Gespiegelte Fassung der elektronischen Zeitschrift auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam, Stand: 18. August 2009
Originalfassung zugänglich unter http://www.hin-online.de

    HiN - Humboldt im Netz

______________________________________________________

Christian Suckow

Humboldt und Rußland
Thesen zu Biographie und Werk

7. Rezeptionsgeschichte: Die interessierte Öffentlichkeit

Zur kritischen Bewertung einer Lebensleistung und eines wissenschaftlichen Werkes gehört immer auch die Frage nach der Rezeption in der zeitgenössischen und späteren Forschungslandschaft, aber auch in einer breiteren Öffentlichkeit.

Letztere war bekanntlich Humboldts Kosmos gegenüber außerordentlich aufgeschlossen. Wie aber stand es mit dem ‘russischen Reisewerk’?

Humboldts zum ‘russischen Reisewerk’ zu zählende Schriften wurden wie auch die fachspezifischen Arbeiten von Rose und Ehrenberg in erster Linie in wissenschaftlichen Kreisen rezipiert. Einer breiteren Leserschaft wurde Roses Reisewerk bekannt. Auf ihm beruhen auch populäre zeitgenössische Gesamtdarstellungen der Humboldtschen russischen Reise, so etwa die von H. Kletke 1856 herausgegebene zweibändige[1].

Was Rußland betrifft, so gab es auch hier trotz zaristischer Autokratie und staatlicher Zensur in den fraglichen Jahrzehnten eine aufnahmebereite Öffentlichkeit. Seit Mitte der zwanziger Jahre hatte sich ein literarischer Markt herausgebildet, der breitere Kreise einbezog. Die Traditionen der russischen Aufklärung unter Peter I. und Katharina II. waren unvergessen, und die politische und gesamtgesellschaftliche Moderne begann sich unterschwellig durchzusetzen. Unter diesen Voraussetzungen wurde das bürgerlich-bildungsträchtige Werk A. v. Humboldts in Rußland wirksam.

N. G. Suchova hat eine aufschlußreiche Bibliographie der russischen Humboldt-Literatur vorgelegt.[2] Dort wird an den aufgeführten russischsprachigen Arbeiten und Übersetzungen seit 1829 eine bemerkenswerte russische Humboldt-Rezeption transparent. So erschienen zwischen 1829 und 1837 elf russische Übersetzungen bzw. Teilübersetzungen hauptsächlich der wichtigsten Arbeiten Humboldts, die dieser in Auswertung der russischen Reise inzwischen publiziert hatte. Auch das Rosesche Reisewerk wurde in Teilübersetzungen und durch Besprechungen bekannt, Humboldts Asie centrale dagegen blieb zunächst unübersetzt.

Was die russische Sekundärliteratur über Humboldt und sein Werk betrifft, so stand sie - im wesentlichen als eine weit gefächerte Zeitschriftenliteratur - zunächst im Zeichen einer aufmerksamen Berichterstattung über die russische Reise von 1829 , später im Dienst der Kosmos-Rezeption.



[1] Kletke, H.: Alexander von Humboldt’s Reisen im europäischen und asiatischen Rußland. 2 Bde. Berlin 1856. [Erschienen als Bde. 3 und 4 von Kletke, H.: Alexander von Humboldt’s Reisen in Amerika und Asien. Eine Darstellung seiner wichtigsten Forschungen. 4 Bde. Berlin 1854-1856.]

[2] Suchowa, N. G. [Suchova, Natalija Georgievna]: Alexander von Humboldt in der russischen Literatur. Bibliographie. Leipzig 1960.

______________________________________________________

<< letzte Seite  |  Übersicht  |  nächste Seite >>