TY - THES A1 - Eilers, Sarah T1 - Children's processing of anaphora during reading comprehension BT - an eye tracking study N2 - Viele Kinder haben Schwierigkeiten, während des Lesens einen Textinhalt adäquat zu erfassen. Lesen ist eine komplexe kognitive Aufgabe, die verschiedene Unteraufgaben umfasst, darunter zum Beispiel das Dekodieren von Wörtern und das Verknüpfen mehrerer aufeinander folgender Sätze. Einen Teil dieser Verknüpfungen machen referenzielle Ausdrücke aus. Referenzen wie nominale Anaphern (Minky/die Katze) oder Pronomen (Minky/sie) signalisieren den Lesenden, wie die Protagonisten und Protagonistinnen in aufeinander folgenden Sätzen zusammenhängen. Die Lesenden verknüpfen diese Information in einem mentalen Modell des Textes, nachdem sie die Referenz aufgelöst haben. Besonders Personalpronomen (er/sie) können ohne einen solchen Auflösungsprozess nicht verstanden werden. Sie müssen mit einem passenden Antezedenten in Verbindung gebracht werden, oder das mentale Modell bleibt unvollständig. Gelungene Pronomenauflösung ist somit besonders bedeutsam für ein gutes Textverständnis. Die vorliegende Dissertation beschäftigt sich mit der Pronomenauflösung von Grundschulkindern im Alter von 8-9 Jahren und geht dabei der grundsätzlichen Frage nach, ob Kinder in diesem Alter Pronomen in natürlichen Lesesituationen spontan auflösen. Zudem wurde am Beispiel der Geschlechtsinformation des Pronomens untersucht, welchen Einfluss die Informationsdichte um die Pronomenregion auf die Blickbewegungen von Kindern hat. Dabei ging es auch um den Einfluss von Leseentwicklung und Lesefertigkeiten auf die Blickbewegungen beim Lesen, sowie auf das Verstehen eines Pronomens. Die erste Studie untersuchte das Lesen kurzer Texte, die aus jeweils drei Sätzen bestanden. Der erste Satz führte einen Protagonisten mit Namen ein (Mia), auf den sich der zweite oder dritte Satz bezog, entweder mit einer Wiederholung des Namens (Mia) oder einem Pronomen (sie). Die Studie ging der Frage nach, ob Kinder bei solchen salienten Antezedenten ein Pronomen (sie) als referenziellen Ausdruck dem wiederholten Namen (Mia) vorziehen. In der Literatur zum Lesen Erwachsener ist dieser Befund als repeated name penalty effect bekannt: Der Lesefluss von geübten Lesenden wird durch die Wiederholung einer Nominalphrase deutlich beeinträchtigt. Für Kinder dagegen wurde die Hypothese aufgestellt, dass deren Lesefluss durch die Wiederholung verbessert werden könnte, und zwar aufgrund der sich überlappenden Wortform (Mia – Mia) die eine kognitiv aufwändige Auflösung des Pronomens (Mia – sie) überflüssig macht. Die zweite Studie untersuchte die Verarbeitung von kongruenten und inkongruenten Geschlechtsinformation auf dem Pronomen. Die Kinder bekamen komplexe Sätze zu lesen, bei denen das Pronomen entweder passend zum Antezedenten gewählt war (Mia – sie) oder unpassend (Mia – er). Ergänzend wurden Leseverstehen und Leseflüssigkeit erhoben und mit der Fähigkeit der Kinder, spontan ein inkongruentes Pronomen während des Lesens zu erkennen, in Verbindung gebracht. Die dritte Studie untersuchte die Blickbewegungen auf dem Pronomen in Abhängigkeit von variierender Geschlechtsinformationen genauer. Sie verglich den Lesefluss und das Leseverstehen von Kindern in Pronomenregionen, in denen das Pronomen anhand von der Geschlechtsinformation eindeutig einem Protagonisten zugeordnet werden kann (Peter und Paula…, er…) mit Lesesituationen, in denen der weitere Satzkontext zur Auflösung herangezogen werden muss (Peter und Paul, … er…). Dabei wurden die Blickbewegungen auf der Pronomenregion mit dem Leseverstehen, insbesondere dem Verstehen des Pronomens, in Verbindung gebracht. Dieses Experiment wurde im Sinne einer Longitudinalstudie in Klasse 3 und Klasse 4 mit der gleichen Gruppe von 70 Kindern durchgeführt. Zusammengefasst belegen die Ergebnisse dieser Dissertation, dass Kinder im Alter zwischen 8 und 9 Jahren noch deutliche Schwierigkeiten