Gespiegelte Fassung der elektronischen Zeitschrift auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam, Stand: 13. Januar 2014
Originalfassung zugänglich unter http://www.hin-online.de

HiN - Internationale Zeitschrift für Humboldt-Studien (ISSN: 1617-5239)

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Markus Schnoepf

Evaluationskriterien für digitale Editionen und die reale Welt
 

 

Zusammenfassung

Evaluationskriterien für digitale Editionen und die reale Welt

HiN XIV, 27 (2013) Zoomansicht

In den letzten Jahren sind immer mehr Editionen im Internet erschienen. Sie zeigen eine ähnlich große Vielfalt wie gedruckte Editionen. Somit ist es an der Zeit, den Begriff der digitalen Edition zu schärfen. Wie können digitale Editionen eingeordnet und evaluiert werden? Wie können neben editionswissenschaftlichen Kriterien weitere Bewertungssysteme dazu beitragen, qualitative Unterschiede zwischen den vorhandenen Editionen herauszuarbeiten? Das Institut für Dokumentologie und Editorik hat dazu einen Kriterienkatalog erstellt, der in diesem Beitrag einerseits vorgestellt werden soll, andererseits an bestehende Projekte angewendet werden soll. Ziel dieser Übung ist, den Blick auf digital vorliegende Quellen zu schärfen.

Abstract

Since recent years more and more editions are published on the internet. They show a similarly wide variety such as printed editions. Thus, it is time to sharpen the concept of a digital edition. How can digital editions be classified and evaluated? How can criteria besides of traditional textual scholarship help to bring out qualitative differences between the available editions? The Institute for Documentology and Scholarly Editing has developed a list of criteria that will be presented in this paper on the one hand, on the other hand this list will be applied to existing projects. The aim of this exercise is to sharpen the focus on digitally available sources.

Resumen

En los últimos años, más y más ediciones se publican en el Internet. Muestran una igualmente amplia variedad como ediciones impresas. Por lo tanto, es el momento para afilar el concepto de la edición digital. ¿Cómo se puede clasificar y evalúar las ediciones digitales? ¿Cómo pueden sistemas de clasificación - además de las criterias de la Editionswissenschaft - ayudar a iluminar las diferencias cualitativas entre las ediciones disponibles? El Instituto para Editorica y Documentología ha creado una lista de criterios que se presentan en este trabajo, por un lado, por otro lado se va a aplicar esta lista a proyectos existentes. El objetivo de este ejercicio es creer más hincapié en las fuentes digitales disponibles.

* * *

Seit 1995, als ich das erste Mal mit digitalen Editionen frühneuzeitlicher Schriften zur Geschichte der Mechanik am damals neu gegründeten Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte[1] in Berührung kam – es waren Filemaker-Datenbanken, in denen die einzelnen Sätze in jeweiligen Zeilen gespeichert waren – hat sich das Bild der digitalen Bibliotheken reichlich gewandelt. Von frühen Leuchtturmprojekten wie das den genannten Filemaker-Datenbanken um die Jahrtausendwende folgende Archimedes-Projekt[2] und vielen weiteren Digitalisierungsprojekten ausgehend stellt sich heute das Feld der digitalen Editionen sehr vielfältig dar.[3] Es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht eine weitere digitale Edition online geschaltet wird.[4]

Doch was ist überhaupt eine digitale Edition? Ist jeder elektronisch verfügbare Text auch gleich eine digitale Edition?

