Gespiegelte Fassung der elektronischen Zeitschrift auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam, Stand: 20. April 2010
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Petra Werner

Bemerkungen zu Alexander von Humboldts Russland-Tagebuch

Herrn Kollegen Herbert Pieper zum 65. Geburtstag gewidmet.

2. Tagebücher

2. 1. Umfang und allgemeine Bemerkungen
2. 2.  Inhaltliche Schwerpunkte  

2. 2. 1. Bodenschätze wie Steinkohle, Bernstein, Kupfer, Edelsteine, insbesondere aber Gold und Diamanten. Geologische Bemerkungen allgemeinen Inhalts  

2. 2. 2.  Messungen (Ortsbestimmungen), Temperaturen,  pflanzen-geographische und zoologische Bemerkungen

2. 2. 3. Erwähnung von Kollegen, auch Ethnologisches und Handel

2. 3.  Hinweise auf Sammlungen

  [nach oben]

2. 1. Umfang und allgemeine Bemerkungen

Während der Russlandreise machten mindestens zwei der drei Reisenden Aufzeichnungen – Christian Gottfried Ehrenberg und Alexander von Humboldt. Da der Nachlass Gustav Roses während des II. Weltkrieges sehr wahrscheinlich verbrannt ist, kann keine Aussage über dessen eventuellen Aufzeichnungen gemacht werden.

a) Die Notizen Alexander von Humboldts wurden in einem Oktavband niedergeschrieben, der von Humboldt mit dem Titel „Fragmente des Sibirischen  Reise-Journals 1829“ versehen wurde. Sie enthalten während der Reise niedergeschriebene Beobachtungen und Überlegungen.

b) Außerdem ist ein Band im Quartformat überliefert, der die Aufschrift trägt „Obs[ervations] astronomiques faites dans le Voyage de Sibérie“ – hierbei handelt es sich um später angefertigte Ausarbeitungen magnetischer und astronomischer Messungen (vgl. Honigmann 1983, 103).

Humboldts Reiseaufzeichnungen (a) umfassen 146 Seiten (mit Rückseite) und sind teils auf Französisch, teils auf Deutsch abgefasst. Sie haben eher den Charakter eines Reisejournals als den eines Tagebuchs und sind inhaltlich sehr inhomogen – offensichtlich wurden sie lediglich zur privaten Verwendung geschrieben. Einige Bemerkungen wurden nachträglich eingefügt.[1] Neben Beobachtungen, Ideen usw. finden sich auch Angaben, die Humboldt aus der Literatur entnommen und später eingefügt hat, so Leopold von Buchs Bemerkungen über Fossilien (92v) und einen Auszug aus Christopher Hansteens Brief an einen Kollegen aus Barnaul (28, 1; 126 V, 1) bzw. historische Bemerkungen Karl von Raumers über den Ural als Land, wo man Gold und Onyx finde. (vgl. 143 V.)   

Bei dem Text handelt es sich i. W. um Zahlenkolonnen mit Messergebnissen, schriftliche Texte machen nur etwa ein Drittel aus. Was die Zahlen angeht, so sind das Messprotokolle und geologische Notizen. Die protokollartigen Aufzeichnungen dienten Humboldt später als Grundlage für Publikationen. Hier hat er vor allem physikalische Größen notiert, die er unterwegs gemessen hat, darunter Temperatur von Luft und Wasser, Inklination, Deklination und Intensität des Erdmagnetismus – außerdem bestimmte er durch astronomische und Chronometer-Beobachtung die geographische Position sowie mittels barometrischer und trigonometrischer Bestimmungen die Höhe (vgl. Honigmann 1982, 103). Bei den Texten handelte es sich sowohl um Landschaftsbeschreibungen, zum Teil mit Schilderungen pflanzengeographischen Charakters. Auch Aussagen über das Vorkommen von Quellen, Erdbeben bzw. Feuerausbrüche wurden gemacht, in diesem Zusammenhang wurden Messungen der Erdwärme und meteorologische Angaben notiert. Es dominierten aber geologische bzw. mineralogische Bemerkungen, wobei wiederum Gold- Platin- und Diamantenlagern besondere Bedeutung eingeräumt wird. Hierbei handelte es sich zumeist um stichpunktartig geschilderte Beobachtungen, die Humboldt bei der Besichtigung von Bergwerken, Goldwäschereien, Steinbrüchen usw. gemacht hat (ebenda). Dass Humboldt beim Einfahren in Gruben große Unerschrockenheit zeigte, wird aus Erinnerungen Ehrenbergs deutlich; so beteiligte er sich auch an Arbeiten Ehrenbergs und kratzte beispielsweise schleimige Beläge von den Gestängen, die Ehrenberg später untersuchte.

