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Stand: 12. August 2005
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HiN - Humboldt im Netz

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Ilse Jahn (Berlin)

„Vater einer großen Nachkommenschaft von Forschungsreisenden ...“

Ehrungen Alexander von Humboldts im Jahre 1869

4. Charles Darwin (1809-1882)

Wie aus seiner Autobiographie zu entnehmen ist, war es Humboldts Reisebericht, der in ihm den Wunsch zu einer Forschungsreise geweckt und ihn auf der Reise mit der Beagle begleitet hatte.. So berichtet Darwin, daß er schon während seines letzten Studienjahres in Cambridge 1830 mit tiefstem Interesse Humboldts Reisebericht studiert habe. Neben dem Werk des Astronomen John Herschel habe vor allem Humboldts Reisewerk in ihm den brennenden Wunsch entfacht, ebenfalls einen bescheidenen Beitrag zu dem Gebäude der Naturwissenschaften zu leisten. Kein einziges von Dutzenden anderer Bücher habe ihn so stark beeinflußt wie diese beiden:

„Ich schrieb aus Humboldts Werk lange Stellen über Teneriffa ab und las sie auf einer Exkursion laut meinen Freunden vor,“ schrieb Darwin. So oft hatte er mit Begeisterung von Humboldts Reise nach Teneriffa gesprochen, daß seine Freunde ihn schließlich, halb scherzhaft, halb ernstlich zu einer Reise dorthin ermutigten.

Unter diesen Freunden war auch der Botaniker Henslow gewesen, dessen Empfehlung und Fürsprache Darwin dann Anfang des Jahres 1831 jene bedeutsame Weltreise mit der Beagle verdankte, die den Grundstein für sein revolutionäres Wirken legte.

Auch während der Weltumseglung hatte Darwin Humboldts Reisebeschreibung an Bord, deren Hilfe bei der Verarbeitung der Reiseerlebnisse in Südamerika er in seiner eigenen Reiseschilderung erwähnt:

„Da die Stärke der Eindrücke allgemein von vorher erlangten Ideen abhängt,“ heißt es bei Darwin, „so will ich noch hinzufügen, daß meine den lebendigen Beschreibungen in der Reiseschilderung Humboldts entnommen waren, die an Verdienst alles übrige bei weitem übertreffen, was ich gelesen habe [...].“ (Zitiert nach Jahn 1969, S.184.)

Er sandte dann seinen eigenen Reisebericht „Reise eines Naturforschers um die Welt“ 1839 mit einer entsprechenden Widmung an Alexander von Humboldt, der die Bedeutung des jungen Forschers sehr bald erkannte.

Noch vor seiner Antwort an Darwin schrieb er an den Sekretär der Englischen Geographischen Gesellschaft, der Band von Charles Darwin sei „eines der bemerkenswertesten Werke“, das er während seines langen Lebens habe erscheinen sehen. Darwin vereinige mit dem Scharfsinn der Einzelbeobachtungen den großen Blick für das Allgemeine der Natur, sozusagen „die philosophische Naturbetrachtung“, die gleichzeitig die Geologie, die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere und den Einfluß der Temperatur auf die organischen Gestalten der Urwelt umfaßt (zitiert nach Jahn 1969, S. 184).

12 Tage später schrieb Humboldt an Darwin einen langen Dankbrief in französischer Sprache, der auf viele Einzelheiten von Darwins Beobachtungen eingeht.

Es gehört zu meinen eigenen Erfolgserlebnissen, 1966 den Antwortbrief von Humboldt an Darwin in Cambridge ermittelt und ihn erstmals – in deutscher Übersetzung - im Jubiläumsjahr 1969 veröffentlicht zu haben (Jahn 1969, S.185-190).

Der Brief ist bemerkenswert und noch bedeutsamer als das Schreiben an Schleiden, aber viel zu lang, um an dieser Stelle in extenso zitiert zu werden. Man findet ihn in dem Büchlein über Humboldts biologische Forschungen, das ich Ihnen als Gastgeschenk mitgebracht habe. Hier einige wenige Passagen:

„Sie sagen mir in Ihrem freundlichen Brief, daß meine Art, die Natur der heißen Zonen zu studieren und zu zeichnen, dazu beitragen konnte, in Ihnen den Eifer und das Verlangen nach weiten Reisen zu entfachen. Nach der Wichtigkeit Ihrer Arbeit wäre das der größte Erfolg, den meine schwachen Arbeiten erreichen konnten. Die Werke sind nur gut, so weit sie bessere entstehen lassen.“ (Jahn 1969, S. 185.)