mit dem Verstehen von Pronomen in Leseaufgaben haben. Die Antworten auf Verständnisfragen zum Pronomen zeigen insbesondere, dass Kinder die Kontextinformation in Sätzen nur unzureichend für die Pronomenauflösung nutzen, und dass ihr Verständnis eines Pronomens wesentlich davon abhängt, ob das Pronomen anhand der Geschlechtsinformation eindeutig einem Antezedenten zugewiesen werden kann. Dies zeigte sich bei Kindern im 3., aber auch noch im 4. Schuljahr. Die Ergebnisse der Analyse von Blickbewegungsdaten, welche den wesentlichen Beitrag der vorliegenden Dissertation zum Forschungsfeld darstellen, zeigen zunächst, dass Kinder ein Pronomen erwarten, wenn der Antezent salient ist (Studie 1). Anders als angenommen gibt es keinen Beleg dafür, dass der kindliche Lesefluss von einer Wiederholung des Antezedenten profitiert. Der Befund eines repeated name penalty effects bei Kindern dieser Altersgruppe belegt im Gegenteil eine Sensitivität für die Diskursregeln, nach denen Pronomen auf saliente Antezedenten referieren. Allerdings kann daraus nicht abgeleitet werden, dass die Online-Pronomenauflösung von Kindern mit denen von erwachsenen Lesenden vergleichbar ist. Die Ergebnisse der Analyse von Blickbewegungsdaten auf der Pronomenregion (Studien 2 und 3) belegen wichtige Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen, sowie deutliche interindividuelle Unterschiede in Zusammenhang mit dem Leseverstehen und der Leseflüssigkeit der Kinder. Die Ergebnisse der Studie 2 belegen einen Zusammenhang zwischen der Leseflüssigkeit eines Kindes und der Fähigkeit, eine Inkongruenz zwischen Pronomen und Antezedenten während des Lesens wahrzunehmen. Während alle Kinder längere gaze durations (erste Verweildauer) auf einem inkongruenten Pronomen hatten, zeigte sich nur bei Kindern mit hoher Leseflüssigkeit eine Tendenz zu regressiven Blickbewegungen aus der fraglichen Pronomenregion. Diese regressiven Blickbewegungen gelten als Signal für eine lokale Verarbeitungsschwierigkeit und werden als Versuch interpretiert, diese Schwierigkeit aufzulösen. Eine hohe Leseflüssigkeit war also korreliert mit dem Erkennen der Inkongruenz. Darüber hinaus war das Blickbewegungsmuster der Kinder, die die Inkongruenz erkannten, vergleichbarer mit dem der erwachsenen Kontrollgruppe. Die Befunde werden so interpretiert, dass Kinder mit einer höheren Leseflüssigkeit mehr kognitive Ressourcen für die Überwachung ihres eigenen Leseprozesses zur Verfügung stehen, und sie diese freien Ressourcen zur Pronomenauflösung auch in schwierigen Satzkontexten nutzen können. Kinder unterscheiden sich stark in ihrem Leseverstehen, auch innerhalb einer Kohorte. Die Ergebnisse der vorliegenden Dissertation belegen, dass vorwiegend Kinder mit gutem Leseverstehen in der Lage sind, Pronomen während des Lesens anhand derer Geschlechtsinformation aufzulösen. Es lässt sich zeigen, dass sich gute Lesende nachweislich mehr Zeit in einer Pronomenregion nehmen, wenn das Pronomen anhand der Geschlechtsinformation direkt aufgelöst werden kann. Darin unterscheiden sie sich von schlechteren Lesenden, auch wenn diese insgesamt eine längere Lesedauer zeigen. Das Alter der Kinder war dabei weniger entscheidend als ihre individuelle Leistung im Leseverstehens- und Leseflüssigkeitstest. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass gute Lesende unter den Kindern in der Lage sind, Pronomen während des Lesens spontan aufzulösen. Dabei ist das Leseverstehen ein entscheidender Faktor in beiden untersuchten Altersstufen. Für einen Einfluss des Alters der Kinder gab es dagegen kein Indiz. Der Beitrag der vorliegenden Dissertation zum Forschungsfeld ist die Untersuchung und Darstellung der spezifischen Blickbewegungsmuster im Zusammenhang mit einer erfolgreichen Auflösung von Pronomen bei Kindern. Das Blickbewegungsverhalten in der Pronomenregion ist abhängig vom Leseverstehen und der Leseflüssigkeit der Kinder. Die vorliegenden Ergebnisse lassen