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Teil 1 | Teil 2 | Teil 3 | Teil 4 |Teil 5 | Teil 6 | Teil 7
UN-Mechanismen - Teil 2 |
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1. Entstehungsgeschichte, Zielsetzung und Inhalt der Konvention |
2. Kontrollmechanismen |
3.Das
Individualbeschwerdeverfahren a) Voraussetzungen b) Verfahrensablauf c) Entscheidung |
4. Bewertung |
2. | |
Waren antisemitische Bekundungen und Ausschreitungen der unmittelbare Auslöser für das erste Tätigwerden der Vereinten Nationen, so erweiterte sich der Anwendungsbereich mit Blick auf die arabischen Staaten und den Ostblock schnell um ein Verbot rassischer Diskriminierung. Die ursprünglich geplante Konvention gegen religiöse Diskriminierungen wurde erst sehr viel später und lediglich in Form einer rechtlich unverbindlichen Erklärung der Generalversammlung verwirklicht.4 Diese Lösung vermag nicht zu befriedigen, weil es häufig zu einer Verquickung von Diskriminierungsmerkmalen kommt, wie das Beispiel Bosnien-Herzegowina lehrt. Allerdings wird darauf verwiesen, daß der Konvention ein breiter Begriff der Rassendiskriminierung zugrundeliegt,5 der ausdrücklich auf den Kolonialismus und die Apartheid Bezug nimmt.
Die Konvention gliedert sich in drei Abschnitte: Teil I enthält in sieben Artikeln die materiellen Bestimmungen, Teil II regelt in neun Artikeln die Überwachung der übernommenen Verpflichtungen, und Teil III versammelt die allgemeinen Bestimmungen in den Artikeln 17 bis 25.
In der Präambel wird neben der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte auch auf die bis dahin erreichten Vereinbarungen und Verlautbarungen Bezug genommen, die sich gegen Diskriminierungen wenden.
Art. 1 Abs. 1 definiert den Begriff der Rassendiskriminierung. Er bedeutet: „jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, daß dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird."
Von den vier tatbestandserfüllenden Handlungsvarianten nimmt die Bevorzugung eine Sonderstellung ein. Im Rahmen der Besserstellung bestimmter, bislang benachteiligter Bevölkerungsgruppen - sogenannte positive Diskriminierung oder „Affirmative action" - ist sie bis zur Erlangung der Gleichheit mit der übrigen Bevölkerung zulässig (Art. 1 Abs. 4, Art. 2 Abs. 2). Unterscheidende, ausschließende, beschränkende oder bevorzugende Maßnahmen sind diskriminatorisch, wenn sie erstens auf den fünf genannten Unterscheidungskriterien beruhen und zweitens den gleichberechtigten Genuß der Menschenrechte und Grundfreiheiten in allen Bereichen des öffentlichen Lebens beeinträchtigen oder vereiteln beziehungsweise dies bezwecken.
Mit diesem Artikel sollen alle Formen der Rassendiskriminierung erfaßt werden. Der Terminus des nationalen Ursprungs („National origin") wurde gewählt, um Fragen des Staatsangehörigkeitsrechts auszuklammern, was die Abs. 2 und 3 zusätzlich verdeutlichen. Konkret bedeutet dies beispielsweise, daß eine Diskriminierung wegen der Stellung als deutscher Volkszugehöriger6 nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (BVFG) unzulässig ist.
Die Vertragsstaaten verpflichten sich in Art. 2 dazu, rassistische Handlungen oder Praktiken selbst zu unterlassen, solche Vorgehensweisen Privater nicht zu unterstützen, ihr Rechtssystem von etwaigen rassistischen Vorschriften zu reinigen und Rassendiskriminierung gesetzlich zu verbieten.
