Gespiegelte Fassung der elektronischen Zeitschrift auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam, Stand: 13. Januar 2014
Originalfassung zugänglich unter http://www.hin-online.de

HiN - Internationale Zeitschrift für Humboldt-Studien (ISSN: 1617-5239)

Navigationselement: zurück

____________________________________________________

Navigationselement: weiter
 

 

Hanno Beck

Das literarische Testament Alexander von Humboldts 1799
 

 

Die wissenschaftliche Arbeit des jungen Alexander von Humboldt hatte eine raumwissenschaftliche Tendenz. Sie offenbarte sich auch, als er erstmals eine geognostisch-geographische Zielsetzung als das Hauptthema seiner Bemühungen bezeichnete.

Nach dem Studium in Freiberg (Juni 1791 – März 1792) durchdachte Humboldt sein erstes umfassendes wissenschaftliches Forschungsprogramm, das dann noch vor dem Antritt seiner amerikanischen Reise 1799 von der Idee des Kosmos überwölbt, aber keineswegs verdrängt werden konnte: Er wollte in einem geognostisch-geographischen Werk die Harmonie der Natur durch den Nachweis gültiger Gesetze des Streichens und Fallens enthüllen. Er glaubte, in Europa bereits den Beweis erbracht zu haben, daß das Streichen und Fallen der Lagen des Urgebirges (im Sinne A. G. Werners) gesetzmäßig erfolge. Damit konnte er sich nicht begnügen. Die Idee drängte auf Verwirklichung und erzwang förmlich die Überprüfung in fernen Ländern. Die Vollendung eines Werkes über die Konstruktion des Erdkörpers schwebte ihm als sein wichtigstes wissenschaftliches Ziel vor. Wohl begriff er den „Kosmos“ bald als größere Aufgabe – zunächst aber wollte er dieses Werk abschließen, das ja bereits auf den „Entwurf einer physischen Weltbeschreibung“ hinwies und seiner Verwirklichung diente.

In Freiberg hatte er 1791 als 21jähriger Student in den verschiedenen Gruben, die er befuhr, „manches sonderbar gefunden – sonderbar, weil es unbegreiflich ist, wie einförmig und harmonisch selbst das verwikkelte Netz der Gänge gewebt ist. Doch darüber mündlich noch vieles, denn ich möchte ein Buch darüber statt eines Briefes schreiben“, meinte er selbst in einem Schreiben vom 26. November 1791 an D. L. G. Karsten in Berlin[1]). 1792 prägte er als preußischer Oberbergmeister erstmals den Namen „Jurakalkstein.“[2], erkannte die selbständige Juraformation und fand das „Streichungsgesetz“ bei der Untersuchung von „Glimmer- und Thonschiefern“ im Fichtelgebirge und im Thüringer Wald. Er hielt sich bereits damals für überzeugt, daß das Streichen des Urgebirges (im Wernerschen Sinn) einem allgemeinen Gesetz folge, und zwar streichen – von kleineren, örtlich bedingten Abweichungen abgesehen – der geschichtete grobkörnige und der blättrige Granit, vorzüglich aber der Glimmerschiefer und Tonschiefer in der Stunde 3-4 der Bussole der Bergleute, wobei sie mit dem Meridian ihres Ortes einen Winkel von etwa 50° bilden.

Das Fallen der Schichten ist gegen Nord-West gerichtet, das heißt, sie fallen parallel mit einem Körper, der in dieser Richtung geworfen wird, oder die Oeffnung des Neigungswinkels (geringer als 90°), den sie mit der Erdaxe machen, steht gegen Nord-Ost. Das Streichen ist beständiger als das Fallen, zumal bey einfachen Gebirgsarten (Thonschiefer, Hornblendeschiefer) oder bey zusammengesetzten Gebirgsarten mit weniger crystallisirtem Korn, wie der Glimmerschiefer ist. Im Granit, (man findet ihn jedoch sehr regelmäßig geschichtet, in der Stunde 3-4 streichend, und gegen |66| Nord-West fallend auf der Schneekoppe, am Ochsenkopf, auf dem Siebengebirge und den Pyrenäen,) und im Gneis scheint die Anziehung der crystallisirten Gemengetheile gegen einander oft die regelmäßige Schichtung verhindert zu haben; daher entdeckt man mehr Uebereinstimmung unter den Glimmer- und Thonschiefern, …[3]

Humboldt spricht vom Parallelismus der Schichten, weil die älteren Gebirgsglieder den Meridian ihres Ortes nach seinen Beobachtungen immer in einem Winkel von etwa 50° schneiden, indem sie von Südwest nach Nordost streichen. Von da her stammt auch Humboldts Ausdruck „Gesetz des Loxodromismus“ (loxos = „schief“, dromos = „Lauf“) für diese Erscheinung wegen des schiefwinkligen Verlaufs des Streichens der älteren Urgebirgsschichten zu den Längengraden.

Verursacht wird diese Gleichförmigkeit durch Erdrotation und Attraktion. Newton hatte zuerst von Zentralkräften gesprochen, die auf alle Planeten wirken und nach der Sonne gerichtet sind. Ob man nun von Attraktion oder Impulsion sprach, erschien 1799 einem Astronomen gleichgültig, da das Dasein der Kraft erwiesen schien, die „am bequemsten und schicklichsten durch Anziehung ausgedrückt“ wird[4]. Erdrotation und die Gleichmäßigkeit dieser Anziehungskräfte, denen die Materie gefolgt sei, um sich zu planetarischen Sphäroiden zusammenzuhäufen, bilden nach Humboldt die Ursachen des Streichungsgesetzes. Richtung und Neigung, Streichen und Fallen der Lagen des Urgebirges sind unabhängig von Richtung und Abfall der Berge.

