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Stand: 12. August 2005
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H i N

Alexander von
HUMBOLDT im NETZ

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HiN                                                     II, 2 (2001)
 
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International Review for Humboldtian Studies
Revista Internacional de Estudios Humboldtianos
Internationale Zeitschrift für Humboldt-Studien

 

Heinz Krumpel

Zur Aneignung und Verwandlung der Ideen Humboldts und Krauses in Lateinamerika
– Gemeinsamkeiten und Unterschiede –

 

Neben Alexander von Humboldt ist es vor allem der in Deutschland größtenteils unbekannt gebliebene Philosoph Karl Christian Friedrich Krause (1781-1832), dessen Ideen im lateinamerikanischen Kulturraum wesentliche Bedeutung zukommen. Obwohl Krause im Unterschied zu Humboldt erst Anfang der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Ländern Lateinamerikas bekannt wird, zeigt ein Vergleich der Lektüre von beiden, dass das darin enthaltene Aufklärungspotential mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede enthält. Wenn Humboldts amerikanische Forschungsreise z.B. in Mexiko verstärkt zur Aufnahme und Wirkung der Aufklärung aus dem deutschsprachigen Kulturraum anregte, so standen die Ideen Krauses dem nicht nach. Hegel, der die Auffassungen Krauses in das Museum philosophischer Irrmeinungen verbannte, irrte sich gründlich, denn sie trugen dazu bei, sein eigenes Denken sowie das von Kant, Fichte und Schelling in breiteren intellektuellen Kreisen Lateinamerikas bekanntzumachen.

Im Unterschied zu Humboldt, der schon zu Lebzeiten als zweiter Wiederentdecker Amerikas (Bolívar) gefeiert wurde, ist es ein erstaunliches Phänomen, dass der Kant-Schüler Krause zum Ahnherrn einer in Spanien wie auch in Lateinamerika weitgreifenden Neuerungs- und Reformbewegung werden konnte, die sich unter dem Namen Krausismo Geltung verschaffte. Beiden gemein ist, dass sich ihre Ideen praktisch manifestierten. So wurde Humboldts Essay über Neuspanien als Geburtsurkunde der mexikanischen Nation bezeichnet und zur Neuordnung des Landes herangezogen, und Krauses Ideen erhalten unter Hipólito Yrigoyen ihre politische Manifestation in der argentinischen Verfassung. Jedoch könnte das Persönlichkeitsprofil von Humboldt und Krause nicht unterschiedlicher sein. Auf der einen Seite steht der finanziell unabhängige ledige preußische Baron und auf der anderen Seite der als Vater von 14 Kindern in ständigen finanziellen Nöten lebende Krause. Auch Humboldts romantische Betrachtungsweisen im Rahmen der komplexen Einheit von Natur und Mensch unterscheiden sich von denen Krauses. Die durchgängige romantische Naturbetrachtung, die wir bei Humboldt finden, tritt bei Krause im Rahmen seines philosophischen Systems zurück, doch an verschiedenen Stellen seiner Arbeit werden bei ihm romantische Betrachtungen zum Naturverständnis sichtbar. So z.B. wenn er betont, dass die Natur keine bloße Sache ist, sondern jedes Naturgebilde einschließlich der Tiere und Pflanzen geachtet werden muss und einen eigenen Wert besitzt. Vernunftzweck und Mittel müssen zugleich der Würde der Natur gemäß sein. Erschwerend für die Verständlichkeit Krauses war, dass er seine philosophischen Gedanken in einer Symbolsprache verschlüsselte. Erst durch seine Schüler Heinrich Ahrens (1808-1874), Karl Röder (1806-1879) und Hermann Karl von Leonhardi (1809-1875) konnten sie dem Leser zugänglich gemacht werden.

Im Unterschied zu Krause ist Humboldt kein Anhänger eines philosophischen Systems. Als universaler Mensch ist er bemüht, den Kosmos, die lebendige Totalität, gedanklich zu durchdringen. In diesem Prozess geistiger Verarbeitung reflektieren sich bei ihm die Grundprinzipien der Aufklärung von der Frühromantik über Kant, Schelling bis Hegel. Mit dem philosophischen Kritizismus Kants ist er durch seinen Bruder Wilhelm vertraut, ohne sich darauf festzulegen. Krause dagegen geht mit voller Überzeugung von dem transzendentalen Idealismus Kants aus und entwickelt im Rahmen seiner panentheistisch begründeten Systemphilosophie sein aufklärerisches Denken. Dazu kommt, dass Krause im Unterschied zu Humboldt nie in Lateinamerika war. Erst durch die 1860 in Madrid erschienene spanische Übersetzung seines Werkes von Sanz del Río "Ideal de la Humanidad" (Urbild der Menschheit) und die Vermittlung seiner Ideen über die Belgische Schule (Ahrens, Tiberghien) gewann der Krausismo zuerst im Gebiet des Río de la Plata und dann weiterführend in Brasilien, Ekuador, Peru, Kolumbien und Mexiko an Bedeutung.

Auf die Frage, wieviel Krause im Krausismo enthalten ist, lässt sich nach neueren Forschungen eine ziemlich klare Antwort geben. So haben Untersuchungen von Ureña ergeben, dass Sanz del Río Krauses Werk nicht frei, wie ursprünglich angenommen, sondern wörtlich in die spanische Sprache übersetzt hat. Auch die Veröffentlichungen von Guillaume Tiberghien (1819-1901) und Ahrens sind authentischer Ausdruck des Denkens von Krause. Unter den zahlreichen Schriften Krauses waren es vor allem seine Arbeiten "Urbild der Menschheit" (1811) und der "Abriß des Systems der Philosophie des Rechts oder Naturrechts" (1828), die im lateinamerikanischen Kulturraum bekannt wurden.

Betrachtet man die lateinamerikanische Rezeption Humboldts und Krauses näher, so zeigt sich, dass diese durch verschiedene philosophische Strömungen geprägt werden. In den folgenden Ausführungen soll vor allem auf die Strömungen der Romantik und des Positivismus im 19. Jahrhundert und die des befreiungsphilosophischen Denkens im 20. Jahrhundert eingegangen werden. Ihre historische Wirksamkeit im lateinamerikanischen Kulturraum wird verständlich, wenn man den Problemkreis des Vergleichs, der Identität und Wechselwirkung zwischen dem philosophischen Denken Lateinamerikas mit in die Betrachtungen einbezieht.