Humboldt notierte auch Bemerkungen zu ökonomischen Fragen – neben der Goldgewinnung, über die er später mehrfach veröffentlichte. So kam er 1851 in einer Veröffentlichung über den Wert der Goldproduktion von Kalifornien in der Spenerschen Zeitung auch auf die Ausbeute an russischem Waschgold zu sprechen (vgl. Schwarz 2007, 366-367). Seltener finden sich in den Überlieferungen ethnologische Schilderungen, die meist die Lebensweise einzelner Volksgruppen betreffen. Auch finden sich Angaben zu Einwohnern von Städten, Beschäftigte in Gruben usw.

Die Form des Tagebuchs lässt vermuten, dass es sich lediglich um Notizen für den eigenen Gebrauch handelte und an eine spätere Veröffentlichung nicht gedacht war.

Die Sprache wechselte zwischen Deutsch und Französisch. Zum Teil sind Literaturangaben und Kommentare eingefügt worden.

[nach oben]

2. 2.  Inhaltliche Schwerpunkte

2. 2. 1. Bodenschätze wie Steinkohle, Bernstein, Kupfer, Edelsteine, insbesondere aber Gold und Diamanten. Geologische Bemerkungen allgemeinen Inhalts

Die sehr heterogenen Notizen folgen der Reiseroute. M. E. sind zwei inhaltliche  Schwerpunkte zu erkennen:

  1. die Ergiebigkeit von Lagerstätten

  2. das Vorkommen von Gesteinen als Bestätigung von Theorien oder wissenschaftlichen Hypothesen

Besonders ausführlich äußerte sich Humboldt zur Ergiebigkeit von Lagerstätten – dieser Schwerpunkt steht im Gegensatz zu den während der Südamerika-Reise gemachten Aufzeichnungen, die auch in Bezug auf die Bodenschätze[2] vielseitiger sind.   

Humboldt machte in seinem Russland-Tagebuch stichwortartig Bemerkungen über edle Steine und Gold, so Topase, Jaspis, Amethyste … (S., 1, 31V,1), Granate (S. 63, 1) 33 V, 1. Was das Gold betrifft, so gibt es zahlreiche Bemerkungen, von denen nur einige genannt werden sollen.  

Beispiel 1: ab Seite 41, 1 (22 V, 1) Goldwäschen im Ural mit Angaben zu Dörfern bzw. Ergiebigkeit der Lagerstätten

Beispiel 2: ab Seite 56, 1 (29 R, 1.) Goldwäsche westlich vom See Schartasch mit detaillierter Beschreibung der Lagerstätte und Abschätzung der Ergiebigkeit.

Beispiel 3: ab Seite 58, 1 (30 R, 1) dass., u. a. bei Petropawlowsk.

Beispiel 4: ab Seite 109,1 (81 V, 1), Goldwäschen bei Miask. Es werden ausführliche Angaben zur Lagerstätte gemacht.

Ähnliches gilt für Platin:

Beispiel: ab S. 54, 1 (28 R, 1.)

Mehrfach machte Humboldt Bemerkungen über Lager an edlen Steinen bzw. Marmor (51V, 1). Er verweist auch auf 2 Jaspis-Arten (u. a.108, 81R.)

Was andere Bodenschätze betrifft, so finden sich Bemerkungen zu Eisenerz, wobei die Lage der Lagerstätten, ihre Ergiebigkeit und die jährliche Fördermenge usw. eine Rolle spielen (53R, 1).

Mindestens einmal verwies Humboldt darauf, dass das Vorkommen von Porphyr und glimmerreicher Tonschichten im Granit eine Theorie von Gustav Rose bestätige, ohne jedoch Einzelheiten zu nennen – Rose hat in seinem Werk Reise nach dem Ural, dem Altai und dem Kaspischen Meere Bd. 1 auf seine Hypothese zum gemeinsamen Vorkommen von Granit und Tonschiefer verwiesen (vgl. Rose 1837, Bd. 1, u. a. 610-13).   