Seit jener Zeit hat Humboldt diese Gesetzmäßigkeiten beweisen wollen und immer wieder Streichen und Fallen der Urgebirgsschichten bestimmt: Auf seinen bergmännisch-halurgischen Besichtigungsfahrten von 1792/93 und 1794 sah er viele Landschaften und sprach bald von einem Werk über den Gebirgsbau Mitteleuropas. 1794 war er insgesamt dreimal bei Goethe; ihre lebendigen Gespräche beeinflußten beide Männer wechselseitig. Humboldt sah nun seine Vorstellung von einer teilweisen Harmonie der Natur durch Goethes Weltanschauung bestätigt – und idealistisch überhöht[5].

Um seine Beobachtungen über das Streichen und Fallen zu erweitern, reiste Alexander 1795 – streckenweise mit Haeften und Freiesleben – über Innsbruck nach Oberitalien und der Schweiz: Vor dieser Reise teilte er Karsten am 15. Juli 1795 seine literarischen Pläne mit und nannte dabei auch „ein bescheidenes opus über Lagerung“, an dessen Herausgabe ihn der Wunsch nach Gründlichkeit hindere. Das Werk solle heißen: „Erfahrungen und Resultate aus der Gebirgskunde, besonders über die Lagerung und das Fallen der Gebirgsarten im mittleren Europa“. Er denke lediglich neue Tatsachen bekanntzugeben. Die Tabelle über das Fallen und wie ältere Formationen dadurch von neuern zu unterscheiden“ seien, werde Karsten gefallen[6]. Die Schweizer Reise habe ihn, so schrieb er am 12. Februar 1796, in den Besitz wichtiger geographischer Beobachtungen gesetzt. Er werde im kommenden Sommer ein Werk über Schichtung und Lagerung der Gebirgsmassen im mittleren Europa vollenden. Karsten werde über den gleichmäßigen Bau des Erdkörpers vom Leuchtturm bei Genua an bis in die baltischen Küstenländer hinein erstaunen. Seine Ideen über das Fallen habe er „wundersam bestätigt gefunden“[7].

Die Natur schien ihm überall recht zu geben, und eine gut vorbereitete Forschungsreise sollte nun die Harmonie des Streichens und Fallens und die Identität der Schichten in fernen Ländern untersuchen[8]. Die Überprüfung der Gültigkeit dieser Gesetze setzte von vornherein die Einbeziehung immer größerer Gebiete voraus. Hatte Humboldt zunächst von einem Buch über Mitteleuropa gesprochen, so strebte er bald danach ein Werk über den Gebirgsbau Europas und schließlich ein Buch, das die Konstruktion des gesamten Erdkörpers behandeln sollte, an. Humboldt hat selbst gesagt, daß die Untersuchung der Erscheinungen des Streichens und Fallens und der Identität der Schichten einen Hauptgrund seiner großen amerikanischen Reise bezeichne[9]. Das ist später oft übersehen oder nicht im rechten Maßstab berücksichtigt worden.

Zeitlich muß an dieser Stelle das testamentartige Schreiben Humboldts, das im folgenden erstmals mitgeteilt wird, eingefügt werden. Es verrät die bevorzugte Stellung Freieslebens unter Humboldts Freunden[10].

Humboldt hatte sich während seines Aufenthaltes in Amerika zusammen mit seinem Gefährten Bonpland bemüht, alle Sammlungen doppelt oder dreifach anzulegen. Die gleiche Vorsorge spricht aus seinem Brief vom 21. Februar 1801 aus La Habana an Willdenow, der sein testamentähnliches Schreiben von 1799 ergänzt. Es heißt da:

|67| Sollte ich sterben, wird Delambre meine astronomischen, V. Scheerer die physikalischen und chemischen, Freiesleben oder Buch meine geognostischen Arbeiten herausgeben; Blumenbach die Untersuchungen, welche die Zoologie behandeln und Du, mein Lieber, – ich hoffe es wenigstens – meine botanischen Studien in meinem und Bonplands Namen. Mein Bruder wird jedem die Manuskripte schicken.[11]

Ebenso deutete er bei dieser Gelegenheit schon vorher an, in welcher Reihenfolge er die Ergebnisse seiner Reise veröffentlichen wollte. Er beabsichtigte zunächst die Publikation eines allgemein interessierenden Reiseberichtes; die Ergebnisse der wissenschaftlichen Beobachtungen sollten dagegen in gesonderten Bänden veröffentlicht werden, und bereits im ersten strebte er die Verwirklichung seiner Lieblingsidee an: ,,1. Die Konstruktion der Erde, Geognosie“[12].

Während des Aufenthaltes in Amerika (1799 bis 1804) schickte er 1801 eine wichtige Abhandlung an die Direktoren des Mineralogischen Kabinettes in Madrid und einen Auszug daraus an Jean-Claude Delamétherie, der dann auch in einer Übersetzung deutschen Lesern zugänglich wurde[13]. Dieser Aufsatz ist eine der wichtigsten wissenschaftlichen Veröffentlichungen Humboldts. Großzügig und doch möglichst genau entwarf er eine Skizze der geologischen Verhältnisse Südamerikas, verriet dabei den Sinn für das Ganze, erwähnte im modernen genetischen Sinne die Talgeschichte des Orinoco und erklärte selbst manches, das uns erlaubt, die Art seines wissenschaftlichen Vorhabens schärfer zu bestimmen.

