodor Kupffer, Mitarbeiter und Kollege sowohl von Humboldt als auch von Gauß.
1. Einleitung
Das Phänomen des Erdmagnetismus, das für die Schifffahrt eine so wichtige Rolle spielte, wurde im 18. und am Anfang 19. Jahrhunderts im Allgemeinen nur an einigen wenigen Orten wissenschaftlich untersucht. Diese Untersuchungen wurden meistens nur einmalig oder nach langen Pausen durchgeführt. Mehr oder minder systematische magnetische Messungen tätigte man lediglich an der Pariser Sternwarte. Dies geschah zunächst nicht in einer extra dafür geschaffenen Einrichtung, sondern im Gebäude der Sternwarte. Eine Bewegung, dass man sich international und vielerorts dem Phänomen des Erdmagnetismus zuwenden würde, resultierte daraus noch nicht.
Ganz anders sah es in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts aus. Nunmehr begannen zahlreiche Naturwissenschaftler, vor allem Physiker und Astronomen, sich mit den Erscheinungen des Erdmagnetismus zu beschäftigen, allen voran in Frankreich, aber auch im deutschen Sprachraum einschließlich Österreich, in Russland, in Großbritannien und anderswo. Dafür wurden vielerorts, aber vor allem in Sternwarten entsprechende Beobachtungen mit neuen Instrumenten durchgeführt, mancherorts wurden sogar neue Institutionen ins Leben gerufen, nämlich sogenannte magnetische Observatorien, deren Gebäude, möglichst eisenfrei und von störenden Faktoren befreit, errichtet wurden. Dieses Interesse am Erdmagnetismus nahm im Laufe der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stetig zu, sodass schließlich der Erdmagnetismus ein internationales Forschungsgebiet wurde, dem sich nur wenige Physiker und Astronomen versagten. Russland spielte dabei eine besondere und vor allem herausragende Rolle, deshalb behauptete Adolph Theodor Kupffer[1] 1838 in seinem Memorandum über die Einrichtung eines Magnetisch-Meteorologischen Observatoriums in St. Petersburg:
Russland ist seit jeher das gelobte Land für Meteorologie und Magnetismus gewesen. Die Aufmerksamkeit aller Gelehrten des Auslandes, die sich mit diesem Gegenstande beschäftigen, war immer auf Russland gerichtet, und aus Russland hat man immer die Auflösung der wichtigsten Probleme, die Bestätigung oder die Widerlegung der umfassendsten Hypothesen erwartet (Rykatchew 1900, 37*).
2. Die Anfänge der Erforschung des Erdmagnetismus in Russland
2.1 Gottfried Wilhelm Leibniz
Der Gedanke, erdmagnetische Beobachtungen im Russischen Reich in großem Umfang und in speziell dafür errichteten Stationen durchzuführen, ging von dem großen deutschen Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz[2] aus. Leibniz, der seit 1711 Russischer Geheimer Justizrat war, unterbreitete dem wissbegierigen russischen Zaren Peter I.[3] nicht nur den Plan einer wissenschaftlichen Societät, der als die Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg erst im Jahre 1725 nach dem Ableben von beiden verwirklicht wurde, sondern er war bestrebt, Peter I. auch für die Erforschung des Erdmagnetismus zu gewinnen. Eine der damals wichtigsten Fragen betraf die magnetischen Pole und die Linien ohne Abweichung, die sogenannten Nulllinien, weil man glaubte, sie für die Längenbestimmung verwenden zu können. Leibniz erkannte die herausragenden Möglichkeiten, die dazu ein riesiges Land bot, und schlug Peter I. vor, an vielen Orten des Russischen Reiches, deren geographische Lage genau zu bestimmen war, magnetische Beobachtungsstationen einzurichten. So nannte Leibniz in einer für Peter I. bestimmten Denkschrift vom 23. November 1712, die Leibniz an dessen Mitarbeiter Jacob Daniel Bruce[4] sandte, zwölf Städte, darunter St. Petersburg, Archangelsk, Moskau, Kasan, Astrachan, Tobolsk, sowie Orte am Eismeer, an den Flüssen Lena und Jenissej, und auf dem Reiseweg durch Sibirien, nach Mittelasien, nach Indien und nach China,[5] wo die magnetische Beobachtungen angestellt werden sollten:
Abb. 1. Die Tabula Nautica von Edmond Halley, London 1701; Karte der Linien gleicher Deklination (Isogonen). Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Sign. Kart. W 759.Man hat bisher viel observationes Varitationis Magneticae angestellt, aber meistens in Unserm diesseitigen Europa, auch an dem Seegestade von Asia, Africa und America, so die Europäer befahren. Man hat aber noch nicht die meisten örther, so den polis globi sich nähern, anwo sie doch am dienlichsten, umb den Unterschied der polorum Magneticorum von den polis globi besser zu haben. Und weil S. Gross Cz. Mt. ein grosses theil der Nordischen Lande von Finland biss an die Chinesische Grenzen besizen, so können Sie am besten dasjenige ersezen lassen was bisher an den Magnetischen observationen abgangen.
Demnach wäre dienlich, dass anstalt gemacht würde die Variationem Magneticam zu Mitau, Riga, Reval, S. Petersburg, Pleskau, Archangel und an einigen andern orthen längst des Eissmeers sonderlich an den Ostiis oder aussflüssen des Oby, der Lena und jenissea, dann selbst zu Moscau, Kiow, Veroniza, Cazan, Astrakan, Tobolsko, und ferner in den Russischen stationen nacher Siberien, Bughhara, Indien und Catay genau zu bemercken. Es wäre aber nöthig, dass dabey elevatio poli [Polhöhe], auch selbst longitudo iedes orths durch die bekandte methodos longitudinum terrestrium mit fleiss bemercket würde, die lage solches orthes genau zu haben (Guerrier 1873, 246; vgl. Richter 1946, 95).
Zur Veranschaulichung dieser Denkschrift, die auch weitere Ausführungen bezüglich des Magnetismus enthält, übersandte Leibniz an Bruce unter demselben Datum auch einen Globus magneticus mit der folgenden Erklärung:
Ich habe aus denen Land- und See-Charten die declinationes des Magnets, wie sie sich von Anfang dieses seculi befunden, auff einen Globum tragen lassen, den man billig magneticum nennen kann (Richter 1946, 97).
Humboldt, der diesen Globus von Leibniz in Hannover noch selbst gesehen hatte, hinterließ in seinen Werken dessen ziemlich ausführliche Beschreibung. Wie Liselotte Richter gezeigt hat, verwendete Leibniz im Jahre 1712 für seinen magnetischen Globus die Deklinationswerte des Londoner Mathematikers Henry Bond,[6] die aus der Zeit von 1668 bis 1676 stammten (Richter 1946, 97–98). Dies klingt ein wenig erstaunlich, weil Leibniz zu dem Zeitpunkt der Abfassung seiner Denkschrift auch neuere Daten aus einer Karte mit den Linien gleicher magnetischer Abweichung (= Deklination), nämlich der Tabula Nautica von Edmond Halley[7] (Abb. 1)[8], zur Verfügung gestanden hätten. Die Karte von Halley stellte zum ersten Mal eine umfassende graphische Darstellung der Verteilung der Deklination auf einer Weltkarte vor; eingezeichnet sind die Linien gleicher Deklination.[9] Die Karte erschien 1701 in London, jedoch ohne Begleitschrift. Halley hatte die Messungen während zweier speziell unternommener Schiffsreisen durchgeführt, aber er veröffentlichte zu seinen Lebzeiten darüber keinen Bericht, auch nichts über die Beobachtungsmethode und über die Instrumente. Auf seiner Karte sind allerdings nur die Linien auf dem Meere eingezeichnet. Dies ist nicht verwunderlich, weil das Studium des Erdmagnetismus drei Jahrhunderte hindurch durch die Bedürfnisse der Schifffahrt stark beeinflusst wurde. Beobachtungen auf dem Lande dagegen wurden kaum angestellt (Hellmann 1895, 5–10, 16–20).
Leibniz’ Interesse am Erdmagnetismus entstand allerdings etwa drei Jahrzehnte vor der Veröffentlichung der Halley’schen Karte, was die Verwendung von veralteten Daten von Bond erklären könnte. Hervorzuheben ist ferner, dass Leibniz um 1681 mit anderen Gelehrten über die Gründung einer Societas mathematico-magnetica verhandelte, die jedoch nicht zu Stande kam (Richter 1946, 98).
Das Problem der Linien ohne Abweichung sowie die Anzahl und die Lage der magnetischen Pole wurde im 17. Jahrhundert heiß diskutiert. Auch Halley leistete einen Beitrag dazu und stellte im Jahre 1683 die Hypothese auf, dass es vier magnetische Pole gebe (Halley 1683; Halley 1692). Halley behauptete auch, dass die Linie ohne Abweichung periodischen Bewegungen unterliege. Leibniz verfolgte seinerzeit die die Nulllinien und die magnetischen Pole betreffende Diskussion und kam zu der Ansicht, dass es nur eine einzige Linie ohne Abweichung und nur zwei Magnetpole gebe. Für die empirische Prüfung dieser Hypothesen dachte Leibniz an die Vorteile der riesigen Landmasse des Russischen Reiches. Er beabsichtigte das gleiche, was Halley auf dem Wasser durchgeführt hatte, auf dem Festland durchführen zu lassen (Richter 1946, 98–100). Noch in seinem Todesjahr 1716 verfasste Leibniz eine weitere für Peter I. bestimmte Denkschrift, die ebenfalls eine detaillierte Darstellung seiner Pläne bezüglich des Erdmagnetismus enthält (Guerrier 1873, 346–348; Richter 1946, 93, 101–102; Honigmann 1984, 60–61).
Wie Margot Faak gezeigt hat, wurde von Humboldt die Priorität der Absicht von Leibniz, Russland auf Grund der territorialen Ausdehnung in die Erforschung des Erdmagnetismus einzuschließen, anerkannt und gewürdigt (Faak 1975). In seiner Asie Centrale und später im Kosmos berichtete Humboldt über Leibniz’ magnetischen Globus und über dessen Vorstellungen von der Nulllinie, die Leibniz als linea magnetica primaria bezeichnete. Diese Kurve mit vier wechselnden Krümmungen sollte nach Leibniz die beiden Magnetpole mit einander verbinden:
In einem [...] an den Zar gerichteten Briefe erwähnt Leibnitz eines kleinen Handglobus (terrella), der noch in Hannover aufbewahrt wird und auf welchem er die Curve, in der die Abweichung null ist (seine linea magnetica primaria), dargestellt hatte. Er behauptet: daß es nur eine einzige Linie ohne Abweichung gebe; sie theile die Erdkugel in zwei fast gleiche Theile, habe 4 puncta flexus contrarii: Sinuositäten, in denen sie von convexen in concave Scheitel übergeht; vom Grünen Vorgebirge bewege sie sich nach den östlichen Küsten von Nordamerika unter 36° Breite, dann richte sie sich durch die Südsee nach Ost-Asien und Neu-Holland. Diese Linie sei in sich selbst geschlossen; und bei beiden Polen vorübergehend, bleibe sie dem Südpole näher als dem Nordpole; unter letzterem müsse die Declination 25° westlich, unter ersterem nur 5° sein. Die Bewegung dieser wichtigen Curve sei im Anfange des 18ten Jahrhunderts gegen den Nordpol gerichtet. Oestliche Abweichung von 0° bis 15° herrsche in einem großen Theile des atlantischen Oceans, in der ganzen Südsee, in Japan, einem Theil von China und Neu-Holland (Humboldt 1845–1862:4, 203–204).[10]
Was Russland betrifft, fielen Leibniz’ Ideen auf fruchtbaren Boden, obwohl sie wegen des lange andauernden Nordischen Krieges (1700 bis 1721) nicht sofort umgesetzt werden konnten. Leibniz war deswegen auf das Interesse des russischen Zaren am Erdmagnetismus gestoßen, weil Peter I. große Pläne für die Entwicklung der Schifffahrt schmiedete; für diese schien die Erforschung des Erdmagnetismus von großem praktischen Nutzen zu sein. Von der Bedeutung, die der Zar der Schifffahrt zumaß, spricht auch die Gründung einer Mathematik- und Navigationsschule in Moskau im Jahre 1701; dies war die erste moderne Bildungsanstalt in Russland. Dem ersten russischen Mathematiklehrer an dieser Schule hatte Peter I. das Pseudonym Magnickij[11] verliehen, offensichtlich in Anlehnung an das Wort Magnet.
Aus der darauffolgenden Darstellung wird ersichtlich, dass die Ideen von Leibniz in Russland selbst keinesfalls vergessen und im 18. Jahrhundert unter der Ägide der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg weiterentwickelt wurden.
2.2 Die Forschungen der Petersburger Akademie der Wissenschaften im 18. Jahrhundert
Es ist wichtig hervorzuheben, dass die entscheidenden Impulse bei der Erforschung des Erdmagnetismus im 18. Jahrhundert von der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg ausgingen. Die Forschungen standen unter der Obhut der Akademie, allerdings gelangten die Ergebnisse zunächst aus mehreren Gründen nicht immer an die Öffentlichkeit. Hier können nur einige wichtige Ereignisse kurz skizziert werden (vgl. Honigmann 1984, 61–62).
Daniel Gottlieb Messerschmidt
Ein erster wichtiger Schritt waren erdmagnetische Beobachtungen auf dem Lande, die auf den von der Akademie organisierten Expeditionen durchgeführt wurden. Auf vielen solchen Reisen, die der allseitigen Erschließung des Russischen Reichs dienten, wurden magnetische Beobachtungen angestellt. Schon bei der ersten akademischen Expedition des Mediziners Daniel Gottlieb Messerschmidt,[12] der noch vor der offiziellen Eröffnung der Akademie im Jahre 1725 auf eine Forschungs- und Sammelreise nach Sibirien entsandt wurde, wurden magnetische Messungen durchgeführt. Die Werte der Deklination, die Messerschmidt in Irkutsk (1723) und in Nertschinsk (1724) bestimmt hatte, wurden erst viel später von dem norwegischen Physiker Christopher Hansteen veröffentlicht (Hansteen 1831, 366–367).
Zweite Kamtschatkaexpedition
Ein großes Projekt der Akademie war die zehn Jahre, von 1733 bis 1743, währende Zweite Kamtschatkaexpedition. Es waren hauptsächlich der Astronom Louis De l’Isle de la Croyère[13] und der Mediziner Johann Georg Gmelin,[14] die bei den Reisen magnetische Messungen angestellt hatten. Die ersten Instruktionen für die physikalischen Untersuchungen wurden von dem Mathematiker Daniel Bernoulli[15] verfasst, der von 1725 bis 1733 an der Akademie in St. Petersburg wirkte. In seiner die Beobachtungen der Magnetnadel betreffenden Instruktion De Observationibus acus magneticae vom November 1732 geht es um die Beobachtungen der Deklination und der Inklination sowie um die Feststellung der Variationen der magnetischen Kraft (Hintzsche 2004, 123–124, 129).
