Gespiegelte Fassung der elektronischen Zeitschrift auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam, Stand: 18. August 2009 |
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Herbert Pieper
BerlinDie Geognosie der Vulkane
Frau Margot Faak mit allen guten Wünschen zum 80. Geburtstag gewidmet.
2. „… Dinge …, durch welche … die Theorie der Vulcane einen nicht geringen Fortschritt gethan hat“ (von Buch) : Humboldts Beobachtungen und Erkenntnisse
Im folgenden soll an Hand einiger Beispiele an Beobachtungsergebnisse und Erkenntnisse Humboldts zur Geognosie der Vulkane erinnert werden.
Bis zur Humboldtschen Forschungsreise galten, was die Gestalt der Vulkane und die Art des Ausbruchs betrifft, der Vesuv und der Aetna als Proto-Typen.
Humboldt zeigte, dass es auch andere Typen von Vulkanen gibt. Das betrifft die Gestalt als auch die Art des Ausbruchs.
In Bezug auf ihre Gestalt unterschied Humboldt in seinem Reisebericht drei Typen von Vulkanen: „schlanke Pics mit konischer Form“, „Berge mit verlängertem Rücken“, „Höhen, welche in der Form von Kuppeln oder umgestürzten Glocken zugerundet sind“. In seinem Werk „Physikalische Beschreibung der canarischen Inseln“ hat Leopold von Buch die Vulkane in zwei Klassen eingeteilt: Zentralvulkane, Reihenvulkane. Diese Einteilung übernahm Humboldt später auch in seinem Kosmos.
In seinem Akademie-Vortrag „Über den Bau und die Wirkungsart der Vulkane in den verschiedenen Erdstrichen“ (gelesen am 24. Januar 1823)[1] sagte Humboldt:
„Je mannichfaltiger der Bau der Vulcane, das heißt der Erhebungen ist, welche den Kanal umschließen, durch welchen die geschmolzenen Massen des innern Erdkörpers an die Oberfläche gelangen, desto wichtiger ist es, diesen Bau mittelst genauer Messungen zu ergründen. Das Interesse dieser Messungen, die in einem andern Welttheile ein besonderer Gegenstand meiner Untersuchungen gewesen sind, wird durch die Betrachtung erhöht, daß das zu messende an vielen Punkten eine veränderliche Größe ist.“
Er sprach von der „Pflicht des reisenden Geognosten, bei Bestimmung der Unebenheiten der Erdoberfläche hauptsächlich auf die veränderliche Höhe der Vulcane Rücksicht zu nehmen.“
Wichtig waren für Humboldt auch Erkenntnisse zu der Anzahl und der geographischen Verteilung der Vulkane. In seinem Vortrag sagte er:
„Alle Vulcane [des amerikanischen Festlandes] sind, in dem, Asien gegenüberliegenden Theile vereinigt, in der meridianartig ausgedehnten, 1800 geographische Meilen langen Andes-Kette. Auch ist das ganze Hochland von Quito ein einziger vulcanischer Heerd, dessen Gipfel Pichincha, Cotopaxi und Tunguragua bilden. Das unterirdische Feuer bricht bald aus der einen, bald aus der andern dieser Öffnungen aus, die man sich als abgesonderte Vulcane zu betrachten gewöhnt hat.“
In Mexiko vermisste Humboldt zunächst jede Regelmäßigkeit in der Anordnung der Vulkane. Im Kosmos schrieb Humboldt darüber: „Eine genaue astronomische Ortsbestimmung der colossalen Schneeberge und Vulkane im Inneren von Mexico […] hat mich erst nach meiner Rückkehr nach Europa, beim Eintragen der Maxima der Höhen in meine große Karte von Neu-Spanien, zu dem überaus merkwürdigen Resultate geführt: daß es dort, von Meer zu Meer, einen Parallel der Vulkane und größten Höhen giebt, der um wenige Minuten um den Parallel von 19° oscilliert“ und sich vom Atlantischen zum Stillen Ozean erstreckt.