Da hierzu Untersuchungen vorliegen, werden in den Darlegungen nur solche Aspekte skizziert, die den verschiedenen Humboldt- und Krause-Rezeptionen im 19. und 20. Jahrhundert ihr unverwechselbares Gepräge geben. Um dies zu verdeutlichen, sollen die folgenden Ausführungen in drei Schritte unterteilt werden.

Erstens kommt es darauf an zu zeigen, in welcher Weise die Philosophie der Romantik die Aneignung und Verwandlungsprozesse bestimmte. Zweitens wird gefragt, welche Bedeutung dem Positivismus zukommt und drittens soll auf die Humboldt-Rezeption im Kontext des befreiungsphilosophischen Diskurses eingegangen werden.

 

Zu erstens:

Die von den französischen Romantikern vertretene These, die Philosophie solle bei den sozialen Problemen ihre Anwendung erfahren, bestimmte auch die lateinamerikanische Rezeption der Ideen Humboldts und Krauses. Die lateinamerikanische Aufnahme der europäischen Romantik über französische Salons, wie dem der Madame de Staël und die spanische Vermittlung durch Böhl von Faber, sowie später durch die Arbeiten Friedrich Ludewig Bouterwecks, begeisterte das auf Unabhängigkeit von Spanien ausgerichtete Denken der Hispanoamerikaner in allen lateinamerikanischen Städten von Buenos Aires bis Mexiko. Der romantische Geisteseinfluss charakterisierte seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die mexikanischen Neuansätze zur Bestimmung der kulturellen und nationalen Identität. Die lateinamerikanischen Emanzipationbestrebungen artikulierten sich in Identitätserfahrungen, die in einem romantisch geprägten Bewusstsein ihren Ausdruck erhielten. In diesem Kontext wird Humboldt unter verschiedenen Aspekten rezipiert.

Mexikanischen Autoren zufolge ist die intellektuelle Entwicklung Humboldts zugleich rationalistisch und romantisch bestimmt. In den mexikanischen Rezeptionen erhält das in unterschiedlicher Weise seinen Ausdruck. Für Ignacio Ramírez z.B. ist Humboldt erstens romantisch, da seine historischen Urteile stets in harmonischer Übereinstimmung von Natur und Gesellschaft erfolgen. Zweitens verbindet Ramírez mit der Romantik die Bedeutung von Humboldts liberalem Schaffen in Mexiko. Drittens ist für ihn Humboldts Beschäftigung mit der Beobachtung der Wirklichkeit und den Beziehungen, die zwischen den Tatsachen bestehen, wesentlich. Nach seiner Meinung vollzieht Humboldt als Symbol des Fortschritts seine "regenerierende und nachforschende Verlobung mit der amerikanischen Jungfrau."

Im Unterschied dazu stehen romantische Humboldt-Rezeptionen auch im Dienst germanophiler Deutungsversuche, wie z.B. bei Sálado Alvarez. So vertritt dieser die Meinung, dass vor der Ankunft Humboldts in Neuspanien nur Arroganz und Dunkelheit geherrscht habe. Alvarez bezeichnet die Ankunft Humboldts in Mexiko als "[...] den Schritt aus der Barbarei ins zivilisierte Leben, als Veredlung einer fast perfekten Gesellschaft." Es ist das Verdienst von Juan Ortega y Medina, mit einer derart falsch verstandenen romantisierten "humboldteanización" aufgeräumt zu haben.

Anders als E. O‘Gormann, der bei Humboldt romantische, mystische und antirationalistische Züge zu sehen glaubt, macht Minguet geltend, dass in der Weltanschauung Humboldts die Auffassung von einem Naturganzen zum Ausdruck kommt, in dem sich die darin enthaltenen immanenten Gesetze mit dem Fortschrittsmythos und dem Glauben an die Einzigartigkeit des Menschen verbinden. Ortega y Medina zeigt, wie Humboldt aus der landeskundlichen Perspektive Mexikos die Menschen als integrierten Bestandteil einer Landschaft betrachtet, die zugleich als kultureller Raum verstanden wird. Velazquez Mejía spricht von "unser[em] Humboldt zwischen den Strapazen der Wissenschaft und romantischer Sehnsucht [...] Humboldt besaß nicht nur eine große Fähigkeit, die geographische Literatur meisterlich zu beherrschen, sondern sein Stil erreichte eine Tonart, die uns Seiten von Novalis in Erinnerung ruft."

Nach Cerutti ist Humboldt mit seiner romantischen Betrachtung von der komplexen Einheit von Mensch und Natur auch ein großer Bilderstürmer und Zerstörer von Mythen, der gründlich mit den herabwürdigenden Auffassungen eines Buffon oder Raynal aufräumt. Er vertraut der Aufklärung, welche die Gesellschaft zur sittlichen Vervollkommnung führt und zur Niederreißung aller Rassenschranken führt. An diesem Punkt treffen sich die Ideen Humboldts und Krauses. Die Philosophie Krauses entsprach in vielerlei Hinsicht den lateinamerikanischen Belangen: Einmal wegen der romantischen Betrachtung bezüglich einer kommenden Verbesserung der Gesellschaftsverfassung und einer damit verbundenen rationalistischen Erkenntnistheorie, und zum anderen wegen ihrer Orientierung auf eine gesellschaftsverändernde Haltung und dem Bemühen um Aktivierung und Neubestimmung des intellektuellen Wirkens. Der romantische Rationalismus Krauses, seine Fortschrittsgläubigkeit und die auf den individuellen Motivationshorizont des Menschen ausgerichtete gedankliche Orientierung kamen der lateinamerikanischen Mentalität entgegen.