vermuten, dass viele Kinder Pronomen während des Satzverstehens nicht spontan auflösen, was sich negativ auf ihr Leseverstehen auswirkt, und zwar vermutlich umso mehr in komplexeren Textzusammenhängen. Die vorliegende Arbeit verdeutlicht die kognitiven Anforderungen, die erfolgreiche Pronomenauflösung an Kinder stellt. Nicht zuletzt gibt sie wichtige Impulse für die Untersuchung von übergeordneten Leseprozessen in natürlichen Leseumgebungen mittels Eyetracking auch bei jüngeren Kindern. N2 - Many children struggle with reading for comprehension. Reading is a complex cognitive task depending on various sub-tasks, such as word decoding and building connections across sentences. The task of connecting sentences is guided by referential expressions. References, such as anaphoric noun phrases (Minky/the cat) or pronouns (Minky/she), signal to the reader how the protagonists of adjacent sentences are connected. Readers construct a coherent mental model of the text by resolving these references. Personal pronouns (he/she) in particular need to be resolved towards an appropriate antecedent before they can be fully understood. Pronoun resolution therefore is vital for successful text comprehension. The present thesis investigated children’s resolution of personal pronouns during natural reading as a possible source of reading comprehension difficulty. Three eye tracking studies investigated whether children aged 8-9 (Grade 3-4) resolve pronouns online during reading and how the varying information around the pronoun region influences children’s eye movement behavior. The first study investigated whether children prefer a pronoun over a noun phrase when the antecedent is highly accessible. Children read three-sentence stories that introduced a protagonist (Mia) in the first sentence and a reference to this protagonist in one of the following sentences using either a repeated name (Mia) or a pronoun (she). For proficient readers, it was repeatedly shown that there is a preference for a pronoun over the name in these contexts, i.e., when the antecedent is salient. The first study tested the repeated name penalty effect in children using eye tracking. It was hypothesized that in contrast to proficient readers, the fluency of children’s reading processing profits from an overlapping word form (i.e., the repeated noun phrase) compared to a pronoun. This is because overlapping word forms allow for direct mapping, whereas pronouns have to be resolved towards their antecedent first. The second study investigated children’s online processing of pronominal gender in a mismatch paradigm. Children read sentences in which the pronoun either was a gender-match to the antecedent or a gender-mismatch. Reading skill and reading fluency were also tested and related to children’s ability to detect a mismatching pronoun during reading. The third study investigated the online processing of gender information on the pronoun and whether disambiguating gender information improves the accuracy of pronoun comprehension. Offline comprehension accuracy, that is the comprehension of the pronoun, was related to children’s online eye movement behavior. This study was conducted in a semi-longitudinal paradigm: 70 children were tested in Grade 3 (age 8) and again in Grade 4 (age 9) to investigate effects of age and reading skill on pronoun processing and comprehension. The results of this thesis clearly show that children aged 8-9, when they are in the second half of primary school, struggle with the comprehension of pronouns in reading tasks. The responses to pronoun comprehension questions revealed that children have difficulties with the comprehension of a pronoun in the absence of a disambiguating gender cue, that is when they have to apply context information. When there is a gender cue to disambiguate the pronoun, children’s accuracy improves significantly. This is true for children in Grade 3, but also in Grade 