Nachdem Daniel Bernoulli St. Petersburg verlassen hatte, wurde sein Nachfolger Georg Wolfgang Krafft,[16] Professor für Theoretische und Experimentelle Physik an der Akademie, für die Instruktion der Expeditionsteilnehmer zuständig. In der Instruktion vom 5. April 1733 (Hintzsche 2004, 295–312) ist von Krafft beispielsweise angegeben, dass an jedem Ort, wo die Expedition Aufenthalt nimmt, die Deklination und die Inklination der Magnetnadel so oft wie möglich ermittelt werden sollten; es muss auch beobachtet werden, ob die magnetische Kraft an verschiedenen Orten die gleiche bleibt:
In loco ubi morabitur ducat lineam Meridianam, ut eius ope Saepissime inquirere possit in Declinationem [et] Inclinationem acus magneticae.
Exploretur vero Inclinatio acus magneticae in diuersis Azimuthis, praecipue autem in meridiano magnetico. Observet etiam an ipsa vis magnetica in diuersis locis sit eadem (Hintzsche 2004, 299).
Aus den während der Expedition angefertigten Dokumenten folgt, dass die magnetischen Messungen tatsächlich durchgeführt und die Ergebnisse nach St. Petersburg geschickt wurden, wie zum Beispiel die Tentamina Magnetica von Johann Georg Gmelin vom Dezember 1733.[17] Da aber die Expedition strenger Geheimhaltung unterlag, blieben auch die Ergebnisse der magnetischen Beobachtungen unveröffentlicht und damit anderen Wissenschaftlern nicht zugänglich.
Leonhard Euler
Einer der berühmtesten Mitglieder der Akademie in St. Petersburg, Leonhard Euler, der 31 Jahre lang – von 1727 bis 1741 und wieder von 1766 bis 1783 – an der Akademie in St. Petersburg tätig war, beschäftigte sich mehrere Jahre hindurch mit dem Erdmagnetismus. Euler, der 1727 auf Grund einer Empfehlung seines Freundes Daniel Bernoulli nach St. Petersburg kam, hatte als erster einen Versuch unternommen, die Mathematik mit dem Erdmagnetismus in Verbindung zu bringen, d.h. eine mathematische Theorie des Erdmagnetismus aufzustellen. Es ging letztendlich darum, bei bekannter Lage der Magnetpole aus der geographischen Länge und Breite eines Ortes die magnetische Abweichung der Magnetnadel an diesem Ort zu berechnen.
Abb. 2. Die Deklinationskarte von Leonhard Euler, Ausgabe von 1760: Tabula Geographica utriusque Hemisphaerii Terrestris exhibens declinationem acus magneticae pro singulis locis globi terraquei ad A.C. 1744. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Sign. 2° Kart. B 730. Aus: Euler, Leonhard: Atlas geographicus omnes orbis terrarum regiones in XLI tabulis exhibens. Jussu academiae regiae scient. et eleg. litt. Boruss. ad emendatiora, quae adhuc prodiere exempla descriptus atque ad usum potissimum scholarum et institutionem juventutis editus. / Geographischer Atlas bestehend in 44 Land-Charten, worauf alle Theile des Erd-Creyses vorgestellet werden: Auf Befehl der Königlichen Academie der Wissenschaften nach den bisher herausgekommenen besten Charten beschrieben, und insbesondere zum Gebrauch der Jugend in den Schulen herausgegeben (Euler 1753/60).Seinen Überlegungen legte Euler die Hypothese zu Grunde, dass die Erdkugel nur eine magnetische Achse habe. Euler versuchte auch zu begründen, dass für die Erklärung der magnetischen Erscheinungen die Annahme von zwei Magnetpolen, die in einem gewissen Abstand zu den geographischen Polen liegen, ausreichend sein sollte. Die Annahme von vier Polen fand Euler überflüssig; damit hat er die Theorie von Halley verworfen.[18] Seine Theorie stellte Euler 1757 in der Abhandlung Recherches sur la déclinaison de l’aiguille aimantée (Euler 1759, E237) dar. Fast zehn Jahre später, 1766, verbesserte er sie in der Arbeit Corrections nécessaires pour la théorie de la déclinaison magnétique (Euler 1768a, E362). Jedoch aus Mangel an Beobachtungsdaten konnte Euler seine Theorie nicht ausreichend verifizieren und sie blieb ohne großen Erfolg. Euler hat mehrere Abhandlungen über Magnetismus verfasst (Speiser/Radelet-de Grave 2004). Allein in seinem populärwissenschaftlichen Werk Lettres à une Princesse d’Allemagne (Euler 1768b, E343) sind 19 Kapitel dem Thema Magnetismus gewidmet (Speiser/Radelet-de Grave 2004, CII–CV).
Im Jahre 1743 wurde der Preis der Académie Royale des Sciences in Paris an Daniel Bernoulli und Leonhard Euler für Beiträge über den Erdmagnetismus verliehen. Dabei wurde die Arbeit von Euler De observatione inclinationis magneticae dissertatio ausgezeichnet (Euler 1843, E108). Ein Jahr später, 1744, erhielt auch Eulers Dissertatio de magnete (Euler 1844, E109) den Preis der Pariser Akademie zuerkannt.
Auf Vorschlag der Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres zu Berlin entwarf Leonhard Euler den Geographischen Atlas, dessen erste Auflage im Jahre 1753 in Berlin gedruckt wurde (Euler 1753, E205). Die zweite Auflage des Geographischen Atlas erschien 1760 mit Titel und Vorbericht in deutscher, französischer und lateinischer Sprache (Euler 1760, E205a). Dieser Atlas enthielt eine wertvolle Deklinationskarte von Euler, die seine Ansichten bezüglich der Annahme von zwei Magnetpolen veranschaulicht und die er als eine absolut neue Karte bezeichnet (Abb. 2). Bisher wurde sie aber bei Untersuchungen über den Erdmagnetismus kaum berücksichtigt. Obwohl Euler auf dieser Karte keine Deklinationslinien auf dem russischen Festland einzeichnete, kannte er sicherlich als Mitglied der Akademie in St. Petersburg die magnetischen Messungen der russischen Expeditionen. Euler war darüber hinaus in St. Petersburg am Geographischen Departement tätig und arbeitete seit 1734 an der Erstellung des ersten Generalatlasses des Russischen Imperiums, der 1745 erschien.
Im Vorbericht zum Atlas heißt es:
Declination der Magnet=Nadel: oder eben diese beyden Halb=Kugeln, mit der Abweichung der Magnet=Nadel auf das Jahr 1744.[19]
Diese Charte muß als gantz neu angesehen werden, indem sich dieselbe in keinem andern Atlas befindet, und auch bisher auf keinen teutschen Charten die Abweichung der Magnet=Nadel vorgestellet worden. In England hat zwar schon vor geraumer Zeit der berühmte Halley diese Abweichung auf einer See=Charte angezeigt, wie dieselbe im Jahr 1700. ist beobachtet worden, und erst seit kurzem ist daselbst eine neue See=Charte, mit dieser Abweichung auf das Jahr 1744 herausgegeben worden, denen man hier gefolget ist. Allein da diese See=Charten den wahren Zug der Linien, auf welchen einerley Abweichung befindlich ist, gar sehr verstellen, so wird hier diese Sache zum erstenmahl auf die bey Land=Charten übliche Art vorgestellet; woraus man sich von der Ordnung und Richtung der dabey gebrauchten Linien einen weit richtigern Begriff machen kann. Dieses ist demnach würcklich eine gantz neue Charte.
Samuel Gottlieb Gmelin und Peter Simon Pallas
Auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts fanden wissenschaftliche Expeditionen unter der Ägide der Akademie der Wissenschaften statt, die von der Kaiserin Katharina II.[20] unterstützt wurden. Von 1768 bis 1774 bereiste der aus Tübingen stammende Arzt und Botaniker Samuel Gottlieb Gmelin[21] die Gegenden westlich des Dons sowie die Süd- und Ostgebiete am Kaspischen Meer. Nach einem Aufenthalt in Astrachan unternahm er 1770 gemeinsam mit dem Zoologen und Botaniker Peter Simon Pallas[22] eine Expedition nach Persien. Beide, Gmelin und Pallas, waren seit 1767 Ordentliche Mitglieder der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Obwohl die Ergebnisse der Reise von Samuel Gottlieb Gmelin, der ein Neffe von Johann Georg Gmelin war, zum Teil veröffentlicht wurden, fanden dort seine magnetischen Messungen keinen Platz. Vermutlich wurden die Messungen von Gmelin und Pallas bei Lambert veröffentlicht, jedoch ohne Namensnennung (Lambert 1777, 147). Hansteen suchte später vergeblich nach den magnetischen Beobachtungen von Gmelin und Pallas und bedauerte die Umstände:
Sibirien selbst wird nur selten von Gelehrten, noch seltener von Mathematikverständigen bereist; auch geben Gmelin und Pallas keine Ausbeute dieser Art. Endlich stieß ich nach zweyjährigem vergeblichen Suchen in Bodes astronomischem Jahrbuche[23] [...] auf [...] in den Jahren 1768 und 1769 auf [sic!] Anlaß des Vorüberganges der Venus vor der Sonne an verschiedenen Orten in Sibirien angestellte Beobachtungen (Hansteen 1819, VIII).
Petr Borisovič Inochodcev und Georg Moritz Lowitz
Beauftragt von der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg bereiste Petr Borisovič Inochodcev[24] zusammen mit Georg Moritz Lowitz[25] von 1769 bis 1773 Mittelrussland und den Ural. Sie führten dort auch magnetische Beobachtungen durch. Die Expedition befand sich 1774 im Wolgagebiet, als sich dort ein großer Aufstand der Kosaken unter der Leitung von Emel’jan Pugačev[26] ausbreitete. Inochodcev und Lowitz gerieten in Gefangenschaft, der Lowitz nicht entkommen konnte; er wurde von aufständischen Kosaken brutal ermordet, Inochodcev konnte sich retten. Die Beobachtungen von Inochodcev und Lowitz erwähnte später Hansteen, nämlich die Messungen der magnetischen Deklination in Zarizyn (1770), in Cherson (1782) sowie in anderen Orten von Inochodcev und in Gurjew (1769) sowie in Saratow (1773) von Lowitz (Hansteen 1819, Teil 2/Tafel 1; Hansteen 1831, 364).
Eine erste Magnetische Beobachtungsstation an der Petersburger Akademie
Dass man an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg die erdmagnetischen Beobachtungen im Auge behielt, beweist auch die Einrichtung einer ständigen Beobachtungsstation, und dies bereits im Jahre 1791. Unterstützt wurde dieses Vorhaben von der damaligen Direktorin der Akademie, Fürstin Ekaterina Daškova.[27] Diese Station wurde außerhalb des Hauses des Ständigen Sekretärs der Akademie, das war damals Johann Albrecht Euler,[28] der Sohn von Leonhard Euler, auf der Vassilij Insel errichtet. Diese Einrichtung ist wahrscheinlich eine der ältesten, die den ständigen magnetischen Beobachtungen gewidmet waren. Man kann sie als eine Vorform eines magnetischen Observatoriums betrachten. Diese Einrichtung, die ohne Eisen und nur mit Kupfer ausgestattet war, enthielt einen Marmortisch auf Steinkonsolen auf dem eine Meridianlinie eingezeichnet war, um das Deklinationsinstrument justieren zu können. Im Protokoll der akademischen Konferenz vom 13./24. Januar 1791 wurde festgehalten:
Madame la Princesse de Daschkow fit mander par Monsieur le Professeur Krafft, que la Conférence lui propose un moyen de construire quelque part à l’Académie un établissement permanent où l’on puisse observer régulièrement les variations de la déclinaison de l’aiguille magnétique. Après plusieurs délibérations et diverses propositions, Messieurs les Académiciens furent pour la plupart d’avis de soumettre à l’approbation de Son Altesse, que le moyen le plus simple de parvenir à son but seroit d’établir hors des croisées du logement du Secrétaire de Conférences, c’est-à-dire dans la maison académique au coin de la septième ligne, vers le midi, une table de marbre, soutenue sur des consoles de pierre solidement affermies dans la muraille, sur laquelle on tireroit une ligne méridienne pour y adapter l’instrument de déclinaison qui se trouve dans le Cabinet de physique envoyé par la Société météorologique de Manheim. Il faudroit seulement faire attention, qu’on n’y emploie point de fer, qui pourroit influer sur la marche de l’aiguille magnétique, et qu’il seroit même nécessaire de garnir d’un cuivre pur les chasses de la fénêtre devant laquelle est exposé l’instrument et d’éloigner ainsi tout le fer du voisinage. Le Secrétaire de Conférence étant chargé des observations météorologiques seroit alors le plus à portée de faire aussi celles de la variation de la déclinaison magnétique (Procès-verbaux 1911, 249).
Um 1785 hatte die Societas Meteorologica Palatina, die von 1780 bis ca. 1795 an der Mannheimer Akademie der Wissenschaften als dritte Klasse angesiedelt war, einen Versuch unternommen, Beobachtungen des Wetters und der magnetischen Deklination an mehreren Orten gleichzeitig anzustellen. Die Mannheimer Societät baute ein Netzwerk von mehreren Stationen in Deutschland, Belgien, Italien, Frankreich, Ungarn sowie in Skandinavien und in der Schweiz auf. Auch Russland nahm an dem Mannheimer Programm teil, und zwar mit Beobachtungspunkten in St. Petersburg, Moskau und Pyschminsk im Ural,[29] was aus der Veröffentlichung der Mannheimer Societät Ephemerides Societatis Meteorologicae Palatinae folgt.[30] Der erste Sekretär der Mannheimer Societät war der Aufklärer Johann Jakob Hemmer,[31] der europaweit rege wissenschaftliche Beziehungen unterhielt. Von der Mannheimer Societät wurden einheitliche, geeichte und justierte Beobachtungsinstrumente für die Kooperationspartner bereitgestellt, daher die Bemerkung im Protokoll der Akademie in St. Petersburg über l’instrument de déclinaison, das von der Société météorologique de Manheim geliefert wurde (Procès-verbaux 1911, 249).
