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Gespiegelte Fassung auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam
Stand: 12. August 2005
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H i N

Alexander von
HUMBOLDT im NETZ

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HiN                                                      III, 4 (2002)
 
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Sandra Rebok
Instituto de Historia, CSIC (Madrid)

Alexander von Humboldt im Spiegel der spanischen Presse.

Zur Wahrnehmung seiner Person und seiner Ideen während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

 

4. Schlussfolgerung

Die Analyse der Wahrnehmung Alexander von Humboldts in der spanischen Presse während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, also seit Beginn seiner amerikanischen Expedition im Jahre 1799, während der langen Jahre der wissenschaftlichen Ausarbeitung dieses Projektes bis zu seinem Tod 1859, kann als effiziente Methode bezeichnet werden, um zusätzliche Facetten Humboldts sowie deren zeitgenössischen Widerhall in Spanien zu erforschen.

Die Presse stellt sowohl einen Spiegel der öffentlichen Meinung als auch die diese Überzeugungen formende Instanz dar. Nachdem man die Art untersucht hat, in der die spanische Presse die Person und das Werk Humboldts reflektiert, lässt sich schlussfolgern, dass das Interesse, das Spanien für diesen reisenden Wissenschaftler an den Tag legte, wohl kleiner gewesen sein mag als das anderer Länder wie Frankreich, Deutschland oder die neu entstandenen Republiken Amerikas, aber nichtsdestoweniger sind die Referenzen auf Humboldt in unterschiedlicher Hinsicht konstant.

Die Wahrnehmung einer Person durch die Presse ist interessant, da sich dahinter unterschiedliche Interessen entdecken lassen. Zwei zentrale Fragen bilden die Basis für diese Analyse:

·         Welche Aspekte seiner Person, seines Lebens, seines Werkes und seiner Ideen spiegeln sich in den untersuchten Publikationen wider und welchen Informationen misst man genügend Relevanz bei bzw. misst ihnen ausreichendes Interesse für die öffentliche Meinung bei, um sie zu publizieren?

  • Welches sind hingegen die Facetten, die nicht erwähnt werden? Handelt es sich hierbei um Informationen, denen man lediglich nicht die notwendige Wichtigkeit zuspricht oder existieren andere Interessen, die nicht zulassen, dass gewisse Informationen an die Öffentlichkeit gelangen?

 Man muss sich dessen bewusst sein, dass uns sowohl die eine als auch die andere Fragestellung wertvolle Hinweise bietet, da beide Aspekte zusammen das betreffende Image einer bestimmten Person formen, das man entstehen lassen will.

Es ist zur Genüge bekannt, dass die Presse nicht nur die Änderungen innerhalb der Politik aufzeigt, sondern auch eng verbunden ist mit diesen. Wenn man diese Modifikationen innerhalb eines bestimmten Zeitabschnittes untersuchen will, ist es unerlässlich, auch den soziopolitischen Kontext in Betracht zu ziehen, in welchem die entsprechenden Publikationen erscheinen. Die politische Situation ist ebenso bedeutend wie das jeweilige an der Macht befindliche System, welches die Freiheit der Presse und das Maß an Zensur bestimmt. Ebenso wichtig ist die politische Orientierung jeder Zeitung bzw. Zeitschrift, da diese Aufschluss gibt über das Interesse an einem bestimmten Blickwinkel.

