H i N

Alexander von
HUMBOLDT im NETZ

__________________________________________________________________

HiN                                                      III, 4 (2002)
 
__________________________________________________________

 

Michael Zeuske

Humboldt, Historismus, Humboldteanisierung. 
Der "Geschichtsschreiber von Amerika", die Massensklaverei und die Globalisierungen der Welt.

Humboldt und Kuba

 

Das Verhältnis von Kuba zu Humboldt ist eigentümlich unscharf und gespalten[1]. Die Höflichkeiten, mit der er während seines Besuches von den Spitzen der Kolonialverwaltung und der kreolischen Oligarchie überhäuft wurde, machen es schwer, wirkliche Transfers[2] auszumachen. Zunächst fällt eine reale Intertextualität ins Auge. Die Herausgeber des Vives-Zensus von 1827 benutzten den Essai politique über Kuba und Humboldt selbst zitiert diesen Zensus im „Supplément“[3].

Vereinzelt schon in der Kolonialzeit, aber vor allem seit Ende der Kolonialzeit, etwa beginnend mit Morales y Morales[4], ist der „Entdecker Amerikas“ sehr positiv, im Tenor des „zweiten Entdeckers“ der Insel genannt worden.  Er gewann schnell den Rang eines „Großvaters der Unabhängigkeit“. Die weiße Eliten Kubas ahmten damit seit etwa 1880 einen Prozeß der ideologischen Humboldteanisierung (oder Humboldtisierung, humboldtización)  Kubas nach, den anderen nationale Eliten Lateinamerikas schon hinter sich hatten. [5]

Teodoro Hampe spricht von einem „Modell der ‚Humboldtisierung‘, bei dem durch „ ... die Eingliederung von Elementen aus der westlichen Welt (Wissen, Technologie und Kapital) in Lateinamerika und anderen ‚unterentwickelten‘ Regionen eine Entwicklung ‚von innen heraus‘ angestrebt wird *[6]“. So haben auch die Liberalen der Nachindependencia (vor allem in Mexiko) den Kulturtransfer der Humboldteanisierung unbewußt deutlich charakterisieren wollen. Ortega y Medina bezieht sich auf Ignacio Ramírez, “el Nigromante” der Liberalen, der für Mexiko eine humboldtización im Sinne einer wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und philosophischen Erneuerung auf liberalem Wege gefordert habe.[7]

Historische Humboldteanisierung muss aber viel mehr sein. Es ist nicht nur kulturell gebundener Wissensaustausch oder Wissensvermittlung, Ideologisierung und Manipulation Humboldts durch Verwendung seines Werkes und gebetsartige Anrufung seines Namens seitens der lateinamerikanischen (oder deutsche*n) Eliten. Historische Humboldteanisierung muß vor allem auch die Entstehung der Texte Humboldts und ihre Auffüllung mit Wissen durch Transfers, Medien und Kontakte mit der Realität (*auch der zeitgenössischen diskursiven Realität) nachvollziehen. Es geht mir dabei nicht um Neuauflage des Ortega y Medina-Ansatzes von 1960 oder postmoderne Repetierung von Schattengefechten. Es muß auch nicht auf billige Weise Vatermörderei betrieben werden. Dazu haben Jaime Labastida und Ottmar Ette - in bezug auf Mexiko - das Wesentliche gesagt. [8] Sodann müsste die geistige Inkorporierung des Humboldtschen Amerika-Bildes (mit seinen Abteilungen: Mexiko-Bild, Kuba-Bild, *Venezuela-Bild, Neu-Granada-Bild, etc.) in die europäische Geistesgeschichte nachgezeichnet werden. Dann erst – folgt man dieser Systematik - käme der nochmalige Transfer eines europäisch geadelten Amerika-Bildes in den Blick und seine Rolle bei der Formierung eines nationalen Imaginariums (und einer akademischen Elite) in den einzelnen Staaten Lateinamerikas. * Sicherlich ist wegen der Parallelität vieler Prozesse diese Systematik manchmal eher störend als hilfreich. Aber davon ausgehend könnten dann die methodischen Finessen des transfert culturel-Ansatzes ausgelotet werden.

Das Verhältnis der kubanischen Elite * zum Problem „Humboldt und Kuba“ war schwieriger als das der mexikanischen liberalen Elite. Es handelte sich faktisch um eine Humboldteanisierung aus zweiter Hand. Allerdings mit dem großen Vorteil gegenüber solchen Ländern wie Neu-Granada (die eine viel stärkere koloniale Wissenschaftstradition als Kuba hatten), dass Humboldt eben einen Kuba-Essay, aber keinen Neu-Granada-Essay (oder Peru-Essay) geschrieben hatte. Die kubanische intellektuelle Elite nahm im Laufe des 19. Jahrhunderts das von Humboldt aus dem Abstand von zwanzig Jahren konstruierte Bild eines „großen Kuba“ gern auf.

Das „große“ Kuba der Generation Arangos zwischen 1791 und 1837 hatte eine Quasi-Unabhängigkeit[9] unter dem Deckmantel des spanischen Kolonialismus genossen. Humboldts Kuba-Bild in seinem Essai politique evoziert auch eine quasi unabhängige kreolische Elite. Francisco de Arango y Parreño empfand sich als gleichrangig mit dem preußischen Reisenden, der viel weniger als er selbst, Arango, über Kuba wusste.[10] Aber es ging nicht nur um positives Wissen, sondern auch um strategisches und konzeptionelles, heute würden wir sagen, „globales“, Denken * und Politikberatung, die beide anstrebten. In dieser Art Politikberatung war Arango um 1800 viel erfolgreicher. Er hatte eine originelle ökonomische Konzeption für ein „großes Kuba“ entwickelt, die es erlaubte – und das auch noch zum historisch richtigen Zeitpunkt - , Modernisierung, liberale Mark*twirtschaft und Sklaverei zusammen zu denken (Discurso sobre la agricultura, 1792[11]). Diese Konzeption diente, mit Abwandlungen, zur Entwicklung der Plantagenperipherien der Imperien Spaniens, Frankreichs und der USA sowie Brasiliens. Heutige Sklavereihistoriker haben daraus das Konzept der „zweiten Sklaverei“ entwickelt[12]. Arango begründete die Massensklaverei auch politisch und moralisch; er war einer der geistigen Väter des kubanischen Rassismus (1811). Humboldt selbst hielt die Reform-Konzeption Arangos für weitgehend richtig, die Basierung auf Sklaverei, Rasssimus und Großbesitz aber für unmoralisch und falsch (nicht unmodern). 

 

 

Real time“: Humboldt und Kuba während seiner Aufenthalte 1801 und 1804

 

Der mikrogeschichtliche Befund ist zunächst recht unergiebig. Die erstaunliche Aufmerksamkeit, welche Humboldt um 1825 für die Insel aufbrachte, sticht sehr stark gegen das geringe Interesse ab, welches er während seiner wirklichen Aufenthalte an ihr hatte. Ein Unterschied wie Tag und Nacht!

Humboldt hielt in der Realzeit, als er 1801 knapp drei Monate in Havanna weilte, die Stadt für ein imperiales Subzentrum mit wenig Interesse für einen Naturforscher. Dem Ton und dem Inhalt vor allem seiner Briefe nach, war ihm die Insel etwa so spannend wie einer der großen internationalen Flughäfen für heutige Reisende. Havanna war für den damaligen Forschungsreisenden der Kriegshafen Neu-Spaniens, ein Meßpunkt und eine Zwischenstation nach Neu-Granada, Quito, Peru und Mexiko. Humboldt führte kein Tagebuch.  Das hat er allerdings auch in anderen großen Städten nicht getan.

Die „amerikanischen Briefe“ sind neben den Tagebüchern die wichtigste Quelle für die Originalperspektive Humboldts während der Reise. Kuba kommt in den Briefen, die Humboldt während des ersten Kubaaufenthaltes schrieb, praktisch nicht vor.[13] Der Brief vom 21. Februar 1801 aus Havanna an Karl Ludwig Willdenow enthält in nuce die “Relation historique” bis zur Ankunft in Havanna und der nachfolgende Brief an seinen Bruder aus Cartagena de las Indias vom 1. April 1801 die Schilderung über das Stück Reise von Batabanó über Trinidad, welches sich auch im Tagebuch findet und das dann das Kap. XXIX der Relation Historique bildete, den einzigen “Reisebericht” Humboldts über Kuba.[14]

Im Brief an Wilhelm v. Humboldt aus Contreras vom 21. September 1801 heißt es: “... kamen wir ... in der Havana an, wo wir drei Monate lang (bis Februar 1801), zum Theil im Hause des Grafen Orelly, zum Theil auf dem Lande bei dem Grafen Jaruco und dem Marqués de Real Socorro, zubrachten.” Er enthält nichts Inhaltliches, sagt aber einiges über die Kontakte aus, die Humboldt im Gedächtnis geblieben waren oder die er seinem Bruder gegenüber hervorheben wollte[15].

In dem bemerkenswerten Brief an Domingo de Tovar y Ponte aus Ayabaca vom 2. August 1802 wird der Aufenthalt auf Kuba sogar als demora (Verzögerung) bezeichnet. Humboldt erwähnt wenigsten seine Versuche, zur Verbesserung der Öfen in den Casas de purga (Zuckersiedereien) der Hacienda des Grafen von Jaruco beizutragen.[16] Humboldt beginnt in diesem Brief seine Vergleiche der “Hauptstädte Amerikas”, die er dann im Brief an José Ignacio Checa aus Guayaquil vom 18. Januar 1803 fortsetzte.[17]

Wenn Havanna oder Kuba während der Reise überhaupt erwähnt werden, so als Zwischenstation nach “Quito, Mexico...” als Postdepot oder als Meßpunkt[18]. Die „Mineralogische Notiz“ über den Cerro de Guanabacoa ist bekanntlich sehr kurz. Sie muß als Gefälligkeit für den Generalkapitän gelten. Humboldt hielt Kuba für weitgehend ausgeforscht. Dem schottischen Botaniker John Fraser hatte er selbst

„ ... die Erlaubniß verschafft, die Insel Cuba zu bereisen ...“[19]. Auch an der folgenden Bemerkung wird deutlich, daß Humboldt Kuba um das Jahr 1800 herum für wenig lohnend hielt: „J’ai parcouru depuis l’Isle de Cube déjà vue par un Minéralogiste qui fait honneur à l’Espagne Dn. Francisco Remirez.“[20]. Am Beginn der zweiten Globalisierung existierte eine intensive Konkurrenz um noch Unerforschtes (“Jungfräuliches”); sozusagen als eine starke Tradition der ersten Globalisierung. Einen Beweis dafür  bietet das Verhalten des * Leipziger Botanikers Eduard Friedrich Poeppig. Poeppig brach seine mehrjährigen Kuba-Forschungen ab, als er hörte, das Humboldt eine Arbeit über Kuba veröffentlichen wolle.[21] Humboldt wußte um viele der Expeditionen weltweit. Er wusste auch um die Forschungen, die von der bourbonischen Zentrale auf Kuba durchgeführt worden waren.[22] Und Humboldt kannte eventuell von seinen Gesprächen mit Joaquín Beltrán de Santa Cruz y Cárdenas bzw. seinem Umfeld (die konkret nicht verbürgt) einige Ergebnisse der Expedition „Real Comisión de Guantánamo“ (1796-1802). Graf Jaruco war selbst Leiter dieser von der Krone befohlenen Expedition der kubanischen Elite zur Ausforschung der Ressourcen an Land, der Infrastrukturen (Kanalbau) und der Besiedlungsmöglichkeiten im Osten der Insel, verbunden mit wissenschaftlichen Beschreibungen und Forschungen zur Naturgeschichte. Die Endphase der Expedition fand sozusagen fast parallel zu Humboldts erstem Kuba-Aufenthalt statt.*[23] 

In Bezug auf Humboldts real time-Interesse für Kuba gilt das gleiche wie für 1801 (Dezember 1800 bis 15. März 1801) auch für den zweiten Aufenthalt 1804 (19. März bis 29. April 1804)[24]. Nicolás Calvo war schon tot. Graf Jaruco befand sich in Spanien. Humboldt schreibt: ”Dieser Ort [Havanna] ... erschien uns wenig interessant, als wir nun aus Mexiko anreisten, wo es vielleicht etwas weniger Gedankenfreiheit gibt (wenn man es wagen kann, jenseits des “unendlich Kleinen” Unterschiede zuzugeben!), aber wenigstens große wissenschaftliche Einrichtungen. In Havanna drehen sich alle Gespräche um das große Problem, wie man an einem Tag mit der geringsten Zahl von Schwarzen die größte Menge Zuckerhüte produzieren kann ... [es gibt] kein technisches Interesse, keine physikalische Idee, keine Untersuchung der Ursachen ...”.

Wenn er Kuba im Tagebuch überhaupt erwähnte, diente dem Physiokraten Humboldt die Plantagenwirtschaft[25] mit Massensklaverei außerhalb der Stadt Havanna als Negativbeispiel. Möglicherweise ist der letzte Grund für Humboldts Desinteresse in der Fixierung der Elite von Havanna auf die Sklaverei zu suchen.

Insgesamt viereinhalb Monate Aufenthalt und das, was er selbst gesehen hat, nämlich die „Insel Cuba oder vielmehr die 100 Quadratleguas, welche zwischen Havana, Matanzas und Batabanó, wie dicht um Trinidad ... mit Zuckerrohr bepflanzt sind...“[26] machen im ersten Teil das aus, was zunächst Heinrich Friedländer das „große Kuba“ und Juan Pérez de la Riva später „Cuba A“ genannt haben, das Kuba des Binoms „Zucker und Massensklaverei“[27]. Das andere Kuba, das „kleine Kuba“ oder „Cuba B“ war für Humboldt wenig interessant: „... die Insel von  Batabanó und Matanzas bis Jagua, Villa Clara und Santiago de Cuba ist eine mit Wald bewachsene Wüste“[28]. Sechzig Jahre später war der Wald verschwunden, wie zu Humboldts Zeiten (1804) schon im Umkreis von Havanna.

Es gibt keine wirklich minutiöse Analyse des Aufenthaltes von Humboldt und Bonpland auf Kuba. Die vorliegenden gehen fast alle noch auf Morales Morales und Pezuela zurück[29]. Es gibt auch keine wirklich zuverlässigen Untersuchungen, was Humboldt auf den Zucker-Gütern (fincas, ingenios) San Ignacio de Río Blanco, La Nueva Holanda und La Ninfa *beobachtet hatte. Die Hauptthemen der Unterhaltung sind wohl vor allem technische und technologische Verbesserungen der Infrastruktur gewesen; wie etwa die vertikale Teilung der Insel durch den Kanal von Batabanó (Südküste) nach Havanna (Nordküste). Diese Infrastrukturdebatten am Beginn der zweiten Globalisierung führten auf Kuba (und in Deutschland) nur wenige Jahre später zum Bau der ersten Eisenbahnen. Auch Verbesserungen des Zuckerrohrs, des Anbaus sowie der Zuckerverarbeitung wurden debattiert, wie die Energieausnutzung in den Öfen der Zuckersiedereien oder ergiebigere Sorte von Zuckerrohr. All das natürlich mit Bezug zu den Arbeitskräften, im Falle Kubas also unter Berücksichtigung der Sklaverei.

Wir haben es also mit Infrastruktur-, Technologie-, Energie-, Arbeitskräfte-, Ressourcen- und Kostendebatten zu tun. Das sind typische Elitendebatten +[30] am Beginn der zweiten Globalisierung. Humboldt ist nur eine Stimme im breiten Chor dieser Debatte. Nur von den Humboldtmetaphysikern ist sein Part zur wichtigsten Arie hochstilisiert worden. Wir kommen auf diesen Punkt zurück.

 

3. Negativbeispiel „großes Kuba“

Die zitierten Stellen über die „Insel Cuba oder vielmehr die 100 Quadratleguas", sind einige der wenigen Partien, die sich in den von Margot Faak betreuten Tagebuchpublikationen[31] finden lassen. Die Hauptstelle über * eines der wichtigsten Strukturprobleme Kubas findet sich aber nicht unter Kuba, sondern unter der Rubrik „In Bogotá“ und vergleicht den Zuckerrohranbau im Valle de las Guadas (Neu-Granada) mit dem Kubas[32]. Humboldt entdeckte sein „kleines Kuba“ in Neu-Granada.[33] Kurz und zugespitzt gesagt, Kuba war für Humboldt sowohl 1800/01 wie auch 1804 (und darüber hinaus, bis Mitte der zwanziger Jahre) wenig interessant und „Teil“ Mexikos bzw. notwendige Durchgangsstation in das eigentliche, das kontinentale Hispano-Amerika. Das wird an der Entstehungsgeschichte und aus Konstruktion des Textes des Essai politique mehr als deutlich.[34] Humboldt spricht ganz aus Perspektive Havannas, denn er hat ja nicht einmal Matanzas besucht. Wenn er in der Einführung des Essais davon spricht, er habe „nur die Umgebungen Havannas, das schöne Tal von Güines und die Küste zwischen Batabanó und dem Hafen von Trinidad durchstreift“ [35], so handelt es sich bei den Reisen in die „Umgebungen Havannas“ und in „das schöne Tal von Güines“[36] quasi um Ausflüge, wie sie die Zuckerhacendados zu ihren Besitzungen machten. Das Verb durchstreifen könnte zur Annahme führen, Humboldt und Bonpland[37] hätten die Südküste zu Land erforscht, was wirklich eine Entdeckungsleistung gewesen wäre, denn dort findet sich eine einmalige Sumpflandschaft (Ciénaga de Zapata), genau so einmalig wie die Everglades in Florida. Humboldt hat dafür nur recht abschätzige Bemerkungen übrig: „... die Ciénaga, eine fürchterlich morastige Gegend ..., die blos Gräser, Iridoida und kränkliche Fächerpalmen hat“.[38] Diese Südküste hat Humboldt mitnichten durchstreift; seine Aussagen über die Sumpfgebiete zeigen auch ein uns völlig fremdes Naturverständnis. Kuba war nach der ersten Forschungsreise durch Venezuela eigentlich nur Anfangs- und Endpunkt der langen Fahrt durch Neu-Granada, Ekuador, Peru und Mexiko.

