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Stand: 12. August 2005
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H i N

Alexander von
HUMBOLDT im NETZ

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HiN                                                      III, 4 (2002)
 
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Renate Nöller

Jade aus Amerika und weitere Grünsteinobjekte von Alexander von Humboldt aus dem Berliner Mineralienkabinett

 

1. Mineralogisches Interesse in Amerika

Alexander von Humboldt interessierte sich schon vor seiner Amerikareise besonders für den Ursprung von Gesteinen, Vulkanismus und Schichtenfolgen. Zusammen mit Georg Forster unternahm er 1790 eine Exkursion zu den Basalten des Rheins, über die er sein erstes Buch schrieb. Vor allem stand zu jener Zeit die Frage des “Neptunismus” - Entstehung der Gesteine aus dem Wasser - neben der aus Lava: “Plutonismus” zur Diskussion (8).

Nach seinem Studium an der Bergakademie Freiberg (1791) förderte Humboldt als preußischer Bergbeamter die Entwicklung des Berg- und Hüttenwesens erheblich, so daß er 1899 vom spanischen König eine Sondergenehmigung zu seiner privat finanzierten Forschungsreise nach Amerika erhielt. Neu-Spanien war zu der Zeit die wohlhabendste spanische Kolonie. Er hatte die Auflage, Karl IV. seinem wirtschaftlichen Interesse gemäß über die mineralogischen Funde Bericht zu erstatten.

Humboldt nahm in Amerika (1799-1804) zahlreiche geologische Profilzeichnungen und Vulkanvermessungen vor. Er besichtigte in verschiedenen Bergbau-Gebieten Mexikos vor allem Silberminen, erarbeitete Statistiken über reiche Erzvorkommen, und machte Verbesserungsvorschläge zur Technik der Bergwerke. “Die anhaltenden Anstrengungen der Muskeln der Bergleute und deren Gesundheit werden immer weniger gefährdet je ähnlicher die Minen von Neu-Spanien denen von Freiberg, Clausthal und Chemnitz werden. ... Die Bergwerke sind ohne Zweifel die Hauptquelle der großen Vermögen in Mexiko gewesen”. Der Silberbergbau war das ertragreichste Geschäft zu jener Zeit. Ab 1550 hatte ein systematischer Abbau zur Prägung von Münzen begonnen. Jedes Jahr segelte eine mit Silber beladene Flotte unter dem Schutz bewaffneter spanischer Kriegsschiffe nach Europa.

Humboldt schickte als Erze Gold-, Silber-, Platin-, Kupfer-, Blei- und Zinkproben nach Berlin, Paris oder Madrid. Aber auch Calcit, Quarz, Baryt oder Obsidian und Jade sind unter den zahlreichen Sammlungsstücken. Weitere Proben mit vielversprechendem Chemismus erhielt er auch an der Bergbauschule in Mexiko von Andrés del Río, den er schon während seiner Studienzeit in Freiberg kennengelernt hatte.

Im neunzehnten Jahrhundert stellten Mineralproben die Ausgangssubstanzen analytischer Arbeiten für die sich in Europa rasch entwickelnden Naturwissenschaften dar. Durch ihre vergleichende Untersuchung wollte man den “Stoff des Lebens” finden. Viele chemische Elemente konnten so entdeckt und klassifiziert werden.

Aus der exakt bestimmten Zusammensetzung und der Entstehung von Mineralien leitete man auch für diese eine Systematik ab, die differenzierter ist als die der vorausgegangenen Unterscheidungskriterien. Am Beispiel der Jade wird deutlich, daß die als solche von den Spaniern bezeichneten grünen Steine (aztekisch: Chalchihuitl) sehr verschieden sein können (9), wodurch der auf Grund äußerer Merkmale kulturell geprägte Begriff bis zur eindeutigen mineralogischen Bestimmung des Gesteins unterschiedliche Zuordnungen erfuhr.

