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Doch
genau so, wie eben beschrieben, ist mit dem Konflikt in Ost-Timor umgegangen
worden. Ein Rückblick: Im Jahre 1974 war Ost-Timor von Indonesien völkerrechtswidrig
annektiert worden. 25 Jahre lang herrschten Unterdrückung, Benachteiligung und
Gewalt. Nach anfänglicher positiver Überraschung über die Absicht des damaligen
indonesischen Präsidenten Habibie, der den jahrzehntelang herrschenden
Suharto abgelöst hatte, im Jahre 1998 Ost-Timor im Wege eines Referendums
in die Unabhängigkeit zu entlassen, beobachtet die internationale Öffentlichkeit
erstaunt den Verlauf der Ereignisse. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
überträgt der UN-Mission UNAMET ein waffenfreies Mandat für die Vorbereitung
und Durchführung eines Referendums über die Autonomie Ost-Timors, wobei es der
indonesischen Regierung überlassen wird, mit Polizei und Militär die Sicherheit
vor und während dieser Volksbefragung zu gewährleisten. Rückblickend erstaunt,
wie gutgläubig einer der Konfliktparteien und auch noch der eindeutig stärkeren
Konfliktpartei - die Verantwortung für die Sicherheit in Ost-Timor überlassen
wird, und das für ein Referendum, das die indonesische Besetzung beenden soll.
Es ist daher nicht erstaunlich, daß die Militärs und Milizen Unruhen auslösen
und versuchen, der Öffentlichkeit einen Bürgerkrieg vorzutäuschen. Der Terror,
die Einschüchterungen mit Waffen und brutaler Gewalt führen dazu, daß die Volksbefragung
zweimal aufgeschoben werden muß. Im August 1999 wird sie dann durchgeführt und
endet mit einer 2/3-Mehrheit für die Unabhängigkeit Ost-Timors und in einer
beispiellosen Zerstörung und Vertreibung. Mehr als 200.000 Menschen fliehen
vor dem Militär und den quasi-militärischen Milizen oder werden verschleppt,
ungezählte Folterungen, Vergewaltigungen und Morde erschüttern Ost-Timor.
70% aller Gebäude sind zerstört, darunter viele Kirchen. Die UN-Mission muß
der Gewalt weichen. Erst am 12. September 1999 lenkt die indonesische Regierung
ein und läßt die Einreise einer internationalen bewaffneten Friedenstruppe zu.
Nach heftigen Auseinandersetzungen mit den asiatischen Staaten und Rußland haben
die Vereinten Nationen endlich beschlossen, bewaffnete Schutztruppen in das
Gebiet zu entsenden. Für viele Ost-Timoresen zu spät.
Der Rückzug des indonesischen Militärs aus Ost-Timor, die Teilrückführung der
Flüchtlinge von West- nach Ost-Timor sowie die Wahlen in Indonesien im Oktober
1999 besiegeln in den Augen der allgemeinen Öffentlichkeit das Ende des blutigen
Konfliktes.
Im November wird auf Initiative der UN-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson
von den Vereinten Nationen eine Commission of Inquiry eingesetzt, die die Verbrechen
gegen die Menschlichkeit in Ost-Timor untersuchen, Beweise zusammenstellen und
das Zusammenwirken der indonesischen Regierung mit den scheinbar unabhängigen,
tatsächlich jedoch vom Militär abhängigen Milizen aufdecken soll.
Anfang Januar 2000 hat die Untersuchungskommission der Vereinten Nationen, der
ich als einzige Europäerin angehörte, gemäß ihrem Mandat ihren Bericht dem Generalsekretär
der Vereinten Nationen, Kofi Annan, zugeleitet. Die Ergebnisse der Kommission
lassen keine Zweifel daran, daß in dem von Januar bis Ende 1999 eskalierten
Ost-Timor-Konflikt eklatante Verletzungen der Menschenrechte stattgefunden haben.
Ebenso unmißverständlich stellte die fünfköpfige Kommission fest, daß in erster
Linie das indonesische Militär und die straff organisierten Milizen, die paramilitärischen
Einheiten, die Verantwortung für diese Verbrechen tragen.
Die Kommission forderte, die Rückführung der verschleppten Menschen aus West-Timor
mit allem Nachdruck fortzuführen. Anfang 2000 waren noch über 100.000 Flüchtlinge
in Camps in West-Timor. Weiter empfiehlt sie dringend, die Aufdeckung der Menschenrechtsverletzungen
zu intensivieren und die unverzichtbare Strafverfolgung und Bestrafung der Verantwortlichen
zu ermöglichen. Diese Arbeiten müssen zügig durchgeführt werden, damit Beweismaterial
und Zeugenberichte nicht verloren gehen. Als dazu notwendig sprach sich die
UN-Kommission einstimmig für die Einsetzung eines Internationalen Strafgerichtshofes
vor Ort aus, der mit Juristen aus Indonesien und Ost-Timor besetzt sein sollte
und vollkommen unabhängig zügig Verfahren durchführen und der Gerechtigkeit
zum Durchbruch verhelfen sollte.
Bisher wurden diese Empfehlungen nicht aufgegriffen. Die Vereinten Nationen
setzten zunächst auf die Zusicherung der neuen indonesischen Regierung, im Ost-Timor-Konflikt
begangene Verbrechen selbst zu ahnden und indonesische Militärangehörige vor
indonesischen Gerichten anzuklagen .
Die internationale Staatengemeinschaft entläßt dies nicht aus ihrer Verantwortung,
alles zu tun, um Straflosigkeit der Verantwortlichen zu vermeiden.
Auf der 56. Sitzung der VN-Menschenrechtskommission in Genf im Frühjahr 2000
wurde lediglich ein Bericht betreffend Ost-Timor für 2001 eingefordert und in
einem Chairmans statement die indonesische Regierung zum Handeln aufgefordert.
In den Medien taucht Ost-Timor seitdem fast gar nicht mehr auf.
Die
eingangs beschriebene gespenstische Stille ist eingetreten. Diese Stille darf
nicht hingenommen werden. Ost-Timor muß so lange auf der internationalen Tagesordnung
bleiben, bis die Menschenrechtsverletzungen auch tatsächlich geahndet worden
sind. Nationale Regierungen, auch die bundesdeutsche, die die Menschenrechtspolitik
zu Recht ausdrücklich zu einer ihrer Schwerpunktaufgaben erklärt haben, müssen
sich energisch für den Aufbau Ost-Timors und gleichzeitig für Gerechtigkeit
und Versöhnung einsetzen. Dies wird nur mit Erfolg gelingen können, wenn die
Verantwortlichen angemessen bestraft, die Opfer angemessen entschädigt und die
Lage der Menschen in Ost-Timor wieder als menschenwürdig bezeichnet werden kann.
Erst dann kann von glaubwürdiger Menschenrechtspolitik gesprochen werden.
Anmerkungen:
* | MdB, Obfrau der F.D.P.-Fraktion im Ausschuß für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Bundesministerin a.D. |
Quelle:
MenschenRechtsMagazin Heft 2 / 2000
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