Wolfgang Ludwig Krafft und die Preisfrage der Petersburger Akademie für das Jahr 1793
In St. Petersburg beschäftigte sich auch Wolfgang Ludwig Krafft,[32] der Sohn von Georg Wolfgang Krafft, mit dem Erdmagnetismus. Er war Professor für Experimentalphysik an der Akademie. Seine Arbeiten, in denen auch erdmagnetische Themen behandelt wurden, veröffentlichte Krafft in Zeitschriften der Akademie. Dieses Forschungsfeld schien so überaus wichtig zu sein, dass Krafft als Physiker von der Academia Scientiarum Imperialis Petropolitana beauftragt wurde, eine Preisfrage für das Jahr 1793 aus dem Bereich des Erdmagnetismus zu formulieren. Johann Albrecht Euler, der sich ebenfalls mit dem Erdmagnetismus beschäftigte, nahm an der Abfassung der Preisfrage auch teil. Es ging um die Aktualisierung der erdmagnetischen Weltkarte von Halley auf Grund neuerer Daten. Diese Preisfrage wurde noch im Jahre 1790 von der Direktorin der Akademie, Fürstin Daškova bestätigt und von Kaiserin Katharina II. höchstpersönlich genehmigt. In das Protokoll der Akademie wurde am 13. Dezember 1790 eingetragen:
Abb. 3. Johann Heinrich Lamberts Deklinationskarte für das Jahr 1770. Aus: Lambert 1777, Tafel III am Ende des zweiten Teils des Jahrbuchs. Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek, Gauß-Bibliothek Nr. 43.Le Secrétaire rapporta que Madame la Princesse de Daschkow ayant lu les diverses questions qui lui ont été recommandées pour des sujets [...] le prix de 1793 la seconde des questions de Monsieur l’Académicien Krafft de construire pour le temps présent une table de l’état magnétique de la terre relativement à la boussole, par laquelle on puisse trouver ou calculer avec exactitude la déclinaison actuelle de l’aiguille aimantée pour chaque lieu proposé de la terre: ou bien de dresser pour le temps présent une carte magnétique semblable à celle que Halley a faite pour le commencement de ce siècle. [...] Krafft [...] rédigeront en conséquence les énoncés du [...] dans la forme convenable, pour pouvoir les insérer dans le nouveau programme académique (Procès-verbaux 1911, 246).
Die ausführliche Formulierung der Preisfrage für das Jahr 1793: Ex observationibus acus magneticae antiquis et recentioribus definire statum globi nostri terraquei magneticum, wurde im Protokoll der Akademie vom 7. März 1791 sowohl auf Latein als auch auf Russisch veröffentlicht (Procès-verbaux 1911, 255–258).
Die eigenen Untersuchungen von Wolfgang Ludwig Krafft betrafen die Beobachtungen von Veränderungen der magnetischen Deklination in St. Petersburg. So präsentierte er bei der Sitzung der Akademie am 2. Oktober 1794 seine Ergebnisse und begründete die Aufstellung der Deklinationsbussole für permanente Beobachtungen im Konferenzsaal des neuen akademischen Gebäudes wie folgt:
Monsieur le Professeur et Chevalier Krafft rapporta que la déclinaison de l’aiguille magnétique à St. Pétersbourg va actuellement audelà de 9 degrés vers l’ouest: elle n’étoit il y a environ une année qu’entre 7 et 8 degrés, elle augmente donc présentement bien plus considérablement qu’autrefois, parceque d’après les observations les plus anciennes, elle paroissoit être presque stationnaire entre 3 et 4 degrés vers l’ouest. Cette circonstance se joint encore aux autres raisons, pour lesquelles l’Académie ne sauroit se dispenser d’établir dans un endroit fixe et solide une boussole de déclinaison sur une ligne méridienne permanente et inaltérable pendant une suite d’années aussi longue que possible. Monsieur Krafft proposa en conséquence d’établir un emplacement dans une croisée de la salle des Conférences du nouveau bâtiment académique (Procès-verbaux 1911, 396–397).
Kurz darauf reichte Krafft bei der Sitzung der Akademie am 16. Oktober 1794 einen Kostenvoranschlag für ein neues magnetisches Deklinatorium ein, das für den Konferenzsaal des neuen akademischen Gebäudes vorgesehen war:
Monsieur l’Académicien et Chevalier Krafft remit le devis d’un appareil pour l’emplacement de l’instrument de déclinaison magnétique dans une des croisées du nouveau bâtiment académique, signé par lui et le mécanicien Kesseref (ebenda, 400).
2.3 Die Deklinationskarte von Johann Heinrich Lambert
Im Jahre 1777 erschien im Berliner Astronomischen Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1779 eine kleine Deklinationskarte von Johann Heinrich Lambert,[33] auf der die Werte der Deklination zum ersten Mal auf dem Lande eingezeichnet wurden (Hellmann 1895, 22). Die Karte trägt die Unterschrift: Vorstellung von der Abweichung der Magnetnadel für das Jahr 1770 zufolg denen um diese Zeit auf dem Atlantischen und Indischen Meere wie auch in Europa, Asien, Africa und America gemachten Beobachtungen (Abb. 3). In dieser Abhandlung sind Orte genannt, für die Lambert die Werte der Deklination für die Zeitspanne von 1760 bis 1776 aufführt; dabei befinden sich 22 Orte in Russland (Lambert 1777). Lambert gibt auch an, dass er die magnetischen Messungen berücksichtigen konnte, die bei den Expeditionen anlässlich der beiden Venusdurchgänge in den Jahren 1761 und 1769 an sehr entlegenen Orten im Russischen Reiche durchgeführt worden waren.[34] Lambert nennt die Deklinationswerte aus dem Jahre 1761 für die Städte Kasan, Jekaterinburg, Tobolsk, aus dem Jahr 1768 für Jakutsk; aus dem Jahr 1769 für Gurjew, Kola, Umba, Ufa, Orenburg, Orsk; aus dem Jahr 1770 für Zarizyn, Samara, Gluchow, Ustkamenogorsk, Barnaul und andere sowie aus dem Jahr 1771 für Dmitrewsk und 1772 für St. Petersburg.
Im Jahre 1764, sechs Jahre vor der Zusammenstellung seiner Karte, wurde Lambert auf Vorschlag von Leonhard Euler zum Mitglied der Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres in Berlin ernannt. Euler selbst verließ im Jahre 1766 Berlin und kehrte nach St. Petersburg an die dortige Akademie der Wissenschaften zurück.
2.4 Die Deklinationskarte von Christian Amadeus Kratzenstein
Den Preis der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg für das Jahr 1793 erhielt Christian Amadeus Kratzenstein,[35] ein Gelehrter in Kopenhagen, der zuvor einige Jahre in St. Petersburg gewirkt hatte.
Kratzenstein wurde am 22. März/2. April 1748 zum Ordentlichen Mitglied der Akademie in St. Petersburg gewählt und er hatte dort eine Professur für Mechanik inne. In St. Petersburg gelang Kratzenstein die Arbeit über die Vervollkommnung des Gebrauchs der Magnetnadel. Darüber hinaus unternahm er eine Reise um Skandinavien herum, der Ausgangspunkt lag am Weißen Meer, sowie eine größere Reise nach Sibirien. Es ist anzunehmen, dass dabei auch magnetische Beobachtungen durchgeführt wurden. Jedoch schon 1753 verließ Kratzenstein Russland, dem Ruf als Professor für Experimentalphysik an die Universität Kopenhagen folgend. Mit St. Petersburg blieb er aber weiterhin verbunden, da er noch im gleichen Jahr 1753 zum Ehrenmitglied der Akademie gewählt worden war.
Die preisgekrönte Arbeit von Kratzenstein wurde 1798 posthum veröffentlicht; die Preisaufgabe wurde in dieser Schrift auf Latein wie folgt formuliert. Anschließend wird die deutsche Übersetzung vorgestellt.[36]
Problema resolvendum. Ex observationibus acus magneticae antiquis et recentioribus definire statum globi nostri terraquei magneticum; i.e. polorum Telluris magneticorum positiones, vires, motus, indeque pro initio seculi XIX construere mappam Telluris magneticam, observationibus tam in terra firma, quam mari factis consentaneam, et consimilem illi, quam pro initio seculi XVIII construxit Edmundus Halley. Ex utriusque denique, et quotquot praestantiores extant, aliarum comparatione de flexibus meridianorum magneticorum et curvarum declinationis, et de legibus variationum, quas istae lineae ratione sive positionis, sive etiam curvedinis forsan suae successu temporis subeunt, experientiis conformia elicere judicia, eaque usui nautico adplicare (Kratzenstein 1798, 3).
Zu lösendes Problem. Auf Grund der alten und neueren Beobachtungen der Magnetnadel den magnetischen Zustand unserer Erdkugel bestimmen, d.h. die Positionen, Kräfte, Bewegungen der magnetischen Pole der Erde und von daher für den Anfang des 19. Jahrhunderts eine magnetische Karte der Erde ausarbeiten, die in Übereinstimmung mit den Beobachtungen ist, die auf der festen Erde wie auf dem Meer gemacht wurden und ähnlich jener, die für den Anfang des 18. Jahrhunderts Edmund Halley ausgearbeitet hat. Aus dem Vergleich endlich von beiden und allen anderen, die es an hervorragenderen [Karten] gibt, über die Biegungen der magnetischen Meridiane und der Kurven der Deklination und über die Gesetze der Variationen, denen jene Linien hinsichtlich der Position oder auch vielleicht ihrer eigenen Krümmung im Lauf der Zeit unterliegen, Beurteilungen ermitteln, die den Erfahrungen entsprechen und diese zum nautischen Nutzen anwenden.
Kratzenstein reichte der Akademie in St. Petersburg nicht nur seine Schrift Tentamen resolvendi problema geographico-mathematicum ein, sondern auch seine magnetische Deklinationskarte Mappa exhibens declinationes acus magneticae ad initium saeculi decimi noni (Abb. 4). Auf der Weltkarte zeichnete Kratzenstein – 92 Jahre nach Halley – die Linien gleicher Deklination ein, die er curvae declinatoriae nennt. Zum ersten Mal wurden hier die gesamten Linien in großem Ausmaß auch auf dem Lande gezeichnet (Hellmann 1895, 22–23). In seiner Arbeit untersuchte Kratzenstein auch die säkularen Schwankungen der Deklination, dabei verwendete er die Beobachtungsdaten der Pariser Sternwarte von 1700 bis 1780 (Kratzenstein 1798, 28–29).
2.5 Magnetische Messungen auf Expeditionen im 19. Jahrhundert
Im 19. Jahrhundert folgten weitere großangelegte Expeditionen, bei denen erdmagnetische Beobachtungen vorgenommen wurden, und zwar sowohl zu Lande als auch zu Wasser. Auch diese wurden meistens unter Obhut der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg durchgeführt.
Expedition von Friedrich Theodor Schubert
Abb. 4. Christian Amadeus Kratzensteins Deklinationskarte von 1793. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Sign. 2° Kart. W 750.Der Mathematiker und Astronom an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Friedrich Theodor Schubert[37] nahm von 1805 bis 1806 an einer russischen Gesandtschaft nach China teil. Diese Mission, die der junge Kaiser Alexander I.[38] initiiert hatte, diente in erster Linie diplomatischen und wirtschaftlichen Zwecken, aber ihr hatten sich auch mehrere Wissenschaftler angeschlossen. So konnte Schubert in Sibirien und in der Mongolei magnetische Messungen durchführen. Die Ergebnisse der Beobachtungen, die Schubert an zehn Orten vorgenommen hatte, veröffentlichte er im Berliner Astronomischen Jahrbuch (Schubert 1806). In den Städten Nischnij Nowgorod, Kasan, Perm, Jekaterinburg, Tobolsk, Tara, Tomsk, Kranojarsk, Nischneudinsk und Irkutsk wurde von Schubert die Deklination bestimmt. Die Inklination wurde aber nur in der Stadt Irkutsk ermittelt, einer Stadt an der Angara unweit von ihrem Ausfluss aus dem Baikalsee. Schubert klagte über die Strapazen dieser Reise: über die schlechten Wege, die fürchterliche Kälte und das stürmische Wetter (ebenda, 161). Schuberts Ergebnisse wurden später nochmals von Hansteen veröffentlicht (Hansteen 1819, VIII, Teil 2/Tafel 1, 2).
Russland, das de facto zur Seemacht geworden war, förderte sowohl aus politischen Gründen als auch aus Handelsinteressen mehrere Erkundungs- und Entdeckungsexpeditionen, auf denen wissenschaftliche Forschungen, darunter auch magnetische Beobachtungen, vorgenommen wurden. In seinem Kosmos stellte Humboldt deren wichtigste Ergebnisse in Bezug auf Erforschung des Erdmagnetismus zusammen – er bezeichnet diese als Hauptmomente der einzelnen Bestrebungen (Humboldt 1845–1862:4, 63ff). Dabei handelt es sich um folgende russische Seeexpeditionen:
Die erste Weltumsegelung von Adam Krusenstern
Als erste nennt Humboldt die von 1803 bis 1806 unter russischer Flagge unternommene Weltumsegelung unter dem Kommando von Adam Johann Krusenstern.[39] Krusensterns Reisebeschreibung Reise um die Welt in den Jahren 1803, 1804, 1805 und 1806 erschien von 1809 bis 1812 in drei Bänden in St. Petersburg und wurde in viele Sprachen übersetzt. Das Werk erlebte zahlreiche Ausgaben. Die Ergebnisse der magnetischen Beobachtungen während der Expedition wurden im dritten Band der Reisebeschreibung abgedruckt (Krusenstern 1810–1812:3, 318–359). Es ging um die Bestimmungen der Abweichung der Magnetnadel an ca. 390 Orten (!). Die Beobachtungen wurden von Johann Kaspar Horner[40] bearbeitet.