Betrachtet man Humboldts Ausführungen zur Bildungsfähigkeit aller Menschen, seine Ablehnung von jeglichem Rassismus ("Das Glück der Weißen ist auf das innigste mit der kupferfarbenen Rasse verbunden"), seine Kennzeichnung der institutionellen Praxis klerikaler Einrichtungen und Beschreibungen geistlicher Despotie, der Vertreibung und Entvölkerung, von wirtschaftlichem Raubbau, Rechtlosigkeit, Demütigung und Misshandlungen, so wird die Übereinstimmung seines aufklärerischen Denkens mit dem von Krause deutlich.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die drei Problemfelder, die Humboldts Lateinamerikasicht bestimmen, sein kritisches Urteil über den Kolonialismus, seine positive Einstellung zur Unabhängigkeitsrevolution und seine entschiedene Haltung in der Ablehnung der Sklaverei den aufklärerischen Intentionen Krauses ähnlich sind. Ohne in die begriffliche Spezifik und Eigenwelt des philosophischen Systems Krauses (was sich äußerst kompliziert gestalten würde) einzudringen, lassen sich seine Gedanken wie folgt zusammenfassen.

– Krause sah im Rassismus eine große Bedrohung. Für ihn besteht der Inhalt jeder humanitären Gesellschaft in der Unteilbarkeit der Menschennatur. Daraus folgt die Unrechtlichkeit der Sklaverei. Der Kampf gegen Rassismus ist eine Rechtspflicht für alle Menschen, jede Rasse hat ein Recht auf Ausbildung ihrer eigenen Begabung unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Bedürfnisse. Die Begründung des Rechtsbegriffs erfolgt nach ihm aus dem Wert der Solidarität aller Menschen. Das individuelle Recht kann sich nur verwirklichen, wenn die ganze Menschheit auf Erden als ein gesellschaftliches Ganzes vollendet sein wird. Aufgabe der Rechtsphilosophie ist es zu begründen, dass die Pflicht der Mitteilung wissenschaftlicher Erkenntnisse ein Recht aller Menschen ist. Vernünftiges Leben erfordert nach Krause die Ausbildung aller Fähigkeiten des Menschen. Damit ist nicht nur formales Recht der freien Berufswahl, sondern umfassendes Recht auf Bildung verbunden.

– Letztlich orientiert er im Sinne der Aufklärung auf menschliches Glück und menschliche Würde. Jeder Mensch soll eine vernünftige Selbstverwirklichung durch Erlangen von Lebensgütern finden. Aus dem Recht auf Denkfreiheit folgt ein Recht auf Erziehung, da der ungebildete Mensch nicht über die Möglichkeit des eigenen Denkens verfügt. Hier sei nur erwähnt, dass die humanitären utopischen Orientierungen Krauses auch in seiner Strafrechtstheorie zum Ausdruck kommen. Er lehnt jede Vergeltungstheorie zur Begründung von Strafe ab. Der Strafe durch Freiheitsverlust für den Täter stimmt er zu, aber Erziehung und Bildung zu einem sittlichen freien Willen und Verschaffung von Arbeitsgelegenheiten sind für ihn primäre Erfordernisse. Betrachtet man die Gesamtheit der Rechtsauffassung Krauses, so ist vor allem seine Begründung des Rechtsbegriffs aus dem Wert der Solidarität aller Menschen zu beachten.

Ein Vergleich zwischen Humboldts und Krauses Betrachtungsweise verdeutlicht das unterschiedliche terminologische Herangehen bei der Erfassung von Wirklichkeitsprozessen. Humboldt geht bei seinen Untersuchungen von dem Erfahrungshorizont eines Forschungsreisenden aus. Insofern sind seine Betrachtungen anschaulich nachvollziehbarer als die des Philosophen Krause. Dieser hingegen bringt die Wirklichkeit mittels der philosophischen Abstraktion auf den Begriff. Mit der Hinwendung zum Allgemeinen entfernt er sich jedoch nicht von der Realität, sondern dringt tiefer in sie ein. Bei aller methodischen Unterschiedlichkeit des Vorgehens von Humboldt und Krause treten die Gemeinsamkeiten ihrer aufklärerischen Intentionen deutlich zutage.

Umwälzend wirkten Krauses Gedanken über die Rolle der Frau. Er forderte das Recht der Frauen, weibliche Gleichberechtigung für Wissenschaft und Kunst sowie für das Staatsleben, einschließlich aller Teile der menschlichen Selbstbestimmung. Sicher stimmt Humboldt aus der Perspektive seines Gleichheitsprinzips dem zu, doch in dieser prägnanten Behandlung der Thematik war Krause seiner Zeit voraus. Zusammenfassend kann man festhalten, dass sowohl Humboldts als auch Krauses romantischer Rationalismus in dieser Epoche zum Kriterium einer liberalen Haltung für die neueren sozialen und wissenschaftlichen Entwicklungsprozesse in Lateinamerika wurde. Ihr Denken steht für die liberale Entwicklung gegen konservative Kräftekonstellationen.

 

Zur Bedeutung des Positivismus

Die Rezeption der Ideen von Humboldt und Krause wurden im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts vor allem durch den Positivismus geprägt. Das positivistische Denken Auguste Comtes (1798-1857) gewann in Mexiko, Argentinien und anderen lateinamerikanischen Ländern an bestimmendem Einfluss. Nach den Unabhänigkeitskriegen erwies sich in den lateinamerikanischen Nationalstaaten die Romantik zwar als eine geistige Bewegung zum Nutzen liberaler Ideen und des Fortschritts, doch es fehlte an einer Philosophie, die dafür Inhalt und Ziele festlegte.

Die Eigenart dieser Zeit bestand darin, dass sich zwar im Geiste der Unabhängigkeitsbewegung die Begeisterung für die Romantik entwickelte, die meisten Romantiker jedoch an einem Punkt zu Positivisten wurden, als sich zeigte, dass sich mit ihren romantischen Ansichten nach Unabhängigkeit keine politische und ökonomische Konsolidierung erzielen ließ. So gewann Comtes Drei-Stadien Theorie für die Lateinamerikaner eine spezifische Bedeutung. Die Theorie der drei Stadien lautete nach Comte: "Jeder Zweig unserer Erkenntnis durchläuft der Reihe nach drei verschiedene Zustände (Stadien), den theologischen oder fiktiven Zustand, den metaphysischen oder abstrakten Zustand und den wissenschaftlichen oder positiven Zustand."

