TY - THES A1 - Schütze, Christin T1 - Comprehension of gender-neutral forms and the pseudo-generic masculine in German: a visual world eye-tracking study N2 - Geschlechtergerechte und -inklusive Sprache hat sich während der vergangenen Jahre zu einem umstritteten Thema entwickelt und wird interdisziplinär von der theoretischen bis zur Psycho-Linguistik, Soziologie sowie Wirtschaft diskutiert – und von allen, die Sprache nutzen. Untersuchungen zum Deutschen, die hauptsächlich auf Fragebögen beruhen (im Überblick von Braun et al. 2005), Lückentexte verwenden (Klein 1988) und Kategorisierungen mit Bildzuordnung abfragen (Irmen & Köhncke 1996) disqualifizieren generisch verwendete maskuline Formen als pseudo-generisch: sie verfehlen ihre grammatisch vorgeschriebene Funktion, Referent*innen jeden Geschlechtes einzubeziehen. Ausgewogenere, Geschlechter gleichermaßen benennede Ausdrücke (Paarformen wie Lehrer und Lehrerinnen) stellen explizite Referenz her zu weiblicher Präsenz und Teilhabe, wodurch sie folglich eine gleichberechtigtere Interpretation begünstigen. Echtzeit(“online”)-Methoden, um die Verarbeitung geschlechtersensibler Sprache zu untersuchen, sind innerhalb der Forschung zum Phänomenon überraschend selten vertreten, abgesehen von den Reaktionszeitmessungen (Irmen & Köhncke 1996, Irmen & Kaczmarek 2000) und Blickbewegungsstudien beim Lesen (Irmen & Schumann 2011). Zusätzlich wurde geschlechterneutrale Sprache (GNS) in der Mehrheit der Experimente nicht fokussiert, und wenn GNS Teil der Stimulusmaterialien war, fielen die Ergebnisse uneindeutig aus (De Backer & De Cuypere 2012), oder sie befanden solche Alternativen als uneffektiv (ähnlich der maskulinen Generika, s. Braun et al. 2005), obwohl Richtlinien zu nicht-diskriminierender Sprache diese gemeinhin/ empfehlen. Geschlechterneutrale (GN) Ausdrücke für persönliche Referenz im Deutschen umfassen • nominalisierte Partizipien; Substantivierungen im Allgemeinen: Interessierte, Lehrende • Kollektiva im Singular: Publikum, Kollegium • Zusammensetzungen (u. a. mit einer Begrifflichkeit von "-person"): Ansprechpersonen, Lehrkräfte • Paraphrasierungen, die ein (genderisiertes) Subjekt umschreiben und somit in den Hintergrund rücken: z. B. Passiv- und Relativkonstruktionen In einer Blickbewegungsstudie im "visual world"-Design wurde das Verständnis von Generika unter der Verwendung maskuliner Nomen und GN-Formen für Rollen- und Berufsbezeichnungen im Plural getestet. In komplexen Stimulusszenarien sollte Referenz zu den auf einem Bildschirm präsentierten Referent*innen hergestellt werden. Am Ende einer jeden Stimuluseinheit wurde eine Frage gestellt, sodass das Bild, das mit den Referent*innen am ehesten übereinstimmt, (erneut) identifiziert werden musste. Die Grafiken bildeten 1) eine einzelne Person (Protagonist*in des Settings) ab, 2) eine ausschließlich weibliche Personengruppe, 3) eine ausschießlich männliche Gruppe, 4) eine gemischtgeschlechtliche Gruppe bestehend aus weiblichen und männlichen Mitgliedern. Diese Gruppenreferent*innen wurden auditiv vorgestellt mit entweder a) Maskulina (die Lehrer), b) spezifisch weiblichen Nomina, also Feminina (die Lehrerinnen), oder c) einer der oben genannten drei nominalen GN-Varianten (die Lehrkräfte). Die Ergebnisse bestätigen den häufigen männlichen Bias, eine Schlagseite grammatisch maskuliner Formen, die generisch verwendet werden, hin zu männlichen Referenten, das heißt, deren spezifisch männliche Interpretation. Weiterhin hatte der Grad an Stereotypizität von Nomen – wie stereotyp Rollen und Berufe be-/ gewertet werden – einen Einfluss auf die Antworten. Die GN-Alternativen, welche generell dafür bekannt sind bzw. wurden indefinite Referenz zu erzielen (ergo "markiert” sind für geschlechterfaire Sprache), stellten sich als am qualifiziertesten heraus, gemischtgeschlechtliche Interpretationen hervorzurufen. War eine persönliche Referenz zuvor mit GN-Termini etabliert worden, wurde eine inklusive(re) Antwort durchgängig bewirkt. Darauf deuten sowohl Blickbewegungen als auch