4, albeit their overall resolution accuracy slightly improves with age. The results from the analyses of eye movements suggest that the discourse accessibility of an antecedent does play a role in children’s processing of pronouns and repeated names. The repetition of a name does not facilitate children’s reading processing like it was anticipated. Similar to adults, children showed a penalty effect for the repeated name where a pronoun is expected. However, this does not mean that children’s processing of pronouns is always adult-like. The results from eye movement analyses in the pronoun region during sentence reading revealed significant individual differences related to children’s individual reading skill and reading fluency. The results from the mismatch study revealed that reading fluency is associated with children’s detection of incongruent pronouns. All children had longer gaze durations at mismatching than matching pronouns, but only fluent readers among the children followed this up with a regression out of the pronoun region. This was interpreted as an attempt to gain processing time and “repair” the inconsistency. Reading fluency was therefore associated with detection of the mismatch, while less fluent readers did not see any mismatch between pronoun and antecedent. The eye movement pattern of the “detectors” is more adult-like and was interpreted as reflecting successful monitoring and attempted pronoun resolution. Children differ considerably in their reading comprehension skill. The results of this thesis show that only skilled readers among the children use gender information online for pronoun resolution. They took more time to read the pronoun when there was disambiguating gender information that was useful to resolve the pronoun, in contrast to the less skilled readers. Age was a less important factor in pronoun resolution processes and comprehension than were reading skill and reading fluency. Taken together, this suggests that the good readers direct cognitive resources towards pronoun resolution when the pronoun can be resolved, which is a successful comprehension strategy. Moreover, there was evidence that reading skill is a relevant factor in this task but not age. The contribution of the present thesis is a depiction of the specific eye movement patterns that are related to successful and unsuccessful attempts at pronoun resolution in children. Eye movement behavior in the pronoun area is related to children’s reading skill and fluency. The results of this thesis suggest that many children do not resolve pronouns spontaneously during sentence reading, which is likely detrimental to their reading comprehension in more complex reading materials. The present thesis informs our understanding of the challenge that pronoun resolution poses for beginning readers, and gives new impulses for the study of higher-order reading processes in children’s natural reading. KW - reading development KW - pronoun resolution KW - anaphora KW - Anaphern KW - Pronomenauflösung KW - Leseentwicklung Y1 - 2021 U6 - http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn:nbn:de:kobv:517-opus4-527141 ER - TY - THES A1 - Knospe, Gloria-Mona T1 - Processing of pronouns and reflexives in Turkish-German bilinguals T1 - Die Verarbeitung von Personal- und Reflexivpronomen bei Deutsch-Türkisch-Bilingualen N2 - Previous studies on native language (L1) anaphor resolution have found that monolingual native speakers are sensitive to syntactic, pragmatic, and semantic constraints on pronouns and reflexive resolution. However, most studies have focused on English and other Germanic languages, and little is currently known about the online (i.e., real-time) processing of anaphors in languages with syntactically less restricted anaphors, such as Turkish. We also know relatively little about how 'non-standard' populations such as non-native (L2) speakers and heritage speakers (HSs) resolve