Der letzte Punkt wird auch in Art. 4 ausführlich behandelt. Diese Vorschrift war im Entstehungsprozeß7 eine der umstrittensten; die Problematik ist mit der ähnlich gelagerten Vorschrift des Art. 20 IPbpR/CCPR8 vergleichbar, doch sind die Verpflichtungen deutlicher formuliert: Die Staaten verpflichten sich „unmittelbare und positive Maßnahmen zu treffen, um jedes Aufreizen zur Rassendiskriminierung und alle rassisch diskriminierenden Handlungen auszumerzen." Konkret wird verlangt, rassistische Organisationen und ihre Propaganda zu verbieten und „jede Verbreitung von Ideen, die sich auf die Überlegenheit einer Rasse oder den Rassenhaß gründen, jedes Aufreizen zur Rassendiskriminierung und jede Gewalttätigkeit oder jede Aufreizung dazu gegen eine Rasse oder eine Personengruppe anderer Hautfarbe oder Volkszugehörigkeit sowie jede Unterstützung rassenkämpferischer Betätigung einschließlich ihrer Finanzierung zu einer nach dem Gesetz strafbaren Handlung zu erklären."
Um den Vorbehalten vieler Staaten - beispielsweise der Vereinigten Staaten von Amerika - gegen eine solche Beschneidung der Freiheit der Meinungsäußerung zu begegnen, nimmt die Vorschrift ausdrücklich auf die Garantie der Meinungsäußerungsfreiheit in Art. 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte bezug. Die Frage der Vereinigungsfreiheit wird nicht explizit angesprochen, ist aber berührt.9
Die Konvention zählt in Art. 7 die wichtigsten Menschenrechte und Grundfreiheiten auf, die allen Menschen zukommen und nicht durch rassische Diskriminerung beeinträchtigt werden dürfen. Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Sie leidet unter der Vielzahl ihrer Elemente, doch waren insbesondere Vertreter der Dritten Welt gegen eine allgemein gehaltene Klausel. Der Artikel ist bemüht, die wesentlichen Formen der Diskriminierung und Segregation zu erfassen, so daß er mit dem Recht auf gleichen Zugang zu jedem Ort oder Dienst, der für die Benutzung durch die Öffentlichkeit vorgesehen ist, schließt.
Nach Art.
6 verpflichten sich die Staaten, innerstaatliche Rechtsmittel gegen
Verletzungen ihrer Pflichten aus der Konvention bereitzustellen. Art.
7 fordert zu Maßnahmen in den Bereichen Erziehung und Information
auf, um Vorurteile zu bekämpfen und gegenseitiges Verständnis zu fördern.
3. | |
Der CERD ist mit der Prüfung von Staatenberichten befaßt, sowie für Staaten- und Individualbeschwerden zuständig. Er berichtet der Generalversammlung der Vereinten Nationen jährlich durch den Generalsekretär über seine Tätigkeit und kann Vorschläge machen und allgemeine Empfehlungen abgeben (Art. 9 Abs. 2).
In den Art. 11 bis 13 regelt die Konvention das Verfahren der Staatenbeschwerde. Wie beim Menschenrechtsausschuß scheuen die Staaten vor diesem Verfahren zurück, um nicht selbst Beschwerden auf sich zu ziehen. Interessant an der Staatenbeschwerde ist, daß das Verfahren zusätzlich eine ad-hoc-Vergleichskommission vorsieht, die nach der Erarbeitung des Sach- und Streitstandes durch den CERD eine gütliche Einigung sucht.
Das Staatenberichtsverfahren
ist in Art. 9 Abs. 1 geregelt. Die Staaten müssen dem CERD
ein Jahr nach dem Inkrafttreten der Konvention für sie einen Erstbericht
und danach periodische Berichte11 vorlegen.
Daneben kann der CERD Sonderberichte einfordern, wenn ihm dies angebracht erscheint.
Diese Berichte sollen Aufschluß über die zur Durchführung der
Konvention getroffenen Gesetzgebungs-, Gerichts-, Verwaltungs- und sonstigen
Maßnahmen geben. Zur praktischen Umsetzung ist zu sagen, daß die
Vertragsstaaten ihrer Berichtspflicht oft nur sehr schleppend und mitunter gar
nicht nachkommen.12 Der CERD versucht
dem seit 1992 dadurch zu begegnen, daß er bei besonders lang ausstehenden
Berichten eine Behandlung des betreffenden Vertragsstaates auf der Grundlage
des letzten Berichts ankündigt. So wird den Staaten ermöglicht, doch
noch einen Bericht vorzulegen oder zumindest einen Delegierten zu der Beratung
zu entsenden. Auf diese Weise gelingt es dem Ausschuß erfreulicherweise,
wieder in den Dialog mit den Staaten zu kommen.13
Die Berichtsinhalte sollten sich nach vom CERD bereits früh erarbeiteten
und ständig aktualisierten Vorgaben richten.