Nach der Heimkehr aus Südamerika im August 1804 traten die Beziehungen zu Freiesleben bald ganz zurück, und Leopold von Buch nahm dessen Stellung unter Humboldts Freunden ein; Alexander hatte ja bereits 1801 in zweiter Linie an ihn gedacht, und 1811 planten beide gemeinsam, „eine Übersicht der geognostischen Konstitution der Erdoberfläche zu geben“, wie es Buch selbst ausdrückte, der meinte, Humboldt habe „auch hierin eine sehr reiche Erfahrung“[14]). Diese Zusammenarbeit wurde nicht verwirklicht. Humboldt waren Zweifel gekommen, und wir wissen ja längst, daß es kein gesetzmäßiges Streichen und Fallen gibt. Immerhin erhielt die alte Idee neues Leben, als der bedeutende W. L. von Eschwege 1821 aus Brasilien heimkehrte und Humboldts Ansichten ungewollt bestätigte[15]. Bereits 1822 bearbeitete Humboldt in Levraults Dictionnaire des sciences naturelles den Artikel Indépendance des formes, den er 1823 in der Form eines besonderen Werkes herausgab: Essai géognostique sur le gisement des roches dans les deux hémisphères. Im gleichen Jahr legte Carl Cäsar von Leonhard, von Eschweges Studienkollege, eine deutsche Bearbeitung vor[16]. Dieses Werk zählt zu Humboldts bedeutendsten Leistungen. Lyell, der damals den Sieg der aktualistischen Geologie einleitete, suchte Humboldt in Paris auf und beschrieb ihm die Kritik englischer Geologen an diesem Werk, das nach seiner Meinung genügt hätte, Alexander einen Rang in der Wissenschaft zu sichern, auch wenn er weiter nichts geschrieben haben würde[17]. Humboldt stellte damals u. a. fest: In keiner Erdhälfte herrsche eine strenge Gesetzmäßigkeit des Streichens, allein die Erscheinung des Loxodromismus sei doch auf große Entfernungen hin festzustellen. Er war vorsichtig geworden und unterstellte keine ausschließliche Richtung mehr, sondern sprach nur noch von der Häufigkeit des Südwest-Nordost-Streichens. Noch in seinem Werke über Zentralasien bezeichnete er diese und die umgekehrte Richtung als das „Mittel der häufigsten Streichungslinien“[18].

Das strenge Gesetz des Loxodromismus hatte er damit verlassen wie schon Jahre vorher den Neptunismus seines Lehrers Werner. Die vulkanistische Bekehrung Humboldts hat aber auch die Realisierung seines großen Planes verhindert. In Südamerika war er Vulkanist geworden, und die Erhebungstheorie Leopold von Buchs verstärkte und bestätigte bald seine Ansicht von der Mitwirkung vulkanischer Kräfte bei der Gebirgsbildung. Infolgedessen mußte auch das Streichen und Fallen in Gebirgen durch die nachträgliche Aufrichtung der Schichten bedingt sein und konnte keineswegs mehr als unabhängig von Richtung und Abfall der Berge bezeichnet werden. So unterschied Humboldt 1823 auch folgerichtig Streichen und Fallen in Ebenen und auf Bergen. Er hielt es für möglich, daß die Schichtenstellung in den Ebenen präexistiert habe, die Gebirge hätten sich erst später auf Spalten parallel dem Streichen erhoben. Darum entspräche in Gebirgen das Fallen der Schichten auch oft den beiden Abhängen, während es in der Ebene vorherrschend nordwestlich sei[19].

Alexander von Humboldt konnte seine ursprünglichen Gedanken nicht in einem großen Werk verwirklichen, und man hat – wie so oft in der Wissenschaftsgeschichte – den zugrundeliegenden Plan deshalb übersehen und nicht bemerkt, daß seine wissenschaftliche Entwicklung ohne die gebührende Bewertung dieser Ideen unverständlich bleibt.

Es ließ sich bisher nicht klar beantworten, wie weit Humboldts literarisch-wissenschaftlicher Plan |68| vor dem Jahr 1799 gediehen war. Der Verfasser untersuchte darum seit Jahren an verschiedensten Stellen große Teile des Humboldt-Nachlasses nach Dokumenten aus der Zeit um das Jahr 1799. Die Geschichte der Reisen lehrt nämlich, daß Forscher, die zu großen Unternehmen aufbrachen, testamentarisch ihren letzten Willen formulierten. Ebenso darf auch Humboldts amerikanische Reise nicht von der heutigen Zeit und den Möglichkeiten des modernen Weltverkehrs her verstanden werden. Humboldt und Bonpland waren in der Tat keineswegs sicher, ob sie wieder heimkehren würden, und befanden sich ja auch mehr als einmal in wirklicher Lebensgefahr. Bis heute läßt sich ihre Route durchaus nicht im üblichen Touristenverkehr verfolgen. Der Verfasser fand dann im Jahre 1953 Humboldts wissenschaftliches Testament in der Westdeutschen Bibliothek, Marburg, das 1799 in Spanien, „im Augenblick der Abreise nach Cumaná“, geschrieben wurde und Johann Karl Freiesleben zum Vollender seines liebsten wissenschaftlichen Werkes bestimmte, falls er selbst nicht heimkehren sollte. Das Dokument ist sehr aufschlußreich und gibt der Humboldt-Forschung zahlreiche wichtige Hinweise. Der nachfolgende Abdruck gibt Humboldts Randbemerkungen, die zum Teil aus späterer Zeit stammen, als Anmerkungen wieder. Die Handschrift war nicht leicht lesbar, konnte aber nach oft wiederholten Versuchen und Schriftvergleichen entziffert werden[20].

 

[1r]

Parallismus der Schichten[21]

an Freiesleben

geschrieben im Augenblik der Abreise nach Cumaná, Träume, die unter sicher falschen gute Keime enthielten. Ht.