So erfahren wir über Humboldts Beschreibung, daß er das grüne Mineral zum Sassurit stellt, “zum eigentlichen Nephrit, der sich oryctognostisch dem dichten Feldspath nähert, und ein Bestandteil des Verde de Corsica oder des Gabbros ist. Er nimmt die schöne Politur an und geht vom Apfelgrün ins Smaragdgrüne über; er ist an den Rändern durchscheinend, ungemein zäh und klingend. In der Mitte durchbohrte Platten sind den Klangsteinen der Chinesen, die von diesen als King bezeichnet sind, gleich. Nach Brongniarts System handelt es sich um Jade de Saussure, nach Haüy um Jade tenace und Feldspat compacte tenace, nach Werner um einige Varietäten des Varioliths. Werner hatte als Jade axinien oder Punamustein einen Beilstein bezeichnet. Die Steinäxte, die man in Amerika zum Beispiel in Mexiko findet, sind jedoch kein Beilstein sondern dichter Feldspat, der lange nicht so zäh ist. Mit diesem Beilstein wird zuweilen der so seltene und so harte Amazonenstein verwechselt. Was man in unseren Sammlungen unter dem falschen Namen Amazonenstein sieht, ist weder Nephrit noch dichter Feldspat, sondern gemeiner apfelgrüner Feldspat, der vom Ural am Onegasee in Rußland kommt, und den ich im Granitgebirge von Guyana niemals gesehen habe”.

Auf der Suche nach dem anstehenden Gestein glaubt Humboldt, daß die Rohstoffquelle nicht am Amazonas liege, sondern daß die grünen Steine von einem Volk kriegerischer Weiber stammen, weit gehandelt und zu früheren Zeiten bearbeitet wurden. Er berichtet:

“Wir fanden bei den Indianern am Rio Negro einige der grünen Steine, die unter dem Namen Amazonensteine bekannt sind, weil die Indianer nach einer alten Sage behaupten, sie kamen aus dem Lande der “Weiber ohne Männer” (cougnantain secouima oder Aikeambenano-Weiber, die alleine leben). Westwärts der Stromschnellen des Onapoc sei dieses Mineral vorhanden. Der Aberglaube legt diesen Steinen große Wichtigkeit bei; man trägt sie als Amulette am Hals, denn sie schützen nach dem Volksglauben vor Nervenleiden, Fiebern und dem Biß giftiger Schlangen. Sie waren daher auch seit Jahrhunderten bei den Eingeborenen nördlich und südlich vom Orinoco ein Handelsartikel. Durch die Caraiben lernte man sie an der Küste von Guyana kennen, und da dieselben Steine, gleich dem umlaufenden Geld, in entgegengesetzte Richtungen von Nation zu Nation gewandert sind, so kann es wohl sein, daß sie sich nicht vermehren und daß man ihre Lagerstätte nicht verheimlicht, sondern gar nicht kennt... Gewöhnlich gibt man ihnen die Form der der Länge nach durchbohrten und mit Inschriften und Bildwerk bedeckten persepolytanischen Zylinder. Aber nicht die heutigen Indianer, nicht diese so tief versunkenen Eingeborenen vom Orinoco und Amazonenstrom haben so harte Körper durchbohrt und Figuren von Tieren und Früchten daraus geschnitten. Dergleichen Arbeiten weisen auf eine frühere Kultur zurück”(6).

 

2. Humboldts Jadeproben

Neben den aus vulkanischem Glas gefertigten Objekten wie Obsidianmesser oder Ohrpflock (Abb. 8), die Humboldt zusammen mit anstehendem Obsidian und den anderen mit handschriftlichen Etiketten versehenen Mineralproben aus Amerika dem mineralogischen Kabinett in Berlin zukommen ließ, finden sich grüne Steinobjekte zur Untersuchung in der naturkundlichen Sammlung. So stammt ein von Humboldt als “Jade” bezeichneter Anhänger zusammen mit Gesteinsproben der gleichen “Jade” aus Quito, Ecuador (Abb. 1 und 2). Die inzwischen beide als Fuchsit identifizierten Proben (Fuchsit/ Muskovit 1998 bestimmt) haben folgendes Etikett: Jade, Paccha b. Zaruma, Prov. El oro, Loya, Quito, A. v. Humboldt.