Während Humboldt alle seine anderen amerikanischen Schriften auf Augenzeugenschaft und auf relativ dichte Tagebuchnotizen stützte (*Relation historique, Essai politique über Mexiko), gab und gibt es für Kuba in den bisher publizierten Tagebüchern nur die Textpartien, die die Überfahrt von Nueva Barcelona in Venezuela nach Kuba (24. November 1800 bis 19. Dezember 1800) und die, die die Abreise von Batabanó bis zum Aufenthalt in Trinidad beinhalten (6. März 1801-15. März 1801),  also Kuba eigentlich nur aus der Perspektive eines anlaufenden oder ausfahrenden Schiffes betrachten. In den publizierten Werken, bilden diese Tagebuchaufzeichnungen die Grundlage für den letzten Teil des Kapitels XXVII und XXVIII der * Relation historique. Der Haupttext des „Cuba-Werkes“, der Essai politique, hat keine Grundlage in Humboldts Tagebüchern (wenn nicht in den Mexiko-Tagebüchern etwas auftaucht)!

Es muß deswegen fraglich bleiben, ob Humboldt wirklich „ ... in Cuba selbst alles Zugängliche ausgewertet ...“[39] hat. Humboldt selbst: „Ich habe diese [wertvollsten statistischen] Urkunden durchforscht, und die Beziehungen, welche ich nach meiner Rückkehr nach Europa mit Amerika bewahrte, haben mich in den Stand gesetzt, die an Ort und Stelle gesammelten Materialien zu ergänzen.“[40]. Aber in welchen Verhältnis stehen Materialien von „Ort und Stelle“[41], die Humboldt vor allem (nach Morales Morales) von Jauregui, Arango und Valle Hernández bekommen hatte[42], und Ergänzungen durch „Beziehungen“ in Europa? Die jüngsten, von Humboldt im Text oder in den Fußnoten des Essai politique zitierten Arbeiten stammen von 1826. Wir glauben, daß diese späteren, nach seiner Reise erarbeiteten Ergänzungen den übergroßen Teil der Quellen und des Rohmaterials für den Essai politique ausmachen.[43] Humboldt schrieb den Essai politique wahrscheinlich 1826, weil sich die „Weltstellung“[44] Kubas verändert und weil sich seine eigene Haltung zu Kuba als Kolonie und als monarchisch geordnetem Territorium geändert hatte. Den „Supplément“ schrieb er erst nach der Rückkehr von der Rußland-Expedition 1830, denn er verwandte dabei den Vives-Zensus von 1827, der erst 1829 publiziert worden war. Erst nach 1819 fand Humboldt, dessen Interesse an der weiteren Bearbeitung seiner vorhandenen Reisematerials eigentlich abnahm, wie Kurt-R. Biermann dargelegt hat, überhaupt wieder Interesse an einem „amerikanischen Thema“.

Humboldt hat diese veränderte strategische Stellung Kubas, die erst eintreten konnte, als sich nach 1819, eigentlich erst 1824, der Sieg der Patrioten um Bolívar in Südamerika abzeichnete, dann in seinem „schwarzen Neger-Buch über Kuba“[45] (so sein ironischer Titel für den Essai politique über Kuba) dargestellt. Gleichzeitig hat er damit den physiokratischen Mythos Kubas mitkonstruiert, der diese Stellung im 19. Jahrhundert weiter stärkte! [46]

Dabei sollte endlich mit dem Mythos aufgeräumt werden, der immer noch den Eindruck zu erwecken versucht, Humboldt habe im Gegensatz zu anderen Texten besonders intensiv „über Jahre hinweg“ am Essai politique über Kuba gearbeitet. Intensiv hat er gearbeitet, wie er selbst darlegt. Wahrscheinlich aber nur ziemlich kurze Zeit. Am Essai selbst vielleicht sogar nur in der zweiten Hälfte des Jahres 1826, wobei wir hier nicht wissen, wann die mit Erscheinungjahr „1826“ publizierten Bücher wirklich auf dem Markt waren. Er könnte also auch noch am Anfang des Jahres 1827 daran gearbeitet haben.

Die Arbeit war schwierig, vor allem auch deswegen, weil sich einerseits kein oder nur sehr wenig Kuba-Material in seinen Tagebüchern[47] befand. Und weil die „damals vorhandenen offiziellen Dokumente“[48] nicht ausreichten. Vor allem und zuallererst aber, weil sich auf der Insel wegen der erfolgreichen Restaurationsreformen zwischen 1815 und 1825 „Zucker und Sklaverei“  in der Realität zu einer Art karibischem Wirtschaftswunder[49] entwickelt hatte. Andererseits schienen die zunächst von den Liberalen hochgepriesenen Freistaaten Bolívars nach 1826 in Anarchie zu versinken. Der Essai politique über Kuba ist eine Frucht der Jahre nach 1825 und der Enttäuschung über die liberalen Illusionen in bezug auf die „Freistaaten“. Er analysiert die Ergebnisse eines Wirtschaftsbooms –  sehr salopp formuliert, eines prosperierenden „Silicon Valley“ des Zuckers, - am Beginn der zweiten Globalisierung.

Er ist auch ein Zeugnis für die geänderte Haltung Humboldts zu den Mitteln sozialen Wandel, zum Republikanismus im ehemaligen Spanisch-Amerika und zum Monarchismus.[50]

 

 

4. Humboldt und die Sklaverei auf Kuba

Auch in bezug auf Humboldts Haltung zur Sklaverei auf Kuba haben sich  mehrere besonders persistente Mythen entwickelt. Der sogenannte Trasher-Skandal wird in allen deutschen Humboldtarbeiten immer wieder ausführlich dargestellt. *Die Rolle Thrashers in der Geschichte Kubas zu beleuchten, was Humboldt, wie sein Essai politique beweist, viel näher gelegen hätte, ist noch kaum einem der Humboldtforscher eingefallen.[51] In seiner Argumentation über die vermeintliche „rhetorische Floskel“[52] Humboldts übersieht Beck einfach, daß das zum eigenständigen Kapitel „Über das Sklavenwesen“ erhobene Anhängsel von Humboldts Original-Kapitel „Handelsverkehr“ eben das zuletzt geschriebene Textstück des Essai politique ist. Ein bißchen Dekonstruktion tut nicht weh. Humboldt hatte, als die Einleitung des *Essai politique schrieb, offensichtlich noch nicht vor, etwas über die Sklaverei zu schreiben. Im Plan des Werkes schreibt Humboldt nämlich: „Nach einer kurzen Beschreibung der Ortsbeschaffenheit und der eigentümlichen Gestaltung eines von jenem der übrigen Antillen so abweichenden Klimas werde ich die allgemeine Bildung der Insel, ihre nach der genauesten Aufnahme der Küsten berechneten Oberfläche, die Gegenstände des Handels und den Stand des öffentlichen Einkommens untersuchen.“.[53] Und wirklich, nach dem Kapitelabschnitt über die Finanzen folgt dann der ominöse Satz „Hiermit beende ich den ‚Politischen Versuch über die Insel Cuba‘“.[54] Die Textkonstruktion Humboldts - nicht die später eingefügten Kapitelüberschrift - erfasst eindeutig die reale Alternativsituation und die Tatsache, daß die Massensklaverei von den zeitgenössischen Bewohnern Kubas, die nicht der Zuckerelite angehörten (die sog. „Masse der Bevölkerung“) als etwas Äußeres, Fremdes und Bedrohliches gesehen wurde. Zum Teil sogar von Vertretern der Elite selbst, als die Revolution in Saint-Domingue nicht niedergeschlagen werden konnte[55] Allerdings als etwas Bedrohliches und Fremdes, das sich, je länger es wirtschaftlich erfolgreich war, in etwas „Normales“ und Alltägliches verwandelte. Die irrationale Rationalität des moralisch „Falschen“ und pragmatisch „Richtigen“ dürfte das schwierigste Problem für einen Historiker im Stile der Aufklärung - und diese Haltung nahm Humboldt bei der Denunziation der Sklaverei eindeutig ein - gewesen sein.  Was der Humboldt-Text verdeckt oder „übertönt“, überschreibt, verschluckt, ist, daß er vor dem Stimmengewirr einer beginnenden, aber außerordentlich dichten innerkubanischen (Bischof Espada, Agustín Caballero, Félix Varela, Alejandro Ramírez, Ramón de la Sagra, Francisco Frías y Jacott, Conde de Pozos Dulces) um die Sklaverei[56] geschrieben wurde. Die Prominenz des Humboldt-Textes über die Sklaverei wiederum rührt daher, daß sein universales Schreiben die Standpunkte modernster Technologie, Infrastruktur und Technik mit sozialer Nachhaltigkeit zu vereinen sucht; im Sinne der Geschichtswissenschaft Aufklärung mit positivistischem Historismus zu vereinen sucht. Der Text hebt sich heraus aus den Arbeitskräftekosten und – nutzenanalysen, den rein technischen Infrastrukturdebatten und den Euphorien über neue Technologien. Er verweist immer wieder auf langfristige sozial-politische Folgen und nutzt dafür die moralische Potenz von Geschichte. Auch das macht seinen Wert am Beginn der dritten Globalisierung aus.

Zweitens wird übersehen, daß sich die „erstaunlich behauptete“ Weltstellung Kubas im 19. Jahrhundert eben auf dieser Sklaverei und kaum auf „kluger Regierung“[57] gründete. * Ganz im Gegenteil (wenn vom wirklich „klugen Regierungswillen“ solcher Kolonialfunktionäre wie Alejandro Ramírez abgesehen wird). Vielmehr beruhte sie wohl darauf, dass sich der Staat nicht in die Belange der Unternehmer, d.h., der Plantagenbesitzer und Sklavenhalter, einzumischen wagte. Und deren „Weisheit“ lobt Humboldt in einem Atemzug mit der Kritik an der Sklaverei.

Drittens war Humboldt Reformer und plädierte dafür, trotz flammender Anklage, die Sklaverei nicht etwa sofort abzuschaffen, sondern durch „menschenfreundliche Gesetzgebung und weise Institutionen“ der örtlichen Eliten aufzuheben, das aber „bald“ und mit „kräftigen Maßnahmen“.[58] War er in der Anklage naturrechtlicher Aufklärer, so zeigte er sich in Analyse und Prognose als positivistischer Historist, * sozusagen ein „guter Schüler“ der Historischen Rechtsschule. Er setzte bei den als notwendig erkannten Reformen eher auf existierende Institutionen als auf revolutionären Bruch eben dieser gewachsenen Interessen und Strukturen. Man meint, hinter seiner Schulter Vertreter der Historischen Rechtsschule zu sehen, die versuchen, sein Schreiben unter Kontrolle zu halten.

Humboldt wusste aber genau, dass Reformen des Druckes und der Pressionen bedürfen[59]. Er wusste, dass eben dieser Druck auch zu revolutionären Brüchen führen konnte. Humboldt war auch weit davon entfernt, jedes Stöhnen eines Unterdrückten und jedes Peitschenknallen, sei es nur „historisch gewachsen“, für legitim zu halten. Deshalb bezeichnet er sich eben an dieser Stelle als „Geschichtsschreiber von Amerika“. Er meinte die Geschichte als moralische Potenz und das, was oftmals als „Lehren der Geschichte“ bezeichnet wird. Der moralische Druck gegen den Sklavenhandel (und die Phase der Neuorientierung britischer Politik nach der Niederlage im Norden Amerikas) hatte in Großbritannien geholfen. Auf Kuba war dem nicht so, ganz im Gegenteil, sowohl die immer wieder mobilisierte „Furcht“ vor Haiti und der moralische Druck gegen die Sklaverei wurden zu Triebkräften der Modernisierung der Sklaverei, auch ihrer sozialen Modernisierung. [60]

Humboldt war mit der Gesamtanlage des Essais, wie gesagt, vor allem auch in der prognostischen Funktion des Essai politique, sicherlich ein „Menschenrechtler“.[61]  Er hat unabänderliche Naturrechte und Normen aber nicht zur Basis seiner Reformvorschläge machen wollen. Dann hätte er sofort als Revolutionär handeln müssen. Und als Individuen und Akteure ihrer eigenen Befreiung allerdings hat Humboldt Sklaven, wie aus vielen Einzelbemerkungen und Begebenheiten deutlich wird, eher gefürchtet. Er hat ihnen auch keine individuelle Akteurschaft zugestanden. Das hat den schwarzen Historiker Alain Yacou veranlasst, das Rechtsverständnis Humboldts auf der Basis der Beziehungen von Humboldt zu Arango als „humanité de façade“ zu bezeichnen.[62]

Wie Humboldt sich die Abolition (Aufhebung) der Sklaverei in Realität vorstellte, erhellt aus einer anderen Stelle: „Wieviel werden Kultur und Wohlstand diese Landes einst gewinnen, wenn bei innerer Ruhe über 1 500000 Piaster alljährlich auf Werke öffentlichen Nutzens und hauptsächlich auf den Loskauf arbeitsamer Sklaven, wie dies schon jetzt dank der einsichtigen und humanen Gesetzgebung der Republik Colombia geschieht, verwandt werden.“.[63]

Humboldt bezieht sich hier nicht etwa den Versuch Bolívars, die absolute Abolition ohne Entschädigung für die Herren herbeizuführen (wie der es 1819 vorgeschlagen hatte)*[64], sondern auf die sogenannte „Manumisións-Gesetzgebung“ in „Groß“-Kolumbien, eine Institution also, die zur verschleierten Rekonstruktion der Sklaverei nach den Wirren der Unabhängigkeitskriege führte.[65]

Diese Stelle läßt sich auf zweierlei Weise interpretieren. Erstens: für Humboldt war diese verschleierte Rekonstruktion der Sklaverei in den zwanziger Jahren noch nicht klar erkennbar; zweitens: er hielt sie für richtig und stellte sich so den Abolitionsprozeß unter der Führung des Staates und unter Wahrung der lokalen, sozusagen „historistisch“ gewachsenen Eigentümerinteressen vor.

Das führt uns zu einem vierten Problemkomplex, der im Zusammenhang mit der Aussage „Spanien hatte keineswegs nur verkehrt gehandelt, behandelte es doch auf dieser größten Antillen-Insel seine Sklaven sichtlich besser als die Südstaaten der USA“ [66] (im 20. Jahrhundert auch als „Tannenbaum/Freyre-These“ bekannt geworden). Hanno Beck dürfte doch die Stelle im Essai politique nicht entgangen sein, wo Humboldt den Zusammenhang von „Familien in Hütten, die sie als ihr Eigentum betrachten“ in den „Südteilen“ der Vereinigten Staaten und der natürlichen Reproduktion der Sklavenbevölkerung analysiert.[67] Die war eben im * neuen South viel höher als auf Kuba. Humboldt zitiert zwar das Wort von der „Humanität unserer Gesetzgebung“ und bezeichnet dessen geistigen Vater „d’Arango“ (Francisco de Arango y Parreño) als „edel und würdig“[68]. Das ist Don Pancho wohl gewesen, vor allem war er sehr klug und sprach in bezug auf die Notwendigkeit der Sklaverei für die kreolische Oberschicht Kubas meist unmißverständlich Klartext. Ansonsten besaß er eine Obsession für Zahlen und Zensus, die er allerdings meist als Herrschaftswissen ansah und nicht publizierte.

Humboldt tat zunächst nichts weiter, als einen zu dieser Zeit weitverbreiteten Entschuldigungstopos der kreolischen Oligarchien geschickt aufzunehmen, der allerdings auf dem procedere der sog. „patriarchalischen Sklaverei“ beruhte und mit den Realitäten der ruralen Massensklaverei nichts mehr zu tun hatte („In keinem Teil der Welt, wo Sklaverei angetroffen wird, sind die Freilassungen so häufig wie auf der Insel Cuba.“).[69] Diese Rede hatte er in seinen Gesprächen „an Ort und Stelle“ mit den Spitzen der lokalen Elite immer wieder gehört. Seine Kritik bringt er trotzdem ebenso unmißverständlich an: „Der Weisheit und Milde dieser spanischen Gesetzgebung ungeachtet bleibt der Sklave in der Einsamkeit einer Pflanzung oder eines Pachthofes den größten Mißhandlungen preisgegeben, wenn auf demselben ein roher capataz [[70]], mit einem Buschmesser (machete) und einer Geißel, unbeschränkte Gewalt und Herrschaft übt! Gesetzlich ist weder eine Grenze für die Bestrafung des Sklaven noch die Dauer seiner Arbeitszeit bestimmt; ebensowenig finden sich die Beschaffenheit und Menge der ihm zu gewährenden Nahrungsmittel vorgeschrieben **“.[71]   

Die moralische, ethische Haltung Humboldts zur Sklaverei ist klar und eindeutig. Sie ist naturgesetzlich fixiert und steht im Lichte der „Ideen von 1789“. Und sie gehört zu den „Aufgaben des Geschichtsschreibers“, wie sie Bruder Wilhelm formuliert hatte, und war von der britischen abolitionistischen Bewegung sowie von Adam Smith in den Rang eines Credo erhoben worden[72]. Diese Haltung ehrt Humboldt auf ewig.

