Gespiegelte Fassung der elektronischen Zeitschrift auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam, Stand: 18. August 2009
Originalfassung zugänglich unter http://www.hin-online.de

    Logo :: HiN - Humboldt im Netz

______________________________________________________

Logo :: HiN VII, 12 (2006)

Bernd Kölbel, Lucie Terken, 
Martin Sauerwein, Katrin Sauerwein, Steffen Kölbel

Alexander von Humboldt
und seine geognostischen Studien in Göttingen

6. Frühe salinistische Untersuchungen

Eng im Zusammenhang mit der Reise von 1789 stehen auch die salinistischen Untersuchungen, die z. T. noch vor der Studienzeit in Göttingen liegen, jedoch einen engen Zusammenhang mit den geognostischen Untersuchungen aufweisen.

In Fortsetzung der salinistischen Studien wurden während der Reise mit Steven Jan van Geuns weitere Salzwerke besucht und geognostische und technologische Studien betrieben, die schließlich ihren Niederschlag in Humboldts Werk von 1792 „Versuch über einige physikalische und chemische Grundsätze der Salzwerkskunde“ fanden. Nach dem Besuch von Schönebeck, Großsalze und Frohse vor seinem Studium in Göttingen wurden auf der gemeinsamen Reise weitere Salinen und Salzwerke besucht und sowohl geognostische, industrielle und technologische Studien betrieben.

Die Beschäftigung mit industriellen und technologischen Fragen entsprach dem Streben nach rationeller und systematischer Nutzung der Bodenschätze. Ganz im Sinne der Aufklärung wurde im wachsendem Maße die Verbindung von technischen und naturwissenschaftlichen Kenntnissen Grundlage von Veränderungen in den sozialen, technischen und politischen Strukturen. Ziel war es dabei auch, Kontakte herzustellen und soviel wie möglich über die technischen Mittel und die Produktion in Erfahrung zu bringen. In diesem Sinne sind die Fortsetzung der halurgischen Studien Alexander von Humboldts in Nauheim, Kreuznach und Wiesbaden einzuordnen.

Auf dem Weg von Gießen nach Frankfurt wurden am 28. September 1789 die Salinen von Nauheim besucht. Nauheim war damals Schmuckstück der deutschen Siedesalinen[1]. Um 1780 wurden etwa 5.000 t/Jahr Salz produziert mit einem Reinerlös von 90.000 Gulden[2]. Die Salinen von Kreuznach wurden durch Humboldt und van Geuns am 13. Oktober 1789 besucht „[...] wozu wir einen kleinen Umweg machten, weil der Herr von Humboldt dort gern das Salinenwerk ansehen wollte“. Neben technischen Fragen werden Vorstellungen über mögliche Zusammenhänge zwischen dem Ursprung und dem Auftreten von Salzquellen, den Salzgehalten und der Rolle des Flußwassers diskutiert. Weder die Herkunft noch die Aufstiegswege der Sole waren damals bekannt. Besucht wurde auch die Saline „Theodors Halle“: „Hier sind 9 Gradierwände, alle aus geflochtenen Schlehdornzweigen gemacht, die hier nicht so gleich lang sind wie anderswo und die dazu dienen, daß das Wasser vom Kalk gesäubert wird. Dieses Vermögen ist sehr gering, da es sich bereits auf der ersten Gradierwand absetzt und verdampft, bis es 28, 24 oder 20 lötig ist.“ Die Dornen- oder Tröpfelgradierung wurde um 1400 erstmals in der Lombardei angewandt. In Deutschland erfolgte die Gradierung zuerst in Nauheim (1579) und in Kötzschau bei Merseburg (1599) durch Matthäus Meth, Arzt in Langensalza. 1730 führte Joachim Friedrich von Beust die Gradierung mit Dornenwänden ein, die Jacob Sigismund Waitz von Eschen weiter vervollkommnete[3].