Zahlreich sind auch Bemerkungen zur allgemeinen Geologie, die oft verknüpft sind mit allgemeinen geographischen Schilderungen – Humboldt nannte das „allgemeine Configuration“ und ethnologische Beobachtungen. So hieß es beispielsweise unter „Inner-Asien“:

„Große Horde zum Theil Russisch gegen See Balachasch hin. Kirgisien in Saysanser, wo sonst Kalmükken, Cosaken befischen allein den See, salzen und troknen Fisch ungehindert von Chinesen. Irtisch fließt zw. Narim und Baty langsam in soligem flachen Thale, p. 91. Die große schöne blaue Felswand, welche man in Süd-Ost von Krasnojar sieht, ist …auf Chinesis. Gebiete, … Granit mit bösartigen Vorsprüngen, Ausbrüchen, p. 108. am rechten Irtysch-Ufer u. jenseits Nryn-Fluß“. (16, 2. = 9R, 2).  

Auch an anderen Stellen finden sich allgemeine Bemerkungen zu Flussbetten und ihrem Verlauf (67, 1 /106 V, 1.), auch Schilderungen des Kaspisches Meeres – so bezeichnete Humboldt die Ufer des Kaspisches Meeres als „Wild und kriegerisch“ (S. 62). Ebenfalls In den Aufzeichnungen finden sich Schilderungen von Gruben, so der Grube Blagowetschen ski. Humboldt äußerte sich hier genau zur Lage und zu ihrer Ergiebigkeit in früherer und moderner Zeit. Hierbei interessierte ihn besonders das Gold. Auch in der Nähe von Nischne Tagilsk wurden reiche Gold- und Platinvorkommen gefunden, zu denen Humboldt Angaben machte (40, 1/21 R., 1). Besonders ausführlich sind Humboldts Angaben zu Goldwäschen in kleinen Dörfern im Ural, wo er sich am 13. und 14. Juni 1829 aufhielt. Er beschrieb hier sowohl die „Konfiguration der Landschaft“, als auch die mit dem Gold verschwistert vorkommenden Gesteine (41, 1. /22 V,1).   

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2. 2. 2.  Messungen (Ortsbestimmungen), Temperaturen,  pflanzen-geographische und zoologische Bemerkungen

Nahezu von jeder besuchten Ortschaft wurden die für Humboldt üblichen Daten erhoben – er maß die Temperatur, die barometrische Höhe und bestimmte die geographischen Daten. Die Temperaturbestimmung wurde zuweilen verknüpft mit pflanzengeographischen Bemerkungen, die an verschiedenen Stellen (meist stichpunktartig) eingestreut wurden und von Humboldt explizit als solche ausgewiesen wurden. Dies überrascht um so mehr, als Humboldt – wie ein Brief an den Maler Rugendas belegt – ausgehend von der Schönheit der Tropen keine allzu großen Erwartungen an die Schönheit der Landschaft Russlands gestellt hatte. Er meinte sogar, Rugendas habe Glück, dass er nicht diese Hügel mit Kiefern und ärmlichen Birken bedeckt, zu bereisen habe.[3] Seine Vorurteile schienen sich zu bestätigen, so klagte er in einem Brief an Cancrin[4] vom Juli 1829, Ehrenberg klage über die „Berlinische Vegetation“, unter 300 Pflanzen hätten sie kaum 40 sibirische finden können (vgl. Schwarz 2008, in Vorbereitung). In seinem Tagebuch zählte Humboldt Baumarten auf, die vorkommen beziehungsweise von ihm als eigentlich landschaftstypisch vermisst wurden. Es ging ihm auch um die flüchtige Skizzierung von Verbreitungsgebieten, wie er sie bereits in seiner Geographie der Pflanzen geschildert hatte, bzw. wie er sie in der späteren nicht veröffentlichten zweiten Ausgabe des Buches beschrieb (vgl. Beilschmied 1831, u. a. 50, 79, 80).

