TY - THES A1 - Lorenz, Kathrin T1 - Interessen und Ideen in der deutschen Entwicklungspolitik T1 - Interests and ideas in German development policy BT - eine konstruktivistische Untersuchung der Verknüpfung von Entwicklung und Sicherheit in der deutschen Entwicklungspolitik 1998 - 2009 BT - the interlinkage between development and security in German development Policy 1998 - 2009 from a constructivist perspective N2 - Die Annäherung von Entwicklung und Sicherheit seit Beginn der 1990er Jahre gilt in Teilen der Fachöffentlichkeit als wesentliches Merkmal einer zunehmenden Eigennutz- und Interessenorientierung der deutschen Entwicklungspolitik nach Ende des Ost-West-Konflikts. Den Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung bildete die Skepsis gegenüber diesem Befund eines Wandels deutscher Entwicklungspolitik weg von moralischen Begründungszusammenhängen und hin zu nationaler Interessenpolitik seit Beginn der 1990er Jahre. Diese Skepsis begründet sich in der Annahme, dass die bisherige Kritik gegenüber einer möglichen Versicherheitlichung von Entwicklungspolitik die Rolle von eigennutzorientierten Interessen als erklärendem Faktor überbetont und gleichzeitig ideellen Strukturen und deren möglichem Wandel als konstitutivem Faktor für politische Prozesse zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. Die Forschungsfrage lautet dementsprechend: Kann die deutsche Entwicklungspolitik im Lichte der Verknüpfung von Entwicklung und Sicherheit als zunehmend interessenorientiert gedeutet werden und hat sich damit ein grundlegender Politikwandel vollzogen? Theoretisch knüpft die Arbeit an die konstruktivistisch-orientierte Forschung im Thema Entwicklung und Sicherheit an und entwickelt diese weiter. Für die Herleitung der theoretischen Position wird auf konstruktivistische Überlegungen in den Theorien der Internationalen Beziehungen rekurriert. Im Vordergrund stehen dabei jene Ansätze der Internationalen Beziehungen, die die konstruktivistische Wende nicht nur ontologisch, sondern auch epistemologisch vollziehen und der Rolle von Sprache besondere Aufmerksamkeit schenken. In empirischer Hinsicht wird die Verknüpfung von Entwicklung und Sicherheit in der deutschen staatlichen Entwicklungspolitik anhand von Interpretationen dieser Verknüpfung im Agenda-Setting und in der Politikformulierung untersucht. Der Untersuchungszeitraum der empirischen Analyse beläuft sich auf die Amtsjahre der SPD-Politikerin Heidemarie Wieczorek-Zeul als Bundesministerin für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, nämlich 1998 2009. Der Datenkorpus der Untersuchung in Agenda-Setting und Politikformulierung umfasst über 50 Reden von Mitgliedern der Bundesregierung sowie ausgewählte offizielle Politikdokumente, in denen relevante Textpassagen enthalten sind. Die beispielhafte Untersuchung der Institutionalisierung im Lichte der Verknüpfungen von Entwicklung und Sicherheit bezieht sich auf weitere Primär- und Sekundärquellen. Auf der Grundlage der empirischen Analyse wird deutlich, dass unterschiedliche Interpretationen in der staatlichen deutschen Entwicklungspolitik hinsichtlich der Verknüpfung von Entwicklung und Sicherheit über den Untersuchungszeitraum 1998 - 2009 nachgezeichnet werden können. Bemerkenswert ist dabei insbesondere die diffuse Vielfalt der Konstruktionen des Sicherheitsbegriffs. Außerdem wird anhand der empirischen Untersuchung nachgezeichnet, dass zum Teil erhebliche Unterschiede bestehen zwischen den Verknüpfungen von Entwicklung und Sicherheit auf der ressortübergreifenden Ebene einerseits und der entwicklungspolitischen Ebene andererseits. Auch die beispielhafte Diskussion von Meilensteinen der institutionalisierten Entwicklungspolitik bestätigt diese Varianzen, die durch die nuancierte Analyse sprachlicher Konstruktionen sichtbar gemacht werden konnte. Ausgehend vom empirischen Ergebnis der Varianz und Variabilität der Begründungsmuster für die Verknüpfungen von Entwicklung und Sicherheit ist es nunmehr möglich, Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Forschungsfrage zu ziehen: Ist deutsche Entwicklungspolitik im Lichte der Verknüpfung von Entwicklung und Sicherheit zunehmend eigennutz- und interessenorientiert? In den Anfangsjahren von Wieczorek-Zeul spielen normative Aspekte wie Gerechtigkeit und Frieden im Zusammenhang mit der Genese des Themenfelds Frieden und Sicherheit eine wichtige Rolle. Prägend für die Politikformulierung sind dabei vor allem die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Globalisierung, die den Ausgangspunkt für die Formulierung der von Wieczorek-Zeul geprägten Globalen Strukturpolitik bilden. Eine Eigennutzorientierung im realistischen Sinne