Im Tagebuch hatte er auch geschrieben: „Nirgends muß sich ein Europäer mehr schämen, ein solcher zu sein, als auf den Inseln, seien es französische, seien es englische, seien es dänische, seien es spanische. Sich darüber streiten, welche Nation die Schwarzen mit mehr Humanität behandelt, heißt sich über das Wort Humanität lustig machen und fragen, ob es angenehmer ist, sich den Bauch aufschlitzen zu lassen oder geschunden zu werden ...“[73] oder im Essai politique: „Welch ein trauriger Anblick ist es denn aber, wenn christliche und zivilisierte Völker in Erörterung über die Frage eintreten, welches von ihnen im Laufe der Jahrhunderte die kleinere Zahl Afrikaner durch Sklaverei umgebracht habe“.[74] Warum aber dann diese offensichtliche Achtung gegenüber dem Sklaverei-Ideologen Arango im publizierten Text, während der Arango in den „amerikanischen Briefen“ nicht einmal erwähnt ist und im Tagebuch nur einmal[75]? Hat Arango Humboldt etwa getäuscht? Darauf deuten die fast lobhudelnden Zitate Arangos hin („Don Francisco de Arango, einer der aufgeklärtesten und mit der Lage seines Vaterlandes am gründlichsten vertrauten Staatsmänner ...“[76]), die Verweise auf die „günstige Gesinnung“ der „Ortsbehörden, oder richtiger gesagt, die reichen Eigentümer, welche das Ayuntamiento [Magistrat] von Havanna, das Consulado und die Patriotische Gesellschaft bilden“[77], der Verweis auf den „Reglamento sobre los negros cimarrones“ von 1796 und die schon fast ostentative Nichtbeachtung Regeln des metropolitanen Gesetzgebers, wie der oben zitierten „Instrucción“. Oder haben der „Menschenrechtler“ Humboldt und der „Sklaventreiber“ Arango etwa auf gemeinsamen Positionen gestanden? Hier wird die ganze Crux der gebetsmühlenartig wiederholten Mythen deutlich. Humboldt war zugleich Moralist und Pragmatiker. Darum hebt er hervor, gäbe es „... in den Drangsalen des menschlichen Geschlechtes Grade“[78], denn er kannte die Zahlen. Die liefen im Grunde darauf hinaus, daß es immer mehr Sklaven und - trotz der „weisen Gesetze“ (Verbot des Sklavenhandels ab 1820, am Vertrag von 1817 zwischen Großbritannien und Spanien hatte Arango als Berater des Consejo de Indias maßgeblich mitgewirkt) - immer mehr Sklavenschmuggel gab. Er wußte auch, daß erfolgreiche Reformpolitik per se immer der Mitwirkung der lokalen Eliten bedarf. Den notwendigen Druck für Reformen sah er in den früheren Revolutionen auf Saint-Domingue und im kontinentalen Amerika gegeben. Humboldt war bereit, die Erfahrungen daraus zu ziehen. Er flehte er die kubanische Elite an: „Will man ohne Stürme und Erschütterungen Verbesserungen erzielen, so muß man Sorge tragen, die neuen Institutionen aus denjenigen sich entwickeln zu lassen, welche durch die Barbarei von Jahrhunderten befestigt worden sind“.[79] Deshalb setzt er auch an den Interessen der Sklavenhalterelite an, hebt das Positive hervor, unterdrückt das Negative und gibt seine Zielvorstellungen, sozusagen liebenswürdig und diplomatisch verpackt, aber in der Sache „hart“ begründet, zu erkennen.

Diese Ziele Humboldts waren: „Sklavenhandel wirklich und nicht bloß gesetzlich abgeschafft“[80]; Humboldt schrieb der lokalen Elite ins Stammbuch, daß ihr „großes Kuba“ zunächst auch ohne Sklavenhandel weiterfunktionieren könne[81]. Allerdings hielt er dann eine Transformation der Sklaverei zu einem freien, am Gewinn beteiligten, freilich abhängigen, Bauerntum für notwendig[82]. Das war um 1825 auch Arangos Überzeugung. Er hatte sie selbst entwickelt. „Eine Bevölkerung von freien und einsichtigen Landbauern wird nach und nach an die Stelle einer Sklavenbevölkerung treten, der es an aller Voraussicht und Industrie fehlt“.[83] Der Nebensatz erfasste eines der Hauptargumente der Abolitionsgegner. Dieser Nebensatz, wie andere Äußerungen, zeigen neben der Gegnerschaft zur Sklaverei eben auch den Abstand Humboldts gegenüber einer Akteurschaft („agency“) der Schwarzen. Zugleich appellierte Humboldt an das Herrschaftswissen der Elite unter dem Motto „wenn keine vernünftigen Reformen, dann ...“. Er versuchte, das verbreitete Unsicherheitsgefühl unter der Sklavenbesitzern anzusprechen, um auf „vernünftige Weise“ die Erfahrungen der ersten Etappe des Zeitalters der Revolutionen (1776-1815) für eine Entwicklung hin zu mehr „Zivilisation“ fruchtbar zu machen. So erwähnt er mehrfach negativ die „blutige Katastrophe“, die „furchtbare Katastrophe von Santo Domingo [Saint Domingue, seit 1804 Haiti]“[84], den „große[n] Schiffbruch“[85], die „Rache der dienenden Bevölkerung“.[86] Im Grunde muss man auch vor diesem Humboldt den Hut ziehen, wenn man sich die Hysterie der Oligarchien vor Auge hält. Denn im Text finden sich auch einige ganz wenige Stellen, wo Humboldt die Leistungen ehemaliger Sklaven in ein positives Licht stellt. [87] So bezeichnet er „Haiti ... (das) Reich der Äthiopier“[88] als möglichen staatlichen Akteur, als Kern einer „Afrikanische(n) Konföderation der Freien Staaten der Antillen“.[89] Humboldt läßt das Problem der Akteurschaft in der Schwebe bzw. erkennt es nur auf der Ebene des Staates an. Er fragt, wer würde sich trauen, den Einfluß einer „Afrikanischen Konföderation“ - bei ihrer Lage zwischen Kolumbien, Nordamerika und Guatemala - auf die „Politik der Neuen Welt“ vorauszusagen? Dann kommt die Prognose für Kuba: „Die Insel Cuba mag eher als eine andere unter den Antillen dem großen Schiffbruch entgehen“. Weil: „Die Weißen und hauptsächlich die Freigelassenen, welche mit den Weißen leicht gemeinsame Sache machen mögen, erhalten auf der Insel Cuba einen ungemein schnellen numerischen Zuwachs.“[90] Klischees, die Humboldt übernommen hat und humane Wünsche, die durch die reale Geschichte schon 1845, kaum zwanzig Jahre nachdem Humboldt sie niedergeschrieben hatte, ad acta gelegt wurden. Im Zensus von 1841, so ungenau er im Einzelnen auch sein mag, wird deutlich, daß der hemmungslose Sklavenschmuggel zum ersten Male dazu geführt hatte , daß es auf Kuba mehr Sklaven als weiße Einwohner gab (43,3% : 41,6%); dazu kamen noch 15,1% freie Farbige. Die farbige Bevölkerung machte zusammen etwa 60% der Bevölkerung aus. Die Weißen mit ihrer kreolisch-kanarisch-andalusischen Kultur, die sich zudem einbildeten, als einzige „Kubaner“ zu sein, stellten eine Minderheit dar. Dazu kam, daß es durch die Zusammendrängung der Sklavenwirtschaft zwischen Havanna und Matanzas, eben im „großen Kuba“ Humboldts, zu Verschwörungen und amorphen Verbindungen zwischen den freien Farbigen der Städte und den Sklaven der Plantagen gekommen war. Englische Agenten und abolitionistische Konsuln stellten so etwas wie Lunten an diesem sozialen Vulkan dar. Die Kolonialregierung Kubas glaubte nur durch einen präventiven Terror- und Verhaftungsschlag einer befürchteten großen Sklavenrevolution zuvorkommen zu können. Der staatliche Terror von „La Escalera“[91], der sich vor allem gegen die freien Farbigen der Städte Matanzas und Havanna richtete, machte *nicht nur generell mit den Wünschen Humboldts Schluß. Der staatliche Terror ließ auch seine Klischees als solche erkennen. Die „Freigelassenen, welche mit den Weißen leicht gemeinsame Sache machen“ gab es kaum noch, es kam zu einer Solidarisierung der Farbigen und Schwarzen.[92] Humboldt hat all dies noch - von fern - erlebt; Arango hat das Scheitern seiner Reformvorstellungen zwar geahnt, aber nicht mehr erlebt. Er starb 1837. Sein Tod fand exakt dem Jahr statt, als Kuba als durch Ausschluß aus der spanischen liberalen Verfassung zur Kolonie wurde. Die Quasi-Autonomie der lokalen kreolischen Oligarchien auf Kuba, die noch durch den Text des Essai politique geistert, war zu Ende.[93] Die spanische Kolonialideologie wurde rassistisch. Aus dem Ansatz Humboldts, den Schwarzen Akteurschaft auf staatlicher Ebene zuzugestehen, wurde das Schreck- und Zerrbild eines „schwarzen Kuba“: “Cuba, si no es española, es negra, necesariamente negra” (“Kuba, wenn es nicht spanisch ist, ist schwarz, notwendigerweise schwarz”).[94]

Mit den Forderungen nach sozial nachhaltiger Reformierung der Sklaverei und effektiver Unterdrückung des Sklavenhandels befand sich Humboldt, als er den Essai politique schrieb, zwischen 1826-1830, weitgehend in Übereinstimmung mit Arango bzw. sah in ihm einen kongenialen Partner in der kubanischen Reformelite; eine Adresse für seine wissenschaftlichen Erwägungen und für seine Intentionen einer konkreten Politikberatung. [95] Ganz im Gegensatz zu den Zeiten seines Kuba-Aufenthaltes. Deswegen auch die offenkundige Symphatie zwischen beiden im Essai politique. Natürlich hätte der trockene Pragmatiker Arango nicht so moralisch argumentiert wie Humboldt. Arango, der Meister kolonialer Diplomatie, manipulierte in gewisser Weise den Preussen. Er wußte besser als Humboldt um die Verschleierungsfunktion der Furchtikone „blutige Sklavenrevolution“ (als Textfigur auf Kuba in den Begriffen „Haiti“ oder „Guárico“ zusammengefaßt[96]).  Solange die Herrschaftsdemographie sich unter Kontrolle der Kreolen befand und der Schulterschluß zwischen kreolischer Oberschicht und Kolonialadministration einigermassen funktionierte, war kein großer Aufstand zu befürchten. Und Arango hat niemals Schwarzen, sei es als Individuum, Gruppe oder auf der Ebene staatlicher Organisation, die Rolle von Akteuren eingeräumt. Deshalb sagt er auch in einer seiner Marginalien zum Essai politique, genau an der Stelle, wo es expressis verbis um den moralischen Appell Humboldts in bezug auf die generelle Inhumanität der Sklaverei geht: „Ich respektiere die Gefühle, die diese Zeilen diktiert haben, und ich wiederhole nochmals, wenn man die Insel Kuba mit Jamaika vergleicht, scheint das Resultat positiv für die spanische Gesetzgebung und die Gewohnheiten der Bewohner Kubas zu sein. Diese Vergleiche zeigen auf dieser letzten Insel [Kuba] einen unendlich besseren Stand der Dinge in bezug auf die körperliche Erhaltung und den Unterhalt der Neger: aber - welch tristes Spektakel präsentieren christliche und kultivierte Völker, wenn sie darüber streiten, welches von beiden in drei Jahrhunderten weniger Neger umgebracht hat, indem es sie der Sklaverei unterworfen hat.“[97]

Arango schied 1825 aus seiner Funktion des Intendanten  - salopp formuliert - des kolonialen Wirtschaftsministers der Insel aus. Der späte Arango hatte sehr gut begriffen, daß sein jugendlich-ungestümer Glaube (und das wohlverstandene Profitinteresse der Hacendados), die kreolische Oligarchie könne die Sklaverei kontrollieren und es käme durch die auf der „großes Kuba“-Konzeption basierenden Wirtschaftsentwicklung zur allgemeinen felicidad (Glückseligkeit), eben so nicht stattgefunden hatte. „La época de nuestra felicidad ha llegado“- „Die Epoche unserer Glückseligkeit ist gekommen“ hatte er 1792 angesichts der Sklavenrevolution auf Saint-Domingue im „Discurso sobre la agricultura“ geschrieben. [98] Sein kongenialer Freund Nicolás Calvo konnte sich sogar schriftlich freuen – über einen Sklavenaufstand, der die Konkurrenz traf! ”A los franceses no es facil fabricar tan pronto aquella porcion de azúcar; porque sus Negros sublevados y hechos á la guerra, aborrecerán por mucho tiempo todo trabajo, sujecion y buen órden. Los Yngleses no tienen ya en sus pedregonas islas, ni un palmo de tierra buena que no esté cultivado, y así no es de creer puedan ya acrecentar mucho mas su producto.” [99] (Den Franzosen wird ist es nicht leicht, so schnell jene Masse von Zucker zu produzieren; weil ihre Neger im Aufstand und im Krieg sind und für lange aller Arbeit, Unterwürfigkeit und gute Ordnung fliehen werden. Die Engländer haben auf ihren Inselchen schon kein einziges Stückchen guten Bodens mehr, das nicht kultiviert wäre und so ist nicht zu glauben, dass sie ihr Produkt noch sehr viel steigern können).

Der konservative Reformschub auf Kuba endete Mitte der zwanziger Jahre mit der neuen Stellung der Insel als einziger Spanien verbliebener kolonialer „Perle“. Fixiert wurde die Stellung Kubas als liberale, aber eben im Verfassungssinne (obwohl nicht expressis verbis in ihr als solche bezeichnete) wirkliche Kolonie, mit dem Ausschluß der Insel vom Geltungsbereich der spanischen Verfassung von 1837.[100] Humboldt hatte Kuba im Essai politique noch als quasi-autonomer Teil der Monarchie gegolten. Natürlich war die Gegnerschaft Arangos zum Sklavenhandel auch in der Konkurrenz zur Aufsteiger-Gruppe der spanisch-katalanischen Negreros begründet, von der die alte Oligarchie Havannas zunehmend finanziell abhängig wurde. Die steigenden Sklavenpreise und das System der Kreditvergabe (refacción) durch Kaufleute und Sklavenschmuggler trieben Arango Tränen in die Augen: „Ich wünschte, daß der Baron [Humboldt] mein Herz sähe, oder wenigstens meine Augen“.[101] Humboldt kritisierte diesen Kaufmanns-Kapitalismus am Beginn der zweiten Globalisierung, dessen Akkumulation*quellen vor allem im Sklavenschmuggel lag*en, auch des öfteren.

Insgesamt ist dem späten Arango das Bemühen um Reformierung des von ihm mitinitiierten „großen Kuba“ im Sinne sozialer Nachhaltigkeit – zu dem allerdings auch ein klar artikulierter Rassismus[102] gehörte – nicht abzusprechen. Was die Nachhaltigkeit betrifft, besonders in bezug auf Umwandlung der Sklaven in eine Klasse de iure freier Bauern, standen Arango und Humboldt auf ähnlichen Positionen. Dazu kam, daß Arango und seine tertulia (eigentlich Salon, Lese- oder Gesprächszirkel, im weiteren Sinne für persönliches „Netzwerk“) im Gegensatz zur Masse der Besitzer mit den Sachargumenten und Daten Humboldts eben kongenial umgehen konnte.

Damit ist übrigens ein Problemkreis in der Humboldtforschung angerissen, der der Frage nachgeht, inwieweit „universales Wissen“ von Humboldt und „lokales Wissen“, etwa das von Arango oder von Nicolás Calvo oder Antonio del Valle Hernández übereinstimmten, bzw. wo das weit genauere lokale Tiefen- und Hintergrundwissen das breite Wissen von Humboldt beeinflusste und inwieweit es einfach ungerecht ist, immer nur die von Humboldt im Wortsinne „vorgeschriebene“ Perspektive in bezug auf den Kulturtransfer von Europa nach Amerika[103] nachzubeten. Viel wichtiger wäre es, ein genaues transfert culturel-Konzept, von mir aus auch „Modell“, der humboldteanización durch die unterschiedlichen Elitengruppen und –konstellationen (Konservative-Liberale) zunächst für das 19. Jahrhundert zu erarbeiten, daß sich freilich zunächst der extrem komplizierten Aufgabe stellen müßte, die individuellen Kontakte und Beeinflussungen sowie die Netzwerke und die Textgrundlagen eines solchen „Modells“ zu rekonstruieren. Die nächsten Schritte müssten dann eine Analyse der „Mexikanisierung“[104], „Kolombianisierung“, „Venezolanisierung“, „Peruanisierung“, „Ekuadorianisierung“[105] und, natürlich, „Kubanisierung“, vielleicht sogar „Hispanisierung“ und ”US-Amerikanisierung” Humboldts[106] beinhalten.

 

 

 

5. Eliten unter sich: Humboldt, Nicolás Calvo de la Puerta y de O‘Farril und die Inputs der Humboldteanisierung

Wie Ansätze zu einem solchen historischen Transfer-Konzept aussehen könnten, sei an dem wichtigsten Werk der kubanischen Sozialgeschichte, „El Ingenio“, vom  „kubanischen Braudel“ Mariano Moreno Fraginals und der Person von Nicolás Calvo de la Puerta y O‘Farril (1758-1800 oder 1802)[107], kurz Nicolás Calvo, demonstriert. Dabei ist es im Grunde zwar wichtig, ob Calvo nun 1800 oder erst 1802 gestorben ist. Wenn er schon 1800 gestorben ist, können sich Humboldt und Calvo kaum persönlich begegnet sein. Aber selbst dann gilt die Hintergrundrolle, die wir ihm in unserem Transfer-Konzept zubilligen.

Dazu seien zwei textuelle Ansätze gewählt: erstens erwähnt Alexander im Brief an seinen Bruder, daß er eine Zeit „ ...auf dem Lande bei dem Grafen Jaruco und dem Marqués de Real Socorro ... ” zubrachte.[108] und zweitens Stellen in Humboldt-Texten, die darauf Bezug nehmen. Bei *„dem Marqués“ handelt es sich wahrscheinlich um Antonio de Beitía y O’Farril, (III.) Marqués del Real Socorro (1774-1811), Teniente del Prior des Real Consulado de la Habana (1795), d.h., Stellvertreter des Präsidenten der wichtigsten Standesorganisation der Oligarchie, Schwager von Ignacio Montalvo Ambulodi, Prior (Präsident) des Real Consulado, Conde de Casa Montalvo. Der Marqués del Real Socorro war Besitzer von zehn Zuckerplantagen.[109] Er spielt im Zusammenhang mit Humboldt insofern eine Rolle, daß er eben sehr viele Ingenios besaß und Humboldt wohl oder übel einmal eines dieser Ingenios besuchte.  [110]

Aber wer war der “Graf Jaruco”? Auf den ersten Blick handelt es sich um Joaquín Beltrán de Santa Cruz y Cárdenas, (III.) Graf von San Juan de Jaruco und (seit 1796: I.) Graf von Santa Cruz de Mopox (1769-1807).[111] Durch seine Bindungen zu Manuel Godoy, Príncipe de la Paz, dem mächtigen Minister Karls IV. von Spanien, wahrscheinlich der zu dieser Zeit politisch einflußreichste Angehörige der Oligarchie von Havanna.

