@misc{Kamp2001, type = {Master Thesis}, author = {Kamp, Silke}, title = {Arbeit und Magie in Brandenburg in der Fr{\"u}hen Neuzeit}, url = {http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:kobv:517-opus-32993}, school = {Universit{\"a}t Potsdam}, year = {2001}, abstract = {Arbeit und Magie werden in der l{\"a}ndlichen Gesellschaft der Fr{\"u}hen Neuzeit neu bewertet. W{\"a}hrend die Reformation die Arbeit aufwertet, verteufelt sie den M{\"u}ßiggang. Als zentrale Lebens{\"a}ußerung bei der man h{\"a}ufig mit dem Lebensbereich des Anderen in Ber{\"u}hrung kommt, birgt Arbeit ein hohes Konfliktpotential in sich. Als Glaubensform basiert Magie auf kollektiven {\"U}bereink{\"u}nften und strebt einen praktikablen Umgang mit feindseligen M{\"a}chten an, so dass sie mit Formen allt{\"a}glicher Konfliktaustragung (Gegenzauber, Bezichtigung als Zauberer/Zauberin) bek{\"a}mpft werden k{\"o}nnen. Auf Magie als Deutung oder Handlung haben ihre beginnende Kriminalisierung (Carolina) und das Vordringen der Schriftlichkeit nachhaltigen Einfluss. Aus diesen Ver{\"a}nderungen heraus empf{\"a}ngt das Themenpaar Arbeit und Magie seine Bedeutung, das hier in seinem Zusammenwirken erstmals untersucht wird und zwar am Beispiel der Mittelmark. Wie die Auswertung von Gesuchen mittelm{\"a}rkischer Gerichte um Rechtsbelehrung an den Sch{\"o}ppenstuhl in Brandenburg zum neuen Delikt der Zauberei im Zeitraum von 1551 bis 1620 beweist, handelt es sich bei der Mittelmark um ein verfolgungsarmes Territorium, das sich daher bestens f{\"u}r die Untersuchung des selbstverst{\"a}ndlichen Umgangs mit Magie eignet. In 98 von 136 Prozessen sind insgesamt 107 Frauen und 9 M{\"a}nner angeklagt - darunter eine „weise Frau" und zwei M{\"a}nner als volksmagische Spezialisten. Der H{\"o}hepunkt der Sprucht{\"a}tigkeit liegt zwischen 1571 und 1580. In dieser Phase tauchen erstmals d{\"a}monischer Vorstellungen auf und werden weibliche Magiedelikte auch auf M{\"a}nner {\"u}bertragen (Schadenszauber, Teufelspakt). Der Vorwurf des Teufelspaktes ist {\"u}berwiegend im Nordwesten der Mittelmark anzutreffen und wird hier auch zuerst erhoben. Dennoch kann sich der d{\"a}monische Hexenglauben als st{\"a}dtisches Ph{\"a}nomen in der l{\"a}ndlich gepr{\"a}gten Mittelmark kaum durchsetzen, denn in keinem der untersuchten F{\"a}lle taucht der Terminus „Hexe" auf. Die Rezeption der Hexenlehre in all ihren wesentlichen Elementen (Buhlschaft, Zusammenkunft auf dem Blocksberg und die Fahrt dorthin) ist erst 1613 abgeschlossen. Damit kommt sie f{\"u}r die Mittelmark zu sp{\"a}t, um ihre zerst{\"o}rerische Wirkung zu entfalten: Die Auswirkungen des Dreißigj{\"a}hrigen Krieges {\"u}berlagern alsbald die Vorstellungen von „b{\"o}sen Zauberinnen". Mit Hilfe der Studien von RAINER WALZ zur magischen Kommunikation und EVA LABOUVIE (Offizialisierungsstrategien) wurden drei F{\"a}lle n{\"a}her untersucht, in denen die Arbeit entweder Konfliktanlass ist, mit magischen Mitteln beeinflusst wird oder es um die professionelle Aus{\"u}bung von Magie im Bezug auf l{\"a}ndliche Arbeit geht. In Nassenheide wird 1573 dem Bauern Peter Calys das Abzaubern von Feldfr{\"u}chten unterstellt. Seine Nachbarschaft beobachtet ein ihr unbekanntes Ritual (vermutlich eine Sch{\"a}dlingsbek{\"a}mpfung), was sie in kein geduldetes magisches Handeln einordnen kann. In Liebenwalde geht es 1614 um „fliegende Worte", die im Streit um erschlagene G{\"a}nse ausgesprochen und sp{\"a}ter, nach einer Reihe von Ungl{\"u}cksf{\"a}llen, vom Gescholtenen als Fl{\"u}che umgedeutet werden. In Rathenow steht 1608 der Volksmagier Hermann Mencke vor Gericht. Sein Repertoire an magischen Hilfsleistungen umfasst Bann-, Heil- und Hilfszauber. Diese drei Fallstudien ergaben f{\"u}r das Thema Arbeit und Magie, dass Magie in der sich schwerf{\"a}llig entwickelnden Landwirtschaft ein innovatives Potential zukommt. Das Experimentieren mit Magieformen bleibt jedoch Spezialisten der Volksmagie vorbehalten. Insbesondere in den D{\"o}rfern, wo die Grenzen zwischen m{\"a}nnlicher und weiblicher Magie durchl{\"a}ssig sind, erweist sich die Geschlechtsspezifik der volkst{\"u}mlichen Magie als Produkt der Lebens- und Arbeitsbeziehungen in der l{\"a}ndlichen Gesellschaft. M{\"a}nner wie Frauen verf{\"u}gen {\"u}ber die zu ihren Arbeitsbereichen passenden Hilfszauber. Dass Zauber zu Frauenarbeiten wie Milchverarbeitung und Bierbrauen {\"u}berwiegen, liegt neben der H{\"a}ufigkeit, mit der diese Verrichtungen anfallen, ihrer Anf{\"a}lligkeit f{\"u}r Fehler und ihrer Bedeutung f{\"u}r die Ern{\"a}hrung daran, dass sie sich im Verborgenen abspielen und daher verd{\"a}chtig sind. Außerdem handelt es sich um m{\"u}hselige und monotone T{\"a}tigkeiten, die daher der Motivation durch Magie bed{\"u}rfen. Die Schlichtheit der weiblichen Magie korrespondiert mit der geringeren Spezialisierung weiblicher Arbeit in der Landwirtschaft, die sich in der Verwendung einfacher Werkzeuge bekundet. W{\"o}rter k{\"o}nnen wegen der spezifischen Organisation der Hirnareale zur Sprachverarbeitung in einer auf M{\"u}ndlichkeit beruhenden Kultur heilen oder eine lebensbedrohliche Waffe sein. Indem Magie das Profane dramatisiert, kommt ihr die Funktion einer Erinnerungskunst zu, die sp{\"a}ter durch die Schrift ausgef{\"u}llt wird. Die Schrift macht Magie als Mnemotechnik {\"u}berfl{\"u}ssig und immunisiert gegen die Macht des Wortes. Damit reift auch die Skepsis an der Wirksamkeit von Magie. Schließlich werden Schadenszaubervorw{\"u}rfe nur noch als Injurienklagen verhandelt. Sie bestimmen die Prozesse um Zauberei nach dem Großen Krieg.}, language = {de} }