Die Südpolarexpedition von Bellingshausen und Lazarev
Des Weiteren führte Humboldt die Expedition von Bellingshausen[41] und Lazarev[42] in das südliche Eismeer von 1819 bis 1821 an. Der russische Kaiser Alexander I. hatte Fabian Gottlieb von Bellingshausen und Michail Petrovič Lazarev die Leitung der ersten russischen Expedition in die Südpolarregion anvertraut. Die Expedition drang fast bis zum siebzigsten Breitengrad vor und gelangte zum ersten Mal bis an den Rand des heutigen Kontinents Antarktika. Ivan Michajlovič Simonov,[43] der vor der Expedition eine spezielle Fortbildung an der Akademie der Wissenschaft in St. Petersburg absolviert hatte, war der einzige Gelehrte auf dem Schiff. Während der Expedition führte er auch erdmagnetische Messungen durch. Er verfasste einen wissenschaftlichen Bericht über diese Reise in russischer Sprache. Simonovs Forschungsergebnisse erregten unter den Gelehrten große Aufmerksamkeit, so dass sein Bericht in kurzer Zeit in mehrere Fremdsprachen übersetzt wurde. Die Übersetzung ins Deutsche unter dem Titel Beschreibung einer neuen Entdeckungsreise in das südliche Eismeer (Simonow 1824) erschien 1824 mit einer Vorrede von Joseph Johann Littrow,[44] der damals Leiter der Sternwarte in Wien war. Eine Fassung auf Französisch erschien im Journal des voyages in Paris. Der namhafte Astronom Franz Xaver von Zach,[45] der sich damals in Genua aufhielt, bekundete Simonov in einem Brief vom 8. Dezember 1823 sein großes Interesse an den Beobachtungen, die während der Expedition durchgeführt worden waren (Roussanova 2010a). In der von Zach herausgegebenen Zeitschrift Correspondance astronomique, géographique, hydrographique et statistique wurden mehrere Berichte aus der Feder von Simonov abgedruckt, die zum Teil mit umfangreichen Kommentaren von Zach versehen waren.[46]
Später, in den von Carl Friedrich Gauß[47] und Wilhelm Weber[48] in Göttingen herausgegebenen Resultaten aus den Beobachtungen des Magnetischen Vereins im Jahre 1839, wurden die Ergebnisse von Bellingshausen veröffentlicht. Die Tabelle über die Abweichung der Magnetnadel, beobachtet vom Capitaine Bellingshausen in den Jahren 1819–1821 wird mit einer kurzen Notiz von Gauß wie folgt eingeleitet:
Die nachfolgenden Abweichungsbeobachtungen in hohen südlichen Breiten hat Hr. Admiral Bellingshausen aus dem Tagebuche seiner Erdumseglungsreise auszuziehen und mitzutheilen die Güte gehabt. Die gedruckte Reisebeschreibung in russischer Sprache,[49] die ohnehin nur Wenigen zugänglich ist, enthält nur den kleineren Theil derselben, und die Bekanntmachung dieser zahlreichen Reihe erhält jetzt durch die englische magnetische Expedition in das antarktische Meer[50] ein verdoppeltes Interesse (Bellingshausen 1840, 117).
Expeditionen von Ferdinand von Wrangel
Auch auf den Expeditionen von Ferdinand von Wrangel,[51] der von 1820 bis 1824 im Auftrag der russischen Regierung Erkundungsreisen an den Nordküsten Sibiriens und auf dem Eismeere unternommen hatte, wurden magnetische Beobachtungen durchgeführt. Auf Wrangels Expedition wurden zum ersten Mal Beobachtungen während der Erscheinung eines Polarlichts vorgenommen. Im Jahre 1826 erschien in Berlin sein Werk Physikalische Beobachtungen des Capitain-Lieutenant Baron v. Wrangel während seiner Reisen auf dem Eismeere in den Jahren 1821, 1822 und 1823 (Wrangel 1826). Die ausführliche Reisebeschreibung in russischer Sprache folgte erst viel später; sie wurde 1841 in St. Petersburg gedruckt. In diesem Werk von Wrangel wurden die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen zum Polarlicht veröffentlicht (Humboldt 1845–1862:4, 66). Von 1829 bis 1835 war Wrangel Generalgouverneur des damaligen Russisch-Amerika. Er hielt sich in Sitka in Alaska auf und führte dort sowie auch während seiner dortigen Reisen magnetische Beobachtungen durch.
Die Weltumsegelung von Friedrich Benjamin Lütke (Fëdor Petrovič Litke)
Die vierte russische Weltumsegelung unter dem Kommando von Fëdor Petrovič Litke[52] mit den Schiffen „Senjavin“ und „Moller“ dauerte von 1826 bis 1829. Das Expeditionsprogramm wurde von Kaiser Nikolaj I.[53] persönlich begutachtet. Es ging um die Erkundung des Beringmeers, der Küsten Kamtschatkas und weiterer Küsten Asiens, Ozeaniens sowie um die Erforschung der Südsee (Litke 1835/36; Donnert 2002, 864–866). Auch während dieser Reise wurden magnetische Beobachtungen angestellt. Die Daten bearbeitete auf Litke’s Wunsch der Dorpater Physiker Emil Lenz.[54] Die Ergebnisse stellte Lenz am 12./24. Oktober 1834 der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg vor. Veröffentlicht wurden sie in der Abhandlung Beobachtungen der Inclination und Intensität der Magnetnadel, angestellt auf einer Reise um die Welt auf dem Sloop Senjawin in den Jahren 1826, 1827, 1828 u. 1829 vom Capitain Fr. B. Lütke in den akademischen Mémoires erst 1838 (Lenz 1838). Humboldt war der Meinung, dass der magnetische Theil von Lenz im Jahre 1834 mit großer Sorgfalt bearbeitet worden war (Humboldt 1845–1862:4, 67).
Im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts gewannen die erdmagnetischen Beobachtungen zunehmend an Bedeutung. Die Anstellung von umfangreichen flächendeckenden magnetischen Messungen versprach einen großen wissenschaftlichen Ertrag. Weite Gebiete des europäischen und des asiatischen Teils Russlands wurden zu diesem Zweck sowohl von russischen als auch von den ausländischen Gelehrten bereist. Zu nennen sind hier vier große Expeditionen, die auch Humboldt in seinem Kosmos hervorhebt (Humboldt 1845–1862:4, 68ff).
Russlandexpedition von Christopher Hansteen
Abb. 5. Christopher Hansteens Deklinationskarte, Rekonstruktion für das Jahr 1787. Aus: Magnetischer Atlas gehörig zum Magnetismus der Erde von Chr. Hansteen. Christiania 1819, Tab. VI. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz.Der norwegische Physiker Christopher Hansteen[55] hatte sich bereits als junger Wissenschaftler mit der Erforschung des Erdmagnetismus beschäftigt. Im Jahre 1819 erschien sein bedeutendes Werk Untersuchungen über den Magnetismus der Erde. In diesem sind insgesamt 63 Orte in Russland angegeben, für die Hansteen die Werte der Deklination zur Verfügung standen (Hansteen 1819, Teil 2/Tafel 1, 6–8). Auf der Deklinationskarte in seinem Magnetischen Atlas, die Hansteen für das Jahr 1787 zu rekonstruieren versuchte, sind mehrere Punkte auf dem europäischen und asiatischen Teil Russlands aufgezeichnet, durch die er die Linien gleicher Deklination führt (Abb. 5). Darunter sind folgende Orte: St. Petersburg, Archangelsk, Moskau, Gurjew, Kasan, Ufa, Perm, Orenburg, Jekaterinburg, Barnaul, Tobolsk, Irkutsk, Jakutsk, insgesamt 38 Punkte. Hansteens Magnetischer Atlas wurde als Begleitband zu seinem Werk Untersuchungen über den Magnetismus der Erde (Hansteen 1819) konzipiert.
Hansteen vertrat die Meinung von Halley, dass es vier Magnetpole gäbe, wobei ein Magnetpol in Sibirien liegen müsste, was Hansteen während einer Reise auf Grund von Messungen überprüfen wollte. Die Reisekosten für diese Expedition waren vom norwegischen Storting (Volksversammlung) bereitgestellt worden. Hansteen bereiste von 1828 bis 1830 Gebiete im europäischen Russland und im östlichen Sibirien mit einer kleinen Gruppe, die mit physikalischen Instrumenten gut ausgestattet war. Während der Expedition wurden mehr als 500 magnetische Messungen angestellt. Von russischer Seite hatte sich insbesondere der Finanzminister Georg Cancrin[56] dafür eingesetzt, dass Hansteens Expedition problemlos verlaufen konnte. Auch Alexander von Humboldt unterstützte Hansteens Reisepläne:
Die geneigteste Theilnahme Sr. Excell. des Freiherrn A. v. Humboldt und dessen erfolgreiche Verwendung bei den Russischen Behörden, unterstützten und beförderten auf eine unvergessliche Weise die Ausführung des so gestalteten Reiseplanes (Erman 1833–1848:1;1, 2).
Seine ersten wissenschaftlichen Ergebnisse veröffentlichte Hansteen in diversen Zeitschriften, als Ganzes wurden sie erst 1863 unter dem Titel Resultate magnetischer, astronomischer und meteorologischer Beobachtungen auf einer Reise nach dem östlichen Sibirien vorgestellt (Hansteen/Due 1863).
Die Expedition von Georg Adolf Erman
Abb. 6. Karte für die in den Jahren 1827–1831 beobachteten Werthe der Declination von Georg Adolf Erman. Aus: Berghaus’ Physikalischer Atlas 1845:1, IV. Abtheilung Magnetismus, Karte 5, Justus Perthes, Gotha 1841. Exemplar der Bibliothek Mathematik und Geschichte der Naturwissenschaften, Universität Hamburg.Hansteens Gruppe schloss sich zunächst der junge Berliner Physiker Georg Adolf Erman[57] an, der aber die Gruppe Anfang Januar 1829 in Irkutsk verließ. Erman reiste nunmehr allein bis zur chinesischen Grenze und weiter nach Kamtschatka. Von dort kam er nach Sitka in Alaska und reiste weiter nach Kalifornien; von da kehrte er 1830 per Schiff zurück. Erman hatte noch vor der Abreise Unterstützung für seine Reisepläne durch Alexander von Humboldt erhalten, der ihm ein Empfehlungsschreiben an den russischen Finanzminister Cancrin mitgab (Kretschmar 1966, 89). Mit seiner Reise verfolgte Erman auch das Ziel, magnetische Beobachtungen durchzuführen, dabei stellte er sich folgende Aufgaben:
[...] die Bestimmungen der Abweichung mittels des tragbaren Passage-Instruments, der Neigung und Intensität der magnetischen Kraft längs einer zwischen 67° Nördlicher und 60° Südlicher Breite gelegnen und sämmtliche Meridiane der Erde durchschneidenden Linie, so wie der täglichen Veränderungen welche diese Erscheinungen an verschiednen Orten erleiden (Erman 1833–1848:1;1, XIV).
Erman veröffentlichte die Ergebnisse der Reise zuerst in Zeitschriften. Der gesamte Reisebericht Reise um die Erde durch Nord-Asien und die beiden Oceane in den Jahren 1828, 1829 und 1830 wurde von 1833 bis 1848 als sechsbändiges Werk gedruckt (Erman 1833–1848). Im Jahre 1841 erschien in Berghaus’ Physikalischem Atlas eine Karte der beobachteten Werte der Deklination, die Erman während der Zeit von 1827 bis 1831 auf Grund seiner Beobachtungen zusammengestellt hatte (Abb. 6). Die geographischen Darstellungen für das Reisewerk von Erman wurden von Berghaus[58] übernommen (Erman 1833–1848:1;1, XIII). Humboldt bewertete die Reise von Erman im Kosmos wie folgt:
Adolf Erman Reise um die Erde durch Nord-Asien und die beiden Oceane, auf der russischen Fregatte Krotkoi. Identität der angewandten Instrumente, Gleichheit der Methode und Genauigkeit der astronomischen Ortsbestimmungen sichern diesem, auf Privatkosten von einem gründlich unterrichteten und geübten Beobachter ausgeführten Unternehmen einen dauernden Ruhm (Humboldt 1845–1862:4, 68).
Am 12. November 1839, kurz nach der Veröffentlichung der Allgemeinen Theorie des Erdmagnetismus von Gauß schrieb Erman in der Vorbemerkung zu seiner Karte in Berghaus’ Physikalischem Atlas über die erstaunliche Übereinstimmung der beobachteten und theoretischen Werte der Deklination:
Abb. 7. Karte der Magnetischen Inclination und Intensität in Südost-Sibirien und in der Mongolei von Georg Fuß (1830–1832). Aus: Fuß 1838.Auf dieser Karte sind die Linien gleicher Declination nach graphischer Interpolation und unabhängig von jeder theoretischer Ansicht konstruiert worden. [...] Vergleicht man nun diesen, unmittelbar nach den Beobachtungen entworfenen Abriß mit den Karten, welche die Theorie von Gauß für dieselbe Epoche gegeben hat, so staunt man über die große Übereinstimmung beider, nicht allein was die Form sondern auch die geographische Lage der meisten Isogonen betrifft.[59]
Die Expedition von Georg Fuß und Alexander Bunge
Humboldt erwähnte auch noch die wissenschaftliche Expedition von Georg Fuß[60] und Alexander Bunge[61] nach Sibirien, in die Mongolei und nach China von 1830 bis 1832. Während dieser Reise wurden ebenfalls wieder magnetische Messungen vorgenommen (Humboldt 1845–1862:4, 70). Diese Expedition wurde von der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg veranlasst. Der Astronom Georg Fuß wurde beauftragt, magnetische, geographische, geologische, barometrische und thermometrische Beobachtungen durchzuführen. Die Teilnahme des Dorparter Mediziners Bunge kam auf Grund der Empfehlung von Alexander von Humboldt zu Stande, der Bunge 1829 im südwestsibirischen Barnaul kennengelernt hatte. Die instrumentelle Ausstattung der Expedition von Fuß und Bunge war vorzüglich. Für die magnetischen Messungen führte man ein Deklinatorium und ein Inklinatorium mit zwei Nadeln mit. Die Expedition führte über Kasan, Jekaterinburg, Tomsk nach Irkutsk und schließlich nach Peking, wo man von Dezember 1830 bis Juli 1831, insgesamt acht Monate, weilte. Ende des Jahres 1830 wurde in Peking auf dem mit hohen Mauern umgebenen Gelände der Kaiserlich-Russischen Mission[62] ein magnetischer Pavillon errichtet, um die stündlichen Variationen der Magnetnadel beobachten zu können. Dies waren damals die östlichsten Messergebnisse auf dem Lande. Fuß veröffentlichte die Ergebnisse der Expedition unter dem Titel Geographische, magnetische und hypsometrische Bestimmungen, abgeleitet aus den Beobachtungen auf einer Reise, die in den Jahren 1830, 1831 und 1832 nach Sibirien und dem chinesischen Reiche in den Mémoires de l’Académie Impériale des Sciences de St.-Pétersbourg (Fuß 1838). Die Abhandlung wurde von einer geographischen Karte begleitet, in der 57 Orte eingezeichnet waren, wo Inklination und Intensität gemessen wurden (Abb. 7). Im magnetischen Pavillon der Russischen Mission in Peking setzte der Markscheider Kovan’nko[63] für die nächsten zehn Jahre die Beobachtung fort.