Viele Lateinamerikaner sahen darin eine Reflexion ihrer eigenen Erfahrung. So wurde in der ersten Etappe, d.h. in der theologischen Zeit, die Geschichte Spaniens gesehen. Gabino Barreda fasst die theologische Zeit als die koloniale Abhängigkeit auf, die dann durch die metaphysische Etappe abgelöst wird (zu der auch die Romantik gehört) und die Zeit der Unabhängigkeit darstellt. In der dritten Etappe schließlich unter der Regierung von Benito Juárez (1806-1872) und in der Zeit von Porfirio Díaz (1976–1910) dominiert der Positivismus als philosophisches Programm der neuen Gesellschaft. Es diente als ein geistiges Credo zur Herausbildung eigener Identitätsbestimmungen. Der Staat wurde als oberste Instanz der sozialen Ordnung angesehen, der auch die Priorität der Freiheit besaß. In dieser Umgebung bildete sich eine Gruppe heraus, die als "Los Científicos" bezeichnet wurde und die ihre Aufgabe darin sah, den Staat in einer positivistisch wissenschaftlichen Weise zu führen.

Das Humboldt-Bild wurde in dieser positivistischen Zeit durch drei Ebenen charakterisiert.

Erstens wurde in Fortführung der Auffassung des "Congreso Constituyente Mexicano" von 1924 Humboldts "Essay politique sur le royaume de la Nouvelle-Espagne" weiterhin als offizielles Dokument für die Neuorganisierung des Landes betrachtet. Im Vordergrund standen die von Humboldt gemachten Hinweise zu technischen Erneuerungen des Landes. Seine geographischen und naturwissenschaftlichen Untersuchungen standen dabei im Mittelpunkt der Betrachtung. Weniger Beachtung fanden seine sozialkritischen Reflexionen, wie z.B. Schilderungen über die Ausbeutung und das Elend der Indios. In der Zeit des Positivismus rückten Aspekte des Humboldt-Bildes in den Mittelpunkt der Betrachtung, die in ihrer technischen, naturwissenschaftlichen Orientierung unmittelbar der produktiven Entwicklung des Landes dienen sollten.. Im "Archivo de la Minería" von Mexiko-Stadt findet man z.B. in den "Anales de la Asociación de Ingenieros y Arquitectos" und vielen anderen Quellen zahlreiche Nachweise zur Rezeption der Ideen Humboldts in dieser Epoche. Elias Trabulse hat in seiner "Historia de la Ciencia en México" u.a. auch das Humboldt-Bild dieses Zeitalters aufgearbeitet.

Auf der zweiten Ebene erfolgt die positivistische Interpretation Humboldts durch Emigranten aus dem deutschsprechenden Kulturraum. Dazu zählt u.a. der in Berlin geborene Stephan Benecke (1808-1879), der in Mexiko die nationale Handelskammer gründete. Als Mitglied der "Sociedad de Geografía" (1872) sammelte er unter Bezugnahme auf das Denken Humboldts zahlreiche geographische, statistische und Handelsdaten. Ebenso trug Pedro Boker, der 1863 ein mit Handwerksartikeln ausgestattetes Familienunternehmen gründete, zur Verbreitung des positivistischen Humboldt-Bildes bei. Er beteiligte sich u.a. aktiv an der Gründung der deutschen Schule in Mexiko-Stadt, die von Porfirio Díaz 1894 eingeweiht wurde.

Auf der dritten Ebene erhält das Humboldt-Bild im Zeitalter des Positivismus seine Aufwertung durch deutsche Forschungsreisende, die von Alexander und Wilhelm von Humboldt (der sich mit vergleichender Sprachforschung beschäftigte) dazu angeregt wurden, altamerikanische Kulturen, ihre Mythen, ethnische, linguistische, u.a. Besonderheiten zu untersuchen. Dazu gehörte Ende des 19. Jahrhunderts auch das Ehepaar Eduard und Cecilia Seler-Sachse, die die wissenschaftlichen Grundlagen für die moderne Mexikanistik legten. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Positivismus im Zeitalter des Pofirio Díaz ein Humboldt-Bild prägte, das der technischen, industriellen und wissenschaftlichen Entwicklung des Landes diente. Mexiko soll 1910 das am meisten entwickelte Land Lateinamerikas gewesen sein. Was die Ideen Krauses in Mexiko betrifft, so wirkten sie besonders in der Auseinandersetzung zwischen Vertretern metaphysischer und positivistischer Konzeptionen im Erziehungs- und Rechtswesen. Als Justiz- und Erziehungsminister Ignacio Mariscal (1829-1910) 1880 die Logik von Alexander Bain (1818-1903) durch philosophische Konzeptionen des Krausisten Tiberghien ersetzt, erreicht die Polemik ihren Höhepunkt.

Der Krausismo diente politischen Gruppen dazu, ihren Machtanspruch gegenüber dem Positivismus durchzusetzen. So stützten sich liberale Polemiker und Romantiker auf den Krausismo, um mittels der Metaphysik die absoluten Rechte von "Gott, Vaterland und Freiheit" zu verteidigen. "Sie versuchten, mit Hilfe des Krausismo die Eroberung des mexikanischen Liberalismus zu unterstützen, indem sie seine Ideale in absolute Ideale verwandelten." In diesem Sinne verteidigten José María Vigil (1829-1909) und Ignacio Manuel Altamirano (1834-1893) die Metaphysik, den Spiritualismus und den Krausismo gegen den Positivismus. Die Anhänger des Krausismo stützten sich dabei auf Argumente, die behaupteten, dass sich der Positivismus schädlich auf die Moral auswirke und sich gegen die Verfassung richte, da er nicht die Freiheit des Gewissens respektiere, außerdem verleite er mangels moralischer Wertorientierungen die Jugendlichen zum Selbstmord. Cerutti bemerkte dazu, dass der Krausismo wie eine liberale Waffe gebraucht wurde, um die Menschenrechte zu verteidigen.

Das von der "Escuela Preparatoria" erarbeitete logische Konzept, das sich an der krausistischen Philosophie von Tiberghien ausrichtete, setzt sich in Mexiko nicht durch. Die Anhänger Krauses können sich letztlich in dieser Polemik nicht behaupten, so dass 1882 die Logik Tiberghiens gegen die Ideen der Logik von Luis E. Ruíz (1857-1914) ausgewechselt wird. Im Gegensatz zu Mexiko kommt es aber beispielsweise in Argentinien zu einer Verbindung zwischen Krausismo und Positivismus. Dies zeigte sich vor allem auf dem pädagogischen Gebiet um die "Escuela Normal de Paraná".