In unserem Fall sind wir von der Frage ausgegangen, wie Alexander von Humboldt in der spanischen Presse wahrgenommen worden ist. Wir sind zu der Schlussfolgerung gelangt, dass seine wissenschaftlichen Forschungen bzw. ihre Resultate in Spanien einen viel größeren Widerhall gefunden haben als seine Person selbst. Sowohl seine Expedition durch Amerika als auch seine Rückkehr nach Europa, die Zeit der Ausarbeitung seiner Werke sowie deren Veröffentlichung haben in der zeitgenössischen spanischen Presse ihren Eingang gefunden. Es wurden sogar einige seiner vor der Reise nach Amerika verfassten Arbeiten veröffentlicht. Innerhalb der wissenschaftlichen Welt wurde er als grundlegender Referenzpunkt angesehen, er wurde in wissenschaftliche Debatten bzw. innerhalb der akademischen Welt stattfindenden Kontroversen einbezogen, wie beispielsweise in die Polemik über die Chinarinde. Dank seiner wissenschaftlichen Orientierung bzw. Methode, die seiner Zeit weit voraus war, gelang es Humboldt, nicht nur als wissenschaftlicher Mythos wahrgenommen zu werden, sondern in einem weiteren Sinne, als ein Mythos des Fortschrittes und der Moderne – jener Strömung, die zu seiner Zeit im Begriff war zu entstehen.

Im Gegensatz hierzu wurde er als Person nur teilweise wahrgenommen. In der spanischen Presse spiegeln sich die politischen Aspekte seiner Aktivitäten oder Ideen nicht wider, noch erscheinen Informationen über andere Bereiche seines privaten Lebens. Es lässt sich feststellen, dass Humboldt von der spanischen Presse fast ausschließlich als Wissenschaftler dargestellt worden war. Innerhalb seiner Forschung wurde wesentlich mehr Gewicht auf die Veröffentlichungen im Bereich der Geographie gelegt, vor allem seine Vermessungen von Orten (Lage, Höhe etc.) betreffend sowie auf den botanischen Bereich, also der Entdeckung und Beschreibung neuer Pflanzen.

Wie bereits erwähnt, sollte der politische Kontext der untersuchten Gesellschaft in die Analyse miteinbezogen werden und zwischen Zeitspannen mit einer unterschiedlichen ideologischen Ausrichtung sowie verschiedenen Positionen innerhalb dieser differenziert werden. Das Resultat der Unterscheidung zwischen moderater und liberaler Presse des Exils hat uns zu drei hauptsächlichen Schlussfolgerungen geführt:

  • Die einzigen Hinweise auf die politischen Aspekte seiner Werke finden wir in der Exilpresse; es ist ebenfalls ausschließlich dort, wo auf die Verbindung zwischen Humboldt und Bolívar verwiesen wird.

  • In der in Madrid herausgegebenen Presse wird zu unterschiedlichen Gelegenheiten die Wichtigkeit erwähnt, die Spanien innerhalb von Humboldts amerikanischem Projekt innehatte, wie viel er dem Schutz und der Hilfeleistungen durch die spanische Regierung in diesem Zusammenhang zu verdanken hatte und wie er diese Dankbarkeit in der Tat Zeit seines Lebens gezeigt hatte.

  • Lediglich in der liberalen Presse lassen sich Informationen über die von Humboldt vor seiner großen Expedition durchgeführten Arbeiten finden.

 Ein weiterer Punkt, auf den wir innerhalb dieser Analyse gestoßen sind, ist die Tatsache, dass weder die politische Haltung Humboldts im Allgemeinen noch seine Ideen oder seine Ansichten bezüglich der Unabhängigkeitsbewegung in den spanischen Kolonien Amerikas, die sich nach seiner Rückkehr nach Europa in Gang setzte, ihren Widerhall in der spanischen Presse fanden, obwohl sie, wie wir aufgrund des Fundes von diplomatischen Dokumenten erkennen konnten, in der politischen Welt sehr wohl wahrgenommen worden sind.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Alexander von Humboldt in der wissenschaftlichen Welt als Wissenschaftler und unter politischen Kriterien in der diplomatischen Welt wahrgenommen worden ist. Wohl aber mit dem Unterschied, dass in der wissenschaftlichen Welt ein großes Interesse darin bestand, Humboldt hervorzuheben als Universalwissenden, als Referenzpunkt bei Forschungen in allen Bereichen, als ein Mythos des Fortschrittes sowie der Moderne, und dass in der Politik hingegen - aus welchen Gründen auch immer - das Interesse mehr auf ein Geheimhalten seiner Kommentare und Werturteile ausgerichtet war.

 

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