Im Rahmen dieses kurzen Überblicks können aus dem Tagebuch lediglich Beispiele genannt werden: Bereits am Beginn der Reise, in Sandkrug, beschrieb Humboldt ausführlich den Charakter der Vegetation, zu der zahlreiche Koniferen, zum Beispiel Tannen und Lärchen gehören. Da er auf Gebiete verwies, die er erst zu einem späteren Zeitpunkt besuchte, darunter die Kirgisensteppe, ist zu vermuten, dass manche Bemerkungen später von ihm eingefügt wurden. Von besonderem Interesse waren für Humboldt Polargrenzen für Getreide und andere Pflanzen (114 R). 

Relativ häufig verglich Humboldt seine Beobachtungen in Russland mit denen in Südamerika.  So äußerte er z. B.:

Llanos in Süd-Amerika vollkommene Ebene, dort herrschen Monocot ... In Asien nicht Grasfluren, es herrschen herbae besonders als indiv. Nicht als Spec. Zahl Unbekante und Syngers. F.  der cat. Von Ehrenberg. (17, 2. 10 V, 2)

Auf den Vergleich mit den Gegebenheiten in Südamerika kam Humboldt immer wieder zurück:

… wie in Llanos mit Bergketten. Diese wie Semita 60 W. südl. von Semipal. Selten, meist Hügel isolirte. Auch grosse Strekke Birkenwälder an beiden Seiten des Irtisch von Djelesenski Krep bis Petropabl. Daher Steppe nicht so einfach als man glaubt. (30, 2/ 16 R, 2)

Die pflanzengeographischen Bemerkungen Humboldts werden ergänzt durch zoologische. Dazu gehört beispielsweise die Erwähnung einer endemischen Süßwassermuschel.

[nach oben]

2. 2. 3. Erwähnung von Kollegen, auch Ethnologisches und Handel

Humboldt nannte in seinen Aufzeichnungen an zahlreichen Stellen Namen – es handelte sich zum Teil um bekannte Gelehrte, mit denen Humboldt auch korrespondierte (z. B. Lenz, Kupffer, Krusenstern), aber auch um örtliche Beamte (u. a. aus dem Bergbau)  bzw. Adelige (z. B. in St. Petersburg, 13, 1. 8V, 1 sowie in Orenburg, Astrachan, Tobolsk, Tomsk sowie anderen Städten, 26, 1, 127V, 1.).  

Im Text finden sich auch ethnologische Bemerkungen, die zum Teil mit Handel verknüpft werden. So schrieb Humboldt u. a. :

a)     über Handel in Inner-Asien (Kirgisenpferde, Schafe, Fischerei, Kaviargewinnung)

b)     Salzhandel, Anbau von Kartoffeln

c)      Weinbau in Astrachan (48,1. (114 V, 1.)

Auch hier fällt Humboldts Bestreben auf, Mengenangaben zu erfassen – ein Beispiel dafür sind Angaben zur Weinproduktion einzelner russischer Provinzen. Diese hat er beispielsweise aus der Literatur für das Jahr 1802 entnommen. Humboldt ergänzte diese Angaben u. a. durch Hinweise auf die eingeführte Champagner-Menge von fast 2 Millionen Flaschen.  

[nach oben]

2. 3.  Hinweise auf Sammlungen

An einigen Stellen machte Humboldt Angaben zu Sammelobjekten, welche aus Russland mitgebracht worden waren. So  schrieb er:

Das Tigerfell ist geschossen zwischen Irtisch u. Semirck in Kirgisen Steppe. (33, 18 V)

 


[1] Als Beispiel sollen die späteren Beförderungen von drei Russen zu Offizieren genannt werden (75 V).

[2] So hat sich Humboldt in Mexiko sehr intensiv für Silberbergwerke interessiert und neben der Erzgewinnung, den Werkzeugen, der Technik usw. auch zahlreiche andere Aspekte behandelt wie die Geschichte der Silbergewinnung, Vorratswirtschaft , soziale Bedingungen der Arbeiter.  Dasselbe trifft auf Gold zu.

[3] Vgl. Brief Alexander von Humboldt an Johann Moritz Rugendas, München, Archiv Martha Madler, NL Rugendas.

[4] Vgl. Schwarz, in Vorbereitung.

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Letzte Aktualisierung: 23 April 2008 | Kraft
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