An dieser von Domingo Faustino Sarmiento 1870 gegründeten Bildungseinrichtung dominierte der Positivismus Comtes. Pedro Scalabrini (1848-1912) z.B., der an dieser Bildungsstätte Pädagogik lehrte, entwickelte sich vom Krausisten zum Positivisten, ohne seine bisherigen metaphysischen Vorstellungen von der Ablehnung des Mechanismus, des groben Materialismus und der auf der Leibnizschen Substanzauffassung begründeten vitalen Spontanitätskonzeption aufzugeben. A. A. Roig bemerkt dazu: "Auf der ersten Etappe, in der der Krausismus dem Positivismus gegenübertrat, folgte dann eine zweite, in der er versuchte, sich ihn zu assimilieren. Diese Etappe wurde als Krauso-Positivismus bezeichnet. Es ist eine nicht nur zeitlich parallele Erscheinung zum spiritualistischen Positivismus der französischen Autoren, die aus der eklektischen Schule hervorgegangen sind."

Wenn in Argentinien im Rahmen des Krauso-Positivismus im pädagogischen Bereich in gewissen Grenzen sozialkritische Reflexionen wach blieben, so führte die positivistische Auseinandersetzung mit der Metaphysik in Mexiko, wie es sich in der mexikanischen Polemik mit dem Krausismo zeigt, zur Abschwächung dieses Denkens. Erst im 20. Jahrhundert gewinnt das Bild Humboldts und Krauses im Rahmen der befreiungsphilosophischen Strömung gewisse sozialkritische Akzente.

 

Befreiungsphilosophisches Denken

Neben der Lebensphilosophie, der Neuscholastik, dem Neothomismus, dem Neo-Kantianismus und dem Hegelianismus sowie den Spielarten der Existenzphilosophie nimmt die lateinamerikanische Befreiungsphilosophie im 20. Jahrhundert einen wesentlichen Stellenwert ein. Anknüpfend an die Ideen von José Gaos, Samuel Ramos u.a. werden die Aufgaben des befreiungsphilosophischen Denkens vor allem unter drei Gesichtspunkten gesehen.

Erstens soll es sich mit den großen universellen Gedanken und Ideen beschäftigen, aber auch mit der lateinamerikanischen Realität. Zweitens soll die hispanoamerikanische Philosophie die konkrete Problematik des Menschen behandeln und die damit verbundenen Werte untersuchen. Und drittens soll Philosophie betrieben werden, ohne den Vorsatz, amerikanisch sein zu müssen. Sie soll keine schlechte Kopie der europäischen Philosophie sein, sondern einfach nur originell und anders. In diesem Zusammenhang wird die Auffassung des kulturellen Erbes und der kulturellen Tradition bewusst in die begriffliche Standortbestimmung mit einbezogen. Die Frage nach der eigenen Identität wird als etwas permanent Werdendes aufgefasst. Identität und Geschichte bilden eine Einheit. In diesem Verständnis hat Samuel Ramos in seiner Historia de la Filosofía en Mèxico die Bedeutung Humboldts für sein Land gewürdigt.

In der Folgezeit gewinnt die Humboldt-Rezeption im Kontext der Aufarbeitung der historischen Zusammenhänge eine eigene Note. José Gaos fordert dazu auf, das Studium auf die mexikanische historische und soziale Realität zu orientieren. So wird das Humboldt-Bild dem Hegels gegenüber gestellt und bemerkt, dass nach Hegel die Individuen nur Instrumente der Universalisierung des absoluten Geistes oder der Vernunft sind. Statt dessen müsste aber, wie Humboldt es tat, von den historisch konkret existierenden Individuen ausgegangen werden, die als Schöpfer der Geschichte ihre eigenen Bewusstseins- und Handlungszusammenhänge tätigen.

Diese Sichtweise regte u.a. Rocío Ruíz de la Barrera an, in ihrem Beitrag "Humboldt en la formación de la conciencia mexicana" der Frage nachzugehen, ob das humanistische Erbe Humboldts für die Gegenwart Bestand hat. Dafür sind für sie vor allem zwei Aspekte maßgebend.

Erstens ist nach ihrer Ansicht die vorspanische Vergangenheit noch Teil des gegenwärtigen Mexiko. Denn bei aller Transformation, die das Land auf dem Wege zu einer modernen Gesellschaft durchmacht, gelten die Hinweise Humboldts und müssen Berücksichtigung finden bei dem Bemühen, die ernsten sozialen und ökonomischen Unterschiede zu überwinden. Dazu schreibt sie: "Obwohl schon eineinhalb Jahrhunderte Abstand zur Kolonialzeit bestehen, sind diese sozialen Aspekte noch vorhanden. Die soziale Ungleichheit und die Komplexität der räumlichen Verteilung ist eine Konsequenz des spezifischen historischen Prozesses, seit Mexiko ein unabhängiges Land ist. Diese Problematik wird zu einem zentralen Hindernis beim Übergang zur Modernität, nach der man sich seit zweihundert Jahren gesehnt hat."

Zweitens hat nach ihr Humboldt die Orientierung gegeben, die Modernisierung Mexikos auf dem Wege des Liberalismus und des Fortschritts voranzutreiben. Grundlage dafür ist die Befriedigung der individuellen Freiheit und des kollektiven Interesses, die im sozialen Liberalismus Mexikos verwurzelt sind. Sie kommt zu der Schlussfolgerung, dass Humboldt im mexikanischen Bewusstsein solange bedeutend sein wird, solange sein Werk sich als Geburtsurkunde der Nation behauptet.

In anderen Humboldt-Rezeptionen steht die These von der Wahrnehmung der Anderen im Mittelpunkt des Interesses. Anknüpfend an José Gaos, nach dem Kommunikationsprozesse sich nicht nur auf eine Beziehung zwischen Subjekt und Objekt beschränken lassen, habe Humboldt den Blick auf das Elend und die Ausbeutung der Indios und der unteren Schichten geschärft. Wird der sozial unten lebende Andere nicht als menschenwürdig wahrgenommen, ist keine Überwindung der sozialen Verhältnisse im humanistischen Verständnis möglich.