Dieser Brief Alexander von Humboldts an Charles Darwin ist inzwischen auch im Original veröffentlicht und wird zusammen mit über 10.000 Humboldt-Briefen in der Alexander-von-Humboldt-Forschungsstelle der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften aufbewahrt, die 1959 aus Anlaß des 100. Todestages Alexander von Humboldts gegründet wurde und der ich von 1962 bis 1967 angehörte.

Sie sammelt und ediert seit über 40 Jahren die weit verstreute Humboldt-Korrespondenz, neben umfangreicher Literatur wie z. B. auch über die Humboldtfeiern im Jahre 1869.

So ist realisiert worden, was man in Schleidens Festrede lesen kann. Er sagte 1869:

Wir dürfen „als gültig annehmen, daß wie ein folgendes Jahrhundert in dem Verständniß und der Anerkennung Humboldt’s weit über unsern gegenwärtigen Standpunkt hinausgehen wird, so auch die Theilnahme an einem zweiten Jubiläum eine extensiv und intensiv bedeutendere sein wird.“ (Schleiden 1869, S. 496.)

Nun – dieses Jubiläum 1969 erlebte ich in Berlin mit und konnte schon die Früchte der zehnjährigen Sammeltätigkeit ernten, da erst die Erschließung der umfangreichen Korrespondenz Humboldts ein Bild seines Lebens und Wirkens vermitteln kann.

Der erste Vorsitzende des Magdeburger „Naturwissenschaftlichen Vereins“ konnte für seine Festrede nur die Korrespondenz mit Varnhagen von Ense benutzen, Schleiden lagen darüber hinaus die Briefausgaben von Berghaus, Bunsen und Cancrin vor, als er sagte, daß Humboldt jährlich zwischen 2000 und 3000 Briefe schrieb und noch weit mehr erhielt. Aber:

„Leider ist bis jetzt von seinem Briefwechsel nur wenig der Oeffentlichkeit übergeben worden, und doch gehört die Kenntniß desselben so wesentlich mit zur Beurtheilung seiner wissenschaftlichen Leistungen und des Einflusses, den er auf seine Mitwelt ausübte. Das bei weitem meiste davon würde bedeutend sein, da er schon grundsätzlich keinen Brief beantwortete, der nicht eine bestimmte Frage oder Bitte enthielt. Was sein Briefwechsel war, kann man vorläufig nur aus persönlicher Bekanntschaft und den Mittheilungen seiner Freunde erfahren.“ (Schleiden 1869, S. 494.)

Wie recht Schleiden damit im Jahre 1869 hatte, kann man ermessen, wenn man das Vorwort zu dem ersten von der Alexander-von-Humboldt-Kommission 1973 herausgegebenen Briefband liest, der nur die Jugendbriefe von 1787-1799 enthält, und der schon über 700 Seiten (480 Briefe) umfaßt. Damals – vor 30 Jahren – waren über 10.500 Briefe von Humboldt und über 2.700 an ihn gerichtete Schreiben von rund 2.300 Korrespondenten erfaßt, die noch längst nicht alle veröffentlicht sind.

Wie bereits durch Schleiden, so wurde damals durch Biermann 1973 darauf hingewiesen, daß jemand, der Humboldt kennenlernen will, sich nicht allein an seine Werke halten könne.

„In ihnen hat Humboldt oft Rücksichten nehmen, manches unterdrücken, anderes ungesagt lassen müssen. Der bekannte Leibniz-Ausspruch ‚Wer mich nur aus meinen Veröffentlichungen kennt, der kennt mich nicht’, ist in gleicher Weise auf Alexander von Humboldt anwendbar.“ (Jahn und Lange 1973, S. IX.)

Diesen Grundsatz berücksichtigte aber schon Ihr erster Festredner Georg Gerland, als er 1869 vor allem den Briefwechsel mit Varnhagen heranzog.

 Meine Damen und Herren,

Sie sind heute zu einem wichtigen Ereignis zusammengekommen, das nicht weniger bedeutsam ist als das im ersten Gründungsjahr 1869. Es stand damals im Zeichen der Humboldtfeiern anläßlich seines Geburtsjubiläums am 14. September, und so bestand Ihr Wunsch darin, das Gedenken an Alexander von Humboldt wieder lebendig zu machen.

Sein Leben und sein Werk und die Literatur darüber sind zu gewaltig, um einen Überblick in einen Abendvortrag zu drängen. Sie knüpfen heute an eine würdige Tradition an, und so möchte ich meine guten Wünsche für die Neubegründung Ihres Vereins vor einem Jahr mit den Worten Gerlands beschließen, die merkwürdig aktuell klingen:

„Es steht ja in unser aller Hand und ganz allein nur da, daß unsere Zeit wieder zur ansteigenden Kurve werde; und nur wenn uns dieser Festtag ernst und dauernd begeistert, darnach zu streben, nur dann feiern wir Alexander von Humboldt würdig." (Gerland 1869, S. 31.)

   

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