Filtern
Dokumenttyp
- Wissenschaftlicher Artikel (2)
- Dissertation (2)
- Postprint (1)
Gehört zur Bibliographie
- ja (5)
Schlagworte
- calculation (5) (entfernen)
Semantische Repräsentation, obligatorische Aktivierung und verbale Produktion arithmetischer Fakten
(2006)
Die vorliegende Arbeit widmet sich der Repräsentation und Verarbeitung arithmetischer Fakten. Dieser Bereich semantischen Wissens eignet sich unter anderem deshalb besonders gut als Forschungsgegenstand, weil nicht nur seine einzelne Bestandteile, sondern auch die Beziehungen dieser Bestandteile untereinander außergewöhnlich gut definierbar sind. Kognitive Modelle können also mit einem Grad an Präzision entwickelt werden, der in anderen Bereichen kaum je zu erreichen sein wird. Die meisten aktuellen Modelle stimmen darin überein, die Repräsentation arithmetischer Fakten als eine assoziative, netzwerkartig organisierte Struktur im deklarativen Gedächtnis zu beschreiben. Trotz dieser grundsätzlichen Übereinstimmung bleibt eine Reihe von Fragen offen. In den hier vorgestellten Untersuchungen werden solche offene Fragen in Hinsicht auf drei verschiedene Themenbereiche angegangen: 1) die neuroanatomischen Korrelate 2) Nachbarschaftskonsistenzeffekte bei der verbalen Produktion sowie 3) die automatische Aktivierung arithmetischer Fakten. In einer kombinierten fMRT- und Verhaltensstudie wurde beispielsweise der Frage nachgegangen, welche neurofunktionalen Entsprechungen es für den Erwerb arithmetischer Fakten bei Erwachsenen gibt. Den Ausgangspunkt für diese Untersuchung bildete das Triple-Code-Modell von Dehaene und Cohen, da es als einziges auch Aussagen über neuroanatomische Korrelate numerischer Leistungen macht. Das Triple-Code-Modell geht davon aus, dass zum Abruf arithmetischer Fakten eine „perisylvische“ Region der linken Hemisphäre unter Einbeziehung der Stammganglien sowie des Gyrus angularis nötig ist (Dehaene & Cohen, 1995; Dehaene & Cohen, 1997; Dehaene, Piazza, Pinel, & Cohen, 2003). In der aktuellen Studie sollten gesunde Erwachsene komplexe Multiplikationsaufgaben etwa eine Woche lang intensiv üben, so dass ihre Beantwortung immer mehr automatisiert erfolgt. Die Lösung dieser geübten Aufgaben sollte somit – im Gegensatz zu vergleichbaren ungeübten Aufgaben – immer stärker auf Faktenabruf als auf der Anwendung von Prozeduren und Strategien beruhen. Hingegen sollten ungeübte Aufgaben im Vergleich zu geübten höhere Anforderungen an exekutive Funktionen einschließlich des Arbeitsgedächtnisses stellen. Nach dem Training konnten die Teilnehmer – wie erwartet – geübte Aufgaben deutlich schneller und sicherer beantworten als ungeübte. Zusätzlich wurden sie auch im Magnetresonanztomografen untersucht. Dabei konnte zunächst bestätigt werden, dass das Lösen von Multiplikationsaufgaben allgemein von einem vorwiegend linkshemisphärischen Netzwerk frontaler und parietaler Areale unterstützt wird. Das wohl wichtigste Ergebnis ist jedoch eine Verschiebung der Hirnaktivierungen von eher frontalen Aktivierungsmustern zu einer eher parietalen Aktivierung und innerhalb des Parietallappens vom Sulcus intraparietalis zum Gyrus angularis bei den geübten im Vergleich zu den ungeübten Aufgaben. So wurde die zentrale Bedeutung von Arbeitsgedächtnis- und Planungsleistungen für komplexe ungeübte Rechenaufgaben erneut herausgestellt. Im Sinne des Triple-Code-Modells könnte die Verschiebung innerhalb des Parietallappens auf einen Wechsel von quantitätsbasierten Rechenleistungen (Sulcus intraparietalis) zu automatisiertem