anaphors. This thesis investigates the interpretation and real-time processing of anaphors in German and in a typologically different and as yet understudied language, Turkish. It compares hypotheses about differences between native speakers' (L1ers) and L2 speakers' (L2ers) sentence processing, looking into differences in processing mechanisms as well as the possibility of cross-linguistic influence. To help fill the current research gap regarding HS sentence comprehension, it compares findings for this group with those for L2ers. To investigate the representation and processing of anaphors in these three populations, I carried out a series of offline questionnaires and Visual-World eye-tracking experiments on the resolution of reflexives and pronouns in both German and Turkish. In the German experiments, native German speakers as well as L2ers of German were tested, while in the Turkish experiments, non-bilingual native Turkish speakers as well as HSs of Turkish with L2 German were tested. This allowed me to observe both cross-linguistic differences as well as population differences between monolinguals' and different types of bilinguals' resolution of anaphors. Regarding the comprehension of Turkish anaphors by L1ers, contrary to what has been previously assumed, I found that Turkish has no reflexive that follows Condition A of Binding theory (Chomsky, 1981). Furthermore, I propose more general cross-linguistic differences between Turkish and German, in the form of a stronger reliance on pragmatic information in anaphor resolution overall in Turkish compared to German. As for the processing differences between L1ers and L2ers of a language, I found evidence in support of hypotheses which propose that L2ers of German rely more strongly on non-syntactic information compared to L1ers (Clahsen & Felser, 2006, 2017; Cunnings, 2016, 2017) independent of a potential influence of their L1. HSs, on the other hand, showed a tendency to overemphasize interpretational contrasts between different Turkish anaphors compared to monolingual native speakers. However, lower-proficiency HSs were likely to merge different forms for simplified representation and processing. Overall, L2ers and HSs showed differences from monolingual native speakers both in their final interpretation of anaphors and during online processing. However, these differences were not parallel between the two types of bilingual and thus do not support a unified model of L2 and HS processing (cf. Montrul, 2012). The findings of this thesis contribute to the field of anaphor resolution by providing data from a previously unexplored language, Turkish, as well as contributing to research on native and non-native processing differences. My results also illustrate the importance of considering individual differences in the acquisition process when studying bilingual language comprehension. Factors such as age of acquisition, language proficiency and the type of input a language learner receives may influence the processing mechanisms they develop and employ, both between and within different bilingual populations. N2 - Bisherige Studien zur Auflösung von Anaphern in der Muttersprache (L1) zeigten, dass einsprachig aufgewachsene MuttersprachlerInnen syntaktische, pragmatische und semantische Beschränkungen berücksichtigen. Die meisten dieser Studien haben sich jedoch auf Englisch und andere germanische Sprachen konzentriert, und über die “Online”-Verarbeitung (d.h. Echtzeitverarbeitung) von Anaphern in Sprachen mit syntaktisch weniger eingeschränkten Anaphern, wie beispielsweise Türkisch, ist derzeit wenig bekannt. Wir wissen auch relativ wenig darüber, wie untypischere Populationen wie nicht-muttersprachliche (L2-) SprecherInnen und “Heritage"-SprecherInnen (HSer) Anaphern auflösen. Diese Arbeit untersucht die Interpretation und Echtzeitverarbeitung von Anaphern im Deutschen und in einer typologisch anderen und noch wenig untersuchten