Sollte das Glük mir versagt sein, nach meiner Rükkunft aus Amerika selbst mein großes Werk über die Konstruktion des Erdkörpers u[nd] Schicht[ung] u[nd] Lagerung der Gebirgsmassen auszuarbeiten[22], so bitte ich Dich lieber Freiesleben die 2 Punkte Idendität[23] u[nd] Parallelismus der Schichten in ein helles Licht zu sezen. Besonders das lezte, denn die Identität ist ja unser gemeinschaftliches Werk. Was ist wunderbarer als dieser Parallellismus, diese geheimnißvolle Gleichmäßigkeit der Anziehungskräfte in den entferntesten Regionen. Sieht man nur einen kleinen Erdstrich (u[nd] vollends studirt man, wie gewöhnlich, eine der erzführenden Lagerstätten nahe, wo die Gänge das Fallen verändern) so scheint alles Unordnung, mehr Ausnahme als Regel[24]. Durchreist man, wie mir oft geglükt, in wenigen Wochen 100 Meilen lange Erdstriche, so wird das Gesez deutlich. Zwei Hauptstreifen uranfänglicher Gebirgsmassen fallen mir in den hohen Europäisch[en] Alpenketten besonders auf, 1) eines St[unde] 3 – 4 u[nd] am häufigsten 3, 4 gegen Nord West fallend, dies scheint die allgemeinste Beziehung der Gebirgsmassen in Europa zu sein. Siehe m[ei]n[e] Beobacht[ungen] u[nd] Nachrichten vom Fichtelgebirge, Bochetta bei Genua, die Schneekoppe, die Schweiz, Gallicien, Böhmen. Ist das Fallen auch bisweilen verändert gegen Süd wie in Tirol und Westerwald, so bleibt doch Streichen, dieselbe Anziehung[,] welche die Richtung der Theile bestimmte, bleibt. 2. Hat eine Gebirgsart in 40 – 60 ¨ M [= Quadratmeilen] ein bestimmtes Streichen u[nd] verläßt sie bisweilen diese Bestimmtheit, so finde ich meist wieder ein Gesez in der Ausnahme. Man findet nicht alte und große Thonschiefergebirge, die bald St[unde] 1 – 3 – 6 – 11 streichen, nein die Ausnahme (das inverse Streichen) hält eine Regel u[nd] meist ist die St[unde] 8 – 9. In dieser Materie ist zu bemerken, daß immer von einem Blik aufs Ganze die Rede ist, von dem veränderten Streichen großer Gebirgsmassen.

[1v] Man will den Kontur, die Physiognomie zweier Gebirgsketten zeichnen und man folgt nicht ängstlich jeder Spalte, jeder Krümmung, es fragt sich ob beide im Ganzen Gleichheit der Umrisse haben.

Abb. 1: ...daß das Fallen der Schichten sich nach der Form der Berge richte also:...

HiN XIV, 27 (2013) Zoomansicht

Man reiset (z. B. über dem Fichtel- und Thüringer Waldgebirge) über ein 20 M[eilen] langes Thonschiefergeb[irge] u[nd] erkennt daß alle Schichten fast unter gleichem Winkel 70 – 80° nach einer Weltgegend hinfallen. Was ist das Fallen. Gestürzte Schichten[25] (wie die Hänicher Geschiebe, Fische … beweisen giebt es im kleinen). Gestürzte Schichten sind jene Thonsch[iefer] Lager nicht. Man richte sie auf, u[nd] man erhält Berge die 20mal höher als der Chimboraco sind. Wären jene alten Gebirge die noch nicht abgetrokneten Ufer des alten Meeres, welch ein wunderbares Herabrutschen, bei dem alle Schichten einerlei Fallen behalten – , die oberen sich nicht verflächen. Wer kann so einem Gedanken nachhängen. Nein, das Streichen und Fallen hängt mit etwas Unbekanntem[,] Wunderbarem der Anziehungskräfte, mit etwas zusammen, was in den entferntesten Himmelsstrichen gleichmäßig wirkte. Wenn sich abgesonderte Stükke (schal[iger] Schwerspat bildet), so nehmen die einzelnen Theile eine gewisse Richtung an. Eine Polarität bestimmt ihre Lage. Eben so im Großen. In Basalthügeln convergiren nicht nur oft alle Säulen, nein in einem u[nd] demselben Hügel giebt es 6 – 8 gleichzeitig wirkende Punkte um die sich die Säulen versammeln (S[iehe] mein leztes MSS. [= Manuskript] über das Innere des Unkeler Steinbruchs in seiner Zerstöhrung[26]. Wahrscheinlich schränkt ein Punkt [2r] den |69| anderen ein, so wie ein Magnet[ischer] Pol den andren stöhrt. Eben so haben bei Bildung des Erdkörpers und dem Anschießen der Gebirgsmassen allgemei[ne] Kräfte gewirkt, welche den Parallellismus der Schichten bewirken. Ob dieser Parallellismus der Schichten schon allgemein, ob er der ist, den ich ihn angebe, weiß ich nicht. Aber meine u[nd] fremde Beobachtungen zeigen daß in großen Gebirgsmassen unwidersprechlich Harmonie vorhanden ist. Jene allgemeinen Kräfte (ob electrische Polarität, da bei Erhärtung der Gebirgsmassen Electric[ität] frei wird und dazu S[iehe] mein Mem[oir] in Moll Erhizung durch Entweichung des Wärmestoffs[27], da war, weiß ich nicht) jene allgem[einen] Kräfte wurden durch kleine locale Kräfte örtlich gestöhrt, darum inverses Streichen, Abweichung von der Regel u[nd] (was sonderbar ist) diese Abweichung wiederum nicht in jedem Gebirge anders, sondern wie es scheint, selbst sehr regelmäßig. Troz dieser Stöhrungen ist die Wirkung der allgemein das Streichen bestimmenden Kräfte, so unauslöschlich geblieben, daß man sie erkennt. Klügel behauptet[28], daß die wahre Abplattung westl[ich] vom Nordpol liegt. Ist St[unde] 4 die Richtung eines alten Parallelkreises. Viele Geognosten glauben[29] noch, daß das Fallen der Schichten sich nach der Form der Berge richte also: [Abb. 1]

Abb. 2: ...daß das Fallen ganz unabhängig von dem Abfall der Gebirgsrükken ist. Es giebt also gestellte Berge...