Russlandreise von Alexander von Humboldt
Alexander von Humboldt war vor allem bestrebt, eine internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Erdmagnetismus zu erreichen und ein Netz von magnetischen Stationen weltweit aufzubauen. Seinen Russlandaufenthalt im Jahre 1929 benutzte er, um dieses Vorhaben voranzutreiben. Humboldts Reise stand unter der Obhut von Kaiser Nikolaj I.,[64] der auch die Kosten dafür trug. Humboldt kam am 19. April/1. Mai 1829 in der russischen Hauptstadt an, wo er zunächst fast drei Wochen lang blieb, und bereiste dann Südrussland, den Ural und Westsibirien bis zum Altai. Während der Reise führte Humboldt insgesamt an 27 Orten magnetische Messungen durch (Briefwechsel Humboldt-Russland 2009, 45–52).[65] Diese waren ein wichtiger und umfangreicher Bestandteil seiner Reiseergebnisse. Am 26. Oktober/7. November 1829 hielt er auf Einladung der Kaiserlichen Gesellschaft der Naturforscher in Moskau einen Vortrag über die Messungen der Inklination während der Reise, der noch im gleichen Jahr 1829 im Bulletin de la Société Impériale des Naturalistes de Moscou erschien (Humboldt 1829). Die Ergebnisse der gesamten erdmagnetischen Messungen im Jahre 1829 veröffentlichte Humboldt mehrfach; schließlich wurden sie in seiner Asie Centrale abgedruckt (Humboldt 1843:3, 440–441).
Die erdmagnetischen Messungen waren für Humboldt deswegen von besonderem Interesse, weil Russland nach seiner Meinung das einzige Land der Erde sei, das von zwei lignes sans déclinaison durchquert wird. Dies bedeutet, dass auf diesen Linien die Magnetnadel auf die magnetischen Pole gerichtet ist. Humboldt stellte sich hinter die Ergebnisse der neuesten Messungen von Hansteen und Erman und nahm an, dass die eine Linie ohne Deklination zwischen Murom und Nischnij Nowgorod, und die zweite einige Grade östlich von Irkutsk zwischen Parchinskaja und Jarbinsk verläuft. Die genaue Kenntnis des vollständigen Verlaufs der Linien ohne Deklination sowie die Angaben über ihre Position und über ihre periodischen Bewegungen sollten Hauptelemente einer künftigen Theorie des Erdmagnetismus sein, so Humboldt in seiner in der Sitzung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg am 16./28.11.1829 gehaltenen Rede (Briefwechsel Humboldt-Russland 2009, 278/279).
Kaukasusexpedition von Adolph Theodor Kupffer
Nach seiner Ankunft in St. Petersburg im Frühjahr 1829 besprach Humboldt mit Adolph Theodor Kupffer auch das Problem der Veränderung der magnetischen Kraft mit zunehmender Höhe, das Humboldt bei seinen frühren Bergbesteigungen aufgefallen war. Bald darauf reiste Kupffer mit einer Expedition in den Kaukasus, die von der Akademie der Wissenschaften organisiert und von Kaiser Nikolaj I. finanziert worden war. Dabei war die Besteigung des Ostgipfels des Elbrus (5621 m), des höchsten Berges im Kaukasus, eines der Hauptziele. An der Expedition nahm auch der Dorpater Physiker Emil Lenz teil. Die von Kupffer auf Grund von Humboldts Anregung angestellten erdmagnetischen Messungen hatten eindeutig die wichtige, von Humboldt vermutete Gesetzmäßigkeit bewiesen: mit zunehmender Höhe nimmt die erdmagnetische Kraft ab (Kupffer 1830).
Die Expeditionen zur See und zu Lande, die in den ersten dreißig Jahren des 19. Jahrhunderts unternommen wurden, lieferten ein umfangreiches Datenmaterial, das noch ausgewertet werden sollte. Aber es handelte sich vorwiegend um einmalige Messungen an zahlreichen Orten. Änderungen der magnetischen Koordinaten konnten dabei nicht registriert werden. Die Einrichtung von speziellen Beobachtungsstationen für länger andauernde Messungen war bei den Expeditionen nicht möglich gewesen. Eine Ausnahme bildete lediglich die Einrichtung einer festen Beobachtungsstation in Peking während der Expedition von Fuß und Bunge.
3. Alexander von Humboldt, Carl Friedrich Gauß und die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland
3.1 Alexander von Humboldt
„Les plans que j’avais rêvés dans ma jeunesse, ont été exécutés dans Votre Empire sur une échelle gigantesque“ Humboldt 1839.
Der Grundstein zu der überaus erfolgreichen Zusammenarbeit Alexander von Humboldts mit den russischen Gelehrten wurde im Jahre 1823 in Paris gelegt. Damals kamen die jungen Professoren der Universität Kasan, Ivan Michajlovič Simonov und Adolph Theodor Kupffer, nach Paris, um dort für die 1804 gegründete Universität Kasan astronomische und physikalische Instrumente zu erwerben. Der 29jährige Astronom Simonov war in der gelehrten Welt durch seine Teilnahme an der Expedition von Bellingshausen und Lazarev bekannt. Der 24jährige Physiker Kupffer, ehemaliger Student von Carl Friedrich Gauß in Göttingen, war zu diesem Zeitpunkt schon Preisträger der Akademie der Wissenschaften zu Berlin.[66] Solche vielversprechende junge Talente konnten der Aufmerksamkeit des berühmten Naturforscher und Forschungsreisenden Humboldt nicht entgehen. Auch die wissbegierigen russischen Gelehrten suchten in Paris wissenschaftliche Kontakte. Sie besuchten die Sitzungen der Académie Royale des Sciences de l’Institut de France. Es ist bekannt, dass Simonov den Vorlesungen des mit Humboldt befreundeten Physikers und Astronomen François Arago[67] beiwohnte.
Humboldt und Arago waren gerade in dieser Zeit mit den ersten systematischen Untersuchungen über den Einfluss des Polarlichts auf den Erdmagnetismus beschäftigt; vor allem sollten synchrone Messungen an weitentfernten Orten tiefere Einblicke ermöglichen. Die Entfernung Kasan von Paris beträgt 47°, das heißt mehr als 1/8 der Erdkugel. So kamen die beiden Wissenschaftler der östlichsten Universität in Europa in Paris wie gerufen. Humboldt und Arago verstanden es, die beiden russischen Gelehrten für den Erdmagnetismus zu begeistern und als Mitarbeiter zu gewinnen. In seinem Kosmos erinnerte sich später Humboldt an die Anfänge dieser Zusammenarbeit wie folgt:
Als Arago erkannt hatte, daß die durch Polarlicht bewirkten magnetischen Perturbationen sich über Erdstrecken verbreiten, wo die Lichterscheinung des magnetischen Ungewitters nicht gesehen wird, verabredete er gleichzeitige stündliche Beobachtungen 1823 mit unserem gemeinschaftlichen Freunde Kupffer in Kasan, fast 47° östlich von Paris (Humboldt 1845–1862:4, 173).
Solche synchrone oder wie man damals sagte, korrespondierende Messungen sollten über einen längeren Zeitraum hinweg durchgeführt werden; sie erforderten deshalb feste Beobachtungsstationen. In Paris wurde vereinbart, dass Simonov und Kupffer in Kasan magnetische Beobachtungen mit einem gleichartigen Instrument wie in Paris durchführen sollten. So wurde in Paris eine Gambey’sche Boussole für Kasan angeschafft. Kupffer kehrte noch vor Simonov nach Kasan zurück und setzte sich dort für die Errichtung eines magnetischen Pavillons ein. Kupffer erinnerte sich später an den Beginn seiner Beschäftigung mit dem Erdmagnetismus:
Ich befand mich damals gerade in Paris, um Instrumente für ein in Kasan zu begründendes physicalisches Cabinet anzukaufen. Arago forderte mich auf, mich mit einer Gambey’schen Boussole für die täglichen Variationen der Abweichung zu versehen, um in Kasan correspondirende Beobachtungen über den besprochenen Gegenstand zu machen. Dies that ich denn auch, und so kamen die ersten correspondirenden Beobachtungen über die unregelmässigen Bewegungen der Magnetnadel an weit von einander entfernten Punkten zu Stande, und es wurde bewiesen, dass diese geheimnissvollen Bewegungen gleichzeitig an sehr entfernten Orten eintreten (Kupffer 1842, 72).
Schon um 1825 wurde ein erster Entwurf eines Pavillons für erdmagnetische Messungen angefertigt, den man dann auf dem Gelände der Universität Kasan errichtete. Es besteht kaum ein Zweifel, dass der Entwurf des Pavillons in Kasan sich an die Pariser Einrichtung anlehnte. In der Tat war Kasan der zweite Ort nach Paris, an dem der Bau eines Magnetischen Pavillons durchgeführt wurde. Nachdem Kupffer 1828 einen Ruf nach St. Petersburg angenommen hatte, war es Simonov, der nunmehr entweder allein oder mit Helfern für die magnetischen Beobachtungen in Kasan zuständig war.
Auch in St. Petersburg konnte Kupffer alsbald die Errichtung einer festen Beobachtungsstation zu erreichen, und zwar hinter der Mauer der Peter-Paul-Festung, auf der Nordseite. Diese konnte, dank der Unterstützung von Humboldt, im Jahre 1830 in Betrieb genommen werden. Die Gelegenheit seiner Russlandreise von 1829 konnte Humboldt benutzen, um Aktivitäten bezüglich des Erdmagnetismus zu unterstützen. Humboldt behauptete mit Recht:
Auf meinen Antrag hat die Kaiserl. Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg ein magnetisches Haus für den trefflichen Physiker Hrn. Prof. Kupffer bauen lassen (Dove/Humboldt 1830, 359–360).
Für die Realisierung der Pläne bezüglich einer weltweiten Erforschung des Erdmagnetismus spielte Humboldts Russlandreise eine besonders große Rolle. Humboldt konnte nicht nur selbst flächendeckende Messungen anstellen, sondern er erweckte großes Interesse am Projekt bei der russischen Regierung, bei den wissenschaftlichen Institutionen sowie bei den russischen Gelehrten. Nunmehr begannen die korrespondierenden Beobachtungen, an denen die Beobachtungsstationen in Paris,[68] in Freiberg, in Berlin sowie in Marmato (Kolumbien) sowie drei Stationen in Russland beteiligt waren, nämlich in Kasan, in St. Petersburg und in Nikolajew. Dabei sollten an all diesen Orten an den festgelegten Terminen stündliche Beobachtungen durchgeführt werden. So konnte man tägliche und nächtliche Schwankungen der Deklination, den Einfluss des Polarlichts auf den Erdmagnetismus sowie magnetische Gewitter erforschen (Dove/Humboldt 1830; vgl. Honigmann 1984, 71–72).
Humboldts Kontakte zu Simonov, der sich aktiv mit erdmagnetischen Beobachtungen beschäftigte, haben sich auch als gewinnbringend erwiesen. Die Ergebnisse aus Kasan fanden ihren Niederschlag in mehreren Veröffentlichungen in den Annalen der Physik und Chemie (Simonoff/Šestakov 1830; Simonoff 1836a, b).
Eine besondere Erwähnung verdient die denkwürdige Rede von Alexander von Humboldt, die er am 16./28. November 1829 in einer außerordentlichen Sitzung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg hielt.[69] In dieser Sitzung, die anlässlich seines Aufenthaltes in St. Petersburg veranlasst wurde, sprach er über Ziele und Ergebnisse seiner neun Monate währenden Russlandreise, hob die Bedeutung Russlands für die Erforschung des Erdmagnetismus hervor und stellte seine zukunftsweisenden Gedanken bezüglich des Projektes einer globalen physikalischen Erforschung der Erde vor. Humboldt unterstützte nachdrücklich den Plan der Gründung eines Physikalischen Zentralinstituts in Russland, der in dem darauffolgenden Vortrag von Kupffer erstmals einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Ferner schlug Humboldt vor, ein System weise kombinierter Beobachtungen festzulegen, die über einen langen Zeitraum verfolgt und ortsansässigen Gelehrten übertragen werden konnten. Die prophetischen Worte Humboldts und seine Überzeugung, dass Russland durch seine Lage in einem Zeitraum von zwanzig Jahren der Theorie des Magnetismus zu gewaltigen Fortschritten verhelfen könnte, wurden bereits nach zehn Jahren auf Grund von Gauß’ Theorie des Erdmagnetismus bestätigt und nach einem weiteren Jahrzehnt in dem neugegründeten Physikalischen Hauptobservatorium endgültig realisiert (Briefwechsel Humboldt-Russland 2009, 278/279).
3.2 Carl Friedrich Gauß
„En aucun pays, la découverte de Gauss n’a eu autant de retentissement qu’en Russie“ Rykatchew 1900, 66.
Im Jahre 1833 erschien in den Annalen der Physik und Chemie die deutsche Übersetzung von Gauß’ Intensitas vis magneticae terrestris ad mensuram absolutam revocata (Gauß 1833). In diese Arbeit flossen erste Ergebnisse der Zusammenarbeit zwischen Gauß und Weber ein (Reich 2008). Damit begann eine neue Ära in der Erforschung des Erdmagnetismus, nämlich die Ära Gauß. Um diese Zeit fanden auch erste Kontakte zwischen Gauß[70] und russischen Wissenschaftlern auf dem Gebiet des Erdmagnetismus statt.
Adolph Theodor Kupffer, der während seines Studiums an der Universität Göttingen eine Vorlesung bei Gauß gehört hatte und damit ein Schüler von Gauß war,[71] wurde 1828 Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, wo er von nun an wirkte. Er begriff sofort, dass Gauß’ „Intensitas“ eine bahnbrechende Bedeutung zukam. Unverzüglich stellte er einen Dienstreiseantrag bei der Akademie in St. Petersburg. Er wollte auf jeden Fall nach Göttingen reisen, und wenn nötig sogar die Reisekosten dafür selbst übernehmen. Ziel seiner Reise war, Gauß persönlich zu konsultieren, um die neuen Methoden zur Bestimmung der Intensität nach absolutem Maß und die dafür nötigen neuen Instrumente erklärt zu bekommen.