Die Herausgeber des spanischen *Essai politique schreiben: “Während ihres Aufenthaltes besuchten sie mehrere Zonen der Provinz Havanna, wie Guanabacoa, Regla, Managua, San Antonio de las Vegas, Bejucal, Wajay und Güines ... Bei diesen Exkursionen wurden sie ... auf den Ingenios untergebracht, wie es Francisco de Arango y Parreño, Joaquín de Beltrán de Santa Cruz, Graf von Mopox und Jaruco und Nicolás Calvo y O’Farril taten, Besitzer der Ingenios La Ninfa, San Ignacio de Río Blanco und La [Nueva] Holanda”.[112]

Im * Essai politique schreibt Humboldt mehrmals über einen “Grafen Jaruco” auf die oben zitierte Weise. Aber, wenn wir die Texte genau analysieren,  scheint es manchmal, als sei dieser Graf Jaruco gar nicht auf Kuba und auch nicht wirklich mit Humboldt zusammengetroffen. Der realgeschichtliche Zugang zu unserem Modell hinkt also schon an seinem Beginn? Zumindest leicht. Nur wissen das die wenigsten, die schnelle Modelle der Humboldteanisierung konstruieren.

Die Person des “Conde de Jaruco” kommt auch gar nicht vor in den Einführungen zu Humboldts Werk, zumindest da, wo es um inhaltliche Fragen des Transfers, vulgo Kontakte, geht. Und auch in Humboldts Texten scheint der “Graf Jaruco” mehr eine Referenz an den sozialen Status Joaquín Beltráns de Santa Cruz y Cárdenas zu sein. Humboldt tendiert in seinen Texten dazu, eher die Persönlichkeiten visiblen sozialen und politischen Status’ zu nennen, als die ihm nahestehenden wissenschaftlichen Diskussionspartner.

Wie dem auch sei, Humboldt schreibt mehrfach in seinem Werk Sätze wie diese: “Ich habe während meines Aufenthaltes in Güines, vorzüglich in Río Blanco beim Grafen von Mopox [das ist auch der “Graf Jaruco” – M.Z.], verschiedene neue Konstruktionen versucht in der Absicht, den Bedarf von Brennstoffen zu vermindern, den Herd mit Substanzen, die schlechte Wärmeleiter wären, einzufassen und den Sklaven, die das Feuer unterhalten müssen, ihr Geschäft minder peinlich zu machen.”[113] Diese Textstelle beweist auf jeden Fall, daß Humboldt an den Technologie- und Ressourcendebatten der kubanischen Elite teilnahm. * Nicht nur diskursiv, sondern handelnd. In der Realgeschichte und am “Objekt” allerdings nur sehr kurz, das heißt, während eines seiner Ausflüge in die Plantagenzone von Güines (etwa drei Wochen im Februar 1801 und wenige Tage im März 1801; wie lange 1804, ist unklar). Humboldt hat+te bei diesen Debatten auch Probleme der Sklaven mit im Auge. Wenig sinnvoll ist die Fußnote des Herausgebers genau zu dieser Textstelle: “Hier werden die von der Aufklärung bestärkte praktische Hilfe Humboldts für die Sklaven besonders evident, eine frühe Form der Entwicklungshilfe, der Erfolg beschieden war”[114] Sie ist vor allem im Rahmen des Transfer-Konzepts der Humboldteanisierung nicht sinnvoll, weil wiederum Humboldt zum Vater der Modernisierung, hier auch noch zum Urgroßvater der Entwicklungshilfe, stilisiert wird.

Wir meinen, daß Nicolás Calvo 1800/1801, vermittelt über “seine Erben”, wie Fernando Ortiz schreibt (seine beiden Söhne oder einer von ihnen)[115], eine entscheidende Person für Humboldt war. Wenn Calvo nicht schon 1800 gestorben ist, hat er möglicherweise Humboldt auf dem “Plantagenausflug” im Februar 1801[116] begleitet. Wenn er nicht mehr am Leben war, wurde Humboldt von einem oder beiden Söhnen Calvos begleitet.  Keiner der europäischen Humboldtforscher hat je ein Wort über Nicolás Calvo verloren. Allein ein kurzer Blick auf die Themata, mit denen sich Calvo beschäftigte, werden die Bedeutung des kreolisch-amerikanischen Inputs für das Werk Humboldts und für die Humboldteanisierung zeigen, egal ob er bis 1800 oder bis 1802 lebte.

Nicolás Calvo stellte mit oder sogar noch vor Francisco de Arango die wirklich entscheidende Person in einer zivil und technologisch orientierten Gruppierung von Akteuren der Oligarchie von Havanna dar[117]. María Dolores González-Ripoll in ihrem neuesten Buch stellt Calvo zwar nicht in das Zentrum ihrer Betrachtungen, aber schreibt über ihn: “Diese Persönlichkeit, Ex-Dominikaner und Mitglied einer der einflußreichsten Familien von Havanna, scheint eine der Schlüsselfiguren der kubanischen wissenschaftlichen Aufklärung zu sein, denn er erscheint immer verbunden mit den Hauptprojekten des wissenschaftlichen Fortschritts ...”.[118] So ist es. Calvo war Sohn des I. Grafen von Buenavista, Bruder des Marqués von Casa Calvo (II. Graf von Buenavista[119]) und Onkel der Gräfin von Jaruco, d. h., von Teresa de Montalvo y O’Farril, der Frau von Joaquín Beltrán de Santa Cruz. Er war auch Cousin des Marqués von Casa Peñalver (General Gonzalo O’Farril y Herrera, 1754-1831, Paris[120]) und Cousin von Arango selbst. Sowohl sozial, aber als Zensor der Sociedad Económica de Amigos del País von Havanna und Redakteur der Zeitung “Papel Periódico” auch institutionell*, war Calvo sehr gut in der Oligarchie verankert[121]. Er war Mitglied des Ordens ”Carlos III”. Die wirtschaftliche Verankerung zeigt sich in seiner Rolle als modernisierungsfreudiger Besitzer der Ingenios ”El Cangre” und “La Nueva Holanda”[122] bei Güines (wo er die künstliche Bewässerung von Zuckerrohrfeldern einführte). Um seine Verflechtungen mit der kreolischen Intelligenz anzudeuten, erwähnen wir hier vor allem José Agustín Caballero y Rodríguez de la Barrera (1762-1835), Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie an der Universität Havanna und, obwohl der 1800 noch sehr jung war, Tomás Romay Chacón (1769-1849), Initiator der Pockenimpfung und der wissenschaftlichen Erforschung des Gelbfiebers.[123]

Nicolás Calvo war ein typischer Vertreter der Wissenschaft im Aufklärungszeitalter, mit breiten Kenntnissen in Mathematik, Botanik, Chemie; er beherrschte mehrere Sprachen (Latein, Griechisch, Italienisch, Englisch und Französisch). * Er malte und musizierte selbst. Calvo hatte sich ein chemisches Laboratorium eingerichtet; er verfügte über modere Instrumente (z. B. Mikroskope oder ein sog. “Hidrometer” oder “Zuckermesser”) und mehrere Sammlungen.[124] Viele Texte und intellektuelle Stimmen des kubanischen 19. Jahrhunderts sind Echos der Originalstimme Nicolás Calvo.

Nun zu den Inputs. Um zu zeigen, daß die gigantische Aufgabe (zumindest für Historiker), sozusagen die Schnittstellen der realen Humboldteanisierung zu erforschen, in Umrissen zumindest begonnen werden kann, benutzen wir das Personenverzeichnis von Manuel Moreno Fraginals Klassiker „El Ingenio“ (1963), Stichworte „Calvo, Nicolás“ und „Humboldt, Alexander (barón de Humboldt)“. Wir schauen zunächst nach den Textbezügen und Themen, in bzw. mit denen Calvo dort dargestellt ist. Dann werfen wir einen Blick auf die Überschneidungen mit dem Stichwort „Humboldt“.

Moreno Fraginals „El Ingenio“ ist vor knapp vierzig Jahren publiziert worden. Einige seiner Aussagen sind sicherlich im Detail nicht mehr zu halten und im Gesamturteil überzogen, aber das soll hier zweitrangig sein.

Der Name Nicolás Calvo erscheint erstmalig im Zusammenhang mit „Amigowirtschaft“. Die Pflanzer hätten Plantagen für die imperialen Bürokraten, Luis de la Casas (Gouverneur und Generalkapitän Kubas) und José Pablo Valiente gekauft und diese damit quasi bestochen. Konkret geht es um das Gut* ”La Ninfa”, die damals weltgrößte Plantage. Dazu kommt der Vorwurf der Bereicherung im Amt und *der Hinweis auf Debatten um technologische Verbesserungen an den Zuckermühlen.[125] Dann geht es um die Vertreibung der Tabakbauern (labradores, vegueros) von den Ebenen um Güines und um den Widerstand der kreolischen Zuckerelite gegen staatliche Schutzmaßnahmen für den kleinen Tabakbesitz, im Kern also um einen Konflikt zwischen „großem“ und „kleinem Kuba“.

Autor eines Informes über dieses Problem ist Nicolás Calvo. Für die llanos de Mayabeque bei Güines (was dann in Humboldts Essais als das ”schöne Tal von Güines” erscheint, landwirtschaftlich so wertvoll, weil der Fluß Mayabeque eine natürliche Bewässerung darstellte, so daß Tabak, aber auch Zuckerrohr schon in der Trockenzeit des Januar, Februar und März gepflanzt werden konnten) fordert er in seinem Bericht: „Los mismos labradores q.e vendan á los amos de ingénio las tierras de Güines, irán con este producto á cultivar las otras tierras que el Rey les proporcionará á tributo” (”Die labradores [Tabakbauern] mögen an die Herren der Ingenios das Land von Güines verkaufen und mit diesem Produkt [dem Tabak] mögen sie die anderen Ländereien [tierras] kultivieren, die ihnen der König zum Tribut zur Verfügung stellen solle“)[126]. Hier geht es um ein Überlebensproblem des „großen Kuba“ um 1795-1800: wegen der hohen Gewinne waren die Bodenpreise im Umkreis von Havanna explodiert. Calvo führt in dem gleichen Informe aus, daß der Boden bei Güines schon 2000 bis 2500 Pesos pro Caballería (13,5 ha) kostete, während guter Boden im Westen Havannas (Vueltabajo) noch für 50 Pesos/Caballería zu haben sei.[127] Zugleich nahm die Bodenqualität wegen der mangelnden Düngung und der Überlastung des Bodens rapide ab. Die hohen Transportkosten und der unterentwickelte Transport *behinderten eine Expansion der Plantagenwirtschaft in das Innere der Insel, obwohl insgesamt noch nicht einmal 5% des Gesamtbodenareals der Insel *belegt war. Und die Schutzmaßnahmen der Krone für die Tabakbauern auf dem guten Boden in der Nähe Havannas verhinderten - nach Calvo und Arango - die weitere Erschließung der Insel durch den kleinen Tabakbesitz * einerseits, den Ausbau der Zuckerwirtschaft andererseits. Wenig später wurde Calvo zum Chef einer Kommission ernannt, die die Änderung des Rechtsstatus des ”Dorfes” (pueblo) Güines zur Landstadt (villa) vorbereitete. [128]  

Weiter in der Themenliste Elitendebatte: Calvo erscheint wieder im Zusammenhang mit den „energetischen Flaschenhals“ der technologischen Modernisierung der Zuckerproduktion – dem Einsatz von Dampfmaschinen zum Antrieb der Zuckermühlen (bzw. direkt der Walzen, ein weiteres Problem war der Übertragungsmechanismus), kurz Ressourcen- und Energiedebatten im Rahmen der Industrialisierung der Agrarproduktion. In seiner Bibliothek befand sich 1794/95 das einzige Exemplar über Erfahrungen im Einsatz der Dampfmaschine auf Jamaika (Stewart, John, A description of a machine invention to work mills by the power of a fire-engine, but particularly useful and profitable in grinding sugar-canes, o.O, 1767).[129] All dies steht im Zusammenhang mit „Expeditionen in die Moderne“, d.h., Reisen von Angehörigen der Zuckerelite in andere Länder und auf andere Zucker-Inseln, vor allem nach Saint-Domingue (oder später nach Haiti, um zu sehen, ob die Konkurrenz am Boden bleiben würde), nach Jamaika oder Barbados. „Durch Haiti, Jamaika oder Barbados gereist zu sein, war wie einen Titel in industriellen Fähigkeiten zu erhalten, wie ein Doktorat in Ingenios. Es war etwas, von dem mit Stolz Nicolás Calvo, Martínez Campos, Antonio Morejón, José Ignacio Echegoyen [und Arango sowie Ignacio Pedro Montalvo, die 1794 nach Spanien, Portugal (Sklavenhandel!), England, Barbados und Jamaika gereist waren] sprachen ...  .“[130].

Dann kommt bei Moreno die Charakteristik von Nicolás Calvo – „Mann von klar definierten bürgerlichen Ideen und die einzige Figur, die in den letzten Dekade des 18. Jahrhunderts die gleiche intellektuelle Größe wie Arango hatte ... [in seinen Texten] mit klarer Sprache, sauber, konzis, mit Geschmack nach Kontabilitätsbuch“ - und der Verweis, daß er sich für die Gründung von Chemie- und Botanikschulen einsetzte.[131] Chemie und Botanik bedeutet auf Kuba Wissenschaft des Zuckerrohranbaus und der Zuckerproduktion.[132] Im Grunde ging es aber um viel mehr – um massive Investitionen in Bildung für Grundlagenforschungen und zur Ausbildung von Fähigkeiten für die Modernisierung mit Sklaverei. Aber eben nicht nur um das, deshalb ist die kräftige Prise (damals) modernen Vulgärmarxismus bei Moreno immer mit in das Kalkül zu ziehen. Calvo war einer der Hauptverfechter eines Institutionenkomplexes, dessen Säulen eine „Schule für Mathematik“, eine Schule für experimentelle Physik (mit Maschinensaal), ein Kabinett für Naturgeschichte, ein Botanischer Garten und eine Schule für praktische Anatomie sein sollten.[133] Auch Musik-, Mal- und Zeichenschulen sowie Institutionen der Hebammenausbildung sollten nicht fehlen. Vielleicht noch wichtiger für die allgemeine Kultur waren die Aktivitäten zur Sammlung und Systematisierung von Worten des lokalen Spanisch, das berühmte „Diccionario de voces provinciales“.[134]

Weiter in * unserer imaginären *Elitendebatte: Kostendiskussion. Oder besser – Produktion erhöhen, Kosten senken. Nicolás Calvo war in seiner klaren Sprache derjenige, der im „Krieg um den Zehnten“ das Feuer auf die Personalpolitik der Kirche, auf die Zehnten und die anderen Abgaben an die Kirche eröffnete. Die Aufgaben des Kapellans auf den Plantagen sollten möglichst zweite oder dritte Söhne der Besitzer sozusagen nebenbei erledigen; die Friedhöfe für die Sklaven gehörten * für die Besitzer aus Kostengründen auf die Ingenios. Dazu kam, daß die katholische Soziallehre in den Köpfen der Sklaven aus Sicht der Besitzer Gefahrenpotential barg. Besonders eifrige und sozial engagierte Pfarrer mochten die Besitzer nicht.

In diesem Zusammenhang ist Calvo für Moreno Fraginals der „progressivste Zuckerproduzent“.[135] In dem schweren Konflikt zwischen Zuckerproduzenten und Kirche in den Jahren zwischen 1796 und 1804 brachte Calvo den Vorschlag zu einer Zwischenlösung an, die einen weiteren Punkt auf der Liste der Elite-Debatte berührt – Wegebau und Transportkosten sowie Organisation und Technik des Transports. Er schlug vor, einen Teil des Kirchenzehnten für den Wegebau zu verwenden.[136] Auch in bezug auf die Infrastrukturpolitik gehörte Calvo zu den technologisch progressivsten Menschen seiner Zeit.

In bezug auf Werte, Images und Symbole, verortet Moreno Fraginals Calvo, zusammen mit Arango, klar auf der Höhe ihrer Zeit. Sie erfinden eine neue Geschichte Kubas. Humboldt übernimmt sie. In Kurzfassung lautet die Zuckerproduzentenversion der Geschichte Kubas so: die moderne Geschichte datiert seit 1763, eigentlich seit 1762, dem Jahr der Eroberung Havannas durch Großbritannien. [137] * Beide arbeiten auch intensiv an der Ikonisierung „Haitis“. *[138]

Nützlichkeit und (ökonomische) Talente sind die einzigen Werte, die für Calvo und Arango (sowie Humboldt) Adel begründen können. Sie verbreiten Satire über die gekauften Titel der Oligarchie und über ihre Sucht nach militärischen Rängen. Kuba ist für sie keine Kolonie, sondern hatte vieles, was moderner und besser war als die alte Metropole Spanien, in der Spannbreit*e zwischen Eisenbahn (ab 1837) und watercloset, letzter Schrei der Sanitärhygiene.[139] Das könnte noch unter „normaler“ Luxuskonsummentalität lateinamerikanischer Eliten rangieren; die kubanische Elite aber ging viel weiter: sie hielt den Kernbereich der Produktion – die Landwirtschaft Kubas oder besser die Zuckerproduktion ihres „großes Kuba“ - *mit einigem Recht -  für moderner als die des Mutterlandes. In dieser Perspektive war Spanien für sie lächerlich unmodern.

Das sind die direkten Textzusammenhänge, in denen Nicolás Calvo namentlich genannt wird. Sie betreffen ausnahmlos alle Punkte der Elitendebatte (mit Ausnahme des Punktes „soziale Nachhaltigkeit durch Abschaffung des Sklavenhandels und der Sklaverei“), die wir oben aus Perspektive der Humboldttexte geschildert haben.