HiN XIV, 27 (2013) Zoomansicht

aber meine MSS. beweisen daß das Fallen ganz unabhängig von dem Abfall der Gebirgsrükken ist. Es giebt also gestellte Berge [Abb. 2]

Das Fallen ist etwas weit älteres, weit größeres, weit allgemeineres, als die kleinlichen Ursachen, welche die Form der Berge bestimmt haben. Ein Profil durch Bochetta u[nd] Gotthard ist sehr merkwürdig. Bei Genua am Leuchtthurm die Bochetta herauf Kalkstein gegen Mer[idies] einschießend. Dann unter dem Kalkst[ein] bei Campo Marone hervorkommend, Thonschiefer gegen Nord. Darin Serpentin Nord. wieder Thonschie- [2v] fer am nördl[ichen][30] Abhange der Bochetta. Nord. darauf weiter unten Kalk Süd. Dann darauf bei Gave Sandstein Süd[,] dann die Sandebene, der verwitterte Sandstein worin Mailand liegt, das alte Lombardische Binnenwasser von Schweizer und Savoyer Alpen u[nd] Bochetta begrenzt, gegen Venedig hin abgeflossen. Bei Como Kalkstein Süd. Isola bella im Lago maggior Thonschiefer Nord. Dann Gneis[,] uranfänglicher Gyps u[nd] Gneis, Granit Nord am Gotthard.

a, e, u[nd] h Kalkstein[31]. b u[nd] d Thonschiefer. c Serpentin. f Sandsteing. g Sand. k Thonschiefer. l Gyps uranfänglicher. m Gneis. Zeigt dies Profil [Abb. 3] allein nicht schon die wundersame Wirkung der Anziehungskräfte. Hat das Hauptstreichen St[unde] 4 übrigens nicht eine Beziehung auf die Richtung der großen Europäischen Gebirgskette, der Schweiz[,] Tyrol, welche auch dem ganzen Welttheil (Europa) diese von Südwest gegen Nordost zulaufende Form gegeben hat, d.i. hat einerlei Ursach das Streichen u[nd] die Bildung des Hochgebirges veranlaßt! Die ältesten Gebirgsarten scheinen ein regelmäßigeres Streichen als die neueren zu beobachten. Granit selten geschichtet. Ich habe ihn St[unde] 3, 4 gefunden im Fichtelgebirge, bei Bonn am Drachenfels, [Horrisck ?] in Schlesien, in Pyrenäen. Beim Gneiß ist Streichen und Fallen nicht so regelmäßig als bei Thonschiefer, hinderten die gemengten Massen die kleinen Anziehungen des Feldspats und Glimmers? Thonschiefer am wunderbarsten, auch immer seigerer im ganzen als Gneiß. Nur größte Masse alten Thonsch[iefers] so flach (20 – 15°) in weiter[er] Erstrekkung als Gneiß. Beim Thonschiefer schon Balthasar Rössler das Wunderbare bemerkt[32], sagt im Bergbauspiegel ganz kurz  „Thonsch [iefer] fällt gegen Abend“, da er von keiner Gebirgsart sonst Fallen angiebt. Übergangs u[nd] Flözthonsch[iefer] schon weit unregelmäßiger als uranfängl[icher]. [Auch] Alpenkalkstein scheint (s. Profil u[nd] Buch in Salzburg)[33] noch allge- |70| m[eine] Attraction geerbt zu haben. In Provence, Spanien sind St[unde] 4 u[nd] 8 sehr gewöhnlich, aber bei den neueren Flözgeb[irgen] hört die Wirkung auf. Die Flözgebirge scheinen mehr gegen Mer[idies] zu fallen, doch nicht sehr allgemein.

Abb. 3

HiN XIV, 27 (2013) Zoomansicht

[3r]

II B an Freiesleben

Plan des Werks, wie ich es auszuarbeiten gedachte. Nach m[ei]n[em] Tode können natürlich nur die Materialien dem Publikum mitgetheilt werden. Das Werk sollte bloß eine Uebersicht im Großen, etwa wie Schlözers Weltgeschichte sein[34] – also nur ein kleiner Octavband – eine Orientirung, die über die vorhandenen und künftigen geognost[ischen] Schriften, (in denen der Erdkörper so kurios u[nd] bunt geschildert wird), Licht verbreiten soll. Nach der allgem[einen] Uebersicht sollten dann in kleineren Abschnitten einzelne Gemälde kleiner Gebirgsmassen folgen.

