Gespiegelte Fassung der elektronischen Zeitschrift auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam, Stand: 20. April 2010
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Bernd Kölbel, Martin Sauerwein, Katrin Sauerwein, 
Steffen Kölbel, Cathleen Buckow

Das Fragment des englischen Tagebuches von Alexander von Humboldt

2. Zur Vorgeschichte der Englandreise mit Georg Forster

Die Vorgeschichte der gemeinsamen Reise reicht in die Studienzeit Alexander von Humboldts in Göttingen zurück. Gemeinsam mit seinem Bruder Wilhelm von Humboldt beteiligte sich Alexander von Humboldt u. a. auch an Vorlesungen und sogar Seminaren des berühmten Göttinger Vertreters der klassischen Philologie und Altertumskunde Christian Gottlob Heyne. Ebenso hat Georg Christoph Lichtenberg, Professor für Physik in Göttingen, durch seine Begeisterung für James Cook und Georg Forster das Interesse Humboldts an Georg Forster erheblich beeinflusst. Bei Heyne hat Wilhelm von Humboldt Forster kennen gelernt und schnell Freundschaft mit ihm geschlossen (Krätz, 1997, S. 26). Es ist nur zu verständlich, dass Alexander von Humboldt in seiner Studentenzeit mit den Werken Georg Forsters in Berührung gekommen ist. Das belegen zahlreiche Äußerungen in frühen Briefen und Aufzeichnungen. An der Universität Göttingen, die den Ruf als eine Hochburg der Liberalität und des geistigen Fortschritts genoss und die einen regen geistigen Austausch mit England, dem damals fortschrittlichsten Land Europas pflegte, studierte Alexander von Humboldt seit dem 25. April 1789. Welche Vorlesungen hat Humboldt nun in Göttingen gehört? Auch hierzu gibt es in der Humboldt-Literatur sehr unterschiedliche Angaben, erst jetzt durchgeführte intensive Recherchen haben das Bild aufklären können. In einem Brief an Wilhelm Gabriel Wegener vom 10. Januar 1790 teilt Humboldt mit, dass er 6 Kollegien hört (Jahn, I. & Lange, F. G. 1973, S. 80). Die Angaben in der Literatur schwanken jedoch zwischen 3 und 5 Kollegien. Die durchgeführten intensiven Recherchen ergaben folgende Vorlesungen, die der junge Humboldt in Göttingen besucht hat:

Link: Privatissimum über Mineralogie (Link 1790). Grundlage für seine Vorlesungen waren „Versuch einer Anleitung zur geologischen Kenntniß der Mineralien“ (Göttingen 1790) und das „Handbuch der Physikalischen Erdbeschreibung“ (Link 1830). Diese Vorlesungen hat auch Alexander von Humboldt gehört. Link schrieb selbst: „Dieses Handbuch ist aus den Vorlesungen über die Physikalische Erdbeschreibung entstanden, welche ich auf verschiedenen Universitäten und zu verschiedenen Zeiten gehalten habe“ (Link 1830, S. 2). Seine Auffassungen sind insbesondere durch die vulkanistischen Auffassungen und Beobachtungsergebnisse der französischen und englischen Geologen geprägt.

Blumenbach: Vorlesungen zur vergleichenden Anatomie und Zoologie; polyhistorische Naturwissenschaften. Grundlage für seine Vorlesungen zur Geognosie und Mineralogie waren sein „Handbuch der Naturgeschichte“, Teil 1, Göttingen 1779 und „Handbuch der Naturgeschichte“, Teil 2, Göttingen 1780.

Lichtenberg: Physik, Mathematik, Privatissimum über Licht, Feuer, Elektrizität.

Heyne: Klassische Philologie, Altertumswissenschaften, Archäologie.

Beckmann: Ökonomie, Technologie.

Gmelin: Mineralogie.

Spittler: Geschichte der neuesten Welthändel.

Die beiden Brüder verkehrten regelmäßig im Haus von Professor Heyne und machten dort die erste Bekanntschaft mit Georg Forster. Es ist sicher, dass die Persönlichkeit Forsters auf Alexander von Humboldt eine außerordentliche Anziehungskraft ausgeübt hat. Humboldt findet einen erfahrenen Weltumsegler, den berühmten und bekannten Reiseschriftsteller, der eine zweite Weltreise vorbereitete und vom russischen Zaren mit der Leitung dieser Expedition beauftragt werden sollte. Diese geplante zweite Weltreise Forsters zerschlug sich durch den zwischen Russland und der Türkei ausgebrochenen Krieg. Durch die Vermittlung seines Freundes, des Historikers Johannes von Müller (1752-1809), erhielt Forster 1788 die Stelle eines Bibliothekars am kurfürstlichen Hof zu Mainz mit dem Titel eines Hofrates.