So stellt sich auch die Frage, ob die im Rahmen von google-books publizierten Retrodigitalisate digitale Editionen sind.[5] Die Antwort ist: Nein. Bei google-books und auch weiteren Retrodigitalisierungsprojekten (wie beispielsweise das von mir vor ein paar Jahren durchgeführte Forschungsprojekt Proyecto Humboldt[6]) ist das Hauptziel, das analoge Medium 1:1 in die digitale Welt zu überführen. Es geht also vornehmlich um eine Dokumentation der analog vorliegenden Werke. Der Mehrwert dieser Vorgehensweise ist die weltweite Verfügbarmachung von Werken, die sonst zum Teil nur in einigen wenigen Bibliotheken vorhanden sind. Bei google-books kommt zu diesem Ziel noch die (schmutzige) Volltexterfassung hinzu, die gegenüber dem analogen Buch eine – wenn auch nicht verlässliche - Volltextsuche aufweist. Aber der wirkliche Mehrwert, den eine digitale Edition bieten kann, wird hier nicht erreicht. Eine digitale Edition soll sich per definitionem nicht in eine gedruckte Edition umwandeln lassen. Der Verlust von essentiellen Funktionen, mit denen eine digitale Edition ausgestattet ist, wiegt bei diesem Konvertierungsschritt zu schwer. So kann eine digitale Edition im Netz Ressourcen anderer Quellen nutzen, wie wikipedia, google-books, OPACs, Personeninformationen aus der Deutschen Nationalbibliothek etc. Da wir in diesem Bereich eben noch am Anfang stehen, sind hier noch viele Möglichkeiten gegeben, gerade im Bereich der Datenintegration und auch Visualisierung. Ebenso folgt eine digitale Edition nicht dem linearen Konzept des Buches, sondern lässt ganz andere Zugänge als diese zu.

Wenn wir nun konstatieren können, dass wir neben den digitalen Bibliotheken eine erfreuliche Vielzahl digitaler Editionen vorfinden, so können wir bislang keine Aussage über den wissenschaftlichen Wert dieser Editionen treffen. Während im Bereich der Bilddigitalisierung inzwischen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft Mindeststandards definiert worden sind, können wir für digitale Editionen keinen solchen definieren.[7] Da Editionen in vielen wissenschaftlichen Teilbereichen erstellt werden (Geschichts-, Literatur-, Editionswissenschaften, um nur eine kleine Auswahl zu nennen), steht zu befürchten, dass die jeweilige Fachdisziplin eigene Regeln für die Produktion von Editionen erstellt.[8] Zudem werden in lang laufenden Editionsprojekten die Editionsrichtlinien zu Beginn des jeweiligen Vorhabens erstellt. Sie steuerten in der Vergangenheit vor allem das Aussehen des gedruckten Bandes und visualisierten Phänomene der zu edierenden Handschriften.[9] Eine elektronisch vorliegende Edition trennt die Semantik vom Design. Regeln werden also nur für die Transkription der Edition und der Verzeichnung der Phänomen, die sich über einen möglichen Urtext gelegt haben, formuliert. Mit der Text Encoding Initiative(TEI)[10] und deren XML-Vokabular erhält der Editor im besten Falle ein Werkzeug geliefert, welches in einem allgemeinen Sinne als Editionsrichtlinie stehen kann. Neben der Dokumentation der Auszeichnung der vorliegenden Phänome und der Eingriffe der Editoren können Editionsrichtlinien für digitale Editionen auch die visuellen Umsetzungen enthalten.

Die Frage bleibt dennoch bestehen, wie wir die Qualität von digitalen Editionen überprüfen können.

Screenshor der Webseite des Instituts für Dokumentologie und Editorik, Cologne Center for eHumanities, Universität zu Köln.

HiN XIV, 27 (2013) Zoomansicht

Das Institut für Dokumentologie und Editorik[11] hat im Herbst 2012 Evaluationskriterien für digitale Editionen in einer ersten Fassung online gestellt, die einen Faden für die Besprechung und Bewertung digitaler Editionen darstellen sollen.[12] Sie gelten als Basis und Gerüst für eine Reihe von Rezensionen digitaler Editionen, die demnächst erscheinen werden. Im Folgenden möchte ich diese Kriterien anhand konkreter Beispiele erörtern.

Grob unterteilen lassen sich die Kriterien in folgende Blöcke:

Vorwort (Präliminarien)

Gegenstand und Inhalte der Edition

Ziele und Methoden

Umsetzung und Präsentation

Fazit

Mit der Wahl eines Schemas, welches in allen Rezensionen gleichermaßen angewendet wird, lassen sich einerseits die Rezensionen miteinander vergleichen, andererseits wird aber auch der Rezensionsgegenstand in Relation zu anderen ebenfalls rezensierten Editionen gesetzt. Die Editionen werden somit auch vergleichbar.