Faktenabruf (linker Gyrus angularis) hindeuten. Gibt es bei der verbalen Produktion arithmetischer Fakten Nachbarschaftskonsistenzeffekte ähnlich zu denen, wie sie auch in der Sprachverarbeitung beschrieben werden? Solche Effekte sind nach dem aktuellen „Dreiecksmodell“ von Verguts & Fias (2004) zur Repräsentation von Multiplikationsfakten erwartbar. Demzufolge sollten richtige Antworten leichter gegeben werden können, wenn sie Ziffern mit möglichst vielen semantisch nahen falschen Antworten gemeinsam haben. Möglicherweise sollten demnach aber auch falsche Antworten dann mit größerer Wahrscheinlichkeit produziert werden, wenn sie eine Ziffer mit der richtigen Antwort teilen. Nach dem Dreiecksmodell wäre darüber hinaus sogar der klassische Aufgabengrößeneffekt bei einfachen Multiplikationsaufgaben (Zbrodoff & Logan, 2004) auf die Konsistenzverhältnisse der richtigen Antwort mit semantisch benachbarten falschen Antworten zurückzuführen. In einer Reanalyse der Fehlerdaten von gesunden Probanden (Campbell, 1997) und einem Patienten (Domahs, Bartha, & Delazer, 2003) wurden tatsächlich Belege für das Vorhandensein von Zehnerkonsistenzeffekten beim Lösen einfacher Multiplikationsaufgaben gefunden. Die Versuchspersonen bzw. der Patient hatten solche falschen Antworten signifikant häufiger produziert, welche die gleiche Zehnerziffer wie das richtigen Ergebnisses aufwiesen, als ansonsten vergleichbare andere Fehler. Damit wird die Annahme unterstützt, dass die Zehner- und die Einerziffern zweistelliger Zahlen separate Repräsentationen aufweisen – bei der Multiplikation (Verguts & Fias, 2004) wie auch allgemein bei numerischer Verarbeitung (Nuerk, Weger, & Willmes, 2001; Nuerk & Willmes, 2005). Zusätzlich dazu wurde in einer Regressionsanalyse über die Fehlerzahlen auch erstmalig empirische Evidenz für die Hypothese vorgelegt, dass der klassische Aufgabengrößeneffekt beim Abruf von Multiplikationsfakten auf Zehnerkonsistenzeffekte zurückführbar ist: Obwohl die Aufgabengröße als erster Prädiktor in das Modell einging, wurde diese Variable wieder verworfen, sobald ein Maß für die Nachbarschaftskonsistenz der richtigen Antwort in das Modell aufgenommen wurde. Schließlich wurde in einer weiteren Studie die automatische Aktivierung von Multiplikationsfakten bei gesunden Probanden mit einer Zahlenidentifikationsaufgabe (Galfano, Rusconi, & Umilta, 2003; Lefevre, Bisanz, & Mrkonjic, 1988; Thibodeau, Lefevre, & Bisanz, 1996) untersucht. Dabei sollte erstmals die Frage beantwortet werden, wie sich die automatische Aktivierung der eigentlichen Multiplikationsergebnisse (Thibodeau et al., 1996) zur Aktivierung benachbarter falscher Antworten (Galfano et al., 2003) verhält. Ferner sollte durch die Präsentation mit verschiedenen SOAs der zeitliche Verlauf dieser Aktivierungen aufgeklärt werden. Die Ergebnisse dieser Studie können insgesamt als Evidenz für das Vorhandensein und die automatische, obligatorische Aktivierung eines Netzwerkes arithmetischer Fakten bei gesunden, gebildeten Erwachsenen gewertet werden, in dem die richtigen Produkte stärker mit den Faktoren assoziiert sind als benachbarte Produkte (Operandenfehler). Dabei führen Produkte kleiner Aufgaben zu einer stärkeren Interferenz als Produkte großer Aufgaben und Operandenfehler großer Aufgaben zu einer stärkeren Interferenz als Operandenfehler kleiner Aufgaben. Ein solches Aktivierungsmuster passt gut zu den Vorhersagen des Assoziationsverteilungsmodells von Siegler (Lemaire & Siegler, 1995; Siegler, 1988), bei dem kleine Aufgaben eine