Juan A. Ortega y Medina zeigt, wie Humboldt in einer kritischen Distanz zu Leopold von Ranke stand, indem er die Geschichte als Einheit von oben und unten betrachtete. Humboldts Abstand zu anderen Historikern seiner Zeit wie Heinrich von Treitschke, Johann Gustav Droysen und Heinrich von Sybel wird dabei deutlich herausgearbeitet. In diesem Zusammenhang weist Ortega darauf hin, dass Humboldt, der die Auswirkungen der Jakobinerdiktatur von 1789 kannte, keinesfalls Anhänger eines undifferenzierten Fortschrittsoptimismus war. Vielmehr sah er in seinen Hoffnungsprinzipien die besten Momente der Aufklärung: "Die Zeit wird kommen, in der die Menschheit frei sein wird, aber wir sind noch weit davon entfernt". Auch hier zeigen sich Parallelen, wenn man Krauses "Ideal de la Humanidad" näher betrachtet. Humboldt bleibt wie Krause in bester aufklärerischer Tradition. Denn Krauses Ideal legitimiert weder die Herrschaft des Staates über das Individuum, noch die Herrschaft des Staates über die anderen, sondern "[...] es zielt auf solche Verbindungen, die eine Höherentwicklung im Sinne einer freien Entfaltung der jeweiligen Besonderheiten zulassen."

Im Unterschied zur permanenten Präsenz des Humboldtschen Denkens in Mexiko haben im 20. Jahrhundert die Ideen Krauses in der Form des spanischen Krausismo nur eine vorübergehende Wirkung. Nach dem spanischen Bürgerkrieg emigrierten eine Reihe Krausisten, die mit dem pädagogischen Modell der "Institución Libre de Enseñanza" in Spanien verbunden waren, nach Mexiko. Viele von ihnen waren auf diesem Wege dem Krieg und den Konzentrationslagern in Frankreich entronnen.

Hierzu muss bemerkt werden, dass der spanische Krausismo mit der Entwicklung der "Institución Libre de Enseñanza" untrennbar verknüpft ist. Nach Jaime Ferreiro Alemparte hat sich Spanien durch dieses Institut, das 60 Jahre unabhängig von staatlicher Kontrolle tätig war, in die europäische Kultur eingegliedert. Das Institut nahm einen wesentlichen Einfluß auf tiefgreifende Umwandlung des kulturellen, moralischen, sozialen und politischen Lebens in Spanien. Ohne die geistige Substanz dieses Instituts wäre auch die 1923 von Ortega y Gasset gegründete "Revista de Occidente" nicht möglich gewesen. Insofern fungierte das Institut als Mittler zwischen der europäischen und der lateinamerikanischen Kultur.

Ein bedeutender Vertreter des spanischen Krausismo in Mexiko war Joaquín Xirau (1895-1946), der als ehemaliger Dekan der Fakultät von Barcelona am Colegio de México sowie an der Universidad Nacional Autónoma de México unterrichtete. Als Vertreter des pädagogischen Krausismo vertrat er die Auffassung, dass der Zweck der Erziehung das Hervorbringen einer Person sei, die ihre Pflicht dem sittlichen Gesetz gegenüber aus eigenem Antrieb erfüllt. Die Wahl der Ideale und die Wertorientierung im Sinne der krausistischen Ideen gegenüber dem positivistisch pragmatisierten Lebensprozess ist der Inhalt des von ihm vertretenen erziehungsreformerischen Denkens.

Entsprechend seiner Überzeugung, dass die Krausisten in der Erziehungsreform in Spanien eine gravierende Umwälzung vollzogen haben, versucht er, die krausistischen Ideale auch in Mexiko umzusetzen. Im Mittelpunkt stehen dabei die von Krause vertretenen Prinzipien: Aufruf zur persönlichen Initiative; Sinn für die Abstufung der Schülergruppen je nach Alter; Bedachtsein auf vertikale und horizontale Zusammenarbeit; bedächtige und lenksame Freiheit, die überall herrschen soll, aber ohne Zügellosigkeit und Ungebundenheit; intime Beziehung zwischen der Schule und der Familie als erste Zelle der Gesellschaft und der Menschheit; endlich scharfer Sinn für das Ökumenische und Allgemeine, über jede Einteilung in Fächer hinaus.

In den mexikanischen Erziehungseinrichtungen bietet nach 1939 der Krausismo die Grundlage einer humanistischen Orientierung, wobei der Pazifismus an oberster Stelle stand. Die Ablehnung jeglichen Rassismus und die Liebe zur Natur waren ein zentrales Anliegen der Ausbildung die sich an den rechtsphilosophischen Ausrichtungen von Krause orientierte. Heute hat das pädagogische Ideal von Krause an Kraft verloren. Einige mexikanische Intellektuelle treten für eine Aufarbeitung und Untersuchung der Gründe des Niedergangs des Krausismo ein und plädieren für eine Auffrischung dieser bedeutenden Erziehertradition.

Bis heute haben im Unterschied zu Krause Humboldts Ideen in Mexiko und im lateinamerikanischen Kulturraum nicht an Kraft eingebüßt. Angesichts vorhandener globaler Zivilisationskrisen darf jedoch das humanistische Erbe Krauses nicht der Vergessenheit anheimfallen. Denn der darin enthaltene humanistische Wert besitzt für die Gegenwart nach wie vor seine Gültigkeit. Neben Humboldts Ideen regen auch die von Krause dazu an, über die Bilanz des Gewinns und des Verlustes der Moderne nachzudenken. Darüber hinaus stimulieren sie das Denken, die Moderne kritisch aufzuarbeiten und über ihre historischen Irrtümer und Wahrheiten zu reflektieren. Die Auseinandersetzung mit den konzeptionellen Wurzeln der Aufklärung bleibt eine immer wieder neu zu bewältigende Aufgabe.

 

Anmerkungen:

 

(1) Vgl. Heinz Krumpel, Die deutsche Philosophie in Mexiko. Ein Beitrag zur interkulturellen Verständigung seit Alexander von Humboldt, Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 1999.