Lassen Sie uns die einzelnen groben Kategorien näher ansehen:

Im Vorwort wird vermerkt, wer eigentlich die Rezension verantwortet. Einerseits sind Kenntnisse digitaler Editionen notwendig, um die technischen Aspekte der zu besprechenden digitalen Edition einschätzen zu können, andererseits sind für die fachspezifischen Einschätzungen des Inhalts auch die nötigen wissenschaftlichen Hintergründe des Rezensenten zu beachten. Gegebenenfalls werden Rezensionen von mehreren Autoren verfasst, die in ihrer Kombination beide Seiten bedienen.

Der nächste Punkt betrifft die wissenschaftliche Verlässlichkeit der digitalen Edition. Kann die Edition bibliografisch zitiert werden? Gibt es Herausgeber und einen Titel?

In einer allgemeinen Einleitung soll der fachliche Rahmen der digitalen Edition erörtert werden. Nimmt die Edition Bezug auf gegebenenfalls andere Editionen desselben Gegenstands? Welche neuen Erkenntnisgewinne will die Edition erreichen? Steht sie in einem Zusammenhang zu gedruckten Editionen?

Selbstverständlich sind die auf der Website genannten Urheber der Editionen, also die Editoren, die beteiligten Institutionen und die genannten Mitarbeiter in diesem Zusammenhang zu analysieren. Eine Edition, die auf freiwilliger Basis erstellt wird, kann nicht so viele Funktionen und Inhalte bieten wie ein Kooperationsprojekt mehrerer Staatsbibliotheken mit ausreichend finanziellem Hintergrund. Insofern werden hier die Ansprüche, die an eine digitale Edition gestellt werden können, genauer bestimmt.

In einem letzten Punkt in dieser Sektion wird untersucht, ob Impressum und Kontaktinformationen zur Verfügung gestellt werden.

In der zweiten Sektion wird die Auswahl der edierten Materialien näher untersucht. Hier stehen die klassischen Evaluationsmethoden der Editionswissenschaft im Vordergrund, da diese Fragen auch an gedruckte Editionen gestellt werden können und diese Informationen sich in den Editionsrichtlinien finden.

Wir stehen auf den Schultern von Giganten. Deshalb ist wichtig zu erfahren, welche Vorarbeiten übernommen wurden. Nehmen Sie als Beispiel die Akademieregistres.[13] Sie basieren für einen Zeitraum von zwanzig Jahren auf der von Eduard Winter herausgegebenen Edition.[14] Die andere Hälfte der Protokolle wurde von dem ehemaligen Leiter des Akademiearchivs Wolfgang Knobloch transkribiert. Dies wird in den Editionsrichtlinien vermerkt.[15]

Was wird in der digitalen Edition angeboten? Werden Faksimile, Volltexte, Kommentare und Hilfmittel geliefert? Als erste Form eines elektronischen Texts können digitale Faksimile-Editionen gewertet werden (mit der oben genannten Einschränkung, dass dies noch keine digitale Edition darstellt).[16] Wir erwarten heutzutage bei einer digitalen Edition das Angebot des Faksimiles, nicht zuletzt, um die Edition selbst anhand des Originals überprüfbar zu halten. Doch nehmen wir als Beispiel die Humboldtschen Zettelberge. Humboldt hat auf vielen seiner Manuskripte Teile davon – oft mehrfach - überklebt. Ein Faksimile wäre hier wenig hilfreich, da dort nicht die überklebten Informationen vermittelt werden können. Insofern wäre in diesem Beispiel der Verzicht auf ein Faksimile begründbar. Nur diese Begründung müsste dann auch transparent vermittelt werden. Auch sind oftmals die Originale gar nicht mehr erhalten, so dass auch hier der Verzicht auf die Faksimile begründet ist.

Die dritte Sektion widmet sich den Zielen und Methoden der digitalen Edition. Gibt es Editionsrichtlinien, in denen diese erörtert werden? Wie unterstützt die digitale Edition die Fachforschung in der Produktion neuer Erkenntnisgewinne? Wir finden heutzutage relevante Webseiten, auf denen digitale Editionen, kritische Editionen, Webportale, digitale Bibliotheken und digitale Archive angeboten werden. Die Selbstdefinitorik in den Projekten ist vielfältig. Aber gerade diese Selbstverortung ist für den Benutzer wichtig, da dadurch die Erwartungshaltung der Nutzer gesteuert werden kann.