M. l’Académicien Kupffer pria la Conférence de lui procurer un congé de trois mois, y compris le mois des vacances pour faire un voyage à Gottingue dans le but de suivre de ces propres yeux les procédés que M. Gauss emploie pour déterminer l’intensité absolue des forces magnétiques terrestre et pour consulter ce célèbre Géomètre sur la maniére d’adapter la méthode inventée par lui à nos localités. M. Kupffer se propose de faire ce voyage à ses propres frais.[72]
Das Ergebnis dieser Reise war, dass sich nunmehr eine enge Zusammenarbeit zwischen Gauß und Weber in Göttingen und Kupffer in St. Petersburg entfaltete. Im Jahre 1834 wurde auf dem Gelände des Berginstituts in St. Peterburg ein sogenanntes Normales Observatorium für magnetische Messungen errichtet.[73] Die mit Gauß vereinbarten synchronen stündlichen Messungen hatte Kupffer schon im neuen Observatorium angestellt. In kurzer Zeit wurden in Russland weitere magnetische Beobachtungsstationen und Observatorien errichtet, die mit den neuen Instrumenten von Gauß und Weber ausgestattet waren. Kupffer erstattete der Akademie der Wissenschaften ausführliche Berichte über die Methode von Gauß und über die synchronen Beobachtungen. In einem Protokoll der Akademie von 1835 ist festgehalten:
Ces observations, qui se rapportent aux variations horaires de la déclinaison, ont été instituées ici, dans le nouvel observatoire magnétique et météorologique du corps des mines, d’après la nouvelle méthode inventée par M. Gauss, et adoptée sur un grand nombre de points en Allemagne, auxquels se joindront bientôt plusieurs points importants en Russie. On a observé à des jours convenues pendant 24 heures consécutives et de 5 en 5 minutes. Les observations sont exactement simultanées, c’est-à-dire, la position de l’aiguille a été notée exactement dans le même instant physique sur les deux points, à St.-Pétersbourg et à Gottingue. [...] Cette méthode [de Gauss] consiste à fixer, à l’extrêmité de l’aiguille, et perpendiculairement à son axe magnétique, un miroir plan sur lequel on dirige la lunette d’un thédolite placé dans le prolongement de l’aiguille, et à la même hauteur au-dessus du sol. Une règle horizontale divisée, et dirigée de l’est à l’ouest, est fixée au pied du théodolite, de manière que son image réfléchie par le miroir est vue par la lunette. Il est clair que toute variation dans la direction de l’aiguille est indiquée par un déplacement correspondant des traits de la division vue par réflexion, relativement au fil vertical de la lunette dont la position est invariable.[74]
Die für die russischen erdmagnetischen Stationen nötigen Instrumente wurden in Göttingen bestellt oder in St. Petersburg nach Göttinger Muster angefertigt. In kurzer Zeit waren alle russischen Beobachtungsstationen mit von Gauß und Weber vorgeschlagenen Instrumenten ausgerüstet, auch stellte man sich sofort auf die neuen von Gauß vorgegebenen Terminbeobachtungen ein. Kupffer gelang es in relativ kurzer Zeit, ein Netz von Beobachtungsstationen aufzubauen, das von St. Petersburg aus koordiniert wurde. In einem Brief an Gauß vom 25. Mai/6. Juni 1835 versicherte Kupffer:
Es wird Ihnen gewiss angenehm seyn zu erfahren, dass Ihre neue Methode, die stündlichen Aenderungen der magnetischen Abweichung zu beobachten, nun auch bei uns in Russland eingeführt ist.[75]
So wurden in Russland bereits um die Mitte der 1830er Jahre die ersten Schritte zur Etablierung des Erdmagnetismus als neuer wissenschaftlicher Disziplin unternommen. Dazu gehörte die Errichtung eines Netzes von Observatorien und Beobachtungsstationen, die Gründung eines Normalen Observatoriums in St. Petersburg (1834), das die Koordination aller Stationen übernahm, die Bereitstellung einer neuartigen Professur für Erdmagnetismus (1834), sowie die Gründung einer neuen Fachzeitschrift Annuaire magnétique et météorologique du corps des ingénieurs des mines de Russie (1837), in der die neuen Ergebnisse veröffentlicht und einem größeren Publikum im In- und Ausland bekannt gemacht werden konnten. Weiterhin wurden die guten Beziehungen nach Göttingen, das heißt zu Gauß und Weber, in besonderem Maße gepflegt. So sandte Kupffer russische Beobachtungsdaten aus diversen Stationen nach Göttingen, wo sie in die 1836 in Göttingen gegründete Zeitschrift Resultate aus den Beobachtungen des Magnetischen Vereins Eingang fanden. Im Jahre 1839 fand in Göttingen ein erster, internationaler „Magnetischer Kongress“ statt, der von Gauß und Weber organisiert worden war. Kupffer nahm daran als offizieller Vertreter Russlands teil.
In demselben Jahr 1839 erschien Gauß’ Allgemeine Theorie des Erdmagnetismus und zwar in den Resultaten aus den Beobachtungen des Magnetischen Vereins im Jahre 1838. Gauß stützte seine neue Theorie auf Beobachtungen von insgesamt 91 Orten aus aller Welt (Gauß 1839, 36–39/Gauß-Werke: 5, 158–161). Fast die Hälfte der von Gauß genannten Stationen befand sich in Russland. Gauß verdankte diese Daten vor allem Hansteen, Erman, Humboldt, Fuß, Kupffer und anderen (ebenda, 40–41/154–155). Als Ergänzung zur neuen Theorie erschien im Jahre 1840 der von Gauß und Weber herausgegebene Atlas des Erdmagnetismus nach den Elementen der Theorie entworfen, der als Supplementband zu den Resultaten herauskam (Gauß/Weber 1840). Im Atlas berücksichtigten Gauß und Weber die magnetischen Daten von insgesamt 103 Orten, von denen 53 in Russland oder in der Mongolei und in China lagen, wo russische Wissenschaftler Beobachtungen angestellt hatten. Diese überaus große Zahl von Beobachtungsdaten aus Russland macht deutlich, welch große Rolle Russland für Gauß’ Theorie des Erdmagnetismus spielte. Gauß überprüfte seine Theorie, indem er die beobachteten Werte mit den von ihm nach seiner Theorie berechneten Werten verglich. Hier seien als Beispiel die von Gauß’ nach seiner Theorie berechneten Isogonen, vorgestellt, die auf einer Weltkarte eingezeichnet sind (Abb. 8).
Abb. 8. Karte für die berechneten Werthe der Declination von Carl Friedrich Gauß. Aus: Gauß/Weber 1840, Tafel XIII, In: Gauß-Werke: 12.Aber nicht nur Kupffer in St. Petersburg unterhielt enge Kontakte zu Gauß und Weber in Göttingen, sondern auch Simonov in Kasan. Er hatte seinerseits versucht, ein neues Magnetometer zu entwerfen und eine eigene Theorie des Erdmagnetismus aufzustellen. Im September 1842 stattete Simonov Gauß in Göttingen einen Besuch ab. Dabei ließ er Gauß seinen in französischer Sprache verfassten Aufsatz Nouvelle méthode pour déterminer la déclinaison magnétique absolue zukommen. Gauß sorgte dafür, dass dieser alsbald in den Resultaten erschien und zwar in deutscher Übersetzung (Simonoff 1843). Beeindruckt von dem Göttinger Magnetischen Observatorium, das 1833 eingeweiht worden war, trug Simonov, nach Kasan zurückgekehrt, dafür Sorge, dass dort ein neues Magnetisches Observatorium errichtet wurde. Dieses wurde im Jahre 1843 fertiggestellt. In Kasan hatte es schon seit 1828 ein Magnetisches Observatorium gegeben, das seit 1835 mit einem Gauß’schen Magnetometer ausgestattet war.
Es war vor allem den zahlreichen Aktivitäten des Gauß’ Schülers Adolph Theodor Kupffer zu verdanken, dass die von Gauß und Weber entwickelten Instrumente, Beobachtungsmethoden usw. unverzüglich in Russland Eingang fanden. Russland war das erste Land, das diesen Schritt getan hatte. Es war auch das erste Land, indem das Fachgebiet Erdmagnetismus etabliert und institutionalisiert wurde. In kurzer Zeit entwickelte sich in St. Petersburg ein neues Zentrum für die erdmagnetischen Forschungen, das einzigartig war. Der Gipfel wurde im Jahre 1849 erreicht, als dort das neue Physikalische Hauptobservatorium eingeweiht wurde. Die Zusammenarbeit und der wissenschaftliche Austausch zwischen Gauß und seinen russischen Kollegen war dabei von allergrößter Bedeutung und kann gar nicht hoch genug geschätzt werden.
3.3 Die Förderung durch die russische Regierung
„[...] munificence que Votre Majesté continuera d’accorder à l’agrandissement de construction de la station magnétique et météorologique centrale de l’Empire sera comptée, à juste titre, parmi les bienfaits de Son Regne“ Humboldt 1843.
Was die Erforschung des Erdmagnetismus betrifft, so war Russlands Stärke nicht nur die riesige Ausdehnung des Landes, sondern auch die überaus großzügige staatliche Förderung dieses Forschungsgebietes. Schon im 18. Jahrhundert standen entsprechende Projekte unter der persönlichen Obhut zunächst von Peter I., später von Katharina II. In der Regierungszeit von Nikolaj I. wurden für die Forschungsförderung des Erdmagnetismus erhebliche Mittel bereitgestellt; die einzelnen Projekte wurden vom Kaiser selbst begutachtet.
Sowohl Humboldt als auch Kupffer waren überzeugt, dass naturwissenschaftliche Projekte in Russland großzügiger gefördert werden würden als anderswo. Neben der Wohlgesinntheit des Kaisers spielte auch der Umstand eine Rolle, dass man in Russland autoritär handeln konnte. Auch wenn man in Deutschland gut wissenschaftlich arbeiten konnte, so scheiterte dort die Verwirklichung mancher großartiger Projekte an Meinungsverschiedenheiten, an Mangel an Vertrauen, an persönlichen Empfindlichkeiten usw. Im Gegensatz zu Deutschland konnte die russische Regierung ihre Entscheidungen ohne öffentliche Diskussion treffen, was für so manches Projekt von großem Vorteil war. Diese seine Ansichten teilte Kupffer mit folgenden Worten seinem Vorgesetzten, General Konstantin Čevkin[76] in einem Brief vom 13./25. Juli 1839 mit:
Il pense aussi, que la Russie est surtout appelée à réaliser cette idée, non seulement à cause de son étendue et de sa position géographique, mais aussi à cause de l’habitude qu’elle a des grandes idées, et d’une exécution large et forte. En Allemagne on travaille admirablement dans les détails: mais lorsqu’il s’agit de concevoir et d’exécuter une grande idée, qui exige des efforts réunis, et un centre d’action, la division des esprits, les susceptibilités personnelles, la méfiance et mille autres petitesses sont tout de suite là, pour entrâver la marche des entreprises les plus utiles, en plus forte raison de celles dont les fruits ne sont pas matériels. Notre gouvernement n’a pas besoin de demander aux intérêts industriels, à l’opinion des bourgeois, qu’on appelle opinion publique, la permission de faire quelque chose pour les sciences (Rykatchew 1900, 46*).
Wichtig war auch, dass der Finanzminister Georg von Cancrin und der Präsident der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Sergej Semёnovič Uvarov[77] dem Projekt der Erforschung des Erdmagnetismus in besonderem Maße wohlgesinnt waren. Dazu hatte mit Sicherheit Humboldts diplomatisches Geschick wie auch seine große Autorität, die er in Russland genoss, beigetragen. In seinem Kosmos berichtete Humboldt beispielsweise:
Durch das ausdauernde Wohlwollen, welches der Finanz-Minister Graf von Cancrin jedem großartigen scientifischen Unternehmen schenkte, konnte ein Theil der gleichzeitigen correspondierenden Beobachtungen zwischen dem weißen Meere und der Krim, zwischen dem finnischen Meerbusen und den Küsten der Südsee im russischen Amerika schon im Jahr 1832 beginnen. Eine permanente magnetische Station wurde zu Peking in dem alten Klosterhause, das seit Peter dem Großen periodisch von griechischen Mönchen bewohnt wird, gestiftet. Der gelehrte Astronom Fuß [...] wurde auserwählt, um in China die ersten magnetischen Einrichtungen zu treffen. Später hat Kupffer auf einer Rundreise alle in den magnetischen und meteorologischen Stationen aufgestellten Instrumente östlich bis Nertschisk (in 177°16’ Länge) unter einander und mit den Fundamental-Maaßen verglichen (Humboldt 1845–1862:4, 69–70).
Zum Erfolg bei der Realisierung des Programms von umfassenden und zentral koordinierten erdmagnetischen Forschungen in Russland trug auch ein persönlicher Brief von Humboldt vom 9. April 1839, mit dem sich dieser direkt an den Kaiser Nikolaj I. wandte, bei:
Votre Majesté Impériale [...] a aussi comblé tous les voeux, en faisant établir sous la direction éclairée du Ministre des mines un vaste réseau de stations magnétiques de St. Pétersbourg à l’Oural et de l’Oural à Péking. Les plans que j’avais rêvés dans ma jeunesse, ont été exécutés dans Votre Empire sur une échelle gigantesque. Cette branche utile des sciences physiques, intimement liée aux besoins de l’art nautique, n’a été cultivée dans aucun pays de l’Europe, comme elle l’est dans la partie du monde que Dieu a placée sous le sceptre de Votre Majesté. [...] Le savant physicien Mr. Kupfer [...] se trouve à la tête de cette vaste et admirable institution. [...] Pétersbourg est le centre des observations et la munificence que Votre Majesté continuera d’accorder à l’agrandissement de construction de la station magnétique et météorologique centrale de l’Empire sera comptée, à juste titre, parmi les bienfaits de Son Regne (Rykatchew 1900, 87).
Zwei Tage später, am 11. April 1839, wandte sich Humboldt auch an den Finanzminister Cancrin:
In einem Schreiben des Dankes, das ich an den erhabenen Monarchen Selbst gerichtet, habe ich im Namen der Wissenschaft auch für die grossartige Anstalt gedankt, die Ew. Erlaucht unter Prof. Kupfer’s Direction ins Leben gerufen und welche den halben Erdkreis, ganz Nord-Asien mit einem Gewebe magnetischer und meteorologischer Stationen bedeckt hat. [...] Alles was Sie für die Vergrösserung und Sicherung dieses herrlichen Central-Instituts in Petersburg fortfahren zu thun, wird von der Nachwelt an das viele Grosse und Edle angereihet werden, das Sie unter Ihrem Ministerium geschaffen haben (Rykatchew 1900, 42*).