  

Abb. 1: “Jade” (Fuchsit), Paccha.Abb.

Abb. 2: “Jade” (Fuchsit), Paccha. Anhänger (3,5 x 3,8 cm).

 

Für Humboldt waren die Stücke primär geologisches Untersuchungsmaterial. So wurde geklärt, daß sich der smaragdgrün gefärbte Fuchsit mit der Härte 2 bis 4 als Umwandlungsprodukt chromhaltiger Olivingesteine bildet und der leicht spaltbaren Glimmergruppe angehört. Benannt wurde er nach dem Mineralogen Johann Nepomuk von Fuchs (1774-1856).

Die kulturelle Bedeutung der grünen Steine, die sich von der anderer Steine stark abhob, hatte Humboldt jedoch auch beeindruckt, da er zum Vergleich seiner Jadeprobe den vom gleichen Ort stammenden Anhänger als bearbeitetes Stück hinzu nahm. Vermutlich versprach er sich, über das Material Aussagen zur Klärung deren Besonderheit ableiten zu können. Jade war im vorspanischen Amerika weit verbreitet und galt schon zur Zeit der Olmeken (ab 1200 v. Chr.), wie man heute annimmt, als “Verkörperung von Pflanzen und Leben” als das kostbarste Material überhaupt. Dies hatte auch Kolumbus verwundert, der im Vergleich hierzu den Goldwert in Amerika viel geringer eingestuft sah.

 

3. Kulturelles Interesse und weitere Objekte aus grünem Stein

Zum Ende seiner Amerikareise hielt sich Humboldt ein Jahr in Mexiko auf. Von dem Reichtum der Stadt Mexiko, die über Missionare und intellektuelle Indios entwickelte Tradition in der Lehre, Universität, Bergbauschule und Malschule war er sehr beeindruckt (4). Er beschäftigte sich zunehmend mit Fragen zur Kulturgeschichte und erwarb zur weiteren Untersuchung Sammlungsstücke aus der vorspanischen Zeit. Als Naturforscher galt sein Interesse weniger ihrer fremdartigen Erscheinung als aufsehenerregende Kunstobjekte, sondern vielmehr dem Material und dessen Herkunft, ihrer Herstellung und Bedeutung.

Von Andrés del Rio erhielt Humboldt so auch ein als Jadeaxt bezeichnetes Kulturobjekt aus grünem Stein (Nephrit) mit eingeritzten Zeichen (Abb. 3).

 

Abb. 3: Jadeaxt (Nephrit), Replik (8,3 cm breit, 20,6 cm lang, 3,4 cm dick).

 

Humboldt bemerkte zu der Axt “(d`un feldspath compacte (dichter feldspath) qui passe au vrai jade de Saussure” (5)), daß die “Jade in den verschiedensten Gegenden der Erde von wilden und halbzivilisierten Völkern als Material zur Herstellung von Äxten und verschiedenen Verteidigungswaffen verwendet worden sei - in Mexiko und Peru sogar zu einer Zeit noch, als man sich längst des Kupfers und der Bronze zu bedienen verstanden und auch bedient hätte” (6). Er behauptet, daß - obgleich er das anstehende Gestein nicht vorfand - sich häufig Äxte aus Jade im Boden finden: “Malgré nos courses longues et frequentes dans les Cordillères des deux Ameriques, nous n`avons jamais pu découvrir le jade en place, et plus cette roche paroît rare, plus on est étonné de la grand quantité de haches de jade que l`on trouve presque partout oú l`on creuse la terre dans les lieux jadis habités, depuis l`Ohio jusqu`aux montagnes de Chili” (5). Er hielt die Jadeaxt als Kulturobjekt nicht für sehr bedeutend, läßt jedoch später eine Zeichnung von ihr anfertigen (Abb. 5).