In der Geognosie, wie sie jezt geschrieben wird, sind 2 Dinge mit einander verwechselt, der statist[isch] geograph[ische] u[nd] der histor[ische] Theil, wie der Erdkörper gestaltet ist und wie er so geworden[35]. Darum ist Geognosie eine Streitwissenschaft. Der geograph[ische] Theil kann abgesondert behandelt werden[,] ist wegen Bergbau ohnedies der nüzlichste, u[nd] ob Porphyrschiefer einen Farrenkraut-Abdruk enthält, ob Kalkstein in Basalt vorkommt, darüber kann nie Streit sein – da zum histor[ischen] Theil keine andere Monumente als die jezige Beschaffenheit der Erde da sind, so kann also der histor[ische] Theil, die Erdgeschichte, erst dann geognost[isch] behandelt werden, wenn die Erdbeschreibung vorhanden ist.[36]

Vermuthungen über das Innere des Erdkörpers – Maskelyne[37] Metall Dichte. Ob unter der Europäischen Erdrinde (wie Magneterschein[ungen] vermuthen lassen) etwas anderes als unter Asien vorhanden. Die nakte unbedeckte des Erdkörpers ist überall Granit, Gneiß u[nd] Glimmerschiefer. Richtung des Europäischen Hochgebirges St[unde] 4 Mittlere Höhe. Einzelne Höhen wie des Montblanc am westl[ichen] Ende steht, zufällig. Zusammenhang mit Pyrenäen und Hämus. Eine hohe Granitkette ging noch durchs Mittelmeer, Corsika, Majorka, Sardinien. Eingewachs[ene] Stükke im Granit ob älter, vermuthen lässt was darunter. Grobkörniger Granit[38] mit großen Feldspatxlen [Feldspatkristallen] von [nur ?] einerlei Formation, Gallicien, Pyrenäen, Fichtelberg, Böhmen, Schlesien. Feinkörniger scheint älter. Geschichteter Granit Ochsenkopf, Drachenfels … Kugeln, System, Gallicien, Granit, der Spekstein, Kobelt, Zinn, und Eisenglimmer als wesentl[iche] Gemengetheile hat, Formationen. Titanium. Zinngeschiebe an Ufer des alten Meeres geschwemmt, fehlt in Schweiz u[nd] Tyrol. Physiognomik, Hemisphären, Kugeloberfläche, große Plateaux Enthält Gold fein eingemengt,  alles [steht ?] in Spanien / Fernandez, daher Goldwäschen. Bleyglanz, ein Stük einzeln in Gotharder Granit, Freiesleben – In Hochgebirgen wechselt Granit[39] mit Glimmerschiefer und Gneiß ab. Diese machen nur vom Hochgebirge entfernt einzelne Gebirge aus. Syenit bisweilen in Granit, so alt als der Granit. Hölen (Bergkristall) ungeheure Gangklüfte, wo viele Gänge sich zusammenscharen im [3v] Granit, wegen des Sizes der Vulkane wichtig. [ … ]

[4r] So aus dem Kopfe zu Giteris vor Corunna [= La Coruña] aus meinen MSS. Formationen sehr zu vervollständigen und zu charakterisiren. Hier nur Manier der Uebersicht. Das Kunststük ist in wenigen Worten jede Formation zu charakterisiren.

Merkwürdige Erscheinungen des Fallens. Anziehungskräfte.

Einzelne geognost[ische] Gemälde.

 

* * *

Zitierweise

Beck, Hanno (2013): Das literarische Testament Alexander von Humboldts 1799. In: HiN - Humboldt im Netz. Internationale Zeitschrift für Humboldt-Studien (Potsdam - Berlin) XIV, 27, S. 48-67. Online verfügbar unter <http://www.uni-potsdam.de/u/romanistik/humboldt/hin/hin27/beck.htm>

Permanent URL unter <http://opus.kobv.de/ubp/abfrage_collections.php?coll_id=594&la=de>


 

[1] Julius Schuster, Alexander von Humboldts wissenschaftliche Anfänge. Archiv für die Geschichte der Mathematik, der Naturwissenschaften und der Technik Bd. 10, Leipzig 1928, S. 303-327, hier S. 313.

[2] Der Verfasser fand auf einem kleinen, gefalteten Blatt, welches das nachfolgend mitgeteilte literarische Testament umhüllte, diese eigenhändigen Angaben A. v. Humboldts: „Ich habe zuerst in Deutschland den Jurakalkstein als eine eigene, von allen Formationen, die Werner aufführte, verschiedene erkannt. 1792 bei einer Reise von Ansbach nach Pappenheim, und 1795 in einer Reise nach der Schweiz und Oberitalien. Ich habe auch der Formation den Namen gegeben, aber ihre Stellung verkannt. S. Karstens geognostische Tabellen [1800]. A. v. Humboldt. December 1854.“ Vgl. auch Kosmos IV, S. 632.

[3] F. A. von Humboldt, Skizze einer geologischen Schilderung des südlichen Amerika. Allgemeine geographische Ephemeriden, 9. Bd., S. 310-329 u. 390-420 (S. 398).

[4] Allg. geogr. Ephemeriden, 3. Bd., S. 490 f.

[5]  H. Beck, Ergebnisse der W. L. von Eschwege-Forschung. Zeitschrift für Hessische Geschichte und Landeskunde 67,1956, S. 164-173; vgl. besonders das Kapitel: „Das Wesen der wissenschaftlichen Beziehungen v. Eschweges zu A. v. Humboldt und Goethe.“ – Eine neue Würdigung des Verhältnisses A. v. Humboldts zu Goethe wird die Humboldt-Biographie des Verfassers enthalten, die zum Gedenkjahr 1959 erscheinen wird.

[6] Schuster, a.a.O. (s. Anm. 1), S. 321.

[7] Schuster, S. 327.