Wir haben diese Methode hier verwandt, um die Figur, vor allem aber die Stimme, von Nicolás Calvo in diesen Debatten, an denen auch Humboldt teilnahm, schärfer zu konturieren. Wir wollten Themen aufzeigen, die Humboldt von Calvo und seiner Gruppe von Akteuren übernehmen konnte und nicht etwa umgedreht. Die Inputs der Humboldteanisierung sind in dieser Perspektive also zunächst lokales Wissen oder damaliges universelles Spitzenwissen, das Humboldt über persönliche Transfers von Leuten aufnimmt, die den praktischen Wert dieses Wissens kennen. * Humboldt wählt dieses lokale Wissen unter universellem Gesichtspunkt aus und gibt ihm Bedeutung.

Nun zu Humboldt in *unserer Textdekonstruktion Morenos. Beide, Calvo und Humboldt, kommen zusammen nur an einer Stelle zusammen vor, in einer Fußnote, in der Moreno den Fehler eines der großen Zuckerhistoriker, Noël Deerr[140], erklärt. Deerr habe, mit einer Information aus Humboldts * Essai politique über Kuba angenommen, daß es auf Kuba 1804 schon 25 Ingenios mit Dampfmaschinenantrieb gegeben habe, übersieht aber, daß diese Zahl eine Realität widerspiegelt, die für die zwanziger Jahren gilt, in denen Humboldt seinen *Essai politique schrieb.[141] Ansonsten kommt Humboldt bei Moreno eigentlich immer in der Nähe von Arango vor. Das ist standesgemäß aus Sicht der kubanischen nationalen Meistererzählung. Einzelthemen sind der „Kanal von Güines“[142], den auch Humboldt immer wieder in seinen Texten erwähnt. Der Kanal wird sozusagen überholt durch die Eisenbahn, die 1837 von Havanna in das Herz der Plantagenzone gelegt wird: San Julián de los Güines, das „schöne Tal von Güines“. Das idyllische Tal wird zum Geburtsort des vollmechanisierten Ingenios, die in bezug auf Technologie das 19. Jahrhundert bis 1870 dominieren. Zwanzig Jahre nach 1837 sind alle damaligen Plantagenzonen und die wichtigsten Häfen miteinander vernetzt.[143]

Neben „Tal und Kanal von Güines“ steht Humboldt bei Moreno immer in einem Diskurszusammenhang, der von „internen Daten“ der Plantagen über die Mentalität der kreolischen Zuckerelite meist zu den Begriffen „Lüge“ und „Täuschung“ führt.[144] Moreno greift die „harten“ Datengrundlagen des Humboldtschen Essais an. Er kann sie durchaus erschüttern. Es handelt sich vor allem um Zahlen über Produktionskosten und Gewinne.[145] Im Textbezug geht es um eine Anmerkung Humboldts zu den „Preisen des Kolonial-Zuckers in Europa“ im * Essai politique. Für sie hatte Humboldt, nach eigenen Worten „eine sehr alte Berechnung von Don José Ignacio Echegoyen über die Fabrikationskosten des Zuckers“ herangezogen,  „... die mir in Havanna mitgeteilt worden ist, [sie] rührt vom Jahr 1798“.[146] Der andere Textbezug im Essai Humboldts sind die Berechnungen über den Ertrag in Zucker pro Flächeneinheit Boden.[147] Dieser Angriff auf die Zahlen Humboldts von seiten eines Historikers, der das lokale Wissen analysiert, stellt in unserem Zusammenhang der Humboldteanisierung eine sehr ernste Angelegenheit dar, denn hier handelte es sich um den Kern des Humboldtschen Wissenschaftsverständnisses überhaupt.

Ein weiteres sehr ernstes Thema ist das Problem der energetischen Basis der Zuckerherstellung, vor allem das Problem des Waldes, des [Brenn-] Holzes, seines Ersatzes durch Bagasse (ausgepresstes Rohr und getrocknete Zuckerrohrabfälle, Trester, Blätter o.ä.). Weiterhin findet sich Humboldt bei Moreno noch im Zusammenhang mit technologischen Verbesserungen der Zuckerproduktion selbst sowie ihrer Geräte und im Zusammenhang mit den Verkaufsusancen der Besitzer, vor allem in bezug auf das Problem, sowohl den braunen, wie auch den raffinierten, weißen Zucker abzusetzen.[148]

Alles Kernbereiche der Elitendebatte. Moreno weist darauf hin, daß die Propaganda der kubanischen Elite: „im Ausland, vor allem auf Jamaika ist alles besser“ etwa im Gestus unserer heutigen gleicht, die auf das Motto zurecht gekürzt werden könnte: „in den Staaten ist alles besser“. Sie diente (und dient) dazu, bestimmte Ziele zu verwirklichen, das Publikum zu beeinflussen und mehr Geld zu erhalten. Nach Moreno ist Humboldt dieser Eliteargumentation zum Teil auf den Leim gegangen.[149]

Bei den wirklich starken und eigenständigen lateinamerikanischen Arbeiten, wie dem Klassiker „El Ingenio“ von Manuel Moreno Fraginals, handelt es sich um eine Rezeption Humboldts aus der Perspektive des lokalen Wissens und seiner Hauptvertreter,  im Falle Kubas von Francisco de Arango sowie Nicolás Calvo und vieler anderer mehr.[150] Das ist für unser Transfer-Konzept der Humboldteanisierung besonders wichtig und sehr schön. Es ist unserer Meinung nach ein starkes Indiz für die Tatsache, daß die aktiven Inputs - das soll auch unsere Schlussthese sein - dieser realen Humboldteanisierung während der amerikanischen Reise 1799-1804 eben amerikanisch-autochthon im umfassendsten Sinne, lokal und sowohl spanisch wie auch kreolisch waren. Ausnahmen bestätigen die Regel. Das Genie Humboldts bestand in der aktiven Suche nach diesen Personen, der Auswahl, der gesamtamerikanischen Verknüpfung der Informationen, der Verknüpfung auch mit seinen Beobachtungen und * der Bedeutungszuweisung innerhalb seines universellen naturwissenschaftlichen empiristischen Kosmos. Der historistische Schlusspunkt ist die schöne Synthese all dessen. Die Konstruktion seines Gesamtwerkes fand statt in ständigem Bezug zu diesen Inputs und der empirischen Basis und zu den wichtigsten Werken seiner Zeit. Insofern ist das Ganze mehr als die Summe der Teile (oder Inputs).

Am „Sklavenkapitel“ des * Essai politique lässt sich auch zeigen, daß Humboldt eben nicht nur die praktischen und pragmatischen Probleme der Elitendebatte reflektierte und im Sinne genialer Synthesen in sein Gesamtbild, das „politische Gemälde“ einbaute, sondern daß er aktiv eigene Lösungstrategien entwickelte; Lösungsstrategien die  Entwicklungsprobleme und -richtungen *(„Wege“ bzw. „Pfade“) ganzer Gesellschaften betrafen. Er erarbeitete in gewissem Sinne historische Kontext- *und Struktur- sowie Verlaufsanalysen für Entwicklungspfade; der von ihm vorgeschlagene Entwicklungspfad einer agrarischen Entwicklung ohne die direkte Bindung der Arbeitskräfte durch Sklaverei setzte sich auf Kuba erst 1886 durch, allerdings ohne daß dabei die Strukturen des ”großen Kuba” zerschlagen worden wären.

Die ideologische Humboldteanisierung Lateinamerikas (ab 1821), auf die sich Ortega y Medina bezieht (in gewissem Sinnen gilt das auch für die USA, wie die Trasher-Episoden zeigen, für Venezuela[151] und, wie gesehen, für Kuba), wäre dann sozusagen der kulturell aktive Reimport dieses Wissens nach Lateinamerika. Aber nun auf die kulturellen Interessen eines Teils der Elite bezogen, meist der, die sich als „liberal“ definierte, d.h., „europäisch-universell“ („westlich“) geadelt, akademisch kanonisiert, technologisch-pragmatisch und möglichst ohne die sozialen Bezugspunkte der Originalperspektive Humboldts. Ohne die Integration * dieses Humboldteanismus in den jeweiligen Nationaldiskurs und den kontinentalen América-Diskurs erschien den eurokreolischen liberalen Eliten (aber auch vielen Konservativen) Lateinamerikas die kulturelle Moderne ihres Weltteils unvollständig.

Mit Miguel Ángel Puig Samper könnten wir diese Modernität als modernidad periférica [152] bezeichnen, cum grano salis, eine periphere Moderne. Uns scheint der Begriff otra modernidad, eine andere Moderne, im Falle Kubas eben herbeigeführt auf dem für Humboldt falschen Wege einer Modernisierung mit Massensklaverei, angemessener.

Humboldt und sein Werk müssen immer wieder gelesen, diskutiert und * von jeder Generation „neu“ erschaffen werden; heute muss die Diskussion sicherlich zusammen erfolgen mit der über den Sinn des Empirismus in den Sozialwissenschaften und des Historismus in der Geschichte sowie den Konzepten Universalität, Modernisierung, Modernität, Modernen und Globalisierung.[153]

 

Havanna, Cienfuegos, Güines, Liblar, Köln und Leipzig, 1998-200*2

 

 



[1] Faak, Alexander von Humboldt auf Kuba, Berlin: Alexander von Humboldt-Forschungsstelle, 1996² (Berliner Manuskripte zur Alexander-von-Humboldt-Forschung, 11); Leitner, Ulrike: Las obras de Alejandro de Humboldt sobre Cuba. In: Alejandro de Humboldt en Cuba. Catálogo para la exposición en la Casa de Humboldt. La Habana Vieja, octubre de 1997- enero de 1998. Augsburg: Wissner 1997, S. 51-60.

[2]Zur Methode des „transfert culturel“, siehe: Espagne, Michel/Werner, Michel, „Deutsch-französischer Kulturtransfer im 18. und 19. Jahrhundert. Zu einem neuen interdisziplinären Forschungsprogramm des CNRS“, in: Francia 13 (1985), München 1986, págs. 502-510; Osterhammel, Jürgen, „Transkulturell vergleichende Geschichtswissenschaft“, in: Haupt, Heinz-Gerhard; Kocka, Jürgen (eds.), Geschichte und Vergleich. Ansätze und Ergebnisse international vergleichender Geschichtsschreibung, Frankfurt am Main/New York: Campus, 1996, pp. 271-314; zuletzt: Paulmann, Johannes, „Internationaler Vergleich und interkultureller Transfer. Zwei Forschungsansätze zur europäischen Geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts“, in: Historische Zeitschrift, Band 267, S. 649-685; Matthias Middell, „Kulturtransfer und Historische Komparatistik – Thesen zu ihrem Verhältnis“, in: Comparativ, 10. Jg., Heft 1 (2000): Kulturtransfer und Vergleich, hrsg.v. Matthias Middell, S. 7-40.

[3] Cuba-Werk ..., S. 178 und ff.

[4] Wir zitieren hier nur die wichtigsten Arbeiten: Luz y Caballero, José de la, De la vida íntima. Cartas a Luz y Caballero, La Habana, 1949, S. 120 (Brief Humboldts an Luz vom 31. Juli 1831); Ders., De la vida íntima. Epistolario y Diarios, la Habana, 1946; Morales y Morales, Vidal, „El barón de Humboldt en la Isla de Cuba“, in: El Figaro, La Habana, 6. Juni 1897, S. 258; Ibid., 21. Juni 1897, S. 286; Ibid., 22. Juni 1897, S. 300; siehe auch: Ortiz, Fernando, „Humboldt en Cuba“, in: ders., „Introducción biobibliográfica“, in: Ensayo político sobre la isla de Cuba, La Habana: Fundación Fernando Ortiz, 1998, S. XIII-XCIX, XXVII-XLIII; Branly, Miguel Angel, „Presencia de Humboldt en Cuba“, in: Revista Bimestre Cubana, La Habana (Enero-Junio 1959), S. 7-47; Cabrera, Migdalia, ”Alejandro de Humboldt en la historiografía cubana“, in: Islas. Revista de la Universidad de Las Villas, vol. XI, nº 3, Santa Clara (Septiembre-Diciembre 1969), S. 99-117; Alessio Robles, Vito; Ortiz, El barón Alejandro de Humboldt, La Habana: Casa de las Américas, 1969; Cuevas, Carmen, „Presencia de Alejandro de Humboldt en la Historia de Cuba“, in: Zeuske/Schröter, Alexander von Humboldt ..., S. 234-246; Almodóvar, Carmen, Antología crítica de la historiografía cubana (Época colonial, La Habana: Editorial Pueblo y Educación, 1986, S. 225-246.

[5] Zeuske, „Vater der Unabhängigkeit? - Humboldt und die Transformation zur Moderne im spanischen Amerika“, in: Alexander von Humboldt. Aufbruch in die Moderne, ed. Ette, Ottmar; Hermanns, Ute; Scherer, Bernd M.; Suckow, Christian (Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung, Bd. 21), Berlin: Akademie Verlag 2001, S. 179-224; Zeuske, ¿Padre de la Independencia? Humboldt y la transformación a la modernidad en la América española, in: Debate y perspectivas. Cuadernos de Historia y Ciencias Sociales, Madrid, No. 1 (Diciembre de 2000): Alejandro de Humboldt y el mundo hispánico. La Modernidad y la Independencia americana, coord. Por Miguel Ángel Puig-Samper, S. 67-100.

[6] Hampe Martínez, Teodoro, „’Alle sind gleichmässig zur Freiheit bestimmt’. Humboldt und die Politik“, in: Netzwerke des Wissens ... , S. 34.

[7] Mein Ansatzpunkt in bezug auf die „humboldeanización“ war bisher José Miranda. Das geht offenbar auf einen Fehler meiner Rezeption eines Kossok-Artikels zurück: Kossok, „Alexander von Humboldt und der historische Ort der Unahängigkeitsrevolution  Lateinamerikas ...“, passim, hier S. 4, Fußnote 22, wieder abgedruckt in: Kossok, Ausgewählte Schriften, 3 Bde., Middell, Matthias (ed.), Leipzig: Leipziger Universitätsverlag, 2000; Bd. I: Kolonialgeschichte und Unabhängigkeitsbewegungen in Lateinamerika, hrsg. v. Middell, Matthias u. Zeuske, Michael, S. 251-271. Bei José Miranda, “Alexander von Humboldts 'Politischer Versuch über das Königreich Neu-Spanien'”, in: Alexander von Humboldt: Vorträge und Aufsätze anlässlich der 100. Wiederkehr seines Todestages am 6. Mai 1959, hrsg.v. Johannes F. Gellert, Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften, 1960, S. 81-87 (verlesen in der Festveranstaltung der Geographischen Gesellschaft der DDR am 7. Mai 1959) findet sich zwar eine fulminante Behandlung des Themas “Humboldt als unbewußter Vorreiter des britischen Kolonialismus”, aber kein Begriff der “Humboldteanisierung”, zumindest nicht expressis verbis.

[8] Teodoro Hampe, „‘Alle sind gleichmässig zur Freiheit bestimmt‘ Humboldt und die Politik“, in: Humboldt, Alexander von, Netzwerke des Wissens ..., S. 34; Juan A. Ortega y Medina, “La “humboldtización” de México”, in: Ortega y Medina, Humboldt desde México, México: UNAM, 1960, S. 78-84; Ders., “Estudio Preliminar”, in: Humboldt, Alejandro de, Ensayo Político sobre el Reino de la Nueva Granada, México: Editorial Porrúa, 1965, S. XLVI (ich danke Dr. Miguel Angel Puig-Samper Mulero, Madrid, für den Hinweis); Labastida, Jaime, Humboldt, ese desconocido, México, D.F.: Secretaría de Educación Pública, 1975; Ette, “’Unser Welteroberer’: Alexander von Humboldt, der zweite Entdecker, und die zweite Eroberung Amerikas”, in: Amerika 1492-1992. Neue Welten – neue Wirklichkeiten, 2 Bde., Berlin: Stiftung Preußischer Kulturbesitz, 1992, II. Bd.: Essays, S. 130-140.

[9] Maestri, Raúl, Arango y Parreño: El Estadista sin Estado, La Habana: Publicaciones de la Secretaria de Educación; Dirección de Cultura, 1937; Guerra, Ramiro, „Francisco de Arango y Parreño, Patriota y Habanero. Su posición en la Historia de Cuba“ [Einleitung zu:] Arango y Parreño, Francisco de, Obras de Don Francisco de Arango y Parreño, 2 Bde., La Habana: Publicaciones de la Dirección de Cultura del Ministerio de Educación, 1952, I, S. 11-23. Die Familie Arango führte ihre Abstammung nach Navarra zurück, siehe: Minguet, Alejandro de Humboldt ..., I, S. 321, Anm. 22.

[10] Arango y Parreño, Francisco de, „Observaciones al Ensayo Político sobre la Isla de Cuba del Sr. Barón de Humboldt“, in: Boletín del Archivo Nacional, tom. LVI, La Habana (Enero-Dic. 1957), S. 36-43 (Beobachtungen Arangos über den Essai Politique; der Originalbrief Arangos an Humboldt findet sich in: Staatsbibliothek  zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung, Nachlaß Alexander von Humboldts, Kleiner Kasten 7b, nº 69.

[11] Arango y Parreño, « Discurso sobre la agricultura de La Habana y medios de fomentarla », in : Documentos para la historia de Cuba, 5 vols. in 4 Bden., Pichardo, Hortensia (ed.), La Habana: Editorial de Ciencias Sociales 1973, Bd. I, S. 162-197.

[12] Tomich, „The ‚Second Slavery‘: Bonded Labor and the Transformations of the Nineteenth-century World Economy“, in: Ramírez, F.O. (ed.), Rethinking the Nineteenth Century, Stanford, CA.: Stanford University Press, 1988, S. 103-117.

[13] Humboldt, Briefe aus Amerika 1799-1804, hrsg. v. Ulrike Moheit, Berlin: Akademie Verlag, 1993, Einleitung, S. 7-22 sowie S. 127-131 u. 131-134.

[14] Ibid., 134-136.

[15] Ibid., Brief 55, S. 147f.

[16] Ibid., Brief 80, S. 189. Diese Art Beschreibung hat das Bild des Kulturtransfers zwischen Humboldt und seinen Augen-zu-Augen-Partnern in Amerika bestimmt. Nur Kubahistoriker kennen die Rolle der einzelnen Kontaktpersonen für die Implantierung neuen Wissens und einer neuen Technologiekultur, in summa, für die Modernisierung der Zuckerplantagenwirtschaft mit Massensklaverei. 