Humboldt fand, dass der Jorullo auf derselben Linie entstanden ist. In seinem Tagebuch notierte Humboldt, dass ein Teil der Ebene sich blasenartig erhoben hätte. Das vulkanische Feuer, welchen Ursprung auch immer es hat, hätte in großer Tiefe gearbeitet. Seine Hebungs-Hypothese befindet sich auch im 1809 erschienen Teil des Mexiko-Werks.
In ungefähr derselben Zeit als Humboldt seine Beobachtungen am Jorullo machte, formulierte von Buch in den Briefen aus der Auvergne die ersten Andeutungen seiner Theorie der Erhebungskrater. Als v. Buch die Theorie der Erhebungskrater weiter ausbildete, konnte Humboldt sie um so eher annehmen, da sie mit seinen eigenen Ansichten vereinbar war.
Schon im Tagebuch schrieb Humboldt über die Gegend des Jorullo: „Die […] sechs großen Vulkane[…] liegen in einer Richtung. […] Diese […] Richtung zeigt an, dass das vulkanische Feuer sich quer durch eine nordsüdlich gerichtete Kluft oder Spalte Bahn gebrochen hat“.
Humboldt schloß – nach der Entdeckung des beschriebenen Parallels der mexikanischen Vulkane -, dass eine ungeheure Spalte in der Erdkruste existieren müsste, auf der sich die Vulkane befinden und durch die Material aus größerer Tiefe aufsteigt.
Im vierten Kosmos Band fasste Humboldt seine Erkenntnisse in Bezug auf die Art des Ausbruchs wie folgt zusammen: „So kann man sich das Hervorbrechen von feuerflüssigen Massen und festen Stoffen, von Dämpfen und Gasarten begleitet, auf viererlei Weise vorstellen.“
Eruptionen auf Spalten
Ausbrüche durch Aufschüttungs-Kegel
Erhebungs-Krater
Geschlossene Glockenberge oder an der Spitze geöffnete Erhebungs-Kegel: entweder mit einem, wenigstens theilweise erhaltnen, Circus umgeben; oder ganz ohne Umwallung und ohne Erhebungs-Krater.
Humboldt erkannte, dass die geologisch jungen Vulkane und Vulkanfelder nicht gleichmäßig über die Erde verteilt sind. Diese Konzentration auf bestimmte Gebiete hat mit Sicherheit tief reichende Ursachen.
In seinem Akademievortrag von 1823 sagte er dazu: „Dieses Zusammendrängen der Vulcane bald in einzelne rundliche Gruppen, bald in doppelte Züge, liefert den entscheidendsten Beweis, daß die vulkanischen Wirkungen nicht von kleinlichen, der Oberfläche nahen Ursachen, abhangen, sondern große, tiefbegründete Erscheinungen sind.“
Humboldt vermutete zeitweise, wie vor und nach ihm auch andere Geognosten, dass externes, also nicht magmatisches Wasser bei Vulkanausbrüchen durch den Kontakt Magma-Wasser eine wichtige Rolle spielt, was erst durch die heutige Vulkanologie bestätigt werden konnte.
Im Reisebericht schrieb Alexander von Humboldt: „Verschiedene Thatsachen weisen darauf hin, dass die Erdbeben und die vulkanischen Ausbrüche in engem ursachlichem Zusammenhang stehen.“ Bei seinem Aufenthalt in Pasto meinte er (wie er in seinem Tagebuch ausführte) eine Beziehung zwischen dem Ausbruch des Galeras von 1796 und dem Erdbeben von Riobamba zu konstatieren. „Was für eine Verbindung unter den Vulkanen! Dieser ganze Teil Amerikas scheint unterminiert zu sein.“
Eine Beobachtung war für den Wernerschüler Humboldt sensationell: Vulkane steigen aus dem Urgebirge auf: der Tungurahua aus Glimmerschiefer und Granit, der Puracé aus Glimmerschiefer, der Tolima aus Granit: Urgebirgsarten werden durch die Gesteine des Vulkans durchbrochen. Damit war der Herd der Vulkane unter dem Urgebirge, in großer Tiefe zu suchen!