Durch sein Studium in Göttingen hatte Alexander von Humboldt auch den jungen niederländischen Studenten Steven Jan van Geuns (1767-1795) kennen und schätzen gelernt. In ihren Interessen gab es zahlreiche Berührungs- und Ergänzungsfelder, so dass beide beschlossen, eine naturhistorische Reise im Herbst des Jahres 1789 durch Hessen, die Pfalz, längs des Rheins und durch Westfalen zu unternehmen. Erste Hinweise auf die geplante wissenschaftliche Reise finden sich in einem Brief von S. J. van Geuns an seine Eltern vom 6. und 7. September 1789 (Kölbel, u. a. 2007 a).

Hofrat Blum[en]bach hat mich bekannt gemacht mit einem Herrn von Humboldt, einem jungen Berlinischen Edelmann, der ein sehr vortrefflicher junger Mensch zu sein scheint und sehr viele Kenntnisse in der Botanik, Mineralogie, Ökonomie und Fabrikkunde hat. Er ist ein Schüler von dem vortrefflichen Campe, der einige Jahre zu Berlin in seinem Haus Hofmeister gewesen ist;...Dieser Humboldt geht zu Beginn der folgenden Ferien, ungefähr um den 26. diesen Monats auf eine Tour nach Kassel, Frankfort, Hanau, Heidelberg, Mannheim, Mayntz, Koblenz, Bonn, Köln und Düsseldorf;...weil die Gegend längs des Rheins sehr interessant ist im Hinblick auf die Naturgeschichte und vor allem Mineralogie... und er hat auch die selben Gesichtspunkte wie ich für diese Reise, nämlich geht es nicht darum, das was alles interessantes für die Botanik, Mineralogie und allgemeine Naturgeschichte zu sehen ist, sondern insbesondere geht es um die Basalte und die anderen vulkanischen Überbleibsel längs des Rheins, die Achatberge und Fabriken bei Oberstein, die Quecksilberminen bei Koblenz und um allerlei Fabriken, die auf diesem Weg vorhanden sind, zu sehen, ferner um das Museum in Kassel und die große Frankfurter Messe, die gerade zu dieser Zeit stattfindet.

Die Reiseroute wurde während der Vorbereitung mehrfach geändert, wie auch aus den Briefen von van Geuns an seine Eltern hervorgeht. Bis schließlich die bei A. von Humboldt und die im Tagebuch genannte Route realisiert wurde: Göttingen - Kassel - Marburg - Gießen - Butzbach - Nauheim - Friedberg - Frankfurt -Darmstadt - über die Bergstraße nach Heidelberg - Speyer - Frankenthal - Mörsfeld - Kreuznach - Mainz - Bonn - Köln - Düsseldorf/Pempelfort - Krefeld - Duisburg - Göttingen.

Der Aufenthalt in Mainz wurde auch genutzt, um Georg Forster einen Besuch abzustatten. Die Reisenden waren in der Zeit vom 15. bis 17. Oktober 1789 zeitweise Gäste im Hause Forster in der Neuen Universitätsstrasse: „Bei diesem genossen wir sehr viele Höflichkeiten und aßen, solange wir in Mainz waren, in seinem Haus immer zum Mittag und zum Abend […]“. Hinweise über den Inhalt der Gespräche ergeben sich weder aus dem Tagebuch noch aus den Briefen von van Geuns oder Humboldt. Alexander von Humboldt schreibt zwar in einem Brief vom 10. Januar 1790 an Wilhelm Gabriel Wegener, dass sie „8 Tage im Hause bei Forster“ waren. Diese Angabe Humboldts ist nicht korrekt, da die Reisenden am 14. Oktober 1789 erst nachmittags um 5 Uhr in Mainz ankamen und am 18. Oktober 1789 auf dem Rhein ihre Reise fortsetzten, so dass der Aufenthalt in Mainz nur vom 15. bis zum 17. Oktober dauerte. Sie übernachteten auch nicht bei Forster, sondern im „Churmainzischen Hof“. Zeitlich eingeengt wurde der Aufenthalt bei Forster durch Besuche und Gespräche mit mehreren Persönlichkeiten in Mainz sowie durch Exkursionen nach Hochheim (Studium des Weinanbaues) und Wiesbaden (Studium der heißen Quellen). Am 31. Oktober 1789 treffen Humboldt und van Geuns wieder in Göttingen ein. Diese zweite Begegnung Humboldts mit Forster führte zu einer ersten wissenschaftlichen Publikation in Buchform mit dem Titel „Mineralogische Beobachtungen über einige Basalte am Rhein. Mit vorangeschickten zerstreuten Bemerkungen über den Basalt der älteren und jüngeren Schriftsteller“ (Braunschweig 1790). Diese erste wissenschaftliche Arbeit widmete Alexander von Humboldt Georg Forster:

Herrn George Forster, kurfürstl[ich] Mainzisch[em] Hofrath und Bibliothekar, widmet mit inniger Freundschaft und Verehrung diese mineralogische Arbeit der Verfasser. A. von Humboldt.

Forster hat diese erste Schrift Humboldts mit großem Interesse angenommen und dabei zugleich die wissenschaftliche Vielseitigkeit, die realistische Darstellungsfähigkeit und Interessiertheit Humboldts erkannt. Offensichtlich hat Forster an der Wissenschaftlichkeit und dem breiten Interesse Humboldts an der Erforschung und Untersuchung vielseitiger Phänomene und Erscheinungen in der belebten und unbelebten Natur Gefallen gefunden, so dass er ihn zu einer gemeinsamen Reise nach Belgien, England und Frankreich einlud. Vorausgegangen war ein umfangreicher Briefwechsel Georg Forsters insbesondere mit Christian Gottlob Heyne. So schreibt Heyne an Forster am 12. März 1790 u. a.: „... Ich habe Ihnen jezt von einem Reiseprojekt zu erzälen, wenn Ihnen nicht etwa der gute H. v. Humboldt schon davon gesagt hat. Nach vielem Hin- und hersinnen habe ich mich entschlossen einen kurzen Besuch nach London zu machen, um alte Bekanntschaften aufzufrischen, neue zu machen, für meine litterarischen Arbeiten neue Materialien, die ich nur dort, und nur persönlich anwesend erlangen kann, einzusammeln und dabey den nothwendigen Endzweck einer tüchtigen motion zu erreichen. Unser Zug soll über Brabant und Holland gehen, freylich sehr schnell; aber auch hier bleibt manches was ich für meine naturhistorischen Arbeiten, für meine Südseegeschichte sammeln will, aufzusuchen übrig.“ (Leuschner, B. & Steiner, G. 1980, S. 29). In einem weiteren Brief vom 17. März 1790 schrieb Heyne an Forster: „ Herr von Humboldt verließ mich heut gewiß nicht ohne beyderseitige herzliche Rührung. Wenig junge Männer habe ich kennen gelernt, denen ich mich so ganz mitzutheilen gewünscht hätte. Er wäre der Einzige mit Ihnen, mein Liebster, in dessen Gesellschaft ich den Drittmann der Reise machen möchte. Ich wünsche Ihnen den ganzen Antheil des Vergnügens das ich haben würde, als Zulage zu dem Ihrigen“ (Leitzmann, 1936, S. 8). Am 19. März 1790 schreibt Georg Forster an Sophie von La Roche: „Ich reise in Gesellschaft des jüngeren Herrn von Humboldt, nicht meines Wilhelms, sondern eines auch sehr liebenswürdigen, braven, geistvollen und kenntnisreichen Jünglings, Alexanders“. (Leuschner, B. & Steiner, G. 1980, S. 32). Am 20. März teilt Georg Forster schließlich an Heyne mit: „In ein paar Tagen werde ich nun der Ankunft des H[er]rn von Humboldt entgegensehen. Ich habe vom Kurfürsten Urlaub auf drei Monate, und kann folglich fünf Wochen in London bleiben, welches mir eben recht ist“ (Leuschner, B. & Steiner, G. 1980, S. 33). Mit einem Brief vom 22. März 1790 an Heyne bestätigte Forster die Ankunft Alexander von Humboldts in Mainz: „Unser guter Hr. von Humboldt ist gestern glücklich angekommen, und hat mir Ihren lieben Brief, nebst den willkommnen Empfehlungen überbracht“ (Leuschner, B. & Steiner, G. 1980, S. 34).

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Letzte Aktualisierung: 21 April 2008 | Kraft
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