Der nächste Punkt betrifft die traditionelle Editionswissenschaft mit ihren verschiedenen Schulen. Welcher Methode folgt die digitale Edition? Wie definiert sie den Textbegriff? Wie werden die verschiedenen Überlieferungen von ihr bewertet?

Als nächstes wird die Transkription ins Auge gefasst. Ist sie genau und welchen Transkriptionsregeln folgt sie? Gibt es einen idealen, rekonstruierten Text, der mit der digitalen Edition hergestellt wird? Auch die Quellenkritik ist hier zu beachten, wenn sie denn überhaupt stattfindet. Der letzte Punkt betrifft die Datenmodellierung. Wird die TEI verwendet? Und wenn nicht, warum nicht? Es kann viele Gründe geben, die TEI nicht zu benutzen, da sie eventuell nicht den fachwissenschaftlichen Bedürfnissen entspricht. So haben wir uns damals beim Archimedes-Projekt dazu entschlossen, zwar XML zu verwenden, aber eben nicht die TEI, da unser Fokus damals auf die Sprachanalyse und die Geschichte mechanischer Konzepte gerichtet war, was zu jenem Zeitpunkt mit der TEI nicht möglich war und in Bezug auf mentale Modelle, die sich in den Texten wieder finden können, auch heute nicht mit der TEI geleistet werden kann.[17]

Screenshot der Beta-Webseite des Corpus Coranicum, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.

HiN XIV, 27 (2013) Zoomansicht

Die vierte Sektion betrifft die technische Umsetzung der digitalen Edition. Welche technische Architektur wird verwendet. Ist diese dokumentiert? Wird die Edition als statische html-Seiten angeboten oder liegt dahinter eine Datenbank?

Wir alle kennen sicherlich lange Diskussionen über die Gestaltung von Webseiten, die ja auch Modewellen unterworfen sind. Doch auch eine digitale Edition sollte in ihrem Erscheinungs- und Funktionsbild usability-Regeln folgen. Die Nutzer müssen an die Hand genommen werden, sie müssen jederzeit wissen, welchen Faden sie momentan im Text verfolgen. Gibt es blinkende GIFs? Diese würden die Aufmerksamkeit des Lesers erheblich stören.

Gibt es eine Suche auf der Seite und welche Möglichkeiten bietet sie? Wird mir geholfen, wenn ich gar nicht weiß, was ich suche (autocompletion)? Was leistet die Suche? Doch manchmal hilft auch die beste Hilfe nicht weiter. In einem solchen Falle bietet eine browsing-Funktion einen Einstieg in den Text. Gerne laufe ich in der Bibliothek am Bücherregal entlang und entdecke neue Schätze. Ein weiterer Zugang kann durch Register und Indices geschaffen werden. Durch die in Registern stattfindende Normalisierung von Schreibweisen können hier auch Varianten erfasst werden. Kann ich den Inhalt in Originalorthografie und normalisiert als Darstellungsvarianten anzeigen lassen? Ein weiterer Punkt betrifft die Qualität der Bilder: Gerade in der Frühzeit der DFG-geförderten Retrodigitalisierungsprojekten wurden die Scans in heute nicht mehr akzeptabler bitonaler Qualität hergestellt, was dann auch zu den heute ausformulierten Digitalisierungsmindeststandards geführt hat.[18] Es kann aber auch sein wie im digitalen Gotthelf-Bergsträsser-Archiv des Vorhabens Corpus Coranicum[19]: Dort werden die lange verschollenen Filmrollen digitalisiert, die auf Reisen Bergsträssers zu den Anfang der 1930er erreichbaren Koranhandschriften entstanden sind.[20] Die Aufnahmen, die Bergsträsser von den Manuskripten erstellt hat, sind in Graustufen, aber die Originale heutzutage zum Teil auseinandergerissen und auch gar nicht mehr auffindbar. Somit sind in solchen Fällen auch Grautsufenaufnahmen besser als gar keine Aufnahmen.