Im Jahre 1839 konnte Adolph Theodor Kupffer auf Staatskosten und von der russischen Regierung finanziell bestens ausgestattet eine lange Reise durch mehrere europäische Länder unternehmen. Allein an Reisegeld wurden Kupffer von Nikolaj I. 6.000 Rubel bewilligt, dazu kamen noch weitere 10.000 Rubel für den Kauf von Instrumenten. Kupffer reiste nach Deutschland, Italien, Frankreich und in die Schweiz, um für Unterstützung des Projektes eines magnetisch-meteorologischen Observatoriums in St. Petersburg zu werben. In Deutschland besuchte Kupffer auch Gauß in Göttingen und konsultierte ihn bezüglich des Projektes der systematischen magnetischen Beobachtungen in Russland: Man dachte an ein gut ausgebautes Netzwerk von Stationen mit einer zentralen koordinierenden Stelle an der Spitze. Gleichzeitig konnte Kupffer hierfür mehrere Magnetometer von Gauß und Weber für Russland bestellen (Roussanova 2010b). Bald erfuhr Gauß über den positiven Fortgang dieses Projektes und ließ Kupffer in einem Brief vom 18. Februar 1840 wissen:
Mit großem Vergnügen erfuhr ich auch aus England, daß Ihr Gouvernement die Magnetischen Beobachtungen in dem weiten Russischen Reiche u[nd] selbst in Pekin[g] kräftig fördern wird.[78]
Für wie wichtig man in Russland die wissenschaftliche Erforschung des Erdmagnetismus hielt und welche hohe Priorität dieser Forschungsrichtung eingeräumt wurde, kann man auch daraus entnehmen, dass 1834 in St. Petersburg am Corps der Bergingenieure eine erste Professur für Erdmagnetismus und Meteorologie geschaffen wurde. Dort sollten die zahlreichen Beobachter, die für die vielen Stationen benötigt wurden, auf Staatskosten ausgebildet werden. Um alle in Russland angestellten erdmagnetischen und meteorologischen Beobachtungen weltweit bekannt machen zu können, wurde 1837 eine besonders repräsentative Zeitschrift gegründet, nämlich der Annuaire magnétique et méteorologique du corps des ingénieurs des mines de Russie, der von Kupffer herausgegeben wurde. Durch die Gründung des Physikalischen Hauptobservatoriums wurde diese Zeitschrift von den Annales de l’Observatoire Physique Central abgelöst.
3.4 Das Physikalische Hauptobservatorium in St. Petersburg
„La fondation d’un Observatoire de Physique dans la capitale du vaste Empire de Russie désigne une ère nouvelle dans l’histoire des sciences“ (Humboldt 1843).
Es war Humboldts Idee, eine Institution ins Leben zu rufen, in der man sich in umfassendem Maßstabe mit der Physik der Erde, nicht nur mit dem Erdmagnetismus, beschäftigen sollte. In einem Bericht an Konstantin Čevkin vom 13./25. Juli 1839 erwähnte Kupffer den folgenden Gedanken Humboldts: Wie ein astronomisches Observatorium sich mit der Erforschung des Himmels beschäftigt, so sollte sich ein physikalisches Observatorium der Erforschung der Erde widmen: „notre observatoire sera pour la terre ce que les observatoires astronomiques sont pour le ciel“ (Rykatchew 1900, 46*).
Dieses Projekt, die Gründung und der Bau eines Physikalischen Hauptobservatoriums in St. Petersburg, wurde in der Zeit zwischen 1839 und 1849 realisiert. In der neuen Institution sollte einerseits die Erde erforscht werden, andererseits sollten dort die über dem Land verteilten speziellen Observatorien koordiniert sowie deren Ergebnisse gesammelt und ausgewertet werden. Der Bau wurde 1843 von der Regierung genehmigt. In einem Brief vom 22. Mai 1843 teilte Cancrin Humboldt mit, dass die neue Institution am Corps der Bergingenieure in St. Petersburg angesiedelt werden sollte, dessen Hauptdirigent Cancrin selbst war (vgl. Amburger 1966, 233). Ferner schrieb er, dass in dem neuen Observatorium Wohnungen für das Personal vorgesehen seien. Was die Ausstattung mit Instrumenten anbelangt, so sei deren Beschaffung sichergestellt, auch spätere Anschaffungen seien bereits eingeplant. Cancrin äußerte die Hoffnung, dass diese neue Institution, die weltweit kein Vorbild habe, von Humboldt gebilligt und auch in Zukunft mit seinen guten Ratschlägen unterstützt werden würde:
Monsieur le Baron, Je me fais un plaisir particulier d’annoncer à Votre Excellence que conformément à l’idée primitive que vous m’avez communiquée il y a quelque temps, Sa Majésté l’Empereur vient de confirmer la présentation que j’ai eu l’honneur de Lui soumettre pour l’établissement d’un Observatoire spécial de Physique au Corps des Mines de St.-Pétersbourg. Cet Observatoire sera placé dans un bâtiment qui sera construit ad hoc avec les salles et cabinets nécessaires pour les instruments et les expériences. Un directeur avec un conservateur et un personnel subalterne suffisant seront attachés et logés dans l’établissement. Celui-ci sera muni des instruments nécessaires à la culture des principales branches de la Physique [...] conserveront comme succursale l’observatoire, magnétique existant actuellement. L’établissement sera dôté de façon à pouvoir se compléter des instruments nouveaux [...]. J’ose espérer que les bases que je vient d’énoncer recevront l’approbation de Votre Excellence; mais comme l’entreprise d’un Observatoire physique n’a jusqu’à présent aucun antécédent connu, [...] M. le Baron, que je viens Vous prier de vouloir bien m’accorder Vos bons conseils sur la meilleure exécution du projet que je viens d’avoir l’honneur de vous communiquer (Rykatchew 1900, 117).
Am 13. November 1843 ließ Cancrin Humboldt auch noch den Plan des neuen Observatoriums in St. Petersburg zukommen (Rykatchew 1900, 120). In seinem Antwortschreiben an Cancrin brachte Humboldt zum Ausdruck, dass mit der Gründung eines physikalischen Observatoriums in Russland eine neue Ära in der Geschichte der Naturwissenschaften eröffnet werden würde: „La fondation d’un Observatoire de Physique dans la capitale du vaste Empire de Russie désigne une ère nouvelle dans l’histoire des sciences“ (Rykatchew 1900, 120).
Die Statuten sowie der Personalplan des Physikalischen Hauptobservatoriums wurden am 1./13. April 1849 vom neuen Finanzminister bestätigt, da Cancrin bereits im April 1844 von seinem Amt zurückgetreten war. Die Eröffnung fand am 10./23. April 1849 statt. Selbstverständlich wurde Adolph Theodor Kupffer zum ersten Direktor dieser neu geschaffenen Institution berufen; diese war unabhängig sowohl von der Akademie als auch von der Universität in St. Petersburg, sie unterstand unmittelbar dem Finanzministerium.
Abb. 9. Das Gebäude des Physikalischen Hauptobservatoriums in St. Petersburg, erbaut von 1846 bis 1849. Aus: Schramm 1866, 609.Diesem neuen Hauptobservatorium wurden alle übrigen magnetischen Observatorien des Landes angegliedert, so das Normale Observatorium in St. Petersburg, ferner die Observatorien in Jekaterinburg, in Barnaul, in Nertschinsk sowie das Magnetisch-Meteorologische Observatorium in Peking. Erst nach Kupffers Ableben, er verstarb im Jahre 1865, wurde das Physikalische Hauptobservatorium im Jahre 1866 der Akademie der Wissenschaften angegliedert, die damals dem Ministerium für Volksaufklärung unterstand. Dem Physikalischen Hauptobservatorium wurden ferner die neu gegründeten magnetischen Observatorien in Lugansk, Bogoslovsk, Blagodat und Zlatoust unterstellt (Amburger 1966, 476–477).
Dieses neue Physikalische Hauptobservatorium übernahm sofort eine führende Rolle in Russland und beteiligte sich aktiv an den internationalen Aktivitäten auf dem Gebiet des Erdmagnetismus. Hier wurden die Ideen und Erkenntnisse sowohl von Humboldt als auch von Gauß in die Tat umgesetzt, es ist dies als ein Höhepunkt in der Entwicklung des Erdmagnetismus anzusehen.
4. Schlussbetrachtung
Die Projekte von Gottfried Wilhelm Leibniz führten dazu, dass in Russland das Interesse an der wissenschaftlichen Erforschung des Phänomens des Erdmagnetismus geweckt wurde. Während des ganzen 18. Jahrhunderts standen alle Unternehmungen in Zusammenhang mit der Erforschung des Erdmagnetismus unter der Ägide der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg: zahlreiche Expeditionen zu Lande und zu Wasser wurden ausgestattet und sorgten für die Sammlung eines einzigartigen Datenmaterials. An der Akademie bemühte man sich einerseits um die Realisierung all dieser Unternehmungen, aber andererseits auch um deren wissenschaftliche Analyse und um die Weiterentwicklung.
Im 19. Jahrhundert wurde in Russland das Interesse an der Erforschung des Erdmagnetismus noch weiter verstärkt. So wurden wiederum Expeditionen zu Lande und zur See durchgeführt, die abermals wichtige Erkenntnisse lieferten. Nicht zuletzt der Initiative Alexander von Humboldts war es zu verdanken, dass Russland in eine internationale Kooperation eingebunden wurde; seit den 1820er Jahren waren auch russische Wissenschaftler in das weltumspannende erdmagnetische Forschungsprogramm eingebunden. Russland wurde als Land gelobt, in dem man einzigartige Beobachtungen anstellen konnte. Humboldt betonte, dass sich Russland über mehr als 135 Längengrade erstreckt und damit eine größere Ausdehnung hat als der sichtbare Teil des Mondes (Briefwechsel Humboldt-Russland 2009, 280/281, 274/275).
Die bahnbrechenden theoretischen Arbeiten von Carl Friedrich Gauß stellten die Erforschung des Erdmagnetismus auf ein ganz neues wissenschaftliches Fundament. Gauß’ Ideen und Entdeckungen wurden in keinem anderen Land so schnell in die Tat umgesetzt wie in Russland. Als eine Folge wurde ein noch dichteres Netz von modernst ausgestatteten magnetischen Beobachtungsstationen und Observatorien aufgebaut, an deren Spitze schließlich das Physikalische Hauptobservatorium in St. Petersburg stand. Für diese Institution, die nicht der Akademie bzw. der Universität unterstand, gab es weltweit keinerlei Vorbild. Nicht nur die geographischen Besonderheiten, sondern auch die Dimension der Förderung berechtigten Adolph Theodor Kupffer, etwa ein viertel Jahrhundert nach Beginn seiner Zusammenarbeit mit Humboldt, mit Stolz zu behaupten:
La Russie a été pour ainsi dire la terre promise des magnéticiens (Kupffer 1851, 85).
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Humboldt, Alexander von (1829): Mr. Alexandre de Humboldt communiqua ses Observations sur l’inclinaison de l’aiguille aimantée, exécutées pendant son voyage aux montagnes de l’Oural et de l’Altai, à la Songarie chinoise et aux bords de la Mer Caspienne en 1829, avec une boussole de Mr. Gambey et deux aiguilles A. et B. Bulletin de la Société Impériale des Naturalistes de Moscou 1, 1829, 356–361.
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Humboldt, Alexander von (1844): Central-Asien. Untersuchungen über die Gebirgsketten und die vergleichende Klimatologie von A. v. Humboldt. Aus dem Französischen übersetzt und durch Zusätze vermehrt, hrsg. von Wilhelm Mahlmann. 3 Teile, 2 Bde. Berlin 1844.
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Kratzenstein, Christian Amadeus (1798): Tentamen resolvendi problema geographico-mathematicum a perillustri Academia imperiali in annum 1793 propositum. St. Petersburg 1798.
Kretschmar, Fedor (1966): Georg Adolph Ermans Bedeutung für die deutsche Russlandkunde in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Dissertation der Humboldt-Universität zu Berlin, Philosophische Fakultät. Berlin 1966 (Typoskript).
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Kupffer, A. T. (1830): Voyage dans les environs du Mont Elbrouz dans le Caucase entrepris par ordre de sa majesté l’empereur; en 1829. Rapport fait à l’Académie Impériale des Sciences de St.-Pétersbourg. St.-Pétersbourg 1830.
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[1] Adolph Theodor Kupffer / Адольф Яковлевич Купфер (1799–1865) studierte in Dorpat, in Berlin und in Göttingen, war von 1823 bis 1828 Professor an der Universität Kasan, danach Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg und seit 1849 Direktor des Physikalischen Hauptobservatoriums ebenda.
[2] Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716), einer der bedeutendsten Universalgelehrten seiner Zeit, wurde 1677 vom Herzog zu Braunschweig-Lüneburg zum juristischen Hofrat und 1685 zum Hofrat auf Lebenszeit ernannt. Der Titel Geheimer Justizrat wurde Leibniz 1696 von Kurfürst Ernst August von Hannover, 1700 von Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg (seit 1701 König von Preußen) und 1711 von Zar Peter I. verliehen.
[3] Peter I. (1672–1725, reg. ab 1682), der sich im Sommer 1711 wegen der Hochzeit seines Sohnes Aleksej (1690–1718) mit Charlotte von Braunschweig-Wolfenbüttel (1694–1715) in Torgau aufhielt, traf sich dort mit Leibniz. Ein weiteres Treffen Peters I. mit Leibniz kam 1712 in Karlsbad zu Stande.
[4] Jacob Daniel Bruce / Яков Вилимович Брюс (1669–1735), schottischer Adliger in russischem Dienst, verfügte über gediegene Kenntnisse in der Mathematik und in der Astronomie und war einer der engsten Mitarbeiter von Peter I.
[5] Die Personennamen werden nach ISO-Transliteration des Kyrillischen wiedergegeben, die Orts- und Städtenamen nach Duden, Wörterbuch geographischer Namen des Baltikums und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS).
[6] Henry Bond (ca. 1600–1678) war Lehrer der Mathematik und Navigationskunst zu Radcliff bei London, zu seinen magnetischen Beobachtungen siehe (Howarth 2002).
[7] Edmond Halley (1656–1742) unternahm von 1698 bis 1700 als Kommandant eines Schiffes zwei spezielle Reisen im Süd- und Nordatlantik, wobei er an verschiedenen Punkten die Richtung der Magnetnadel nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten bestimmte. Auf Grund dieser Beobachtungen gab er 1701 die Tabula Nautica heraus. 1703 wurde er an die Universität Oxford auf den Savilian Chair of Geometry berufen, als Nachfolger von John Wallis (1616–1703).
[8] Karin Reich sei für die Recherchen in der Kartenabteilung der SBB PK und für die Beschaffung der Kopien herzlich gedankt.
[9] Die Linien gleicher Deklination wurden später als Halleysche Linien bzw. Halleyan Lines bezeichnet (Lambert 1777, 145). Den Begriff isogonische Linien bzw. Isogonen führte Christopher Hansteen ein (Hellmann 1895, 20).
[10] Vgl. Humboldt 1843:3, 469–478 sowie Humboldt 1844:2, 288–290.
[11] Leontij Filippovič Magnickij / Леонтий Филиппович Магницкий (1669–1739) verfasste 1703 das erste russische Mathematiklehrbuch, die „Arifmetika“. 1714 stieg er bis zum Amt des Direktors der Mathematik- und Navigationsschule in Moskau auf.
[12] Daniel Gottlieb Messerschmidt (1685–1735) war seit 1718 im russischen Dienst.