[8] Unter dem „Gesetz der Identität“ verstand Humboldt folgendes: Die Aufeinanderfolge der Flözschichten, die man für eine Eigentümlichkeit einiger besonders gründlich untersuchter Regionen, z. B. Thüringens und Derbyshires, hielt, sei in Wirklichkeit überall in derselben Weise erfolgt, es gäbe daher eine Identität der Schichten, aus der man schließen müsse, „daß dieselben Ablagerungen auf der ganzen Oberfläche der Erde zu gleicher Zeit erfolgt sind“. – Im folgenden wird dieses Gesetz vom Verfasser nicht mehr erwähnt. In seinem literarischen Testament betont Humboldt die Mitwirkung Freieslebens und v. Buchs in diesem Bereich, 1801 bekennt er, das Verdienst gehöre hier vor allem Freiesleben, Buch und Gruner; vgl. F. A. v. Humboldt, a. a. O. (s. Anm. 3), S. 313.

[9] F. A. v. Humboldt, , a. a. O. (s. Anm. 3), S. 399.

[10] Bezeichnend ist auch folgender Vorgang, den die Forschung bisher nicht gebührend wahrgenommen hat: Im Sommer 1797 hatte Humboldt die Materialsammlung zu seinem Werk „Ueber die unterirdischen Gasarten...“ (Braunschweig 1799; mit Vorrede herausgegeben von Wilhelm von Humboldt) Freiesleben in Marienberg anvertraut, der dann aus einem Paket von Zetteln und Notizen „ein Gerüst zusammengestellt hatte“; vgl. Bergrat Freiesleben, Aus dem frühern Leben Alexanders von Humboldt. Vorgelesen im geselligen Verein zu Freiberg am 27. Dezember 1826. In: Zeitgenossen. Ein biographisches Magazin für die Geschichte unserer Zeit, 3. Reihe, 2. Bd., Leizpig 1830, H. IX, S.65-75. Vgl. auch Anm. 33.

[11] E. T. Hamy, Lettres américaines d’Alexandre de Humboldt 1798-1807. Paris (1904), S.109; die Stelle wird in der Übersetzung des Verfassers wiedergegeben. – Die geognostischen Manuskripte Humboldts befanden sich in Deutschland und in Frankreich (s. F. A. v. Humboldt, , a. a. O. (s. Anm. 3), S. 310); der Hinweis auf den Bruder Wilhelm von Humboldt ist sehr wichtig, weil dieser wahrscheinlich schon 1791 ein Manuskript Alexanders über Schichtung und Lagerung erhalten hatte.

[12] Hamy, a.a.O., S. 108.

[13] Siehe Anm. 3.

[14] Brief L. v. Buchs an Gilbert (in: Gilberts Annalen, 37. Bd., S.115).

[15] Beck, a.a.O., S. 108.

[16] Das französische Original erschien 1823 in Paris; die deutsche Bearbeitung von Leonhards 1823 in Straßburg, eine englische Übersetzung 1823 in London.

[17] Der Verfasser hat in den letzten Monaten erneut die Beziehungen Humboldts zu Sir Charles Lyell untersucht. Es hat sich dabei neben anderem ergeben, daß Humboldts Verkehr mit Lyell vor allem in den 50er Jahren des 19. Jh. durch den bekannten deutschen Historiker Georg Heinrich Pertz erleichtert wurde, der 1853 in zweiter Ehe Leonore Horner, die Schwester von Lyells Frau, geheiratet hatte. – Wichtige Einzelheiten konnte der Verfasser Briefen Humboldts an Pertz entnehmen, die in einer deutschen Zeitung publiziert worden waren; leider war es ihm nicht möglich, die bibliographischen Angaben festzustellen, da – auch heute noch – oft in solchen Sammlungen Zeitungsausschnitte ohne nähere Angaben aufbewahrt werden.

[18] A. v. Humboldt, Centralasien, 2 Bde., Berlin 1843/44, I, S. 60.

[19] Hier kann die Bedeutung dieses wichtigen Werkes nur angedeutet werden.

[20] Das Manuskript ist teilweise vergilbt. Der folgende Abdruck folgt stets dem Wortlaut des Originals, alle Eingriffe sind in der üblichen Weise gekennzeichnet worden. Die wenigen Zweifelsfälle hofft der Verfasser in Zusammenarbeit mit seinem Kollegen Dr. Adalbert Plott [1898-1967], Leipzig, klären zu können.

[21] Humboldt bemerkt am Rand: „Corrigire in Anmerk[ungen] das Streichen nach declination der Magnetnadel, welche aber von Salzburg bis Spanien nicht 4 – 5° Unterschied beträgt.“

[22] In der in Anm. 3 zitierten Schrift, S. 310, spricht Humboldt auch im Anschluß an den französ. Geographen Ph. Buache von der „Zeichnung eines Risses vom Gezimmer der Erde“.

[23] S. Anm. 8.

[24] Humboldt bemerkt am Rand: „Bei der Identität der Schichten muß ausdrüklich gesagt werden, daß viele dieser Ideen meinen Freunden Freiesleben und Buch gemeinschaftlich gehören, daß wir uns die Ideen so nach und nach communicirt, daß schwer abzusondern ist was einem jeden gehört. Das meiste Licht hat mir die Entdekkung* gegeben daß der hohe Alpenkalkstein Zechstein mit mehrfach wiederholten Mergelschieferschichten ist und diese Entdekung machte ich bei meiner ersten Reise in Oberbaiern, ich glaube Herbst 1792.“ – Hierzu eine weitere Randbemerkung Humboldts, die sich auf seine vermeintliche Entdeckung bezieht: „*Wie wir jezt wissen grundfalsch! 1839.“

[25] Humboldt bemerkt am Rand: „Meine Absicht war dem Werke eine Streichtabelle anzuhängen als: Uebergangsthonschiefer am nördl[ichen] Abhange des Fichtelgebirges bei Steeben, Lichtenberg …   St[unde] 3,4 gem. S. Oc. Granit am Ochsenkopf …St[unde] 3,2. Glimmerschiefer um Inspruk  …… So übersehe man auf einmal die Harmonie, das Gesez, man durchlaufe alle Länder in denen ich beobachtet; doch in der Tabelle nur im Ganzen, nicht jedes einzelne Streichen eines Orts. Dieses in das Innere des Werks.“

[26] Humboldt hat den Unkler Basalt besonders in seinem ersten Buch behandelt: Mineralogische Beobachtungen über einige Basalte am Rhein. Braunschweig 1790.