Sprache, dem Türkischen. Sie vergleicht Hypothesen über Unterschiede zwischen der Satzverarbeitung von MuttersprachlerInnen (L1er) und von L2-SprecherInnen (L2er), genauer Unterschiede in den Verarbeitungsmechanismen sowie die Möglichkeit eines Einflusses von einer Sprache auf die Verarbeitung in der anderen Sprache. Um die aktuelle Forschungslücke bezüglich des HSer-Satzverständnisses zu schließen, werden die Ergebnisse für diese Gruppe mit denen für L2er verglichen. Um die Repräsentation und Verarbeitung von Anaphern in diesen drei Populationen zu untersuchen, habe ich eine Reihe von Offline-Fragebögen und Visual-World Eye-Tracking-Experimenten zur Auflösung von Reflexivpronomen und Personalpronomen im Deutschen und Türkischen durchgeführt. In den deutschen Experimenten wurden sowohl deutsche MuttersprachlerInnen als auch L2er getestet, während in den türkischen Experimenten einsprachig aufgewachsene türkische MuttersprachlerInnen sowie HSer des Türkischen mit Deutsch als L2 getestet wurden. Dies ermöglichte es mir, sowohl Unterschiede zwischen den Sprachen als auch Populationsunterschiede zwischen monolingualen und verschiedenen Arten von bilingualen SprecherInnen bei der Verarbeitung von Anaphern zu beobachten. Was das Verständnis der türkischen Anaphern durch L1er betrifft, so habe ich im Gegensatz zu früheren Annahmen festgestellt, dass das Türkische kein Reflexivpronomen hat, das dem Prinzip A der Bindungstheorie folgt (Chomsky, 1981). Darüber hinaus schlage ich allgemeinere Unterschiede zwischen Türkisch und Deutsch vor, und zwar in Form eines stärkeren Einflusses pragmatischer Informationen in der Anapherauflösung im Türkischen im Vergleich zum Deutschen. Was die Verarbeitungsunterschiede zwischen L1ern und L2ern einer Sprache betrifft, so fand ich Belege für Hypothesen, die vorschlagen, dass L2er des Deutschen sich stärker auf nichtsyntaktische Informationen verlassen als L1er (Clahsen & Felser, 2006, 2017; Cunnings, 2016, 2017), unabhängig von einem möglichen Einfluss ihrer L1. HSer hingegen zeigten eine Tendenz zur Überbetonung von Interpretationskontrasten zwischen verschiedenen türkischen Anaphern im Vergleich zu einsprachigen Muttersprachlern. Allerdings neigten HSer mit geringeren Sprachkenntnissen dazu, die Unterschiede zwischen Formen zu vereinfachen, indem sie die unterschiedlichen Anaphern sowohl in der Interpretation und in der Verarbeitung gleichbehandelten. Insgesamt zeigten L2er und HSer sowohl in der endgültigen Interpretation von Anaphern als auch bei der Online-Verarbeitung Unterschiede zu monolingualen MuttersprachlerInnen. Diese Unterschiede waren jedoch nicht gleichförmig zwischen den beiden Arten von Bilingualen und unterstützen daher kein einheitliches Modell der L2- und HS-Verarbeitung (vgl. Montrul, 2012). Die Ergebnisse dieser Arbeit tragen durch die Bereitstellung von Daten aus einer bisher unerforschten Sprache, Türkisch, zum Forschungsfeld der Anapherauflösung bei, und leisten außerdem einen Beitrag zur Forschung über Unterschiede in der Verarbeitung zwischen MuttersprachlerInnen und Nicht-MuttersprachlerInnen. Meine Ergebnisse verdeutlichen auch die Bedeutung der Berücksichtigung individueller Unterschiede im Erwerbsprozess bei der Erforschung des bilingualen Sprachverständnisses. Faktoren wie das Erwerbsalter, die Sprachkenntnisse und die Art des Inputs, den SprachlernerInnen erhalten, können die Verarbeitungsmechanismen beeinflussen, die sie entwickeln und anwenden, und somit zu Unterschieden sowohl zwischen als auch innerhalb verschiedener bilingualer Bevölkerungsgruppen führen. KW - language processing KW - bilingualism KW - anaphors KW - eye-tracking KW - visual world KW - pronouns KW - reflexives KW - Sprachverarbeitung KW - Bilingualismus KW - Anaphern KW - Eye-Tracking KW - Visual World KW - Pronomen KW - Reflexivpronomen Y1 - 2018 U6 - http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn:nbn:de:kobv:517-opus4-436442 ER -