[17] Ibid., S. 217-220, hier 218, Vergleich von Lima mit Buenos Aires, Santiago de Chile und Arequipa in bezug auf Verfall und Aufstieg bzw. in  bezug auf “trato y cultura social” mit Havanna und Caracas), als “Ort” des Gelbfieber (S. 230, 246).

[18] Humboldt, Briefe aus Amerika ..., S. 53 u.v.a.m.; Brief 22 aus Caracas an Jerôme Joseph de Lalande, Ibid., S. 67-75; ähnlich an Zach, S. 47-56 oder an Manuel de Espinoza y Tello, Brief Nr. 116,  S. 253-259.

[19] Ibid., Brief an Willdenow, 21. Februar 1801, Nr. 41, S. 124.

[20] Ibid., Brief Nr. 61, an José Clavijo y Fajardo, aus Popayán vom 25. November 1801, S. 157-162, 157.

[21] Schröter, Bernd, “Alexander von Humboldt und die Nachfolger – Eduard Friedrich Poeppig”, in: Zeuske/Schröter, Alexander von Humboldt und das neue Geschichtsbild ..., S. 92-98; siehe auch: Das Gute und Große wollen. Alexander von Humboldts amerikanische Briefe, hrsg. v. Moheit, Berlin: Rohrwall Verlag, 1999, passim.

[22] González-Ripoll Navarro, María Dolores, „Una aproximación a la expedición secreta de Ventura Barcaítegui (1790-1793) y los reconocimientos de la parte oriental de Cuba“, in: Asclepio (Madrid), XLIII/2 (1991), S. 165-179; González-Ripoll Navarro, „Las expediciones hidrográficas en el Caribe: el Atlas americano“, in: Ateneo de Madrid, La ciencia española ..., S. 301-307; Gomis Blanco, Alberto, „Las ciencias naturales en la expedición del Conde de Mopox a Cuba“, in: Ibid., S. 309-319.

[23] Ich kann hier nur auf wenige Stellen im Werk von Humboldt verweisen, die weniger bekannt sind. So etwa in seinen ersten Briefen nach der Landung in Cumaná an der Tierra Firme: „... noch einer der unbekanntesten Theile der Welt“, Brief an Wilhelm von Humboldt aus Cumaná vom 16. Juli 1799, in: Humboldt, Briefe aus Amerika ..., S. 41-43, hier S. 41 (Brief Nr. 11); oder sein Kommentar über die Erforschung des Nordens und Westens der USA: „Du erinnerst Dich, mein Guter, aus Walteri Flora Carol[oniana], dass Fraser [John Fraser, Botanist –M.Z.] 4 Reisen in Labrador und Canada theils als Botanist, theils als Gärtner und Samenhändler gemacht. Er war seit 1799 auf seiner 5ten Reise am Ohio, in Kentucky und Tennessey begriffen, einer jetzt sehr gangbaren Gegend, denn in 4 Wochen schickt man Güter zu Lande und zu Wasser von Philadelphia über Fort Pitt, über den Ohio und Missisipi nach Nueva Orleans ...“, Briefe Humboldts an Karl Ludwig Willdenow aus Havanna, 21. Februar 1801, in: Humboldt, Alexander von:  Briefe aus Amerika 1799-1804. Hrsg. von Ulrike Moheit. Berlin: Akademie Verlag 1993, S. 122-131, hier S. 128 (Brief Nr. 41); siehe auch: González-Ripoll Navarro, Cuba, la isla de los ensayos: cultura y sociedad, 1790-1815, Madrid : Consejo Superior de Investigaciones Científicas, Centro de Humanidades, Instituto de Historia, Departamento de Historia de América, 1999, S. 218-222; Cuba ilustrada. Real Comisión de Guantánamo. 1796-1802, 2 Bde., Madrid-Barcelona: Lunwerg, 1991; Naranjo Orovio, Consuelo, “Humboldt y la isla de Cuba en el siglo XIX”, in: San Pío, María Pilar; Puig-Samper, Miguel Ángel (eds.), Las flores del Paraíso, Barcelona: Lunwerg, 1999, S. 121-138.

[24] Humboldt, Lateinamerika am Vorabend der Unabhängigkeitsrevolution. Eine Anthologie von Impressionen und Urteilen aus den Reisetagebüchern zusammengestellt und erläutert durch Margot Faak. Mit einer einleitenden Studie von Manfred Kossok, Berlin: Akademie-Verlag, 1982 (Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung, Bd. 5) (im folg.: “Vorabend”), S. 277.

[25] Díaz de Arce, Omar, „Humboldt y la Economía de Plantaciones“, in: “, in: Islas. Revista de la Universidad de Las Villas, vol. XI, nº 3, Santa Clara (Septiembre-Diciembre 1969), S. 51-83.

[26] Humboldt, Reise auf dem Río Magdalena ..., S. 87.

[27] Juan Pérez de la Riva, Una isla con dos historias, in: Ders., El barracón y otros ensayos, La Habana: Editorial de Ciencias Sociales, 1977, S. 75-90. Leider ist der Text ein Zeitungsbeitrag. Pérez de la Riva hat es nicht geschafft, ihn in wissenschaftliche Form zu bringen. Im Essai, im Kapitel „Bevölkerung“ spricht Humboldt auch von „... dem Dreieck ..., das von Bahia Honda, Batabanó und Matanzas gebildet wird ...“ (Cuba-Werk ..., S. 94).

[28] Reise auf dem Rio Magdalena..., S. 87. Im Cuba-Werk, Supplément ..., S. 176 setzt Humboldt noch eins drauf:  “Was das Innere der Insel Cuba betrifft, so ist dieses, mit Ausnahme des Dreiecks zwischen Bahía Honda, Matanzas und dem Surgidero de Batabanó, eine terra incognita.”. Das meinte er allerdings 1830, als er dieses Text höchstwahrscheinlich schrieb, positiv in Bezug auf die Möglichkeiten für Erforscher, nicht mehr so jugendlich-überheblich waren wie er 1800 oder 1804. Eduard Poeppig hätte weitermachen sollen! Den kubanischen Wald hat Humboldt nicht auf gleiche Art inszeniert, wie den am Orinoko, siehe: Badenberg, Nana, “Ansichten des Tropenwaldes. Alexander von Humboldt und die Inszenierung exotischer Landschaften“, in: Flitner, Michael (ed.), Der deutsche Tropenwald. Bilder, Mythen, Politik, Frankfurt am Main, New York: Campus, 2000, S. 148-173.

[29] Faak, Alexander von Humboldt auf Kuba, Berlin 1996 (Berliner Manuskripte zur Alexander-von-Humboldt-Forschung, 11). Über Kuba publizierte Humboldt seinen “Essai Politique sur l`Ile de Cuba, avec une carte et un supplément qui renferme des considérations sur la population, la richesse territoriale et le commerce de l`Archipel des Antilles et de Colombia, 2 vols., Paris 1826, Librairie Gide et fils, nachdem ihm klargeworden war, daß der ”Essai”  (ohne die ”Anayse raisonnée ...” und den ”Tableau statistique... ”) als Buch in der „Relation historique“ eine eigene Ausgabe verdiente; siehe: Leitner, Las obras de Alejandro de Humboldt sobre Cuba, in: Alejandro de Humboldt en Cuba. Catálogo para la exposición en la Casa de Humboldt, La Habana Vieja, octubre de 1997-enero de 1998, Augsburg: Wissner, 1997, S. 51-60. Spanische Ausgaben: “Ensayo político sobre la Isla de Cuba,  por el Barón de Humboldt, traducida al castellano por D.J.B. y V. y M., Paris: Jules Renouard, 1827“ und Raubkopien 1836 und 1840. Auf Kuba selbst ist der “Essai” schon am 29. November 1827, auf Vorschlag von Andrés de Zayas, vom Ayuntamiento von Havanna verboten worden (genauer: seine Zirkulation), siehe: A. v. Humboldt, Ensayo político sobre la Isla de Cuba, Introducción por F. Ortíz, La Habana 1959, S. 83; siehe auch: Bremer, Thomas, „Europäische Reisende nach Cuba und die Anti-Sklavereidebatte zwischen 1820 und 1845“, in: Die Wiederentdeckung Lateinamerikas: die Erfahrung des Subkontinents in Reiseberichtes des 19. Jahrhunderts, ed. Walther L. Bernecker; Gertrut Krömer, Frankfurt am Main: Vervuert, 1997 (Lateinamerika-Studien; Bd. 38),  S. 309-324.

[30] Minguet, „Las élites hispanoamericanas“, Kapitel 5 von: Ders., Alejandro de Humboldt ..., I, S. 311-337. Zur Operationalisierung des Infrastrukturbegriffs für die historische Forschung,  siehe: Müller, Uwe, Infrastrukturpolitik in der Industrialisierung. Der Chausseebau in der preußischen Provinz Sachsen und dem Herzogtum Braunschweig vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts, Berlin: Duncker & Humblot, 2000 (Schriftenreihe zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 57); sowie: Laak, Dirk van, +++

[31] Auch alle anderen Stellen, soweit sie einen Bezug zu unserem Thema haben, befassen sich mit den Verwerfungen, die sich für Humboldt aus der ungünstigen Struktur der Insel

(„ ... Tyrannei, welche die Havana auf den Rest der Insel ausübt ...“), aus den negativen Folgen der Zuckerproduktion mit Massensklaverei ergaben sowie aus Urteilen über die Unmoral der Sklaverei und Überlegungen zur Handelsfreiheit, siehe: Vorabend ..., S. 77, 98, 102-104, 252, 258f., 283 siehe auch: Reise auf dem Río Magdalena ..., S. 66, 87, 261. 

[32] Faak, Alexander von Humboldt auf Kuba, Berlin: Alexander von Humboldt-Forschungsstelle, 1996² (Berliner Manuskripte zur Alexander-von-Humboldt-Forschung, 11), S. 3f.

[33] Siehe den Kommentar bei: Pietschmann, „Humboldts Bild von Kuba ...“, S. 144-146.

[34]Zeuske, „Vater der Unabhängigkeit? ...“ S. 179-224.

[35] Cuba-Werk ..., S. 8. Siehe auch: Vorabend ..., S. 296.

[36] Humboldt nutzt diese „Landschaftsfotos“ („... das Tal von Güines auf der Südostseite Havannas, eine der herrlichsten Gegenden der Neuen Welt“, Humboldt, Mexico-Werk ..., S. 341), um zum Beispiel den Unterschied im Sinn des Begriffs „Ackerbau“ zwischen Mexiko und Kuba zu verdeutlichen.

[37] Foucault, Philippe, Le pêcheur d’orchidées. Aimé Bonpland; 1773-1858, Paris: Seghers, 1990.

[38] Humboldt, Reise auf dem Río Magdalena ..., I, S. 41.

[39] Cuba-Werk, S. 247.

[40] Ebd., S. 8.

[41] Siehe künftig: Zeuske, „Geschichtsschreiber von Amerika“ (II): die Quellen von Humboldts Essai* politique über Kuba (in progress).

[42] Um die Humboldt nach Vidal Morales Morales bei seiner ersten Abreise von Havanna Andrés de Jauregui, Francisco de Arango und Antonio del Valle Hernández gebeten hatte und die er, vor allem wohl von letzterem (nach Pérez de la Riva „erster Statistiker Kubas“), auch bekam, siehe: Morales y Morales, Vidal, „El barón de Humboldt en la Isla de Cuba“, in: El Figaro, La Habana, 6. Juni 1897, S. 258; Ibid., 21. Juni 1897, S. 286; Ibid., 22. Juni 1897, S. 300 (wieder abgedruckt in: Serie Histórica, núm. 9, La Habana: Academia de Ciencias de Cuba, 1969, S. 27-32. Juan Pérez de la Riva, „Antonio del Valle Hernández, ¿El primer demógrafo cubano?“, in: Antonio del Valle Hernández, Sucinta noticia de la situación presente de esta colonia, ed. Chávez Álvarez, Ernesto, La Habana: Editorial de Ciencias Sociales, 1977, S. 3-40. Pérez de la Riva ist auch der Meinung: „Fue también nuestro autor [Valle Hernández] quien acompañó al barón de Humboldt durante su breve estancia en La Habana, y quien le sumunistró más tarde gran parte de los datos con que elaboró el célebre Ensayo Político.“ Ibid., S. 8f; siehe aber Ortiz und Einleitung Puig Samper.

[44] Cuba-Werk, S. 244, nach Carl Ritter.

[45] Ferdinand T.Bratranek (Hrsg.), Goethe's Briefwechsel mit den Gebrüdern Humboldt (1795-1832), Leipzig 1876, S. 319.

[46] Ähnliches gilt für Mexiko, siehe: Bernecker, Walther L., „Der Mythos vom mexikanischen Reichtum. Alexander von Humboldts Rolle vom Analysten zum Propagandisten“, in: Ette, Ottmar; Bernecker, Walther L. (eds.), Ansichten Amerikas. Neuere Studien zu Alexander von Humboldt, Frankfurt am Main: Vervuert 2001, S. 79-104.

[47] Humboldt, Reise auf dem Río Magdalena ..., I, S. 41-48. Nach Margot Faak, der besten Kennerin der Tagebücher, handelt es sich um die Blätter 187v-191r und 193v-194r des Tagebuchs II und VI; siehe auch die Note, ibid., S. 394.

[48] Cuba-Werk ..., S. 177. Humboldt hatte, nach Vidal Morales Morales, bei seiner ersten Abreise von Havanna Andrés de Jauregui, Francisco de Arango und Antonio del Valle Hernández um diese „Dokumente“ gebeten. Humboldt bekam sie, vor allem wohl von letzterem (nach Pérez de la Riva „erster Statistiker Kubas“), auch, siehe: Morales y Morales, Vidal, „El barón de Humboldt en la Isla de Cuba“, in: El Figaro, La Habana, 6. Juni 1897, S. 258; Ibid., 21. Juni 1897, S. 286; Ibid., 22. Juni 1897, S. 300 (wieder abgedruckt in: Serie Histórica, núm. 9, La Habana: Academia de Ciencias de Cuba, 1969, S. 27-32.

[49] Zeuske; Zeuske, Kuba 1492-1902 ..., S. 205-227.

[50] Die Aussagen über die Vorgeschichte der Rußlandreise und die Kompromisse, die Humboldt dabei einging, bestärken mich in dieser Auffassung, siehe: Suckow, „Alexander von Humboldt und Russland“, S. 247-264, hier S. 248f.

[51] Cuba-Werk ..., S. 252-260. Dabei wäre es ein leichtes gewesen, die originäre Arbeit von Fernando Ortiz, „El Traductor de Humboldt en la Historia de Cuba“, in: Ensayo Político sobre la Isla de Cuba por Alejandro de Humboldt con un mapa de Cuba, introducción por Fernando Ortiz y correciones, notas y apéndices por Francisco de Arango y Parreño, J.S. Thrasher  y otros, 2 Bde., La Habana: Cultural, S.A., 1930; S. 183-222 einzusehen. Eine Ausnahme ist Pietschmann, aber der ist Amerikanist. * Siehe neuerdings: Schwarz, Ingo, “’Shelter for a Reasonable Freedom’ or Cartesian Vortex. Aspects of Alexander von Humboldt’s relation to the United States of America”, in: Debate y perspectivas. Cuadernos de Historia y Ciencias Sociales, Madrid, No. 1 (Diciembre de 2000): Alejandro de Humboldt y el mundo hispánico. La Modernidad y la Independencia americana, coord. Por Miguel Ángel Puig-Samper, S. 169-182.

[52] Cuba-Werk ..., S. 259.

[53] Ebd., S. 8.

[54] Ebd., S. 154.

[55] 1796 gab es sogar eine Debatte im Real Consulado zwischen den Befürwortern einer „weissen Emigration“ (Las Casas), der Steigerung der Sklaveneinfuhr (Arango) und der Einführung von Indianern, die unter Bedingungen der Zwangsarbeit zum Einsatz kommen sollten, siehe: Naranjo Orovio, „Humboldt en Cuba ... “, S. 188.

[56] Acerca de la esclavitud y su historia/José Antonio Saco, selección e introducción de Eduardo Torres Cuevas; Arturo Sorhegui, La Habana: Ed. de Ciencias Sociales, 1982; Torres Cuevas; Eusebio Reyes, Esclavitud y sociedad. Notas y documentos para la esclavitud negra en Cuba, La Habana: Ed. de Ciencias Sociales, 1986 sowie: Naranjo Orovio, „Humboldt en Cuba ...“, S. 183-201.

[57] Ebd., S. 244. Zum Stand der Diskussion des Zusammenhangs zwischen Sklaverei auf Kuba (und Puerto Rico) und dem spanischen „Rest“-Imperium, siehe: Schmidt-Nowara, Christopher, „The End of Slavery and the End of Empire: Slave Emancipation in Cuba and Puerto Rico“, in: Slavery & Abolition. A Journal of Slave and Post-Slave Studies, vol. 21, Num. 2 (August 2000), Special Issue: After Slavery. Emancipation and its Discontents, ed. Temperley, Howard, S. 188-207; * Zeuske, „Weltgeschichtlicher „Big Picture“ und Mikrohistorien der Emanzipation. Typen, Vergleiche, Transfers und das Ende der atlantisch-amerikanischen Sklaverei“, in: Ders., Cimarrón im Archiv. Essais über Mikrogeschichten, atlantische Sklaverei und Rassismus, Leipzig: Leipziger Universitätsverlag, 2002 (in progress).

[58] Cuba-Werk ..., S. 179.

[59] Die Ansätze zu Reformen und die Debatten darum auf den Cortes von Cádiz 1810-1814 erwähnt Humboldt erstaunlicherweise gar nicht, siehe: Chust, Manuel, „De esclavos, encomenderos y mitayos. El anticolonialismo en las Cortes de Cádiz“, in: Mexican Studies/Estudios Mexicanos 11 (2), Summer 1995, S. 179-202. 