4. | |
Der Beschwerdeführer
kann sich nicht direkt an den CERD wenden, vielmehr sieht das Übereinkommen
(Art. 14 Abs. 2-5) vor, daß nach der Erschöpfung des innerstaatlichen
Rechtsweges zunächst ein spezielles Verfahren zu durchlaufen ist. Den Staaten
wird die Möglichkeit eingeräumt, eine spezielle Schlichtungsstelle
für solche Fälle einzurichten. Gelingt es dort nicht, dem Beschwerdeführer
Genugtuung zu verschaffen, so kann er die Sache binnen sechs Monaten dem Ausschuß
mitteilen. Die Mitteilung darf nicht anonym eingelegt werden (Art. 14 Abs. 6a
Satz 2).
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1 | In Deutschland seit dem 15. Juni 1969; BGBl. 1969 II S. 962. |
2 | Zu den Organen der Vereinten Nationen vgl. MRM Heft 1/Oktober 1996, S.13. |
3 | Res. 2106 A (XX) vom 21. Dezember 1965. |
4 | Res. 36/55 vom 21. November 1981. |
5 | Natan Lerner, The U.N. Convention on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination, 1980, S. 10f. |
6 | Zum Begriff vgl.: Eckart Klein, Der Status des deutschen Volkszugehörigen und die Minderheiten im Ausland, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VIII, 1995, § 200, Rn 4ff. |
7 | Vgl. dazu: Natan Lerner (Fn.6), 44ff. |
8 | GV Res. 2200 A(XXI); UN-Treaty Series, vol. 999, 171ff.; BGBl. 1973 II S. 1534; in Kraft seit dem 23. März 1976, BGBl. 1973 II S. 1534. Art. 20 lautet: "§1 Jede Kriegspropaganda wird durch Gesetz verboten. § 2 Jedes Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Haß, durch das zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufgestachelt wird, wird durch Gesetz verboten." |
9 | So wurde in den ersten Berichten der Bundesrepublik erläutert, warum ein Verbot der NPD sich nicht aus der Konvention ableiten lasse. Zu beachten wäre in jedem Fall das Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG. |
10 | Vgl. dazu: Norman Weiß, Einführung in den Individualrechtsschutz nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, MRM, Heft 1, S. 7 (8ff.). |
11 | Art. 9 Abs. 1 Satz 1 nennt einen Zeitraum von zwei Jahren. Dies ist kürzer als die in späteren Übereinkommen gesetzte Frist. Der Ausschuß fordert inzwischen alle vier Jahre einen periodischen Bericht an, der nach zwei Jahren zu ergänzen ist. |
12 | Weswegen Karl Josef Partsch, Hoffen auf Menschenrechte, 1994, S. 109 meinte, viele der Vertragsstaaten seien nicht als Vollmitglieder anzusehen. Von 1970 bis 1989 hat der Ausschuß insgesamt 3.199 Erinnerungen ausgesprochen, um die säumigen Vertragsstaaten - manche bis zu siebzigmal - an ihre Berichtspflicht zu erinnern. |
13 | Siehe etwa das Beispiel des Tschad, Jahresbericht des Ausschusses an die Generalversammlung, UN-Doc. A/48/18, S. 145f. , §§ 162ff. |
14 | Stand 1. Januar 1996: Algerien, Australien, Bulgarien, Chile, Costa Rica, Dänemark, Equador, Finnland, Frankreich, Island, Italien, die Niederlande, Norwegen, Peru, Rußland, Senegal, Schweden, Ukraine, Ungarn, Uruguay, Zypern. |
15 | Mitteilung Nr. 1/1984, Yilmaz-Dogan ./. Niederlande vom .. August 1988; Mitteilung Nr. 2/1989, Demba Talibe Diop ./. Frankreich vom 18. März 1991; Mitteilung Nr. 3/1991, Michel L.N. Narrainen ./. Norwegen vom 15. März 1994; Mitteilung Nr. 4/1991 L.K. ./. Niederlande vom 16. März 1993. |
16 | Mitteilung Nr. 5/1994. |
Quelle: MenschenRechtsMagazin Heft 2 - Februar 1997, S. 34-38 |