Antwortproportionen hin, doch unterschiedlichen Ausmaßes in Abhängigkeit vom GN Nominaltyp. Konzepte, die in ihrer linguistischen Form von Geschlecht abstrahieren (es "neutralisieren") treten als inklusiver in Erscheinung, und sind somit bessere Kandidatinnen für eine generische Referenz als jener im Maskulinum. N2 - Gender-inclusive language has evolved into a much-debated topic during the past years, discussed interdisciplinarily from theoretical to psycholinguistics, sociology, and economy – and by anyone who uses language. Studies on German that primarily relied on questionnaires (reviewed in Braun et al. 2005), cloze tests (Klein 1988), and categorisation tasks with picture matching (Irmen & Köhncke 1996) disqualify the generically used masculine forms as pseudo-generic – failing their grammatically prescribed function to include referents of any Gender. Gender-balanced expressions (pair and split forms like Lehrer und Lehrerinnen) make explicit reference to female presence and participation, and thus elevate a more equitable interpretation. Online methods to investigate the processing of Gender-sensitive language are surprisingly rare among research on the phenomenon, except for reaction time measures (Irmen & Köhncke 1996, Irmen & Kaczmarek 2000) and eye-tracking in reading (Irmen & Schumann 2011). In addition, Gender-neutral language (GNL) has not been focused on in the majority of experiments, and when it was among the stimuli, results were inconclusive (De Backer & De Cuypere 2012) or found such alternatives to be ineffective (resembling masculine generics, Braun et al. 2005), despite the fact that guidelines on non-discriminatory language use commonly recommend these. Gender-neutral (GN) expressions for personal reference in German include • nominalised participles; nominalisations in general: Interessierte, Lehrende • collective singulars: Publikum, Kollegium • compounds (e.g., with a notion of “-person”): Ansprechpersonen, Lehrkräfte • paraphrases that background a (gendered) subject: e.g., passives, relatives In a visual world eye-tracking study, the comprehension of plural generics using masculine nouns and GN forms was tested for roles and occupations. In complex stimulus scenarios, reference had to be established to referent images presented on a screen. At the end of each item, a question was asked in order to (re)identify the image that matched the referents of the respective setting best. Images depicted 1) a single person (protagonist), 2) an all-female group, 3) an all-male group, 4) a mixed Gender group of female and male members. The group referents were introduced with either a) masculine nouns (die Lehrer), b) female-specific feminine nouns (die Lehrerinnen), or c) one of the upper three nominal GN variants (die Lehrkräfte). Results confirm the frequent male bias in masculine forms that are used as generics, that is, their male-specific interpretation. Furthermore, stereotypicality of nouns had an impact on responses. The GN alternatives, which are generally known to aim for indefinite reference (“marked” for Gender-fair language) were found to be most qualified to elicit mixed Gender group interpretations. When reference was established with GN terms, an inclusive response was consistently elicited. This was both indicated by eye movements and response proportions, but to a different extent depending on the particular GN noun type. Concepts that abstract from Gender in their linguistic forms (“neutralising” it) appear to be more inclusive, and thus better candidates for generic reference than masculines. KW - Eye-Tracking KW - Visual World KW - Generic KW - Masculine KW - Genus KW - Gender KW - Gender-neutral Language KW - Personal Reference KW - Implicit Bias KW - Blickbewegungen KW - Generisch KW - Maskulinum KW - Genus KW - Geschlecht KW - geschlechterneutrale Sprache KW - Personenbezeichnungen Y1 - 2020 UR - https://publishup.uni-potsdam.de/frontdoor/index/index/docId/48415 UR - https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:kobv:517-opus4-484157 ER -