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Symposium |
Teilnehmer/ Tagungsstruktur
Teilnehmer
des Symposiums
Prof. Dr. Michael Zeuske
Vater der Unabhängigkeit -
Humboldt und die politische Transformation zur Moderne im spanischen Lateinamerika
Die Texte über die große Reise des deutschen Wissenschaftlers durch Amerika
(1799-1804) in ihrer Beziehung zu den Unabhängigkeitskriegen des kontinentalen
Hispanoamerika (1810-1830) waren bis jetzt in der Mehrheit Referenzpunkte, um die
"Ursachen" der Emanzipation aus einer independistisch-liberalen Perspektive zu
erklären. Humboldt als "Zeuge" verwandelte sich so in einen
"Klassiker" der eurokreolischen Identität und zu gleicher Zeit in das Rückgrat
der historiographischen Konstruktion nationaler Mythen, fast in einen "Vater der
Unabhängigkeit". All dies trotz des traditionellen Topos, daß Humboldt sich
während seines Aufenthaltes in Venezuela über die Reife des Emanzipationsprozesses
getäuscht hätte.
Die humboldtschen Tagebücher, vor einigen Jahren erstmals in Teilen publiziert,
erlauben eine entgegengesetzte und neue Perspektive, d.h. es ergibt sich die Möglichkeit,
die Urteile Humboldts von vor 1808/1810 mit den Prozessen danach und mit seinen
publizierten Texten zu vergleichen. Die Situation vor 1810 wurde durch Humboldt selbst als
Zwischenergebnis der boubonischen Reformen interpretiert. Im vorliegenden Aufsatz
vergleichen wir einerseits die Perspektive des humboldtschen Reisetagebuches mit den
neueren Forschungen über die Zeit von 1810 bis 1830 und das Verhalten der kreolischen
Eliten in dieser Zeit (wir beschränken und vorwiegend auf Venezuela und Kuba) sowie,
andererseits, mit den von Humboldt publizierten Texten nach 1810. Diese Vergleiche lassen
die Positionsänderung Humboldts vom liberalen Reformisten zum sehr kritischen Anhänger
der "Freiheit" in Amerika erkennen. Aber vor allem zeigen sie das
antiindependistische Verhalten der erdrückenden Mehrheit der amerikanischen Eliten.
Humboldt war "kein Vater der Unabhängigkeit". Aber die überlebende Elite, vor
allem Venezuelas (und anderer Territorien), konstruierte den Mythos, um ihre eigenen
Aktivitäten vor und während der Unabhängigkeitskriege zu verbergen.
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* 1952 in Halle/S. Studium der Geschichte und
Philosophie in Leipzig. Aufbaustudium zur Geschichte Lateinamerikas und Spaniens bei
Manfred Kossok, Leipzig. 1984 Promotion und Wissenschaftlicher Assistent der Sektion
Geschichte an der Karl-Marx-Universität in Leipzig. Forschungsaufenthalte an der
Universität Havanna, Kuba und in Spanien (Madrid, Sevilla, Barcelona). |
Leiter der Iberischen und Lateinamerikanischen Abteilung des
Historischen Seminars der Universität Köln und Leiter der Abteilung Spanien/Amerika des
Institutes für Universal- und Kulturgeschichte der Universität Leipzig, Habilitation
1991. Seit 1993 Professor für Iberische und Lateinamerikanische Geschichte an der
Universität Köln.
Veröffentlichungen (Auswahl): Alexander
von Humboldt und das neue Geschichtsbild von Lateinamerika (hg.mit B. Schröter)
(1992); Transformación, reforma y revolucíon en la historia de América Latina:
1750-1898 (1996); Nach der Sklaverei. Grundprobleme amerikanischer
Postemanzipationsgesellschaften (1997);Kuba 1492-1902. Kolonialgeschichte (mit Max
Zeuske) (1998); Regiones europeas y América Latina (mit Ulrike Schmieder) (1999).
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