Gespiegelte Fassung der elektronischen Zeitschrift auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam, Stand: 18. August 2009 |
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Christian Suckow
Humboldt und Rußland
Thesen zu Biographie und Werk5. Ergebnisse der Reise und ihr Niederschlag im „russischen Reisewerk“
Dem russischen Interesse an Förderung und Nutzbarmachung von Eisenerzen und Edelmetallen entsprachen die auf Erkundung von Lagerstätten und Ausbeute der Ressourcen gerichteten Reiseaktivitäten. So haben Humboldt und Rose zahlreiche Lagerstätten besichtigt sowie die Bergbautechnik und Hüttentechnologie untersucht.
Die besondere Aufmerksamkeit des Mineralogen Rose fanden die Mineralvorkommen des Ural und Altai, insbesondere die Edelsteinvorkommen des Ural.
Darüber hinaus waren Humboldt und seine Begleiter um ein umfassendes Naturstudium bemüht. Für Humboldt charakteristisch war die komplexe Zusammenschau verschiedenster wissenschaftlicher Disziplinen, wie Geologie, Mineralogie, Gebirgs- und Gewässerkunde, Klimatologie, Geomagnetismus, Botanik, Zoologie, Paläontologie.
Im Zentrum der Humboldtschen Interessen stand das Bemühen, eine physische Geographie Asiens zu entwerfen. Deren Kernstück war die Hochgebirgsforschung, die er selbst mit seinen Forschungen in den tropischen Hochgebirgen Südamerikas in Gang gebracht hatte.
Für ihn galt der methodische Grundansatz, vom Einzelnen zur kontinentalen und globalen Verallgemeinerung vorzustoßen. Hier brachte ihm die russische Reise komplementäres Vergleichsmaterial zu seinen Beobachtungen in der anderen Hemisphäre der Welt, eine Voraussetzung für jene „physiche Weltbeschreibung“, die er von seinen Anfängen bis zum Kosmos als eine Lebensaufgabe betrachtete. Er hat damit nicht zuletzt auch die Grundlagen für die klassische deutsche Geographie gelegt. Und alle nachfolgende Geographie - auch über den deutschen Bezugsrahmen hinaus - hat hier wichtige Impulse empfangen.
Insgesamt hatten die mit den verschiedensten Forschungen, Besichtigungen, Erhebungen und Messungen verbrachten Wochen den Reisenden tiefe Einblicke in die lokalen Zusammenhänge auf den sie interessierenden Gebieten ebenso wie Erkenntnisse von überregionaler Bedeutung gebracht. Sie bedeuteten subjektiv und objektiv einen Wissens- und Erkenntniszuwachs in bezug auf Naturverhältnisse, aber auch ökonomische und gesellschaftliche Strukturen Rußlands, Sibiriens, ja des asiatischen Kontinents überhaupt. –
Wie haben sich nun die Reiseergebnisse in Publikationen Humboldts und seiner Begleiter niedergeschlagen?
Was Humboldt betrifft, so zeitigte die russische Reise nicht ein solches monumentales Reisewerk, wie es dasjenige über die amerikanische Reise war. Genau genommen, gibt es kein Werk Humboldts, das ausschließlich die russisch Reise zum Inhalt hätte. Dennoch ist es - unter bestimmten Voraussetzungen - möglich, von einem ‘russischen Reisewerk’ zu sprechen. Wir können mit Hanno Beck[1] eine ganze Reihe größerer und kleinerer, über einen langen Zeitraum und z. T. recht verstreut erschienener, aber thematisch zusammengehöriger Publikationen Humboldts, Roses und Ehrenbergs, in denen sich die Ergebnisse der russischen Reise in unterschiedlichster Form aufgearbeitet finden, als ‘russisches Reisewerk’ ansehen. Hierher gehören als Hauptwerke A. v. Humboldts Asie centrale[2] und G. Roses zweibändiger ‘Reisebericht’[3], aber auch Akademie-Vorträge, Zeitschriftenaufsätze, größere Abhandlungen und eigenständig erschienene Werke der drei Autoren.[4] Roses im Auftrag Humboldts verfaßtes Berichtswerk trägt den Charakter einer mineralogischen Abhandlung, enthält aber eine knappe Schilderung des Reiseverlaufs und ersetzt so zugleich einen eigentlichen Reisebericht. Von Humboldt existieren handschriftliche Reisenotizbücher[5], in denen wissenschaftliche Meßergebnisse und Beobachtungen knapp notiert sind. Einen kurzen Abriß des Reisegeschehens hat schließlich der russische Begleiter der Humboldtschen Reise, Berghauptmann Nikolaj Stepanovič Menšenin, in seinem offiziellen Bericht von der Reise gegeben.[6]
Darüber hinaus ist uns eine umfangreiche Korrespondenz überliefert, die Humboldt während der Reise mit einer Reihe von Briefpartnern geführt hat.[7]
[1] Beck, Hanno: Alexander von Humboldt. 2 Bde. Wiesbaden 1959-1961. Im gegebenen Zusammenhang Bd. 2, S. 163ff. und S. 356.