schmalgipflige Verteilung der Assoziationen um das richtige Ergebnis herum aufweisen, große Aufgaben jedoch eine breitgipflige Verteilung. Somit sollte die vorliegende Arbeit etwas mehr Licht in bislang weitgehend vernachlässigte Aspekte der Repräsentation und des Abrufs arithmetischer Fakten gebracht haben: Die neuronalen Korrelate ihres Erwerbs, die Konsequenzen ihrer Einbindung in das Stellenwertsystem mit der Basis 10 sowie die spezifischen Auswirkungen ihrer assoziativen semantischen Repräsentation auf ihre automatische Aktivierbarkeit. Literatur Campbell, J. I. (1997). On the relation between skilled performance of simple division and multiplication. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition, 23, 1140-1159. Dehaene, S. & Cohen, L. (1995). Towards an anatomical and functional model of number processing. Mathematical Cognition, 1, 83-120. Dehaene, S. & Cohen, L. (1997). Cerebral pathways for calculation: double dissociation between rote verbal and quantitative knowledge of arithmetic. Cortex, 33, 219-250. Dehaene, S., Piazza, M., Pinel, P., & Cohen, L. (2003). Three parietal circuits for number processing. Cognitive Neuropsychology, 20, 487-506. Domahs, F., Bartha, L., & Delazer, M. (2003). Rehabilitation of arithmetic abilities: Different intervention strategies for multiplication. Brain and Language, 87, 165-166. Galfano, G., Rusconi, E., & Umilta, C. (2003). Automatic activation of multiplication facts: evidence from the nodes adjacent to the product. Quarterly Journal of Experimental Psychology A, 56, 31-61. Lefevre, J. A., Bisanz, J., & Mrkonjic, L. (1988). Cognitive arithmetic: evidence for obligatory activation of arithmetic facts. Memory and Cognition, 16, 45-53. Lemaire, P. & Siegler, R. S. (1995). Four aspects of strategic change: contributions to children's learning of multiplication. Journal of Experimental Psychology: General, 124, 83-97. Nuerk, H. C., Weger, U., & Willmes, K. (2001). Decade breaks in the mental number line? Putting the tens and units back in different bins. Cognition, 82, B25-B33. Nuerk, H. C. & Willmes, K. (2005). On the magnitude representations of two-digit numbers. Psychology Science, 47, 52-72. Siegler, R. S. (1988). Strategy choice procedures and the development of multiplication skill. Journal of Experimental Psychology: General, 117, 258-275. Thibodeau, M. H., Lefevre, J. A., & Bisanz, J. (1996). The extension of the interference effect to multiplication. Canadian Journal of Experimental Psychology, 50, 393-396. Verguts, T. & Fias, W. (2004). Neighborhood Effects in Mental Arithmetic. Psychology Science. Zbrodoff, N. J. & Logan, G. D. (2004). What everyone finds: The problem-size effect. In J. I. D. Campbell (Hrsg.), Handbook of Mathematical Cognition (pp.331-345). New York, NY: Psychology Press.
Die vorliegende Studie untersucht die gesellschaftliche Rolle des gegenwärtigen Mathematikunterrichts an deutschen allgemeinbildenden Schulen aus einer soziologisch-kritischen Perspektive. In Zentrum des Interesses steht die durch den Mathematikunterricht erfahrene Sozialisation. Die Studie umfasst unter anderem eine Literaturdiskussion, die Ausarbeitung eines soziologischen Rahmens auf der Grundlage des Werks von Michel Foucault und zwei Teilstudien zur Soziologie der Logik und des Rechnens. Abschließend werden Dispositive des Mathematischen beschrieben, die darlegen, in welcher Art und mit welcher persönlichen und gesellschaftlichen Folgen der gegenwärtige Mathematikunterricht eine spezielle Geisteshaltung etabliert.