Ein weiteres von Humboldt erworbenes Kulturobjekt aus grünem Stein (Serpentin) war eine Sonnenscheibe mit der Reliefdarstellung des Sonnengottes Tonatiuh im Strahlenkranz (12) (Abb. 4).

 

Abb. 4: Sonnenscheibe (Serpentin), Replik (26,9 cm Durchmesser, 2,5 cm dick).

 

Sie beeindruckte Humboldt besonders wegen der Symbole, die denen des damals in Mexiko zur allgemeinen Besichtigung an die Kathedrale des Zentralplatzes gelehnten aztekischen Kalendersteins ähnlich sind. Jener 20 Tonnen schwere und 3,5 m hohe Stein wurde 1790 in Mexiko Stadt gefunden, wo ihn Humboldt vorfand. Er beschrieb den Kalenderstein wie António Léon y Gama, ein Astronom und Geschichtsforscher, der den Stein schon 1792 (Neuauflage 1832) mit einer Zeichnung publiziert hatte (7) (10) (11) (Abb. 6). Humboldt bemerkte, der aztekische Kalender sei “einer der verwickeltsten, aber auch scharfsinnigsten, welche die Geschichte der Astronomie aufgestellt hat”. Er vermutete, daß er mit aus Asien oder Tibet stammenden Kalendern verwandt sei (5). Das Material des großen Kalendersteins sei der in der Umgebung anstehende Basalt, so daß seine Herstellung in Mexiko erfolgt war. Dies wurde ihm von Einheimischen Geschichtskundigen bestätigt.

Zu dem grünen Material seiner Sonnenscheibe äußerte sich Humboldt nicht. Es ist der wie Schlangenhaut schillernde (lat. Serpens = Schlange) Serpentin (Mg6[(OH)8 Si4O10]), der durch Hydratisierung von Olivin (Mg, Fe)2[SiO4] entsteht und eine dichte feinfasrige, durch Eisen dunkelgrün bis gelblich gefärbte Masse der Härte 3-4 bildet.

 

In Humboldts Sammlung müssen sich weitere Kulturobjekte befunden haben. So schrieb er am 10. März 1805 an den Direktor des damaligen Mineralogischen Kabinetts Berlin, daß er mehrere Kisten mit seinen Sammlungen an ihn abgeschickt hätte: “Sie werden auch in den Kisten goldene Medaillen, alte Mexikanische Statuen und ein Federgemälde finden” (Humboldt an D. L. G. Karsten, Paris, 10.3.1805, Handschrift: Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, NL A.v.Humboldt Nr. 22). Er bat darum, die zwei Objekte aus grünem Stein - Jadeaxt und Sonnenscheibe - von den anderen Gegenständen getrennt zu halten.

Später kamen diese zusammen mit einem Ohrpflock aus Obsidian und einem Federbild in die Ethnographische Abteilung der Kunstsammlungen des Königlichen Museums zu Berlin. Aus dem Nachlaß Humboldts wurde 1872 ferner ein seit dem zweiten Weltkrieg vermisster Doppeljaguar - ein aus Holz geschnitzter Hohlkasten in Form eines Jaguars mit zwei Köpfen, der mit Mosaiksteinen aus Türkis, schwarzem Achat, Perlmutt und roten Muschelplättchen überzogen war, dieser Abteilung vermacht. Auch eine dem König mitgebrachte Maisgöttin aus Vulkangestein und eine weitere weniger kunstvoll gearbeitete Steinfigur sind heute im Ethnologischen Museum Berlin registriert.