[60] Eine interne Sicht auf das Problem von Moral und pragmatischer wirtschaftlicher Rationalität bietet: Barcia Paz, Manuel, ”Herencia y racionalidad de la doble moral de los propietarios cubanos de esclavos”, in: Debates Americanos, No. 9 (Enero-Junio 2000), La Habana, S. 20-26, hier S. 20.

[61] Johannes Meier, „Die Kirche in Spanisch-Amerika um 1800 nach den Reiseschilderungen Alexanders von Humboldt“, in: cristianismo nella storia. Richerche storiche esegetiche teologiche 17, Bologna (1996), S. 485-516; allgemein zu Menschenrechten und Sklaverei siehe: Patterson, Orlando, “Freiheit, Sklaverei und die moderne Konstruktion der Rechte”, in: Menschenrechte in der Geschichte, ed. Hufton, Olwen, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1999, S. 140-193.

[62] In seiner Einschätzung des Reglamento de cimarrones (1796), auf welches auch Humboldt Bezug nimmt, „ ... élaboré par deux des plus sûrs représentants de la plantocratie cubaine, Francisco de Arango y Parreño et José Manuel de Torrontegui. Humboldt lui-même, abusé par cette humanité de façade va porter aux nues ledit Règlement et plus généralement vanter la sagacité de la législation cubaine de l’esclavage“: Yacou, Alain, „Altérité radicale et convivencia. Le marronage dans l’ile de Cuba dans la première moitié du XIXe siècle“, in: Structures et cultures des sociétés ibéro-ameri­caines au-delà du modèle socio-écomonique. Editions IRDAL (Collection de la Maison des Pays ibériques, 43), París 1990, S. 95-111, hier S. 101.

[63] Cuba-Werk ..., S. 153 und S. 160.

[64] *Ramos Guédez, José Marcial, “Simón Bolívar – la abolición de la esclavitud en Venezuela 1810-1830. Problemas y frustración de una causa”, in: Revista de Historia de América, núm. 125 (Jul.-Dic. 1999), S. 7-20.

[65] Auf diese Gesetzgebung bezieht sich Humboldt nochmals ausdrücklich in seinem letzten (bekannten) Brief an Bolívar: „En el volumen del Viaje que acaba de salir he hablado de la emancipación de los negros. Es la República de Colombia la que ha dado el ejemplo, y esta medida humanitaria y prudente a un tiempo, se debe al desinterés del general Bolívar ...“, zit. nach: Minguet, Las relaciones ..., S. 751 (doc. 214c); siehe auch: Humboldt, Reise... (Ette), II, S. 1507: “Für den Zustand der Sklaven sind heilsame Veränderungen im Gange. Den Gesetzen der neuen unabhängigen Staaten zufolge wird die Sklaverei allmählich erlöschen: schon hat die Republik Kolumbien das Beispiel einer allmählichen Freilassung gegeben. Diese ebenso menschliche wie kluge Maßnahme ist GENERAL BOLIVAR zu danken ...”.

[66] Cuba-Werk ..., S. 251; siehe: Zeuske, Einleitung, in: Nach der Sklaverei. Grundprobleme amerikanischer Postemanzipationsgesellschaften, Ders. (Hrsg.), Comparativ, 7. Jg., Heft 1 (1997), S. 7-17. S. 77f., 163-165.

[67] Cuba-Werk ..., S. 91.

[68] Ebd., S. 164. Leider hat noch kein deutscher Wissenschaftshistoriker es für nötig gehalten, der Beziehung zwischen dem Kuba-Forscher Humboldt und dem kongenialen Arango auch nur einen Aufsatz zu widmen, während dem Mythos der Beziehungen Humboldt-Bolívar, einem Mann, mit dem Humboldt weder politisch noch wissenschaftlich etwas anfangen konnte, ein knappes Dutzend gewidmet sind.  

[69] Cuba-Werk ..., S. 77f., 163-165.

[70] Eigenartigerweise werden in einer „Studienausgabe“ diese wichtigen Begriffe nicht übersetzt bzw. erläutert, zur Funktion des capataz oder contramayoral, das heist, die direkten Aufseher und Antreiber der Sklaven-„Gangs“ bei der Feldarbeit (die immer Sklaven waren), siehe: Gloria García Rodríguez, La esclavitud desde la esclavitud. La visión de los siervos, México: Centro de Investigación Científica „Ing. Jorge Y. Tamayo“, 1996, S. 7-57, hier S. 30-34.

[71] Die Anmerkungen Humboldts sind im „Cuba-Werk“ mit Sternchen gekennzeichnet (*). Die Anmerkung ** im Cuba-Werk ..., S. 163 nimmt Bezug auf „Eine königliche Verordnung vom 31. Mai 1789“, die versucht hatte, all dies zu regeln. Sie ist, wie Humboldt schreibt „ ... niemals vollzogen worden“. Ibid. Dabei handelt es sich um die „Real Instrucción de Su Magestad sobre Educación, Trato y Ocupaciones de los Esclavos [...] (bekannt als „Código Negro Español“, 1789), in: Richard Konetzke, Colección de documentos para la historia de la formación social de Hispanoamérica, 3 Bde./5 Teilbde., Madrid 1959/62, III/2,  S. 553ff. (Dok. Nr. 280). Diese Instrucción hatte die Krone etwa zeitgleich zur Entmonopolisierung des Sklavenhandels verfügt, übrigens unter tatkräftiger Pression von Arango. Sinn beider Veranstaltungen war es, die Massensklaverei zu fördern, aber sie gleichzeitig einheitlichen, zentral gesetzten Regeln im Sinne langfristiger Stabilität zu unterwerfen. Die Hacendados lehnten dieses Eingriff in den Rechtsraum Plantage vehement ab, siehe den Protest der Hacendados von Havannna: Levi Marrero, Cuba: Economía y Sociedad. Azúcar, Ilustración y Conciencia (1763-1868)(II), Bd. IX, Madrid: Editorial Playor, S.A., 1975, S. 220-225.  

[72] Ganz eindeutig in dem Textfragment „Esclavage“, welches Humboldt nicht publiziert hat: Vorabend ..., S. 249-254. Deutlich wird diese Haltung auch in seinem kontinuierlichen Wirken für eine Politik der Prinzipien in Preußen, die zum Gesetz gegen die Sklaverei vom 24. März 1857 führte, siehe: Karl Bruhns, Alexander von Humboldt. Eine wissenschaftliche Biographie, bearb. u. hrsg. v. Karl Bruhns, 3 Bde., Leipzig 1872, II, S. 296f. Allerdings ist der direkte Einfluß von Humboldt auf die Gesetzgebung gar nicht so leicht nachzuweisen, siehe: Donner, Vanessa, Hintergründe und historische Wirkungen des preußischen Abolitionsgesetzes von 1857, Diplomarbeit, Köln 2000 (Themensteller: Michael Zeuske).

[73] Vorabend ..., S. 66, geschrieben in Guayaquil, Anfang 1803, in einem Textfragment mit dem Titel „Colonies“, Ibid., S. 63-67.

[74] Cuba-Werk, S. 91; siehe auch: Antonio del Valle Hernández, Sucinta noticia de la situación presente de esta colonia. 1800, ed. E. Chávez Álvarez, La Habana: Ed. Ciencias Sociales, 1977. Pérez de la Riva verweist auf Intertextualitäten zwischen Valle Hernández und Humboldt und auf Zahlen die Humboldt ohne Angabe von Valle Hernández übernommen habe.    

[75] Humboldt, Reise auf dem Río Magdalena ..., II: Übersetzungen, Anmerkungen und Register, S. 410. Die angegebene Stelle, Bd. 8, S. 311 ist falsch.

[76] Cuba-Werk ..., S. 70.

[77] Ebd., S. 163.

[78] Ebd.

[79] Ebd., S. 182.

[80] Ebd., S. 64f.

[81] Ebd., S. 65.

[82] Ebd., S. 158.

[83] Ebd., S. 141.

[84] Ebd., S. 64; siehe auch: Zeuske; Munford, Clarence J., „Die ‚Große Furcht‘ in der Karibik: Frankreich, St. Domingue und Kuba (1789-1795)“, in: Ibero-Amerikanisches Archiv. Zeitschrift für Sozialwissenschaften und Geschichte. Neue Folge, Jg. 17, Berlin (1991), Heft 1, S. 32-65; Gaspar, D. Barry; Geggus, David, A Turbulent Time. The French Revolution and the Greater Caribbean, Bloomington and Indianapolis: Indiana University Press, 1997; Hernández Guerrero, D., La Revolución haitiana y el fin de un sueño colonial (1791-1803), México: UNAM, 1997; Knight, Franklin W., „The Haitian Revolution“, in: American Historical Review (AHR), Vol. 105:1 (February 2000), S. 103-115.

[85] Cuba-Werk ..., S. 64.

[86] Ebd., S. 159.

[87] Die Furcht der Sklavenbesitzer vor aktiven Farbigen (den Sklaven traute man – trotz Saint-Domingue! – politische Akteurschaft nicht zu) unterstreicht der Antrag von Andrés de Zayas 1827 auf Verbot der Zirkulation des Essai Politique: „... daß dieses Werk, unter vielen Aspekten sehr bewundernswert, ohne Zweifel aber ungewöhnlich gefährlich ist, wegen der Meinungen seines Autors über die Sklaverei und in erster Linie wegen des Bildes, das je wahrer, umso schrecklicher ist, den gentes de color [freie Farbige  - M.Z.] ihre inmense Kraft auf dieser Insel und ihr exzessives Übergewicht auf allen Antillen und an den Küsten des Kontinents zeigt...“, zit. nach: „Expediente en que el exmo. Ayuntam.to, sobre que se recoja la obra del Barón de Humboldt titulado ensayo politico de la Isla de Cuba y que se nieguen las licencias a la gente de color, para escuelas“, in: Boletín del Archivo Nacional, La Habana, LVI (enero-diciembre 1957), S. 32-33.

[88] Ebd., S. 81f. und Anmerkung.

[89] Ebd., S. 64; Puig-Samper; Naranjo Orovio; García González, Ensayo Político ..., S. 174: „confederación americana de los estados libres de las Antillas ...“ (diese Übersetzung von „confederation africaine“ geht wohl auf das Konto der Übersetzer von 1827).

[90] Ebd., S. 64.

[91] Paquette, Robert L., Sugar Is Made With Blood. The Conspiracy of La Escalera and the Conflict between Empires over Slavery in Cuba, Middletown, CT: Wesleyan University Press, 1988.

[92] Zeuske; Zeuske, Kuba 1492-1902 ..., S. 322-336.

[93] Fradera, „¿Por qué no se promulgó las leyes Especiales de Ultramar?“, in: Fradera, Gobernar colonias, Barcelona: Ediciones Península, 1999, S. 71-94.

[94] Stanley C. Urban, “The Africanization of Cuban Scare, 1853-1855”, in: HAHR 47 (1957), S. 33 und Levi Marrero, Cuba. Economía y Sociedad, 15 Bde., Río Piedras-Madrid, 1972-1992, Bd. IX, S. 108 schreiben den Satz dem “Heraldo de Madrid” (1851) zu; Ramira Guerra, Manual de historia de Cuba, La Habana: Ed. de Ciencias Sociales, 1971, S. 389 erwähnt den spanischen Abgeordneten Vicente Sancho 1837 als Präger dieses fatalen Wortes.

[95] „Representación al Rey sobre la extinción del tráfico de negros y medios de mejorar la suerte de los esclavos coloniales“ vom 28. Mai 1832, in: Arango y Parreño, Obras ..., II, S. 529-536.

[96] Zeuske; Munford, Die „Große Furcht“ in der Karibik ..., S.51-98.

[97] Arango in seiner unerreichten Trockenheit: „Ese documento es uno de los comprobantes de la Representación [de 1811], y en ella se explica muy bien que el sentido de la frase que se copia no es el que se presenta por el señor Barón, a quien suplico que modere su rigor ...“ („Dieses Dokument ist eines Beweisstücke der Re*präsention [von 1811] und in ihm wird sehr gut erklärt,daß der Sinn der Satzes nicht der ist, den der Baron hier präsentiert, dem ich empfehle, daß er seinen Rigor mäßigen möge ...“): Humboldt, Ensayo Político ..., S. 207, Anm. 53.

[98] „Discurso sobre la agricultura de la Habana y medios de fomentarla“ La Habana, 24 Januar 1792, in: Arango y Parreño, Obras ..., I, S. 114-175, S. 134. Zur Entstehung und allgemein zur kreolisch-kubanischen Elite, siehe: González-Ripoll Navarro, Cuba, la isla de los ensayos ..., S. 152-163 und passim.

[99] Informe de Nicolás Calvo al Real Consulado, 6 de Septiembre de 1797, ANC, Real Consulado y Junta de Fomento de la Isla de Cuba, leg. 85, No. 3489, f. 7v.-8r.

[100] Fradera, „¿Por qué no se promulgó las leyes Especiales de Ultramar?“, in: Fradera, Gobernar colonias, Barcelona: Ediciones Península, 1999, S. 71-94.

[101] Puig-Samper, Naranjo Orovio; García González, Ensayo Politico ..., S. 239, Anm. 50: „Desearía que el Barón viese mi corazón, o al menos mis ojos ...“ („Ich wünschte, daß der Baron mein Herz sähe, aber wenigstens meine Augen ...“).

[102] Matthias Röhrig Assunção/Michael Zeuske, „’Race’, Ethnicity and Social Structure in 19th  Century Brazil and Cuba“, in: Ibero-Amerikanisches Archiv. Zeitschrift für Sozialwissenschaften und Geschichte. Neue Folge, 24 (1998), Heft 3-4, S. 375-443; Zeuske, *„Hidden Markers. Open Secrets. Race Marking, Naming and Race Making in Cuba“,  (in progress); Naranjo Orovio, Consuelo; García González, Armando, Racismo e Inmigración en Cuba en el siglo XIX, Madrid (Aranjuez): Doce Calles, 1996. Fradera, „Raza y ciudadanía. El factor racial en la delimitación de los derechos de los americanos“, in: Fradera, Gobernar colonias ..., S. 51-70.

[103] Zeuske, „Europa und Amerika 1492-1992. Conquista und neuzeitliche Kontinentaldebatte. Eine Einleitung“, in: Debatten um die Conquista. Probleme, Perspektiven und Kontroversen, Heft 1/1993 der Zeitschrift COMPARATIV, hrsg. v. M. Zeuske, S.16-28.

[104] Bertrand, Michel, „A. von Humboldt und die « Wiederentdeckung » Mexikos am Beginn des 19. Jahrhunderts”, in : Comparativ 1 (2001) : Humboldt in Amerika, ed. Michael Zeuske (im Erscheinen).

[105] Arias de Greiff, Jorge, “Encuentro de Humboldt con la ciencia en la España americana" : transferencias en dos sentidos », in : El regreso de Humboldt. Exposición en el Museo Nacional de Colombia, Marzo-Mayo del 2001, ed. Holl, Frank, Quito: Imprenta Mariscal, 2001, S. 33-41.

[106] López-Ocón, Leoncio, Puig-Samper, Miguel Ángel, “Los condicionantes políticos de la comisión científica del Pacífico: Nacionalismo e Hispanoamericanismo en la España bajoisabelina (1854-1868)”, in: Revista de Indias, Vol. 47 (1987), No. 180, S. 667-682; López-Ocón, De viajero a historiador. Las actividades americanistas del científico español Marcos Jiménez de la Espada, 2 Bde., Madrid, 1991; López-Ocón, “Un naturalista en el panteón. El culto a Humboldt en el Viejo y el Nuevo Mundo durante el siglo XIX”, in: Cuadernos Hispanoamericanos, No. 586 (Abril de 1999), S. 21-33.

[107] Marrero, Levi, Bd. 13, S. 40. Bei Levi sind die Zahlen verdreht. Nach Santa Cruz y Mallen starb Nicolás Calvo am 16. Dezember 1800, das heißt, drei Tage vor der Ankunft Humboldts in Havanna. Andere Autoren geben den 16. Dezember 1802 an; siehe: Santa Cruz y Mallen, F. J. de, Historia de familias cubanas, 6 Bde., La Habana: Ed. Hércules, 1940-1950, Bd. IV, S. 120. Das Todesjahr Calvos scheint ein Detail zu sein. In bezug auf Humboldt zeigt es aber, wie wenig wir in Wirklichkeit über realen Bedingungen dieser Zeit wissen und wie sehr der Humboldt-Mythos diese Zeit „überschrieben“ hat. Um das wenigsten mit Fakten anzudeuten, habe ich hier die unterschiedlichen Angaben einfach stehen lassen.

[108] Humboldt, Briefe aus Amerika ..., Brief 55 (21. September 1801), S. 147f.

[109] ”Incidente al Concurso de la Sra. Marquesa la viuda del R.l Socorro, promovido para que se separe de sus bienes el Quinto perteneciente al Sor. su esposo” (1834): ANC, Escribanía de Guerra, leg. 806, No. 12281.

[110] Moreno Fraginals, Manuel, El Ingenio. Complejo económico social cubano del azúcar, tom. I, La Habana: Comisión Nacional Cubana de la UNESCO, 1964, S. 16 und 43.

[111] Eigenartigerweise verweist Margot Faak hier auf einen Unterschied zwischen den „biographischen Quellen und Humboldts Aussage“, siehe: Humboldt, Alexander von: Reise durch Venezuela. Auswahl aus den amerikanischen Reisetagebüchern. Hrsg. u. eingel. v. Margot Faak. Berlin: Akademie Verlag  2000 (Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung, Bd. 12), S. 513, Anm. zu S. 430: Dieser “Graf Jaruco” sei nach mehreren Quellen 1798 nach Madrid gereist und erst 1802 nach Kuba zurückgekehrt. “Nach den Quellen war  [Graf] Jaruco 1801 in Spanien und nach ihnen kehrte er nach seiner Rückkehr nach Kuba 1802 auch nicht wieder nach Spanien zurück. Danach ist weder zu verstehen, wie Humboldt ihm 1801 auf Kuba begegnet sein soll, noch wann er ihm seine “Papiere” mitgegeben haben könnte.”, Ibid. Es kann sich beim von Humboldt erwähnten “Conde Jaruco” natürlich um Javier Beltrán de Santa Cruz, (II.) Graf von San Juan de Jaruco handeln. Völlig verwirrend wird die Angelegenheit bei der Lektüre der Artikel über Joaquín Beltrán de Santa Cruz y Cárdenas als Leiter der innerkubanischen Expedition nach Guantánamo (1796-1802), siehe: Gomis Blanco, Alberto, „Las ciencias naturales en la expedición del Conde de Mopox a Cuba“, in: Ibid., S. 309-319. Die Sache löst sich auf bei der Lektüre der Abschnitte von: Marrero, Leví, Cuba: economía y sociedad, 15 Bde., Madrid: Editorial Playor, S.A., 1972-1992; Bd. XIII, S. 250-262 einen ganzen Anhang unter dem Titel „Ein kubanischer Graf am Hof von Karl IV.“ bringt. Graf Jaruco war von 1789 bis 1796  in Europa und Madrid und von 1797 bis 1802 wohl auf Kuba (allerdings mit der Leitung der „Expedition nach Guantánamo“ und gigantischen Monopolgeschäften befasst). Er reiste 1802 nach Madrid.