(2) Vgl. Heinz Krumpel, Karl Christian Friedrich Krause und der Krausismo. Ein Beispiel außergewöhnlicher Wirkung deutscher Philosophie in Spanien und Lateinamerika. Wiener Jahrbuch für Philosophie, Band XXII/1990.

Vgl. auch K. Chr. F. Krause, Studien zu seiner Philosophie und zum Krausismo, hrsg. von Klaus-M. Kodalle, Felix Meiner Verlag Hamburg 1985.

(3) A. von Humboldt, Essai politique sur le royaume de la Nouvelle-Espagne, Paris [1809-]1811.

(4) Vgl. Karl-Christian Krause, Abriss des Systems der Philosophie des Rechts oder des Naturrechts, Göttingen, 1828.

(5) Wenn z.B. der deutsche Philosoph und Historiker Friedrich Ueberweg (1826-1871) zu seiner Zeit noch erwog, die Epoche des deutschen Idealismus durch den Namen Krause zu ergänzen, so scheiterte das u.a. daran, dass Krauses romantische Ansichten nicht der Strenge des philosophischen Begriffs entsprachen.

(6) Anmerkung: Als Julian Sanz del Río (1814-1869), Professor für Philosophie an der Madrider Zentraluniversität, auf einer Bildungsreise in Brüssel den Rechtsphilosophen Heinrich Ahrens kennenlernte, empfahl ihm dieser, das Studium der krausistischen Philosophie in Heidelberg bei den Krause-Schülern Leonhardi und Röder aufzunehmen. Bevor Sanz del Río Krauses "Urbild der Menschheit" übersetzte, waren schon in den Jahren von 1830 bis 1833 durch einige Exilspanier, die Vorlesungen bei Ahrens an der Sorbonne gehört hatten, die Ideen Krauses in der spanisch-sprechenden Welt bekannt geworden. Die Übersetzung von Ahrens’ Buch "Naturrecht oder Philosophie des Rechts" wurde bereits im Jahre 1841 in der spanischen Hauptstadt veröffentlicht.

(7) Vgl. Enrique M. Ureña, K. C. F. Krause, Philosoph, Freimaurer, Weltbürger. Eine Biographie, Stuttgart, 1991.

(8) Vgl. Heinz Krumpel, Philosophie in Lateinamerika, Grundzüge ihrer Entwicklung, Akademie Verlag Berlin 1992.

(9) Die Hispano-Amerikaner, die seit Mitte des 18. bis Mitte des 19. Jahrhundert in Europa waren (Miranda, P. Servando Teresa de Mier, Simón Rodríguez, Bolívar, Andrés Bello, Nariño, O‘Higgins u.a.) werden mit der romantischen Bewegung in Europa unmittelbar konfrontiert. Die europäischen Romantiker wiederum sind inspiriert von den Vorstellungen eines idealen Amerikas, in dem die Freiheit des Menschen ihren Platz hat.

(10) In den in Lateinamerika rezipierten Werken von Montaigne, Rousseau, Montesquieu und Diderot nimmt der "gute Wilde" der neuen Welt einen zentralen Platz ein. Er erscheint als das Ideal des Freiheitssuchers, der den Monarchen absetzt und das natürliche Recht auf Unabhängigkeit proklamiert. Der heroische Azteke Cuautemoc, der bis zum Tod kompromisslos bleibt, wird zum Ideal der romantischen Helden überhaupt. In diesem Sinn übt die europäische Romantik auf den Jesuiten Xavier Clavijero (1737-1787) und den Dominikaner Servando Teresa de Mier (1765-1827) einen entscheidenden Einfluss aus. In ihren Arbeiten erfolgt eine romantische Aufwertung der mexikanischen indianischen Vergangenheit und des naturrechtlichen Denkens. Besondere Begeisterung weckten die exotischen und romantisch-humanitären Ideale von Chateaubriand. 1801 übersetzte Teresa de Mier dessen Arbeit "Atala".

(11)  Vgl. Leopoldo Zea, Dos Etapas del Pensamiento en Hispanoamérica, El Colegio de México, 1949. Horacio Cerutti, Ein Gemälde großen Elends - Alexander von Humboldt und die dritte Welt, in: Loccumer Protokolle, 10/92, S. 153-167.

(12) Ignacio Ramírez, En Honor del Baron Alejandro de Humboldt, México, D.F., 1904, S. 9, in: Anales de la Asociación de Ingenieros y Arquitectos, Tomo XIII, discurso de Agustín Aragón. Altamirano hält diese Einschätzung von Ramírez für so poetisch wie die Untersuchung einer Tragödie von Äschylos oder ein Lied von Dante. Er bezieht sich dabei auf den romantischen Geist, der bei Friedrich Schiller in seiner Einführungsrede an der Universität Jena zum Ausdruck kommt, und vergleicht ihn mit dem von Rodríguez. Er hält die Rede von Ramírez für eine gelungene philosophische Synthese, in der neben dem französischen Einfluss vor allem die deutschen Ideen zum Ausdruck kommen. A.a.O.

(13) Zitiert aus: Juan A. Ortega y Medina, Humboldt desde México, México, D.F., UNAM, 1966, S. 113.

(14) Vgl. Juan Ortega y Medina, Humboldt desde México.

(15) Vgl. Charles Minguet, Alejandro de Humboldt, Historiador y geógrafo de la América Española (1799-1804) 2 Bde., Universidad Autónoma de Méxiko, 1985.

(16) Manuel Velazques Mejía, Alexander von Humboldt als Vermittler zwischen Europa und Lateinamerika, Voraussetzungen und Konsequenzen, in: Loccumer Protokolle, 10/92, S. 115-125, Zitate S. 119-120.

(17) Horacio Cerutti, Ein Gemälde großen Elends - Alexander von Humboldt und die dritte Welt, a.a.O, S. 158.

(18) Alexander von Humboldt, Versuch über den politischen Zustand des Königreichs Neu-Spanien, Tübingen 1809-1814, Bd. 5, S. 55.

(19) Vgl. Von der Scholastik zum Positivismus, in: Heinz Krumpel, Philosophie in Lateinamerika, a.a.O. S. 139-169.