 

Die im Vergleich zur Sonnenscheibe von Humboldt weniger beachtete Jadeaxt wurde von Lord Edward King Kingsborough, der auch zahlreiche mexikanische Bilderschriften reproduzierte, in der Mineraliensammlung bemerkt. Er fertigte eine Zeichnung ihrer “hieroglyphenartigen Einritzungen”, die er mit Ägypten in Zusammenhang sehen wollte, an (13). Unter dem Aspekt ihrer Herkunft erweckte die Axt nun Interesse. Man vermutete Importe der in Amerika gefundenen Jade aus Ländern mit bekannten Jade-Vorkommen in Asien und versprach sich eine Klärung des kulturellen Ursprungs der Objekte über ihre Untersuchung. H. Fischer aus Freiburg, der ihr Material 1875 als Nephrit bestimmte, bemerkte: “es gelang, die kostbare und vergessene Axt auf den staubigen Regalen des Berliner Museums wieder zu entdecken”. Nephrit (Ca2, Mg, Fe)5 [OH, Si4O11]2 ist ein fasrig verfilzter zäher durch Eisen dunkelgrün gefärbter Strahlstein, der als Einlagerungen in Serpentin vorkommt. Er bildet sich aus Augit CaMgSi2O6, der dem Jadeit sehr ähnlich ist. Beide Steine werden seit prähistorischer Zeit als Werkzeug und Waffe benutzt und als sehr wertvoll betrachtet. Sie finden sich besonders in China und Neuseeland vor und wurden weltweit gehandelt. Man sagt, Nephrit (griech. Nephros = Niere) helfe gegen Nierenleiden” (1).

Inzwischen ist die Jadeaxt der olmekischen Kultur Mexikos zugeordnet und auf 500 v. Chr. datiert. Als “Humboldt-Axt” bekannt geworden erlangte sie ebenso wie die aus Serpentin bestehende Sonnenscheibe, die “Humboldt-Scheibe” genannt wird, große Beachtung. Dies sowie die Tatsache, daß von beiden mehrfach Gipskopien hergestellt wurden, zeugt davon, daß sie als kulturell bedeutsame Objekte bekannt wurden. Seit dem zweiten Weltkrieg ist lediglich die Replik der verschwundenen Originalstücke vorhanden (3).

 

4. Zeichnungen der Kulturobjekte

Unter dem Namen “Atlas Pittoresque du voyage: Vues des Cordillères et monuments des peuples indigènes de l`Amerique” erschien in Paris 1813 ein von Humboldt als Atlas gedachtes Buch mit Bildern seiner Reise (5). Neben den Zeichnungen der Jadeaxt (Abb. 5, Aztekische Axt, von Arnold in Berlin gezeichnet und grün koloriert) und des Kalendersteins (Abb. 6: Relief in Basalt, den mexikanischen Kalender darstellend, gezeichnet 1832 von Jean Baptiste Cloquet in Paris) finden sich hierin weitere Kulturobjekte als Zeichnungen publiziert. Sie gehören zu dem in Paris bis 1827 geschriebenen 34 bändigen Reisewerk, das insgesamt mit etwa 1400 Kupferstichen und Zeichnungen illustriert ist.

  

        

Abb. 5: Vues des Cordillères. Tafel 28, Axt         Abb. 6: Vues des Cordillères. Tafel 23, Kalenderstein

 

Von den 69 Kupferstichen des “Atlas Pittoresque” stammt die Hälfte der Motive aus Mexiko. Sie stellen Naturansichten, archäologische Bauwerke, alte Skulpturen, Kostüme, und Bilderschriften (“hieroglyphische Gemälde”) dar. Auch sind Bilderschriften, die bereits in europäischen Sammlungen vorhanden waren, in diesem Werk publiziert. Mit der Herstellung von Kopien verfolgte Humboldt das Ziel, die “Monumente und Dokumente der Azteken bekannt zu machen”, aber auch genauer hinzuschauen - “Maler sind Entdecker der Natur”.

 

Eine Zeichnung des jetzt im Ethnologischen Museum Berlin als Ausstellungsstück vorhandenen Ohrpflocks aus Obsidian (Abb. 7: Armreif aus Obsidian, Kopf aus hartem Stein geschnitten von den Muisca Indianern, und Foto des Originals Abb. 8) fällt besonders auf:

 

Abb. 7: Vues des Cordillères, Tafel 66, Armreif aus Obsidian, Kopf aus hartem Stein, Vorder- und Seitenansicht.

