Gespiegelte Fassung der elektronischen Zeitschrift auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam, Stand: 18. August 2009
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Herbert Pieper
Berlin

Die Geognosie der Vulkane

Frau Margot Faak mit allen guten Wünschen zum 80. Geburtstag gewidmet.

3. „ … auf der Grenzscheide einer alten und neuen Meinung … wandeln“ (Goethe): Die Loslösung von der Lehre Werners

Alexander von Humboldt ist als Anhänger Abraham Gottlob Werners, seines Lehrers an der Bergakademie Freiberg, nach Amerika gereist. Humboldt übernahm die neptunistischen Grundsätze Werners. Die Wernersche Schule betrachtete Vulkane als lokale Erscheinungen, verursacht durch Erdbrände. Diese Anschauung widersprach den Beobachtungen Humboldts.

Beim Aufenthalt in den Anden und in Mexiko wurde Alexander von Humboldt das ungeheure Ausmaß des dortigen Vulkanismus klar. Es gibt schon im Tagebuch durchaus Äußerungen, die als Anzeichen der Loslösung von der Lehre Werners gedeutet werden können.

So hat Humboldt mit der schon im Tagebuch angedeuteten Hypothese der Hebung die Wernersche Lehre verlassen, die Hebungen nicht anerkannte. Schon am Jorullo vermutete Humboldt, dass es eine Eruption auf Spalten gibt, auch ein Schritt weg von Werners Anschauungen. Humboldts Betonung des Zusammenhangs von Erdbeben und Vulkanen, belegt durch zahlreiche teilweise schon im Tagebuch angeführte  Beispiele, bedeutete auch eine Loslösung von Wernerschen Ansichten. Solange man die Ausbrüche von Vulkanen auf lokale Erdbrände reduzierte, konnte man „die so ausgedehnt wirkenden Erdbeben nicht mit ihnen zusammenbringen“.

Nach seinen eigenen Angaben im 2. Band des Reiseberichts hat Humboldt schon in Caracas den 

„auf Localkunde und einfache Analogien gestützten“ Gedanken unterirdischer Verbindungen geäußert, ein Gedanke, der sich nicht mit Werners Anschauungen verträgt. In den Antillenvulkanen vermutete er „Ventile, […] durch welche während eines Ausbruchs die Gase entströmen, welche auf dem Festlande die Erdbeben verursachen.“

Vulkane konnten keine lokalen, durch Erdbrände verursachten Erscheinungen sein. Aus der Verbreitung der Vulkane, aus ihrer Vereinigung in größere Gruppen oder in langen Zügen und aus dem Zusammenhang der vulkanischen Tätigkeit mit Erdbeben, und aus dem Aufsteigen der Vulkane aus dem Urgebirge schloß Humboldt also, dass die Ursache dieser Erscheinungen keine kleinliche, keine lokale sein könne, sondern mit der Beschaffenheit des Erdinnern in Beziehung stehen müsse.

Die Tätigkeit der Vulkane ist nicht eine lokale Kraftäußerung isolierter Verbrennungsprozesse, sondern eher eine globale. Allerdings spekulierte Humboldt nicht über die Energiequelle. In seinem Vortrag von 1823 erwähnte Humboldt die chemische Hypothese des Engländers Davy zur Beantwortung der Frage, was in den Vulkanen brenne. Weder stimmte Humboldt ihr zu, noch widersprach er ihr. Im ersten Kosmosband äußerte er jedoch seine Bedenken. Der Urquell der „so tief wirkenden, sich im Innern so weit fortpflanzenden Thätigkeit […] der Vulkane“ war für Humboldt die „mit der Tiefe zunehmende Temperatur“.

Wie kommt es, dass Humboldt in dem Brief vom 1. August 1804, kurz vor der Ankunft in Bordeaux, an Karl Freiesleben schreiben konnte: "Grüße ...Werner, für den meine Hochachtung mit jedem Jahre wächst und dessen System meine Reisen in süd(licher) Hemisphäre bestätigen"?

Günter Hoppe und Ulrike Leitner haben an Hand von Belegen aus den Tagebüchern zeigen können,  dass Humboldts geognostische Studien während der Amerikareise einige seiner neptunistische Ansichten nicht veränderten. Das betrifft vor allem die Frage der Entstehung der Gesteine. Einzelne Aufzeichnungen des Tagebuchs, das er auf der Reise von Mexiko-Stadt nach Veracruz geschrieben hat, bezeichnete Humboldt 50 Jahre später als „alte neptunistische Verrücktheiten!“. Um Humboldts Zurückhaltung, sein Zögern in der Beantwortung der Frage nach der Entstehung gewisser Gesteine zu verstehen, muss man wissen, dass die Entstehung mancher Gesteine, wie Basalt, Granit oder Obsidian, nicht allein durch Beobachtungen in der Natur zu entscheiden waren, dass überdies der Neptunismus bis weit ins 19. Jahrhundert als die chemisch und physikalisch besser fundierte geologische Theorie galt.

Am 1. August 1805, nachdem er sich mit seinem Freund Leopold von Buch direkt am Vesuv ausgetauscht hatte, schrieb Humboldt: „Ich habe angefangen, über einige Gegenstände klarer zu sehen, besonders über Vulkane.“

Bei der Aufbereitung seines Beobachtungs-Materials, nach weiterer Gelände-Erfahrung (insbesondere am Vesuv) und unter dem Einfluss der Erfahrungen und Ansichten Leopold von Buchs kam Humboldt zu Einsichten, die ihn die Wernerschen Anschauungen nach und nach aufgeben ließen.

Fakt ist, dass Humboldt durch seine ausführlichen Schilderungen der Vulkane auf Teneriffa, in den Anden und in Mexiko die Kenntnisse über die vulkanischen Erscheinungen, den Bau, die Gestalt, die Bergformen, die Physiognomik der Vulkane, die Höhenverhältnisse, die Gruppierung, die Anzahl, die Geographie der Vulkane ebenso erweitert hat wie die oryctognostische Kenntnis der Zusammensetzung des vulkanischen Gesteins. Er beobachtete die Verschiedenheit der Formationen, die Vulkane durchbrechen und fand, dass mehrere  Vulkane aus dem Urgebirge aufsteigen, ihr Herd als darunter zu suchen ist. Er untersuchte die stoffartige Verschiedenheit der Erzeugnisse der Vulkane.

Dieses alles spiegelt sich letztlich im „Kosmos“ wider. Es gelang Humboldt darin, 

„alle erdinnern Vorgänge von Vulkanismus über Gesteinsentstehung und –umwandlung bis zu den Erdbeben und zur Tektonik, bis zur Orogenese und Epirogenese überzeugend auf eine allen gemeinsame. letzte Ursache, auf die Wärme des Erdinnern, zurückzuführen.“

Der Geologe Kurd von Bülow sprach von einer „wahrhaft genialen Synthese, erwachsen aus sorgfältigster Kleinarbeit!“

Auf diese Darstellung der Geognosie der Vulkane als Teil der Lehre vom Kosmos kann hier abschließend allerdings nur noch verwiesen werden.

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Letzte Aktualisierung: 09 Januar 2007 | Kraft

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