[112] Puig-Samper; Naranjo Orovio; García González, Ensayo Político ..., S.  41. Auf La [Nueva] Holanda von Nicolás Calvo de la Puerta y O’Farril und auf San Ignacio de Río Blanco befanden sich Humboldt und Bonpland zwischen dem 6. und dem 15. März 1801, Ebd., S. 44.

[113] Cuba-Werk, S. 121. Humboldt war in San Ignacio de Río Blanco im März 1801 bei der Abreise nach Neu-Granada über Trinidad und schreibt, daß das „Herrenhaus von seinem Besitzer verschönt wurde“, siehe: Puig-Samper; Naranjo Orovio; García González, Ensayo Político ..., S. 318. Nicht ganz klar wird, ob der Graf auch wirklich anwesend war. Allerdings bezieht sich Humboldt in Cuba-Werk, S. 109 expressis verbis auf Nicolás Calvo und dessen Rolle bei der Einführung „der französischen Methode der Reverberieröfen“. Diese namentliche Erwähnung als Technologie-Modernisierer hatte mich zunächst dazu verführt, anzunehmen, Calvo hätte bis 1802 gelebt. Die Angaben von Santa Cruz y Mallen aber sind meist sehr zuverlässig. Deshalb interpretiere ich diese Stelle anders. Die Erinnerung an die Stellung Nicolás Calvos in der Technologiedebatte war so stark, daß sich auch im Werk Humboldts niederschlug. Eventuell hat Humboldt das ”Informe” Calvos von 1797 über die Möglichkeiten der Zuckerwirtschaft im Valle de Güines gelesen (Calvo schreibt dort über die Reverberieröfen: ”... del muy útil y nunca bien elogiado invento de los reverberos con clarificadoras, á cuyo beneficio el Negro tabaja ménos y el dueño coge mas y mejor fruto”, siehe: Informe de Nicolás Calvo al Real Consulado, 6 de Septiembre de 1797, ANC, Real Consulado y Junta de Fomento de la Isla de Cuba, leg. 85, No. 3489, f. 2v.). In den Briefen Humboldts wird expressis verbis nur der „Marquis de Casacalvo“, Gouverneur von Luisiana, Sebastián Calvo de Puerta y O'Farril (1749-1820), der ältere Bruder von Nicolás Calvo, erwähnt, siehe: Humboldt, Briefe aus Amerika ..., S. 307.

[114] Cuba-Werk, S. 121, Anm. *.

[115] Alejandro de Humboldt, Ensayo político sobre la Isla de Cuba ... (1998), S. XXXI.

[116] Chronologische Übersicht über die wichtigsten Daten seines Lebens. Bearb. v. Kurt-R. Biermann, Inge Jahn u. Fritz G.Lange (sowie in der 2.Aufl. Margot Faak und Peter Honigmann), Berlin 1983, S. 30. Die Reise währte vom 1. Februar bis zum 21. Februar (circa). Gesehen hat Humboldt, nach dieser Chronologie, die Hacienda Fondadero (1. und 2. Februar 1801), die Hacienda [San Ignacio] de Río Blanco (14. Februar), die Hacienda del Almirante (15. und 16. Februar) und die Hacienda de San Antonio (Sebastián Pichardo). Wenn es wirklich nur diese gewesen sein sollten, ist es eher unwahrscheinlich, daß Calvo die Reisenden begleitete (was auch dann gilt, wenn er schon 1800 gestorben ist), denn dann hätte er sie mit auf seine Hacienda “La Nueva Holanda” genommen. Zur Zone um Güines siehe: Moreno Fraginals, Manuel, El Ingenio. Complejo económico social cubano del azúcar, 3 Bde., La Habana: Ed. de Ciencias Sociales, 1978, Bd. I, S. 140f.

[117] Arango ist wohl erst – wahrscheinlich parallel zu Humboldt - von der kubanischen Historiographie seit dem späten 19. Jahrhundert auf diese hervorgehobene Stelle unter der Oligarchie gehoben worden. Kuethe schreibt: „The events of 1808 suggest that Arango y Parreño’s place in history must be reconsidered. Undoubtedly, he was a bright, capable spokesman for the Cuban elite, but to rank him, as most have, as a major figure in the Havana patriciate is off the mark. Although important, he was not a leading sugar producer, nor did he stand at the head of the planter aristocracy, a role that would be best ascribed to the O’Farrill, Montalvo, Beitía, Chacón, Núñez, Beltrán, and Calvo men.“, siehe: Kueth e, Allan J., Cuba, 1753-1815. Crown, Military, and Society. Knoxville: The University of Texas Press 1986, S. 176. Diese Gruppe wurde größtenteils durch Heiraten mit O’ Farril-Töchtern oder durch die Tatsache, daß viele von ihnen auch O’Farril-Mütter hatten, zusammengehalten. Es handelt sich um eine sehr endogame Gruppe der Nachkommen von John O’Farril, Faktor der englischen South Sea Company in Havanna nach 1713; siehe: González-Ripoll Navarro, Cuba, la isla de los ensayos: ..., S. 18. Eduardo Torres-Cuevas vertritt die Auffassung, daß Calvo nur deshalb kein “Arango” geworden ist, weil er so zeitig starb; siehe: Torres-Cuevas, „Los reformismos cubanos: de Arango y Parreño a Pozos Dulces“, in: Ramón de la Sagra y Cuba, 2 Bde., Sada - A Coruña: Ediciós do Castro, 1993 (I: Actas del Congreso Celebrado en Paris. Enero 1992; II: Textos), I, S. 37-59, hier S. 42f. Zur sozialen Verankerung siehe auch: Amores, Juan B., Cuba en la época de Ezpeleta (1785-1790), Pamplona: Ediciones Universidad de Pamplona, 2000, S. 51-69.

[118] González-Ripoll Navarro, Cuba, la isla de los ensayos: ..., S. 205-222.

[119] Sebastián Calvo de la Puerta y O’Farril, siehe auch: Kuethe, Cuba ..., S. 121.

[120] Ebd., S. 148f. Die Mutter von Gonzalo war eine Herrera aus der Familie des Marqués de Villalta, einer der Hauptaktionäre der Real Compañía de La Habana. Gonzalo O’Farril war zeitweilig Botschafter in Preußen und Kriegsminister in Spanien. Humboldt hatte Geldgeschäfte mit ihm. Er ging 1808 wie viele der Spitzen der aufgeklärten intellektuellen Elite auf die Seite Napoleons über, wo er ebenfalls als Kriegsminister fungierte, siehe: Juan Francisco Fuentes, La monarquía de los intelectuales: élites culturales y poder en la España josefina, in: Gil Novales (ed.), Ciencia y independencia política, Madrid: Ediciones de Oro, 1996 (Colección: Anejos de la Revista Trienio, Ilustración y Liberalismo, Nº 3), S. 213-222; José Ramón Bertomeu Sánchez, „La colaboración de los cultivadores de la ciencia españoles con el gobierno de José I (1808-1813)“, in: Ebd., S. 175-212.

[121] Kuethe, Cuba ..., S. 49-51; Tornero Tinajero, Pablo, Crecimiento económico y transformaciones sociales. Esclavos, hacendados y comerciantes en la Cuba colonial (1760-1840), Madrid: Ministerio de Trabajo y Seguridad Social, 1996, S. 158-193; Álvarez Cuartero, Izaskun, Memorias de la Ilustración: las Sociedades Económicas de Amigos del País en Cuba (1783-1832), Madrid: Real Sociedad Bascongada de los Amigos del País, 2000.

[122] „La Nueva Holanda“ gehört für Morero Fraginals zu den „grandes gigantes“ der Zuckerproduktion am Beginn des 19. Jahrhunderts, zum Typ „große Manufaktur“ (mit 120 Ochsengespannen für den Transport!) die von einem französischen Fachmann, Julien Lardière (von Saint Domingue/Haiti) angelegt worden waren: Moreno Fraginals, El Ingenio ..., I, S. 73 Fußnote, S. 75, S. 201. Zur Modernisierung in der Zone von Güines aus der Perspektive Humboldts, siehe: Cuba-Werk, S. 116.

[123] López Sánchez, José, Tomás Romay y el origen de la ciencia en Cuba, La Habana: Academia de Ciencias, 1964.

[124] Die einzige Kurzbiographie ist der ”Elogio” (Nachruf) auf Nicolás Calvo: Caballero, José Agustín, „Elogio del  Sr. Nicolás Calvo y O’Farril“, in: Ders., Escritos varios, La Habana: Editorial de la Universidad de La Habana, 1956, tom. I, S. 175-196. Ich konnte diesen Text erst im März 2001 bei einem Archivaufenthalt im Archivo Nacional de Cuba (ANC) in Havanna einsehen. Diesem Nachruf nach ist Calvo am 15. Dezember 1800 an einem Fieber gestorben (S. 196).

[125] Moreno Fraginals, El Ingenio ..., I (1978), S. 58, FN.

[126] Informe de Nicolás Calvo al Real Consulado, 6 de Septiembre de 1797, ANC, Real Consulado y Junta de Fomento de la Isla de Cuba, leg. 85, No. 3489, f. 12r./v.

[127] Ibid., f. 11v.

[128] Caballero, Escritos varios ..., t. I, S. 193-195.

[129] Moreno Fraginals, El Ingenio ..., I (1978), S. 74.

[130] Ebd., S. 75.

[131] Ebd., S. 76f . („Discurso de don Nicolás Calvo promoviendo el establecimiento de una escuela de química y botánica“, in: Memorias de la Real Sociedad Patriótica, t. I, S. 147-160).

[132] Siehe aber den Schock für die Zuckerelite, als der erste in Europa wissenschaftlich ausgebildete Chemiker nach Kuba kam und nicht mehr in der alten magischen Art und Weise der Zuckermeister sprach, sich ihren Alchimisten-Ritualen verweigerte, seriös auftrat und keine schnellen Gewinne versprach, Moreno Fraginals, I, S. 132.  

[133] González-Ripoll Navarro, Cuba, la isla de los ensayos: ..., S. 206.

[134] 1836 dann endgültig publiziert durch Esteban Pichardo Tapia, siehe: Pichardo Tapia, Esteban, Diccionario provincial casi razonado de vozes y frases cubanas, La Habana: Impr. El Trabajo (4ª edic.), 1875 (La Habana: Ed. de Ciencias Sociales/Instituto Cubano del Libro, 1976), S. 1-23; López Sánchez, Tomás Romay ..., S. 57.

[135] Moreno Fraginals, I, S. 115f.

[136] Calvo y O’Farril, Nicolás, „Memoria sobre los medios que convendrían adoptar para que tuviese la Havana los caminos necesarios“, La Habana: Imprenta de la Capitanía General, 1795, zit. nach: Moreno Fraginals, I, S. 124f., 149f.

[137] „Ich habe mehrfach daran erinnert, daß bis 1762 die Insel Cuba dem Handel nicht mehr Erzeugnisse geliefert hat als gegenwärtig die in industrieller Hinsicht am weitesten zurückstehenden und hinsichtlich der Kultur am meisten vernachlässigten drei Provinzen Veragua, die Landenge von Panamá und Darién. Ein dem Anschein nach sehr unglückliches politisches Ereignis, die Eroberung Havannas durch die Engländer, weckte die Gemüter auf.“: Cuba-Werk, S. 115.

[138] Zeuske, „Weltgeschichtlicher „Big Picture“ und Mikrohistorien ...“.

 

[139] Moreno Fraginals, I, S. 128.

[140] Deerr, Noël, The History of Cane Sugar, 2 vols., London: Chapman & Hall, 1950.

[141] Moreno Fraginals, I, S. 74, FN 46.

[142] Ebd., S. 150f.

[143] Ebd., S. 151; siehe auch: Zanetti Lecuona, Oscar; García Álvarez, Alejandro,  Caminos para el azúcar, La Habana: Ed. de Ciencias Sociales, 1987 (US-Ausgabe 2000).

[144] Moreno Fraginals, I, S. 168.

[145] Ebd., S. 168f. und S. 190.

[146] Es handelt sich um eine Gewinnanalyse der Pflanzer, die Humboldt von José Ignacio Echegoyen bekommen hatte. Humboldt hielt in dieser Kostenanalyse die „Fabrikationskosten des Zuckers [für] etwas übertrieben“  und veraltet, benutzte sie aber trotzdem, weil er sonst nicht hatte (Cuba-Werk, S. 121-122, Anm. **). Moreno Fraginals schreibt dazu, daß es sich bei dem Dokument („Demonstración de José Ignacio Echegoyen sobre diezmos“, in: ANC, Real Consulado, 101/4330) um eine von Arango geschriebene und von Echegoyen unter seinem eigenen Namen eingereichte, „nicht ganz richtige“ Analyse handelt, siehe: Moreno Fraginals, I, S. 168. Echegoyen war Zuckermeister auf dem Gut Arangos (La Ninfa) und genoß das volle Vertrauen seines Chefs (Siehe: Echegoyen, José Ignacio, Fabricación de Azúcar, Boston: Russell and Martin, 1827). Arango hat folgende Marginalie zu dieser Stelle in Humboldts Essai gemacht: „Diese Kostenanalyse (die nicht von dem ist, der sie unterschrieben hat) kann heute nicht mehr gelten; und deshalb muss ich eine Enthüllung machen, die ich vorher verborgen habe“ (Moreno Fraginals, I, S. 168, FN 2). Moreno ist insgesamt der Meinung, daß die Pflanzer niemals gültige Zahlen publizierten, sondern immer nur „Lügen oder evidente Wahrheiten, die vorher schon allen anderen Zuckerherstellern bekannt waren“, siehe: Moreno Fraginals, I, S. 168.  

[147] Cuba-Werk, S. 108-128. Bei der Sammlung dieser Daten dürfte Calvo eventuell eine wichtige Rolle gespielt haben, Humboldt bezieht sich allerdings auf seinen „Aufenthalt in den Ebenen von Güines 1804“ (S. 108). Im Essai Politique ist von einem Aufenthalt „von neuem“ auf Río Blanco die Rede, siehe: Puig-Samper; Naranjo Orovio; García González, Ensayo Político ..., S. 318.

[148] Moreno Fraginals, I, , S. 215. Inwieweit Moreno hier selbst der Elitenargumentation über die mangelnde Sorgfalt der Sklaven bei den technologisch komplizierten Partien der Produktion auf den Leim gegangen sein, sei dahingestellt; ebd., S. 252.

[149] Ebd., S. 200.

[150] Zur sozialen und politischen Dimension dieser Gruppe, siehe: González-Ripoll Navarro, „La minoría dominante: redes familiares, poder y política“, in: Dies., Cuba, la isla de los ensayos: ..., S. 123-153; Torres-Cuevas bezeichnt sie als „Generation von 1792“, siehe: Torres-Cuevas, „Los reformismos cubanos ...“, S. 37-59, hier S. 42f.

[151] Lucena Giraldo, Miguel, “El espejo roto. Una polémica sobre la obra de Humboldt en la Venezuela del siglo XIX”, in: Dynamis. Acta Hispanica ad Medicinae Scientiarumque Historiam Illustrandam. Vol. 12 (1992), S. 73-86. Allgemeiner: López-Ocón, Leoncio, „Un naturalista en el panteón. El culto a Humboldt en el Viejo y el Nuevo Mundo durante el siglo XIX“, in: Cuadernos Hispanoamericanos, No. 586 (April 1999), S. 21-33.

[152] Puig-Samper, „Epílogo. Ciencia y política en Humboldt. Debate y perspectivas“, in: Debate y perspectivas ..., S. 203-205, hier S. 204; siehe auch: Latour, Bruno, Nunca hemos sido modernos, Madrid: Debate, 1993.

[153] Osten, Manfred, „Amerika oder das ‚größte Übel, das die Menschheit betroffen hat’. Anmerkungen zur Modernität Alexander von Humboldts“, in: Ette, Ottmar; Bernecker, Walther L. (eds.), Ansichten Amerikas. Neuere Studien zu Alexander von Humboldt, Frankfurt am Main: Vervuert 2001, S. 263-269; Ette, Ottmar, „Hacia una ciencia universal. Ciencia y ética en Alejandro de Humboldt“, in: Puig-Samper, „Alejandro de Humboldt en el mundo hispánico ...“ , S. 29-54 sowie : Ders., “Alexander von Humboldt und das Projekt der Moderne”, in: Ette, Ottmar / Bernecker, Walther L. (eds.): Ansichten Amerikas. Neuere Studien zu Alexander von Humboldt. Frankfurt am Main: Vervuert 2000, S. 9-18 ; Ders., “Humboldts Wissenschaftsverständnis”, in : Humboldt im Netz (HiN). International Review for Humboldtian Studies, I,1 (2000) (www.uni-potsdam.de/u/romanistik/humboldt); * Ders., “Alexander von Humboldt: Anmerkungen zu einem Verständnis globalisierter Wissenschaft”, in: Wolff, Gregor (Hrsg.), Die Berliner und Brandenburger Lateinamerikaforschungen in Geschichte und Gegenwart. Personen und Institutionen, Berlin: Wissenschaftlicher Verlag Berlin, 2001, S. 137-148.

 

_________________________________________________________________

letzte Seite | Übersicht | nächste Seite