[2] Humboldt, A[lexandre] de: Asie centrale. Recherches sur les chaines de montagnes et la climatologie comparée. 3 Bde. Paris 1843. – Deutsche Ausgabe: Humboldt, Alexander von: Central-Asien. Untersuchungen über die Gebirgsketten und die vergleichende Klimatologie. Hrsg. von Wilhelm Mahlmann. 2 Bde. Berlin 1844.
[3] Rose, Gustav: Reise nach dem Ural, dem Altai und dem Kaspischen Meere auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers von Rußland im Jahre 1829 ausgeführt von A. v. Humboldt, G. Ehrenberg und G. Rose. Mineralogisch-geognostischer Theil und historischer Bericht der Reise. 2 Bde. Berlin 1837-1842.
[4] Zur werkgeschichtlichen Einordnung und Personalbibliographie s. außer Beck a. a. O.: Fiedler, Horst und Ulrike Leitner: Alexander von Humboldts Schriften. Bibliographie der selbständig erschienenen Werke. Berlin 1999; Hoppe, Günter und Gert Wappler: Mineralogische Forschungsergebnisse Gustav Roses von der Rußlandreise mit Alexander von Humboldt. In: Zeitschrift für geologische Wissenschaften 4 (1976) 2, S. 337-344; die Artikel Ehrenberg und Rose in: J. C. Poggendorff. Biographisch-literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften. Bd. VIIa. Supplement. Bearb. von Rudolph Zaunick. Berlin 1971, S. 175 bzw. 562; die Einträge Ehrenberg und Rose in: Köhnke, Otto: Gesamtregister über die in den Schriften der Akademie von 1700-1899 erschienenen wissenschaftlichen Abhandlungen und Festreden. Berlin 1900 [= Harnack, Adolf: Geschichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin 1900. Bd. 3], S. 65-78 bzw. 234-236.
[5] [Humboldt, Alexander von:] Fragmente des Sibirischen Reisejournals 1829. Manuskript. Staatsbibliothek zu Berlin. Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung. Tagebücher Alexander von Humboldts.
[6] Petzschner, Herbert: Beschreibung der Sibirienreise Alexander von Humboldts im Gorny Shurnal vom Jahre 1830. In: Alexander von Humboldt (1789-1859). Seine Bedeutung für den Bergbau und die Naturforschung. Berlin 1960, S. 167-188 [deutsche Übersetzung des in der russischen Bergbau-Zeitschrift Gornyj Žurnal, 1830, Teil 2, S. 229- 263, erschienenen Berichtes von N. S. Menšenin].
[7] Briefwechsel zwischen A. v. Humboldt und russischen Korrespondenten wurde 1962 in russischer Sprache ediert (Perepiska Aleksandra Gumbold’dta s učenymi i gosudarstvennymi dejateljami Rossii. Moskva 1962). Einzelne mit verschiedenen Korrespondenten gewechselte Briefe sind ferner in einigen wissenschaftlichen Spezialpublikationen veröffentlicht. Nicht veröffentlichte Briefe von und an A. v. Humboldt sind in der Alexander-von-Humboldt-Forschungsstelle der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin, dokumentiert.
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