 

Abb. 8: Ohrpflock aus Obsidian. (H. 3,5 cm, D. 6,2 cm).

© Ethnologisches Museum Berlin.

 

Vermutlich wegen seiner Größe wurde der Ohrpflock von Humboldt als Armreif bezeichnet. Er war von der Herstellungstechnik des Objektes beeindruckt. Zu der äußerst feinen Verarbeitung des durchsichtigen Obsidians bemerkt er, daß es außerordentlich schwierig ist, sich vorzustellen, auf welche Weise ein so zerbrechliches Material derart hat verarbeitet werden können. Das vollkommen transparente vulkanische Glas ist zu einem zylindrischen Reifen von weniger als einem Millimeter Dicke geschliffen. “Le bracelet d`obsidienne a été trouvé dans un tombeau indien dans la province de Mechoacan au Mexique. Il est extrèmement difficile de se former une idée de la manière avec laquelle on est parvenue a travailler une substance aussi fragile. Le verre volcanique, parfaitement transparent, est reduit à une lame dont la courbure est cylindrique, et qui a moins d`un millimetre d`épaisseur”. Auf das Etikett schrieb er: “Dieses Armband, sehr alt, ist im Königreich Michoacan/Mexiko in einem indianischen Grab, an Schellen (Cascabeles) gebunden, gefunden worden” (5).

Über den gezeichneten Kopf, der zusammen mit dem Ohrpflock abgebildet ist, gibt er außer der Bildunterschrift : “Kopf aus hartem Stein geschnitten von den Muisca Indianern” folgenden Kommentar: “La téte sculptée est l`ouvrage des anciens habitants du royaume de la Nouvelle Grenada. La pierre regardée par quelques minéralogistes comme une smaragdite, n`est indudablement qu`un quartz vert qui fait passage au hornstein. Peut-ètre ce quartz d`une dureté extrême, est il teint, comme la chrysoprase par l`oxide de nikel; il est perforé de manière que les ouvertures du trou cylinderique sont situées dans les plans qui se coupent à angle droit. On peut supponer que cette perforation a été faite au moyen d`outils de cuivre mélé d`étain; car le fer n`était pas employée par les Muyscas et les Péruviens” (5).

Die Seitendarstellung des Kopfes zeigt seine Durchbohrung. Über die Funktion als Anhänger, die in der Kennzeichnung des Trägers gelegen haben muß, äußert sich Humboldt nicht. Auch erfahren wir nicht, warum die beiden Objekte, die angeblich aus unterschiedlichen Kulturen stammen, zusammen dargestellt sind.

 

5. Jade aus Amerika

In der Sammlung des Museums für Naturkunde Berlin findet sich unter den Jade-Proben eingeordnet ein Anhänger aus grünem Stein in Form eines kleinen Kopfes mit Bohrungen (Abb. 9). Seine Herkunft ist nicht bekannt.

Jadeit (NaAlSi2O6) bildet ein weiß bis grünlich, oft geadertes, fasrig verfilztes zähes Aggregat der Härte 6 bis 7, das seit Alters besonders in Oberbirma und China gewonnen wird (1). Die von den Spaniern verwendete Bezeichnung der Jade als Stein gegen Nierenleiden (span. Piedra de ijada = Hijada, Kolikstein) ist in ihrer kulturellen Bedeutung als Heilstein identisch mit der für Nephrit. Auch mineralogisch sind die beiden Gesteine sehr ähnlich (siehe oben Jadeaxt).