[13] Louis De l’Isle de la Croyère (1690–1741), französischer Astronom, Bruder von Joseph-Nicolas Delisle (1688–1768), der von 1725 bis 1747 Professor der Astronomie an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg war. De l’Isle de la Croyère wurde 1725 in die Petersburger Akademie aufgenommen und begab sich 1733 auf eine Expedition nach Kamtschatka. Auf der Rückreise von Alaska nach Kamtschatka starb er an Skorbut.
[14] Johann Georg Gmelin (1709–1755) stammte aus einer berühmten Forscherfamilie in Tübingen. Bereits als junger Gelehrter erhielt er 1727 einen Ruf an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Von 1731 bis 1747 wirkte er dort als Professor für Chemie und Naturgeschichte.
[15] Daniel Bernoulli (1700–1782) kam 1725 an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg als Professor für Physiologie, war dort von 1727 bis 1733 Professor für Mathematik. Die in den Archivakten vorhandene Instruktion ist in unbekannter Handschrift verfasst und von Daniel Bernoulli nur unterschrieben. In dem Akademieprotokoll vom 10.10.1732 ist festgehalten, dass Bernoulli eine Instruktion vorgelegt hatte (Hintzsche 2004, 120, 131).
[16] Georg Wolfgang Krafft (1701–1754) war seit 1727 Adjunkt an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Im Jahre 1731 wurde er Professor für Mathematik und 1733 Professor für theoretische und praktische Physik ebenda.
[17] Das Verzeichnis der an den Senat in St. Petersburg aus Kasan geschickten Schriften vom 10.12.1733 (Hintzsche 2004, 795). Die Edition weiterer Dokumente der Zweiten Kamtschatkaexpedition wird bestimmt noch weitere Erkenntnisse über die magnetischen Beobachtungen liefern.
[18] Hierzu siehe Hansteen 1819, 106–118 sowie Gehler’s Physikalisches Wörterbuch 1836:6, 1025–1039.
[19] Gemeint ist die von William Mountaine und James Dodson im Jahre 1744 in England herausgegebene berichtigte und aktualisierte Auflage von Halley’s Karte (Hellmann 1895, 20).
[20] Die Prinzessin Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst heiratete 1745 den russischen Thronfolger, den späteren Kaiser Peter III. (1728–1762, reg. ab 1762). Nach seinem Tod regierte sie als Kaiserin Katharina II. (1729–1796, reg. ab 1762).
[21] Samuel Gottlieb Gmelin (1744–1774) studierte Medizin an der Universität Tübingen; 1767 wurde er als Professor der Botanik an die Akademie der Wissenschaften nach St. Petersburg berufen. Bei seiner Expedition nach Persien wurde er 1774 von Einheimischen gefangen genommen und starb vor der Freilassung.
[22] Der Arzt und Naturforscher Peter Simon Pallas (1741–1811) hatte an den Universitäten in Halle und in Göttingen Vorlesungen in Mathematik und Physik gehört. Als Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg unternahm er von 1768 bis 1774 und 1793/94 Expeditionen nach Sibirien und ins südliche Russland.
[23] Das Berliner „Astronomische Jahrbuch“ wurde 1774 von Johann Heinrich Lambert (Anm. 33) und Johann Elert Bode (1747–1826) begründet und wurde nach Lamberts Tod von Bode allein von 1777 bis 1826 herausgegeben.
[24] Petr Borisovič Inochodcev / Петр Борисович Иноходцев (1742–1806) studierte an der Universität Göttingen, er war zuerst Adjunkt für Astronomie an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, von 1785 bis 1797 und dann von 1799 bis 1806 Ordentliches Akademiemitglied ebenda.
[25] Georg Moritz Lowitz (1722–1774) wurde 1754 als Professor für Praktische Mathematik an die Universität Göttingen berufen; 1867 verließ er Göttingen, um einem Ruf an die Petersburger Akademie der Wissenschaften zu folgen.
[26] Der Kosakenaufstand unter der Anführung von Emel’jan Pugačev / Емельян Пугачев (ca. 1744–1775) fand von 1773 bis 1775 im Ural- und im Wolgagebiet statt.
[27] Ekaterina Romanovna Daškova / Екатерина Романовна Дашкова (1744–1810) war von 1783 bis 1896 Direktorin der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Der Präsident der Akademie war von 1746 bis 1798 Graf Kirill Grigor’evič Razumovskij / Кирилл Григорьевич Pазумовский (1728–1803).
[28] Johann Albrecht Euler (1734–1800), der älteste Sohn Leonhard Eulers, war von 1769 bis zu seinem Lebensende Ständiger Sekretär der Petersburger Akademie.
[29] In Pyschminsk bei Jekaterinburg befand sich eine Stahlhütte, deren Direktor seit 1784 Franz Johann Benedikt Herrmann (1755–1815) war. Herrmann wurde 1790 Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg.
[30] Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-Zeitung 172 (Junius), 1796, 543–544. Im selben Jahrgang veröffentlichten in dieser Zeitschrift auch Humboldt und Gauß ihre Berichte über die neuen Entdeckungen.
[31] Johann Jakob Hemmer (1733–1790), Meteorologe und Physiker in Mannheim, war unter anderem Hofrat bei König Stanislaus II. von Polen (1732–1798, reg. 1764 bis 1795), einem Günstling von Katharina II.
[32] Wolfgang Ludwig Krafft / Логин Юрьевич Крафт (1743–1814) war seit 1768 als Adjunkt für Physik an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg tätig, seit 1771 als Professor für Experimentalphysik. 1769 reiste er nach Orenburg am Ural um den Venustransit zu beobachten; während der Reise führte er auch magnetische Beobachtungen durch (Hansteen 1819, Teil 2/Tafel 1). An der Akademie unterstützte er den erblindeten Leonhard Euler bei manchen Arbeiten.
[33] Johann Heinrich Lambert (1728–1777) war der Begründer des Berliner Astronomischen Jahrbuchs. Der erste Band für das Jahr 1776 erschien 1774.
[34] Um die Venusdurchgänge im Juni 1761 und im Juni 1769 zu beobachten, waren weltweit mehrere Forschungsexpeditionen unterwegs.
[35] Christian Amadeus (Gottlieb) Kratzenstein (1723–1795) studierte Medizin und Naturlehre an der Universität in Halle. Er arbeitete auch über Astronomie, Navigation, Luftfahrt, Meteorologie und Alchemie.
[36] Herrn Eberhard Knobloch sei für die Übersetzung herzlich gedankt.
[37] Friedrich Theodor Schubert (1758–1825) war seit 1789 Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg.
[38] Alexander I. (1777–1825) war Kaiser von Russland (ab 1801), König von Polen (ab 1815) und Großfürst von Finnland (ab 1809).
[39] Adam Johann Baron von Krusenstern (1770–1846), deutschbaltischer Seefahrer und Offizier im russischen Dienst, später Admiral der russischen Flotte, war Kapitän des Schiffes „Nadežda“.
[40] Johann Kaspar Horner (1774–1834) studierte in Göttingen Physik und Astronomie, war seit 1799 Adjunkt an der Seebergsternwarte in Gotha. Auf Empfehlung deren Direktors Franz Xaver Zach nahm er von 1803 bis 1808 als Astronom an der Weltumseglung von Krusenstern teil (Donnert 2002, 854).
[41] Fabian Gottlieb von Bellingshausen / Фаддей Фаддеевич Беллинсгаузен (1778–1852), deutschbaltischer Seefahrer und Offizier im russischen Dienst, später Admiral der russischen Flotte, nahm teil an der Weltumsegelung unter dem Kommando von Krusenstern von 1803 bis 1806. Bei der Expedition von 1819 bis 1821 war er Kapitän der Korvette „Vostok“.
[42] Michail Petrovič Lazarev / Михаил Петрович Лазарев (1788–1851), Seefahrer und Offizier, später Admiral der russischen Flotte, Kapitän der Korvette „Mirnyj“.
[43] Ivan Michajlovič Simonov / Иван Михайлович Симонов (1794–1855), Absolvent der Universität Kasan, von 1822 bis zu seinem Lebensende Professor für Astronomie an der Universität Kasan.
[44] Joseph Johann Littrow (1781–1840), Astronom, war Lehrer von Simonov an der Universität Kasan.
[45] Franz Xaver von Zach (1754–1832), Astronom, Geodät, Mathematiker, er errichtete in Gotha eine moderne Sternwarte, lebte seit 1809 in Marseille, Genua und Paris.
[46] In der Correspondance astronomique, géographique, hydrographique et statistique erschienen folgende Berichte von Simonov ggf. mit Kommentaren von Zach: 1823, Bd. 8, 551–561, Bd. 9, 449–457, 556–574; 1824, Bd. 10, 19–45, 141–154, 250–273, Bd. 11, 438–445; 1826, Bd. 14, 217–229.
[47] Carl Friedrich Gauß (1777–1855) war seit 1807 Professor für Astronomie an der Universität Göttingen.
[48] Wilhelm Weber (1804–1891) war von 1831 bis 1837 und dann wieder ab 1849 Professor für Physik an der Universität Göttingen.
[49] Das Reisewerk von Bellingshausen erschien im Jahre 1831 in St. Petersburg in russischer Sprache.
[50] Gemeint ist die Antarktisexpedition von James Clark Ross (1800–1862). Diese startete am 29.9.1839 mit den Schiffen „Erebus“ und „Terror“ und dauerte bis 1843.
[51] Baron Ferdinand von Wrangel / Фердинанд Петрович Врангель (1796/7–1870) war ein deutschbaltischer Offizier der russischen Flotte, später Admiral. Er absolvierte das Seekadettencorps in St. Petersburg und studierte auch noch an der Universität Dorpat bei dem Astronomen und Geodäten Wilhelm Struve (1793–1864).
[52] Friedrich Benjamin Lütke / Федор Петрович Литке (1797–1882), deutschbaltischer Offizier der russischen Flotte, später Admiral, war von 1864 bis 1882 Präsident der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, einer der Begründer der Geographischen Gesellschaft sowie ihr erster Vizepräsident, welches Amt er von 1845 bis 1850 und von 1855 bis 1857 bekleidete.
[53] Nikolaj I. (1796–1855) regierte ab 1825.
[54] Emil Lenz (1804–1865) studierte an der Universität Dorpat Physik, nahm als Physiker an wissenschaftlichen Expeditionen teil, 1834 wurde Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften St. Petersburg.
[55] Christopher Hansteen (1784–1873) unterrichtete Mathematik und Astronomie an der Universität in Christiania und wirkte dort von 1816 bis 1861 als Professor.
[56] Georg von Cancrin (1774–1845) war seit 1797 in Russland in diversen Staatsämtern tätig, von 1823 bis 1844 Finanzminister.
[57] Georg Adolf Erman (1806–1877) war seit 1839 außerordentlicher Professor der Physik an der Universität Berlin.
[58] Carl Heinrich Wilhelm Berghaus (1797–1884), Kartograph und Geograph, war Professor der praktischen Geometrie an der Berliner Bauakademie. Um 1815 lernte er in Paris Alexander von Humboldt kennen, mit dem er weitere vierzig Jahre freundschaftliche Beziehungen pflegte.
[59] Berghaus’ Physikalischer Atlas 1845:1, VIII. Lieferung, IV. Abtheilung Magnetismus, Vorbemerkungen, 104.
[60] Georg Albert Fuß (1806–1854), Urenkel von Leonhard Euler, wirkte als Astronom in Pulkowo bei St. Petersburg. Er nahm teil an mehreren Expeditionen der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1848 wurde er Direktor der Sternwarte in Wilna.
[61] Alexander Bunge (1803–1890) studierte Medizin und Botanik an der Universität Dorpat, war später Professor an den Universitäten Kasan und Dorpat; er bereiste mehrere Gebiete Russlands mit wissenschaftlichem Zweck.
[62] Die russische Gesandtschaft in Peking teilte die Räumlichkeiten mit der russischen Geistlichen Mission.
[63] Aleksej Ivanovič Kovan’nko, Markscheider und Hüttenverwalter, hielt sich von 1830 bis 1837 in der russischen Geistlichen Mission in Peking auf. Er erlernte die chinesische Sprache und erkundete China in naturwissenschaftlicher Richtung.
[64] Nikolaj I. heiratete die Prinzessin Charlotte von Preußen (1798–1860), die älteste Tochter der Königin Luise (1776–1810) und des Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen (1770–1840), dessen Kammerherr Humboldt seit Dezember 1805 war.
[65] Einschließlich Berlin und Königsberg. Vgl. Humboldt 1844:2, 266.
[66] Kupffer erhielt 1823 den Preis für die Arbeit über die genaue Messung der Winkel an Krystallen.
[67] François Arago (1786–1853) war seit 1809 Mitglied der Classe des Sciences Mathématiques et Physiques de l’Institut de France und Professor für Geodäsie und analytische Geometrie an der École Polytechnique, seit 1830 Direktor des Observatoire de Paris.
[68] Peter Honigmann macht darauf aufmerksam, dass die Ergebnisse von Paris bei einigen Aufzählungen fehlen (Honigmann 1984, 76).
[69] Diese denkwürdige Rede ist sowohl in französischer Originalsprache als auch in deutscher Übersetzung mehrfach veröffentlicht worden (Briefwechsel Humboldt–Russland 2009, 266–285).
[70] Zu Gauß’ Beziehungen zu den in Russland wirkenden Wissenschaftlern siehe Reich 2009.
[71] Kupffer studierte von 1819 bis 1821 an der Universität Göttingen, immatrikuliert war er für das Studium der Medizin. Nach Kupffers eigenen Angaben hörte er vom Mai 1820 bis zum März 1821 eine von Gauß gehaltene Vorlesung über die Theoretische Astronomie.
[72] Dienstreiseantrag von Kupffer vom 26.4.1833, St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften.
[73] Das Normale Observatorium, dessen Direktor Kupffer war, war dem Corps der Bergingenieure unterstellt.
[74] Recueil des actes de la séance publique de l’Académie impériale des sciences de Saint–Pétersbourg, tenue le 29 décembre 1835, St. Pétersburg 1836, 31–32.
[75] Niedersächsische Staats– und Universitätsbibliothek Göttingen, Cod. Ms. Magnetischer Verein 3: 1835.
[76] General Konstantin Vladimirovič Čevkin / Константин Владимирович Чевкин (1802–1875) war von 1834 bis 1845 Stabschef des Corps der Bergingenieure und unmittelbar dem russischen Finanzminister Cancrin unterstellt.
[77] Graf Sergej Semënovič Uvarov / Сергей Семëнович Уваров (1786–1855) war von 1818 bis 1855 Präsident der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, gleichzeitig von 1833 bis 1849 Minister für Volksaufklärung.
[78] Kopie in der Niedersächsischen Staats– und Universitätsbibliothek Göttingen, Gauß-Briefe B: A. T. Kupffer 2.
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Letzte Aktualisierung: 03 Mai 2011 | Kraft
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