(20) Vgl. Elias Trabulse, Historia de la Ciencia en México, Colegio de México, Version abreviada, Fondo Nacional de Ciencia y Tecnología, Fondo de Cultura Económica, México D.F., 1988.

(21) Anmerkung: Das heute bestehende Familienunternehmen Pedro und Klaus Boker konnte 1998 auf ihr 133-jähriges Bestehen zurückblicken. Die heutige interkulturelle Bedeutung der deutschen Schule (Colegio Alemán de México "Alexander von Humboldt") als Mittler zwischen zwei Kulturen ist auch das Ergebnis der jahrelangen kulturellen Arbeit der Bokers.

(22) Dazu gehören u.a. die Arbeiten von Eduard Buschmann (1805-1880) "Über aztekische Ortsnamen" (1853), von Eduard Mühlenpford (1804-1888) "Versuch einer getreuen Schilderung der Republik Mexiko" (1844), von Carl Bartolomäus Heller (1824-1880) "Reisen in Mexiko in den Jahren 1845-1848" und von Julius Froebel (1805-1893) "Aus Amerika, Erfahrungen, Reisen, und Studien" (1857-1858).

(23) Vgl. Dieter Nohlen, Mexiko, in: Dieter Nohlen, Franz Nuscheler (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Bd. 3, Hamburg, 1982, S. 123.

(24) Leopoldo Zea, El Positivismo en México: nacimiento, apogeo y decadencia, México 1968, S. 120.

(25) Vgl. Horacio Cerutti, La Influencia del Krausismo en México, in: El Krausismo y su influencia en América Latina, Fundación Friedrich Ebert, Instituto Fe y Secularidad, Madrid 1989, S. 218.

(26) Vgl. zur Polemik zwischen Krausisten und Positivisten, Der Krausismo als Mittler deutscher Philosophie, in: Heinz Krumpel, Die deutsche Philosophie in Mexiko, Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 1999, S. 124-142.

(27) Anmerkung: In Argentinien, wo der Krausismo zuerst an Einfluss gewann, wurde er zum Wegbereiter liberaler Ideen in der Auseinandersetzung mit der verknöcherten Scholastik. Hier erfolgte seine Rezeption vor allem unter dem Gesichtspunkt des ethischen Naturrechts und nicht unter dem der panentheistischen Metaphysik. Darüber hinaus trugen der Solidaritätsgedanke und die ethische Orientierung des krausistischen Denkens dazu bei, dass gegenüber der individualistischen Ausrichtung des klassischen Liberalismus (seiner Unterordnung unter die Interessenlage der Oligarchie) die soziale Orientierung im argentinischen Liberalismus gestärkt wurde. Die romantische Sichtweise des Krausismo floss in eine Verteidigung des Nationalen gegenüber der schrankenlosen Öffnung äußerer Einflüsse nieder. Roig spricht hier von einem gemäßigten Liberalismus, da er eine mittlere Position einnahm zwischen dem vom britischen Handelskapitalismus bestimmten Liberalismus und dem traditionellen Nationalismus. In Argentinien wirkte der Krausismo vor allem im juristischen und rechtsphilosophischen Bereich und erhielt seinen praktischen Ausdruck im Rahmen der Politik und des Erziehungswesens erhielt.

(28) Arturo Andrés Roig, Los Krausistas argentinos, Edit. José M. Cajica, Puebla, México, 1969, S. 388.

(29) Vgl. Der Logos im Lichte des lateinamerikanischen Verständnisses, in: Heinz Krumpel, Philosophie in Lateinamerika, a.a.O., S. 241-245.

(30) Ebd., S.241ff.

(31) Samuel Ramos, Historia de la Filosofia en México, in Obras Coletas Band II, Universidad Nacional Autónoma de México 1990, S. 173ff.

(32) Vgl. Leopoldo Zea, Alejandro von Humboldt, Autodescubrimiento de Amerika, in: Loccumer Protokolle, 10/92, S. 43-44.

(33) Rocío Ruíz de la Barrera, Humboldt en la formación de la conciencia mexicana. Breve reflexión, in: Ilustración Española, Reformas Borbónicas y Liberalismo Temprano en México, Universidad Autónoma Metropolitana, 1992.

(34) Rocío Ruíz de la Barrera, Humboldt en la formación de la conciencia mexicana, a.a.O. S. 165ff.

(35) Raúl Alfonsin, ¿Qué es el Radicalismo? México, 1984, S. 24-25.

(36) Anmerkung: Giner de los Ríos, der dieses Institut 1876 gründete, beeinflusste mit Sanz del Río eine Generation, die an den spanischen Universitäten das philosophische Denken von Fichte, Schelling, Hegel u.a. verbreitete. Castillejo bemerkt dazu: "Die Philosophie von Giner ließ sich von allen fruchtbaren Ideen seiner Zeit beeinflussen. Sie ließ sich von Kant und Rousseau inspirieren, sie holte den Einheitsgedanken von Hegel und die Synthese von Natur und Geist von Schelling, sie akzeptierte den Bildungsprozeß des Rechts in dem Bewußtsein des Volkes, den die Schule von Savigny aufgedeckt hatte, sie nahm die Errungenschaften des Positivismus auf, die Soziologie, die Psychoanalyse von Wundt, die idealistische Richtung der theologischen Schule und die harmonische Festigkeit des Systems Krauses." J. Castillejo, Nota preliminar a la "Filosofía del Derecho" de Francisco Giner, Bile 150, (1926), S.185.

(37) Vgl. Jaime Ferreiro Alemparte, Deutsche Kultur in Spanien: Krausismo als Höhepunkt. In: K. Chr. F. Krause, Studien zu seiner Philosophie und zum Krausismo, Hamburg, 1985, S. 150.

(38) Joaquin Xirau, seine Auffassungen zur Pädagogik des Krausismo legt er u.a. dar in der "Revista de Pedagogía" (Madrid), in der "Revista de Psicología y Pedagogía" (Barcelona), und in seiner Vorrede zur Arbeit von Rafael Capalans: Politica vol dir Pedagogia. Manuel práctico de socialisme catalá, Barcelona 1933; Amor y mundo 1940; Manuel Bartolomé Cossio y la educación en España, México 1940.

(39) Vgl. Horacio Cerutti, La Influencia del Krausismo en México, a.a.O, S. 218ff.

 

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