 

  

Abb. 9: Steinanhänger (Jade), Vorder- und Rückansicht (4cm breit, 4,5cm hoch, 2cm dick)

 

Das Köpfchen gleicht dem in der Zeichnung der “Vues des Cordillères” zusammen mit dem Ohrpflock, zwar nicht wie die Jadeaxt grün koloriert dargestellten, jedoch in den Größenverhältnissen der beiden Objekte zueinander naturgetreu wiedergegeben Anhänger. So hat Humboldt höchstwahrscheinlich genau dieses Objekt zusammen mit den anderen Sammlungsstücken nach Berlin geschickt. Durch seine Publikation konnte der Jade-Anhänger jetzt als solcher identifiziert und wieder entdeckt werden.

 Nach dem Untertitel der Zeichnung stammt das Köpfchen von den Muisca Indianern aus dem heutigen Kolumbien, wobei Anhänger dieser Art aus grünem Stein in Zentralamerika, Guatemala, Belize oder auch in Mexiko vorkommen. So fand sich zum Beispiel ein ähnliches Stück in Chichen Itzá/Yucatan, Mexiko mit der Datumsangabe von 699 n. Chr. (2). Derartige Anhänger wurden über lange Zeitperioden hinweg vererbt, so daß ihre Herkunft sowie auch ihr ursprüngliches Alter kaum festzustellen ist.

Wenig beachtet ist das Köpfchen - im Gegensatz zu der Sonnenscheibe und der Jadeaxt - das einzige von Humboldt aus Amerika mitgebrachte Gesteinsobjekt aus echter Jade, das als kulturell bedeutendes Sammlungsstück dem Museum für Naturkunde erhalten blieb. Humboldt hatte sein Material nicht als Jade, sondern lediglich als harten Stein (vielleicht ein durch Nickel grün gefärbter Quarz (5)) bezeichnet. Seine Jade war der im Vergleich zu der echten Jade des Köpfchens viel weichere Fuchsit (Abb. 1 und 2).

 


(1) Brauns, Chudoba, 1964, Spezielle Mineralogie, Sammlung Göschen 31, Berlin, 137.

(2) Eggebrecht, E. u. A., Grube, N. (Hrsg.), 1994, Die Welt der Maya, Ausstellungskatalog, Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde der Stadt Köln, 494.

(3) Eisleb, D., 1973, Abteilung Amerikanische Archäologie, in: Krieger, K. und Koch, G. (Hrsg.), 100 Jahre Museum für Völkerkunde Berlin, Baesseler Archiv, Verlag D. Reimer, 198.

(4) Faak, M. (Hrsg.) 1986, Alexander von Humboldt, Reise auf dem Río Magdalena, durch die Anden und Mexico, Teil 1 Texte, Akademie-Verlag Berlin.

(5) Humboldt, A. v., Paris 1810/13, Atlas pittoresque du voyage: Vues des Cordillères et monuments des peuples indigènes de l`Amerique, Voyage de Humboldt et Bonpland, Original: Koninklijke Bibliotheek à la Haye, Nachdruck 1972 (200 Expl.), Theatrum Orbis Terrarum, Amsterdam, New York.

(6) Humboldt, A. v., 1859, Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents, Hermann Hauff (Übers.), Stuttgart, Band III, 394-396.

(7) Keber, E. Q., 1996, Humboldt and Aztec Art, Colonial Latin American Review 5 (2).

(8) Kleber, W., 1960, Alexander von Humboldt und seine Bedeutung für die Mineralogie, Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität Berlin, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Reihe, 9 (3), 305.

(9) Lange, F. W. (Hrsg.), 1993, Precolumbian Jade, new geological and cultural interpretations, University of Utah Press, Salt Lake City, 378 S.

(10) Léon y Gama, Antoine de, 1792 (1832), Description histórica y cronólogica de las dos piedras. Mexico City: Imprenta Alejandro Valdés.

(11) Löschner, R., 1988, Alexander von Humboldts Bedeutung für die Altamerikanistik, Ausstellungskatalog; Berlin, 254.

(12) Seler, E., 1904, Der Kalenderstein des Alexander von Humboldt, Gesammelte Abhandlungen III, Berlin, 399.

(13) Valentini, Ph.J. J., 1881, The Humboldt Celt and Leyden Plate, Worcester.

 

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