Die dritte halurgische Station war Wiesbaden, „...das wegen seiner heißen Brunnen berühmt...“ war. Von den mehr als 20 Thermalquellen sind der „Kochbrunnen“, zusammen mit der Salm- und der Großen Adlerquelle, mit ca. 65,5°C die heißesten mit einer täglichen Schüttung von ca. 500 m3  [4]. Die erste Erwähnung der Quellen erfolgte 77 n. Chr. im 31. Buch der Naturgeschichte von Plinius dem Älteren[5]. Eine der Hauptfragen des Besuches war u. a. die Frage, welche Ursachen zu den hohen Temperaturen der Wiesbadener Quellen führten: „ Ohne aber von diesem noch die rechten Ursachen zu kennen, noch ergründen zu können, sind wahrscheinlich die benachbarten schwelenden Vulkane daran schuld“. Die Erklärung entspricht den geologischen Kenntnissen der Zeit.

Auch die oft erwähnte Reise Alexander von Humboldts mit Georg Forster[6] sollte zur Grundlagenbildung für spätere salinistische Arbeiten beitragen. Ganz offensichtlich hat Humboldt sowohl in den Niederlanden als auch in England Daten und Informationen sowohl zu geognostischen als auch technologischen Daten gesammelt, die sich später in dem Frühwerk „Versuch über einige physikalische und chemische Grundsätze der Salzwerkskunde“[7] wiederfinden. Speziell werden z. B. die Anordnung der Siedepfannen in Flandern und Erkenntnisse über die schottischen Salinen, insbesondere zu technologischen Fragen mitgeteilt und die technologischen und ökonomischen Vorteile einer möglichen Anwendung in Preußen herausgestellt. Eingegangen in das Humboldtsche Frühwerk sind auch Erkenntnisse aus seinen im Auftrag des Berliner Berg- und Hüttendepartements durchgeführten Untersuchungen in der königlich-preußischen Saline Gerabronn (Bericht vom 31. Juli 1791) sowie die Ergebnisse seines Aufenthaltes in der Saline Schwäbisch Hall[8].

Eine weitere wesentliche Grundlage hat Humboldt durch seinen Hauslehrer Zöllner erhalten. Wie Beck[9] feststellte, hat Zöllner neben ausführlichen Beschreibungen der Friedrichshütte bei Tarnowitz, der Salzwerke zu Wieliczka, über die Nutzung der Wasserquellen von Altwasser nahe Waldenburg, die bereits einen bescheidenen Kurbetrieb ausgelöst hatten sowie über den Steinkohlenbergbau im Raum Waldenburg Humboldt sowohl geognostische als auch umfangreiche technologische Hinweise übermittelt. Die veröffentlichten Briefe enthalten im Text und in den Anmerkungen ferner umfangreiche bibliographische Hinweise, die sicherlich für die Vertiefung der eigenen Studien Humboldt überaus nützlich gewesen sind.

Es erstaunt nicht, dass das „salinistische Netzwerk“, frühzeitig zwischen Alexander von Humboldt und Carl Johann Bernhard Karsten entstanden, über viele Jahrzehnte Bestand hat. Karsten greift nach etwas über 50 Jahren auf die Erkenntnisse Humboldts in seinem „Lehrbuch der Salinenkunde“ (1864) zurück. Eine Analyse der inhaltlichen Themen und Gebiete, die Karsten für sein Werk genutzt hat, zeigt eine erstaunliche inhaltliche Breite[10]. Die thematische Analyse zeigt, dass von den 65 Erwähnungen Humboldts über 80% Hinweise geologische, geographisch-kartographische, tektonische Fragen sowie Salzlagerstätten betreffen, wobei spezielle salinistische Arbeiten und Aussagen Humboldts mit 23 % bzw. 26 % (unter Einbeziehung der Aussagen zur Bestimmung des spezifischen Gewichts) im Vergleich zu anderen Themen einen relativ hohen Anteil aufweisen. Unter den erwähnten Aussagen finden sich sowohl Aussagen aus der Amerika- und Russlandreise Humboldts als auch Aussagen und Ergebnisse aus gemeinsamen Forschungsarbeiten mit Leopold von Buch. Würdigung finden auch Humboldts regionalgeologische Untersuchungen zu der Thematik „Steinsalz und Salzthon“[11], die bereits aus den Jahren 1792 und 1793 datieren, als Humboldt die Salzbergwerke in der Schweiz, im südlichen Deutschland und in Polen bereist hatte. Dieses „salinistische Netzwerk“ mit Karsten reicht aus der Jugendzeit bis zur Herausgabe des „Kosmos“, in dem C. J. B. Karsten von Humboldt mehrfach erwähnt wird. Wie sehr Humboldt die Arbeit von C. J. B. Karsten auch als Herausgeber schätzte wird bei der Analyse seines Werkes „Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung“ deutlich. Insgesamt werden nur drei Verleger/Herausgeber geowissenschaftlicher Zeitschriften bzw. Bücher genannt:

Von den hier genannten Verlegern und Herausgebern wird Karsten mehrfach genannt und zwar in folgendem Umfang:

Insgesamt ergeben sich also sechs Erwähnungen der Zeitschriften und Leistungen von Karsten, mehr als alle anderen Verleger, von denen Cotta nur an drei Stellen (2 Nennungen im Band 1, 1 Nennung im Band 5), während Barth nur allgemein erwähnt wird.

Auch umgekehrt können wir eine umfangreiche Mitarbeit Humboldts in den Zeitschriften „Archiv für Bergbau und Hüttenwesen“ und „Archiv für Mineralogie, Geognosie, Bergbau und Hüttenkunde“ feststellen. Die Mitwirkung Humboldts erstreckt sich auf geognostische, lagerstättenkundliche, produktionstechnische und statistische Fragen und Darstellungen. Dabei kann Humboldt aus seinen umfangreichen Erkenntnissen der Amerika- und Rußlandreise schöpfen und in ihrer Form und Inhalt für die damaligen einzigartigen Analysen zu neuen Erkenntnissen und Sichtweisen der Metallproduktion, insbesondere der Edelmetallproduktion gelangen. Insgesamt handelt es sich um 14 zum Teil sehr unfangreiche Beiträge Humboldts, die zum überwiegenden Teil im „Archiv für Bergbau und Hüttenwesen“ (1818-1829) abgedruckt wurden. Nur insgesamt drei Beiträge Humboldts sind in dem „Archiv für Mineralogie, Geognosie, Bergbau und Hüttenkunde“ (1829-1854) erschienen.

Das „salinistische Netzwerk“ ist ein herausragendes Beispiel eines über Jahrzehnte praktizierten wissenschaftlichen Netzwerkes, das alle Elemente wissenschaftlicher Zusammenarbeit und wissenschaftlichen Gebens und Nehmens beinhaltet und zu herausragenden Ergebnissen auf dem genannten Gebiet geführt haben, die über einen langen Zeitraum Bestand hatten und Richtschnur für weiterführende Untersuchungen waren.  Mit der von Carl Johann Bernhard Karsten vorgelegten Salinenkunde wurde eine Monographie der Öffentlichkeit übergeben, die an Komplexität bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts Bestand haben sollte. Zugleich wurde mit diesen Arbeiten von Humboldt und Karsten ein wesentlicher Beitrag zur Professionalisierung des preußischen Salinenwesens geleistet, um die Salzgewinnung, die Erschließung neuer Vorkommen und den bergmännische Abbau der Salzvorkommen ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu erweitern, der aber auch zu technischen und technologischen Neuerungen des Salinenwesens geführt hat.

 


[1] Blöcher 1931.

[2] Emons/Walter 1988.

[3] Fürer 1900.

[4] Kirnbauer 1997.

[5] Czysz 1998.

[6] Forster 1989.

[7] Humboldt 1792 b.

[8] Emons/Walter 1988.

[9] Beck 2000.

[10] Kölbel u. a. 2004.

[11] Humboldt 1823.

______________________________________________________

Navigationselement: zurück

© hin-online.de. postmaster@hin-online.de
Letzte Aktualisierung: 25 April 2006 | Kraft

Navigationselement: weiter