scheint nur dann präsent, wenn es um unser Interesse der Wohlstandssicherung geht. Entwicklungspolitische Friedenförderung und Krisenpräventionen dienen dazu, die ökonomischen Kosten von Kriegen zu verringern und leisten einen Beitrag zur Vermeidung von wohlstandsgefährdender Migration. Es wird auf einen Sicherheitsbegriff rekurriert, der die Menschliche Sicherheit der Bevölkerung in den Entwicklungs- und Transformationsländern in den Vordergrund stellt. Nach 9/11 verschieben sich die sprachlichen Konstruktionen weg von unserem Wohlstand und dem Frieden weltweit in Richtung unsere Sicherheit. Artikulierte Eigennutzorientierung mit Bezug auf Sicherheit gewinnt an Dominanz gegenüber moralischen Begründungszusammenhängen. Diese Entwicklung lässt sich vor allem im Rahmen der ressortübergreifenden Interpretationen des Zusammenhangs von Entwicklung und Sicherheit nachzeichnen. Auch bei dieser ressortübergreifenden Verschiebung lässt sich die Verknüpfung von Entwicklung und Sicherheit auf der Ebene des für die deutsche Entwicklungspolitik federführenden Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hingegen weiterhin als vorwiegend verpflichtungsorientiert deuten. Erst mit der Großen Koalition ab 2005 kann von umfassenderer Neu-Interpretation der Verknüpfung von Entwicklung und Sicherheit ausgegangen werden: Wohlstand und Sicherheit in der Welt werden nunmehr gleichermaßen als in unserem Interesse artikuliert, die neben der internationalen Verpflichtung zur Friedenssicherung als gleichwertig eingeschätzt werden können Zusammenfassend bringen diese empirischen Ergebnisse im Lichte der theoretischen Deutung ein nuancierter es Bild hervor als in der bisherigen Forschung mit ihrem meist einseitigen Fokus auf einer zunehmenden Interessenorientierung angenommen wurde. Die ideellen Bezüge waren immer präsent als prägender Faktor für die deutsche Entwicklungspolitik, sie haben sich allerdings im Zeitverlauf verändert. Der theoretische Ertrag der Studie und die Policy-Relevanz liegen auf mehreren Ebenen. Erstens wird mit der differenzierten Untersuchung und Deutung deutscher Entwicklungspolitik im Lichte der Verknüpfungen von Entwicklung und Sicherheit die Forschung zum Thema Versicherheitlichung von Entwicklungspolitik angereichert und deren theoretische Prämissen weiterentwickelt. Zweitens leistet die Arbeit einen Beitrag zur Forschung zur deutschen Entwicklungspolitik. Mit der vorliegenden Studie wird diese oft an der Umsetzung und Praxis interessierte Forschung durch die theoretische Beschäftigung mit der Deutung deutscher Entwicklungspolitik angereichert. Dieser Beitrag ergibt sich konkret aus der Anwendung theoretischer Überlegungen der Sicherheitsstudien, aus dem konstruktivistischen Strang der Theorien der Internationalen Beziehungen (IB) sowie konzeptionellen Überlegungen aus der Policy-Forschung, die miteinander verknüpft werden. N2 - The so-called nexus between development and security since the beginning of the 1990s is considered by many authors as an expression of an increased orientation towards self-interests in a realist sense of German development policy and thus a shift away from its normative foundations. The starting point of this research was a certain degree of skepticism vis-à-vis this fairly common interpretation regarding a fundamental change of German development policy in light of the growing inter-linkages between development and security since after the end of the cold war. This skepticism is based upon the hypothesis that many contributions to the debate on a potential „securitization“ of development so far have overemphasized the role of self-interests as explanatory factor for the course of development policy in this context. At the same time, it is assumed that the research contributions have sometimes overlooked the role that normative factors continue to play as well as how these may also change over time. Consequently, the research question is: Can German development policy in light of the inter-linkage between development and security be interpreted as an increased self-interest-oriented policy and does this mean that German development policy has undergone a fundamental policy change? From a theoretical perspective, this research is closely linked to constructivist research on the so-called nexus of development and security and it aims to contribute to this constructivist debate. In terms of developing an appropriate theoretical position, this research draws on International Relations (IR) Theory with a focus on IR-approaches which implement the constructivist turn both ontologically as well as epistemologically and which pay particular attention to the role of language in this