Ein Punkt, der mir als Bibliothekar am Herzen liegt, sind Metadaten. Sind solche vorhanden und in welchem Format, METS, TEI-Header, aber auch technische Metadaten?[21] Möglich ist aber auch die Integration extern gehaltener Metadaten wie Kalliope oder OPACs.[22] Externe Informationsressourcen wie die Verbindung von authority-files für Namen und Orte können ohne große Mühe in zeitgemäße Editionen integriert werden und schaffen den Mehrwert, der mit einer gedruckten Edition nicht umgesetzt werden kann.[23] Die Ausreizung der informativen Möglichkeiten des Hypertextes in einer digitalen Edition kann kein Fehler sein. Links oder Tooltips zu Lexika können einen weiteren digitalen Zugang zum fremdsprachlichem Text erleichtern. Die rasante Entwicklung in der Informationsvernetzung lässt auf weitere Funktionen der Informationsvermittlung hoffen.

Die wissenschaftliche Methode besteht in der Beweiskette, dem Experiment in den Naturwissenschaften und der Nachprüfbarkeit in den Geisteswissenschaften. Ein Buch, eine Akte oder eine Urkunde können wir leicht referenzieren. Bei digitalen Informationen sind wir mit persistent identifiern auf dem richtigen Weg, sind aber noch nicht weit gekommen.[24] Werden wortgranulare Referenzierungssysteme wie cts angeboten?[25] Welche Harvesting-Schnittstellen wie OAI-PMH ermöglichen die Weiterverarbeitung der digitalen Quellen?[26]

Abgeschlossene Digitalisierungs-Projekte haben einen großen Nachteil: Mit dem Personal geht meist auch die detaillierte Kenntnis über die eingesetzte Technik verloren. Da digitale Editionsprojekte immer komplexer werden, und Hardware sowie Betriebssysteme sich rasch ändern, kann es leicht zu Ausfällen kommen. Die Frage nach der nicht nur Langzeitarchivierung, aber auch Langzeitverfügbarkeit ist hier zu stellen. Eine Gedächtnisorganisation wird sich eher um einen Weiterbetrieb kümmern können als Erben eines digitalen Privateditors.

Seit ein paar Jahren sind mit Smartphones, Tablet-Computern und E-Reader neue Ausgabeformate auf den Markt gekommen. Werden diese unterstützt? Gibt es auch eine Ausgabe in einem älteren Format, dem Papier?

Wir haben beim Deutschen Textarchiv die Anzeigemöglichkeit als XML gesehen.[27] Das kann ein weiteres, positiv zu wertendes Kriterium einer digitalen Edition sein. In anderen Editionen wird kein Download der zugrundeliegenden Daten angeboten, in anderen wiederum wie beim Codex Sinaiticus wird der gesamte Textcorpus in einem Download angeboten.[28] Es können allerdings auch Gründe gegen eine Zurverfügungstellung sprechen. Werden die Daten unter einer offenen Lizenz angeboten, oder nur die Metadaten?

Kommen wir zu den Gimmicks. Darunter fallen Kommentarmöglichkeiten, Scrapbookfunktionen, Lichtpulte, Personalisierungs- aber auch Communityfunktionen sowie Bildmanipulationsmöglichkeiten.

Von den Editionsrichtlinien habe ich vorhin schon gesprochen und stillschweigend angenommen, dass diese vorhanden sind. Sie sind eine Dokumentationsmöglichkeit, andere können in einer Dokumentation bestehen, oder in FAQ-Sektionen. Sind die verwendeten Quellen mit ihren Standorten nachgewiesen?

Haben wir nun all diese Daten gesammelt, können wir unser Fazit ziehen.

Hier gilt es nun, das vorliegende Material terminologisch einzuordnen:

In diesem Punkt ist zu bewerten, ob die vorliegende Edition auch eine digitale kritische Edition ist. Wenn die editorischen Basisangaben wie Editionsrichtlinien fehlen, oder die Qualität zu wünschen übrig lässt, dann sollte hier bemerkt werden, dass die vorliegende Edition eben keine kritische digitale Edition ist. Das Handwerkszeug des traditionellen Editors kann auch im digitalen Zeitalter verwendet werden, seine Pflichten muss auch der digitale Editor einhalten. Darunter fällt die Transparenz und die Qualität der Inhalte.

Screenshot der Webseite des Codex Sinaiticus, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.

HiN XIV, 27 (2013) Zoomansicht

Digitale Editionen haben eine erstaunliche Vielfalt erhalten. So kann jede digitale Edition einen Beitrag einerseits für das jeweilige Fachgebiet, andererseits für die digital humanities leisten. Ein Urteil kann auch über den Mehrwert der digitalen Edition gegenüber einer gedruckten Edition gefällt werden.