Many children show negative emotions related to mathematics and some even develop mathematics anxiety. The present study focused on the relation between negative emotions and arithmetical performance in children with and without developmental dyscalculia (DD) using an affective priming task. Previous findings suggested that arithmetic performance is influenced if an affective prime precedes the presentation of an arithmetic problem. In children with DD specifically, responses to arithmetic operations are supposed to be facilitated by both negative and mathematics-related primes (= negative math priming effect). We investigated mathematical performance, math anxiety, and the domain-general abilities of 172 primary school children (76 with DD and 96 controls). All participants also underwent an affective priming task which consisted of the decision whether a simple arithmetic operation (addition or subtraction) that was preceded by a prime (positive/negative/neutral or mathematics-related) was true or false. Our findings did not reveal a negative math priming effect in children with DD. Furthermore, when considering accuracy levels, gender, or math anxiety, the negative math priming effect could not be replicated. However, children with DD showed more math anxiety when explicitly assessed by a specific math anxiety interview and showed lower mathematical performance compared to controls. Moreover, math anxiety was equally present in boys and girls, even in the earliest stages of schooling, and interfered negatively with performance. In conclusion, mathematics is often associated with negative emotions that can be manifested in specific math anxiety, particularly in children with DD. Importantly, present findings suggest that in the assessed age group, it is more reliable to judge math anxiety and investigate its effects on mathematical performance explicitly by adequate questionnaires than by an affective math priming task.
Many children show negative emotions related to mathematics and some even develop mathematics anxiety. The present study focused on the relation between negative emotions and arithmetical performance in children with and without developmental dyscalculia (DD) using an affective priming task. Previous findings suggested that arithmetic performance is influenced if an affective prime precedes the presentation of an arithmetic problem. In children with DD specifically, responses to arithmetic operations are supposed to be facilitated by both negative and mathematics-related primes (= negative math priming effect). We investigated mathematical performance, math anxiety, and the domain-general abilities of 172 primary school children (76 with DD and 96 controls). All participants also underwent an affective priming task which consisted of the decision whether a simple arithmetic operation (addition or subtraction) that was preceded by a prime (positive/negative/neutral or mathematics-related) was true or false. Our findings did not reveal a negative math priming effect in children with DD. Furthermore, when considering accuracy levels, gender, or math anxiety, the negative math priming effect could not be replicated. However, children with DD showed more math anxiety when explicitly assessed by a specific math anxiety interview and showed lower mathematical performance compared to controls. Moreover, math anxiety was equally present in boys and girls, even in the earliest stages of schooling, and interfered negatively with performance. In conclusion, mathematics is often associated with negative emotions that can be manifested in specific math anxiety, particularly in children with DD. Importantly, present findings suggest that in the assessed age group, it is more reliable to judge math anxiety and investigate its effects on mathematical performance explicitly by adequate questionnaires than by an affective math priming task.
This article presents the design and a first pilot evaluation of the computer-based training program Calcularis for children with developmental dyscalculia (DD) or difficulties in learning mathematics. The program has been designed according to insights on the typical and atypical development of mathematical abilities. The learning process is supported through multimodal cues, which encode different properties of numbers. To offer optimal learning conditions, a user model completes the program and allows flexible adaptation to a child's individual learning and knowledge profile. Thirty-two children with difficulties in learning mathematics completed the 6-12-weeks computer training. The children played the game for 20 min per day for 5 days a week. The training effects were evaluated using neuropsychological tests. Generally, children benefited significantly from the training regarding number representation and arithmetic operations. Furthermore, children liked to play with the program and reported that the training improved their mathematical abilities.