regard. Empirically, this research focuses mainly on interpretations of the so-called nexus between development and security in German development policy during agenda-setting and policy formulation. The time-frame covered encompasses the years 1998 – 2009, thus the three term of the socio-democrat development policy minister Heidemarie Wieczorek-Zeul. The dataset consists of more than 50 speeches of members of cabinet as well as selected official policy documents which contain relevant interpretations of the so-called nexus between development and security in German development policy. Based upon this empirical analysis it becomes clear that interpretations about the so-called nexus of development and security vary significantly over the years 1998 – 2009. Moreoever, The diffuse constructions of meaning around the notion of „security“ are particularly remarkable in this regard. Furthermore, there are also significant variations regarding the inter-linkages between development and security in the researched documents depending upon the level of „intervention“, e.g. interpretations in speeches and documents from the development policy perspective differ from those in speeches and documents on the inter-ministerial level. These different interpretations allude to different types of policy meanings and frames for the inter-linkage of development and security which lead to the following empirical conclusions of this research: In the first years of Wieczorek-Zeul’s first term in the late 1990s, normative factors such as global equity and justice as well as peace are the predominant meanings around interpretations of the inter-linkage of development and peace. Challenges in the context of globalization are coin for policy formulation in this regard and can be seen as the starting point and rationale for constructing the inter-linkage between development and security from a development perspective. Self-interests in the realist sense are – if at all - constructed around our interest of safeguarding our economic wealth, but not around security issues. Peace and Security measures from a development perspective aim to lower economic costs of war and to contribute to prevent migration. In the German development policy in those years, security is primarily interpreted in the sense of Human Security of populations in partner countries to development policy. However, following the 9/11 attacks interpretations change: the constructed meaning of inter-linking development and peace moves more towards our own security issues and challenges as rationale for development. Normative patterns and meanings are less present. This evolution of these meanings is particularly notable on the inter-ministerial level of interpretations. At the same time, genuine constructions and interpretations from a development perspective hold on to their normative patterns of meaning. It is only with Wieczorek-Zeul’s third term starting in 2005 that a more holistic re-shifting of meaning can be traced: now, economic wealth and security as well as our responsibility for peaceful global development are constructed as seemingly equally important needs and responsibility both in global and in our self-interest. To summarize, the nuanced research of interpretations in selected documents covering 11 year brings about new results to the debate of the so-called nexus between security and development against the background of the theoretical perspective which considers these interpretations and constructions as performative for the policy in itself. In German development policy, normative factors have thus always played a role in constructing this inter-linkage; a one-sided, linear evolution over time towards more self-interest orientation in the realist sense could not be traced in this nuanced research. The theoretical contribution of this research lies on different levels: Firstly, with this research the debate on the so-called development –security –nexus will be complemented with new findings on the specific German case. At the same time, theoretical assumptions for example for the Securitization theory are complemented by the approach and perspective presented there. Secondly, the research contributes to the debate of interpretation of German Development Policy between interests and normative factors in line with reflections from constructivist International Relations theory. KW - Deutsche Entwicklungspolitik KW - Entwicklung und Sicherheit KW - Frame-Analyse KW - IB-Konstruktivismus KW - development and security KW - German development policy KW - frame-analysis Y1 - 2016 U6 - http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn:nbn:de:kobv:517-opus4-93213 ER -