Ein Kriterienkatalog für eine digitale, sich entwickelnde Gattung kann nicht vollständig sein. Eventuelle Besonderheiten fassen wir unter Sonstiges zusammen.

Das erste abgeschlossene Projekt 2012 waren für mich die schon erwähnten  Akademieregistres. Beendet war das Projekt damit allerdings noch nicht. Neben der Erweiterung der Textbasis um einen weiteren Zeitraum bis 1806 möchte ich weitere technische Verbesserungen, wie sie in diesem Beitrag schon angedeutet sind, so z.B. die Downloadmöglichkeiten der XML-Files und weitere Optimierungen durchführen. So sollten als letzter Punkt eines Reviews noch lebender digitaler Editionen Verbesserungswünsche geäußert werden, so die Edition noch nicht abgeschlossen ist.

Damit wäre der Kriterienkatalog abgearbeitet, doch wie geht es nun weiter? Auf der einen Seite kann der Kriterienkatalog, der ja eigentlich nur als Hilfsmittel zur Besprechung digitaler Editionen angedacht war, auch bei der Formulierung zukünftiger Digitalisierungsprojekte verwendet werden. Viele der Fragen, die an eine digitale Edition gestellt werden können, bilden auf der anderen Seite auch einen Rahmen und formulieren Minimalanforderungen zeitgemäßer digitaler Editionen.

Daneben ist das Institut für Dokumentologie und Editorik momentan damit beschäftigt, ein Review-Journal ins Leben zu rufen und so ein Publikationsorgan für Rezensionen digitaler Editionen im deutschsprachigen Raum zu schaffen. Die ersten Rezensionen sind zu diesem Zweck auch schon erstellt worden. Ziel ist, diesen Kriterienkatalog nicht als abgeschlossenes Werk vor sich hindämmern zu lassen, sondern ihn in der Praxis weitläufig anzuwenden.

* * *

Zitierweise

Schnoepf, Markus (2013): Evaluationskriterien für digitale Editionen und die reale Welt. In: HiN - Humboldt im Netz. Internationale Zeitschrift für Humboldt-Studien (Potsdam - Berlin) XIV, 27, S. 69-76. Online verfügbar unter <http://www.uni-potsdam.de/u/romanistik/humboldt/hin/hin27/schnoepf.htm>

Permanent URL unter <http://opus.kobv.de/ubp/abfrage_collections.php?coll_id=594&la=de>


 

[3]Vgl. folgende Übersicht: <http://www.digitale-edition.de/>

[4] Die folgenden Überlegungen basieren auf dem von Patrick Sahle maßgeblich entwickelten Kriterienkatalog für die Besprechung digitaler Editionen.

[7] <http://www.dfg.de/formulare/12_151/index.jsp> wurde im Februar 2013 veröffentlicht.

[8]Editionen, die ohne akademischen Kontext erstellt werden, also von Laien, tragen zu diesem Facettenreichtum weiter bei. Im Druckbereich konnte hier noch der Verlag unter Umständen regulierend einwirken, bei Drucken im Selbstverlag oder eben im Internet ist dies nicht möglich.

[9]Editionsrichtlinien können sehr umfangreich werden, vgl. Marx-Engels-Gesamtausgabe: <http://mega.bbaw.de/imes/edri.pdf>

[14]Winter, Eduard: Die Registres der Berliner Akademie der Wissenschaften 1746-1766. Berlin 1957. Die umfangreiche Einleitung ist unter folgendem Link erreichbar: <http://euler.bbaw.de/publikationen/winter.php>

[16]Als Beispiel mag auch der Link zur Einleitung von Eduard Winter unter Endnote 13.

[17]Minsky, Marvin: Mentopolis. Stuttgart 1990.

[18]Vgl. auch zahlreiche Beispiele aus Gallica der französischen Nationalbibliothek, die auch nur bitonal vorliegen: <http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k972122>

[20] <http://koran.bbaw.de/materialien/gotthelf-bergstraesser-archiv>. Vgl. auch: Marx, Michael: The Koran according to Agfa, in: Trajekte (19) 2009, S. 25-29.

 

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Letzte Aktualisierung: 20 Dezember 2013 | Kraft
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