- 2.1 Wo wird nach Ansicht der
Brandenburger Dialekt gesprochen?
-
-
Auf die Frage »Wird in ihrem Ort Dialekt
(gleichbedeutend mit Mundart) gesprochen?« antworteten 621 von
1098 befragten Brandenburgerinnen und Brandenburgern
(57% ) mit ja. Auffällig ist, daß der Anteil
derjenigen, die die Existenz eines Ortsdialekts annehmen, mit
zunehmender Entfernung von Berlin nicht, wie man vielleicht erwarten
könnte, größer wird. Statt dessen wird dieser Anteil
in einer mittleren Übergangszone, in etwa 60-85 km von Berlin
(dazu zählen z.B. Brandenburg, Neuruppin, Eberswalde,
Frankfurt/Oder) überdurchschnittlich groß. Die
statistische Verteilung der Antworten ist auf folgender Karte
dargestellt.
|

|
|
- Karte 1
-
-
Bei der Kartierung der positiven Antworten auf die
Frage nach dem Ortsdialekt werden diejenigen Segmente farbig
markiert, in denen die Belege für die Existenz eines
Ortsdialekts über dem Landesdurchschnitt liegen. Vor
allem im Zentrum und in einigen angrenzenden Gebieten und darüber
hinaus im Westen und Norden Berlins erscheint die Karte markiert,
während der Süden weitgehend unmarkiert bleibt. Vergleicht
man diese Karte mit der Karte
der märkischen Dialekte, so wird deutlich, daß es
sich bei dem unmarkierten Teil um den südmärkischen
Bereich handelt. Dieser erscheint im Bewußtsein der
Bewohner als weitgehend dialektfrei und entspricht der
geographischen Verteilung von Hochdeutsch und Niederdeutsch, wie sie
in den dialektgeographischen Darstellungen Ende des 19. Jahrhunderts
als »Berliner
Trichter« zu finden ist. Dieses vermeintlich
»dialektfreie« Gebiet stand traditionell unter
hochdeutschem, genauer ostmitteldeutschem Einfluß. Noch heute
ist dort eine sächsische
Färbung in der gesprochenen Sprache zu hören.
-
-
Nicht weiter überraschend ist die relativ hohe
Dichte von Belegen für die Existenz eines Ortsdialekts im
Bereich des Flämings, der Uckermark und der Prignitz. Aus
älteren Untersuchungen ist bekannt, daß die Mundarten in
diesen Gebieten relativ lebendig sind und das Bewußtsein dafür
noch ausgeprägt ist.
-
-
Erklärungsbedürftig ist hingegen, daß
auch die Gewährsleute aus Berlin so häufig annehmen, dort
werde ein Dialekt gesprochen. Im Sinne eines
sprachwissenschaftlichen Verständnisses von »Dialekt«
trifft dies nicht zu. Offenbar entspricht im Bewußtsein dieser
Befragten die berlinische Umgangssprache dem, was anderswo als
Ortsdialekt in Abgrenzung zur hochdeutschen Standardsprache
verstanden wird.
-
-
Diese Annahme ist auch an anderen Stellen der
Untersuchung anzutreffen und teilweise aus den Antworten der
Gewährsleute zu erschließen. Die Frage ist nun, wie weit
diese Vorstellung ins Land hineinreicht. Möglicherweise ist die
bereits erwähnte hohe Zahl der Angaben für einen
vorhandenen Ortsdialekt im Bereich eines Gürtels von 60-85 km
um Berlin so zu erklären, daß dort beides, Berlinisch wie
auch märkische Dialekte, als »Ortsdialekte«
betrachtet werden, so daß sich beide Einschätzungen
summieren.
-
-
Eine gewisse Hilfe für das eben skizzierte Problem
bietet die Frage 1.1.4 im Fragebogen. Dort sollte angegeben werden,
wie der Dialekt im Ort genannt wird. Hier waren bewußt keine
Vorgaben gemacht worden; der Name mußte in Klarschrift
eingetragen werden.
-
-
Einzelbelege, wie etwa »Fuhnedeutsch« oder
»Pauersch«, die zu keiner größeren Gruppe
zusammengefaßt werden können, machen insgesamt 18% aus.
Die beiden häufigsten Bezeichnungen für brandenburgische
Dialekte sind »Berlinisch«, »Berlinerisch«
o.ä. und »Platt«, »Plattdeutsch«
o.ä.. Von den Gewährsleuten, die überhaupt einen
Namen angeben, nennen 57% »Berlinisch«
, 27% »Platt«. Deutlich seltener wird »Brandenburgisch«
mit 7% und »Umgangssprache«
mit 1,2% genannt
-
|

|
|
- Diagramm 5
-
-
Setzt man diese Ergebnisse mit der Entfernung zu Berlin
ins Verhältnis, dann wird deutlich, daß »Berlinisch«
nur bis zur dritten Ringzone (60-85 km) die häufigste
Bezeichnung für den Ortsdialekt ist.
-
|

|
|
- Diagramm 6
-
-
Ab Zone 4 (> 85 km) überwiegt »Platt«,
wobei sich die Belege bis auf wenige Ausnahmen im Norden des
Untersuchungsgebiets befinden. Gut erkennbar ist auch, daß die
unter »sonstige« zusammengefaßten Bezeichnungen
mit zunehmender Entfernung vom Zentrum immer wichtiger werden. Auch
das kann als Indiz für die Existenz kleinräumiger Dialekte
(mit entsprechend idiosynkratischer Bezeichnung) gewertet werden.
-
Die Frage nach den Ortsdialekten im Spannungsfeld zur
berlinischen Umgangssprache führt zunächst zu folgender
Antwort: Bis zu einer Entfernung von 85 km ist eine verhältnismäßig
starke Ausstrahlung des Berlinischen in die brandenburgische
Peripherie festzustellen. Dieser Befund wird weiter differenziert,
wenn zusätzlich zur räumlichen auch die altersspezifische
Staffelung in Betracht gezogen wird.
-
-
zurück <->
weiter