[27] A. v. Humboldt, Die Entbindung des Wärmestoffs als geognostisches Phänomen betrachtet. Jahrbücher d. Berg- und Hüttenkunde, hrsg. v. Moll, Bd. III (1799), S. 1-14.

[28] Georg Simon Klügel (1739-1812), Mathematiker und Physiker, wurde in Hamburg – wie später A. v. Humboldt – von Johann Georg Büsch angeregt und studierte in Göttingen; 1767 o. Prof. der Mathematik in Helmstedt, 1788 in Halle. Er galt als einer der großen deutschen Mathematiker und „Geometer“ seiner Zeit und wurde auch von den berühmten Franzosen Lalande, Laplace und Lagrange geschätzt; vgl. ADB 16, S. 253.

[29] Humboldt bemerkt am Rand: „Tiefe Schichten meist regelmäßiger[es] Fallen als obere. Berührung der Atmosphäre od[er] des darüber stehende[n] chaot[ischen] Meer[es] stöhrte also Anziehungskräfte.“

[30] Humboldt bemerkt am Rand: „Meine Absicht konnte nicht sein, eine mineral[ogische] Geographie v[on] ganz Europa zu geben (das kann ein Mensch nicht) aber ich will über ganz Europa orientiren zeigen wie die Hauptf[ormationen] verbreitet sind – wenn Ketten ähnlich, wo an Küsten nur einzelne Punkte entdeckt sind aus diesem errathet man leicht Form des Ganzen.“

[31] Humboldt bemerkt am Rand: „Der Moskauer Kalkstein u[nd] der von Egypten, Alger, Marseille u[nd] Cadix ist dieselbe Schicht. Wer könnte sonst Sinn in der Frage finden, ob Cadixer Gyps über dem Tarnowitzer Kalkstein liegt!“

[32] Balthasar Rößler (geb. 1605 zu Heinrichsgrün bei Elnbogen in Böhmen, gest. 1673 zu Altenberg im Erzgebirge), Markscheider zu Annaberg in Sachsen und in Marienberg, 1630 in Gräßlitz, wo er Schichtmeister wurde. 1649 Markscheider und Gegenschreiber in Freiberg, 1663 bis zu seinem Tode in Altenberg. 1650 beendete er die Arbeit an seinem „Hellpolierten Bergbauspiegel“, außerdem erfand er 1663 den Hängekompass. (Der Verfasser verdankt diese Angaben Herrn Dr.-Ing. Heinrich Winkelmann [1898-1967], dem Direktor des Bergbaumuseums in Bochum). Rößler ist nicht in der ADB behandelt worden.

[33] Ende 1797 traf A. v. Humboldt mit L. v. Buch in Wien zusammen. Freiesleben schickte damals das von ihm inzwischen revidierte Werk „Ueber die unterirdischen Gasarten …“ Humboldt auf dessen Wunsch nach; Alexander antwortete ihm u.a.: „Mein Werk konnte ich kaum darin wiedererkennen. Du hast Dir mehr Mühe damit gegeben als die Sache verdiente, nicht blos Materialien geordnet, sondern viele neue dazu geschafft. Es wird mir ein Leichtes sein, ein Buch daraus zu machen, und ich möchte es Dir zueignen, wenn nicht zu viele Menschen um die Sache wüßten, und Dir nicht etwas Besseres, meine ‚Geognosie’, bestimmt wäre.“ – Freiesleben hatte sich also auch als literarischer Helfer bewährt. – Humboldt und Buch brachten den Winter 1797/98 in Salzburg zu, wo u.a. ergebnisreiche astronomische Bestimmungen durchgeführt wurden. Vgl. Bruhns, A. v. Humboldt, 1872, I, S. 244.

[34] Immer wieder betont Humboldt, daß „von einem Blick aufs Ganze die Rede ist“, und verrät damit eine Einstellung, die bis an sein Lebensende für ihn charakteristisch bleiben sollte.

[35] Hier nimmt Humboldt Gedanken vorweg, die über 100 Jahre später der Geograph Alfred Hettner [1859-1941], ohne von Humboldts Thesen wissen zu können, erneut betonte.

[36] Humboldt bemerkt hierzu am Rand: „Dieselben Schichten, welche man in einem durch Bergbau aufgeschlossenen Flözgebirge erkennt, findet man unwidersprechlich über einen großen Theil des festen Erdkörpers verbreitet. Diese Verbreitung zu folgern und dem künftigen Beobachter auf die Spur zu helfen, war der Zwek dieser Schrift.“

Hier kündigt sich bereits das zukünftige geographische Arbeitsprogramm Humboldts an.

[37] Nevil Maskelyne (1732-1811), englischer Astronom, beobachtete 1761 den Venusdurchgang auf St. Helena, 1769 in Greenwich. 1772 schlug er der Royal Society vor, durch die auf zwei Pendel wirkende Massenanziehung eines Berges die Dichte der Erde zu bestimmen.

[38] Humboldt bemerkt am Rand: „Escorial.“

[39] Humboldt bemerkt am Rand: „Graphit Molybdän.“

  

 

Navigationselement: zurück

______________________________________________________

www.hin-online.de | kraft@uni-potsdam.de
Letzte Aktualisierung: 20 Dezember 2013 | Kraft
Best viewed with Mozilla Firefox.

Navigationselement: weiter