Leopold von Buch zählte in einem Akademievortrag im Jahre 1813 die Beobachtung und Erkenntnis, dass die vulkanischen Wirkungen nicht aus oberen Schichten der Erdfläche, sondern unter dem ältesten Gestein, unter dem Granit, hervorgehen, als einen der bedeutendsten Fortschritte, welche die Theorie der Vulkane gemacht habe.
Von ebenso großer Bedeutung für die Entwicklung des Vulkanismus wäre Humboldt’s Beobachtung, dass gewisse in der Folge als Trachyte bezeichnete Gesteine sich überall einstellen, wo man sich den Vulkanen nähere, diese letzteren also ankündigten und jedenfalls in engster Beziehung zu ihnen ständen.
Es erwies sich jedoch als Fehlschluss, dass echte Vulkane stets aus Trachyt zusammengesetzt sein sollen.
Auf die Problematik der Entstehung der Gesteine, insbesondere auf die Frage, welche Gesteine aus glutflüssigen Schmelzen entstanden seien, kann ich hier nur kurz eingehen. Von Buch und Humboldt haben zeitweise Basalt als ein neptunistisch entstandenes Gestein gedeutet, das durch Vulkane aufgeschmolzen worden sei und dann durch langsame Abkühlung wieder als Basalt erstarrte. Humboldt blieb in der Basaltdiskussion eher vieldeutig bevor er sich (spätestens 1809) zusammen mit von Buch für die vulkanische Entstehung entschied.
Was die Obsidiane betrifft, so hatte Humboldt einst die Meinung mit denen geteilt, die sie nicht als vulkanische Gläser betrachteten. Ursache war unter anderem das Vorkommen der Obsidiane in Gegenden, die von den thätigen Vulkanen sehr weit entfernt sind, aber auch andere Phänomene (ihre schnelle Entfärbung, ihr Aufblähen bei einem mäßigen Feuer), die schwer zu erklären waren, „wenn man die Obsidiane als vulkanische Gläser betrachtet.“
Humboldt schrieb in der Rel. hist.:
„Die Obsidiane mögen nun primitive Gebirgsarten seyn, auf welche das vulkanische Feuer seine Wirkung ausübte, oder Laven, die wiederholt im Innern des Kraters umgeschmolzen wurden, so bleibt der Ursprung der Bimsteine, welche sie auf Teneriffa einschließen, nicht weniger problematisch.“
Seine Beobachtungen der Vulkangegenden auf Teneriffa, in den Anden und in Mexiko erregten in Humboldt sehr früh „Zweifel über die große Einseitigkeit“ der Meinung über die alleinige Bildung des Bimssteins aus Obsidian. Alexander von Humboldt richtete sein Aufmerksamkeit auf zwei Gruppen von Tatsachen: auf die Verschiedenartigkeit der Einschlüsse der Obsidiane und Bimssteine, auf die Häufigkeit der Assoziation oder gänzlichen Trennung derselben bei den tätigen Vulkanen.
Auf der Forschungsreise, zusammen mit Don Juan de Larea, und danach in Berlin, zusammen mit Gustav Rose und Gustav Karsten, angestellte Versuche mit Obsidian „gaben keine befriedigenden Resultate.“
Er notierte im Reisebericht: „Die Natur wendet wahrscheinlich sehr verschiedene Mittel an, um [...] Bimssteine [...] hervorzubringen.“
[1] Siehe: Alexander von Humboldt: Abhandlungen nach Vorträgen an der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Herausgegeben von der Alexander-von-Humboldt-Forschungsstelle der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.
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