Gespiegelte Fassung der elektronischen Zeitschrift auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam, Stand: 20. April 2010
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Anne Jobst
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

"Briefe wie gemahlt" 
Alexander von Humboldts Engagement für die Wahl Christian Gottfried Ehrenbergs als Mitglied des Institut de France

Am 19. Dezember 1831 wurde Christian Gottfried Ehrenberg zum korrespondierenden Mitglied des Institut de France gewählt. Humboldt hatte sich mit allen Kräften dafür eingesetzt, dass Ehrenbergs wissenschaftliche Leistungen auf diese Weise gewürdigt wurden.

Wie die Wahl ablief und welche Schwierigkeiten sich dabei ergaben, beschrieb Humboldt in einem ausführlichen Brief an Ehrenberg vom 19. Dezember 1831 in dem er den jungen Gelehrten schon als „Correspondant de l’Institut de France“ ansprechen konnte:

 „Ihr Name und Ihre Arbeiten stehen hier so hoch, dass diese Ernennung leicht schien, aber (horrendum dictu!) der jezige Präsident des Instituts Duméril sezte sich in den Kopf seinen Neffen Lesson der die Welt umsegelt hat, ernennen zu lassen.“

Aber Humboldt ließ sich davon nicht schrecken:

ergrimmt habe ich dann in den lezten Tagen alle meine Künste des alten Einflusses aufgeboten und es ist uns glänzend geglükt.“ [1]

Humboldt war so überzeugt von Ehrenbergs besonderem Talent und seinen Fähigkeiten, dass er seinen ganzen Einfluss geltend machte, um die Wahl durchzusetzen.

Wann Ehrenberg und Humboldt sich zum ersten Mal begegnet sind, wissen wir nicht genau. In einem Brief an seinen Vater vom 16. Dezember 1818 erwähnte Ehrenberg, dass er an Humboldt geschrieben habe und ihn auf eine Reise nach Tibet begleiten wolle[2]. Selbstbewusst schrieb der 23 jährige:

Vielleicht und wahrscheinlich hätte ich von hiesigen Gelehrten, wenn ich sie darum gebeten hätte, Empfehlungsschreiben bekommen, allein ich wollte nicht anders als durch mich selbst empfohlen sein.“ [3]

Eine Antwort Humboldts auf Ehrenbergs Anfrage ist nicht überliefert, wohl aber wissen wir von seinem Engagement für Ehrenbergs Nordafrika-Expedition 1820- 1826. Er setzte sich in der Akademie der Wissenschaften für die Genehmigung der Reise ein und machte nach Beendigung der Expedition deren Ergebnisse bekannt. Er hatte also ein sehr deutliches Bild von Ehrenbergs Leistung und äußerte sich dementsprechend anerkennend in seinem Bericht.

Der junge Forscher, der zunächst Medizin studiert und seine Dissertation über Schimmelpilze geschrieben hatte, glänzte gleichermaßen mit botanischen wie mit zoologischen Kenntnissen. Humboldt vermittelte den Kontakt zum Königshaus, wohin Ehrenberg eingeladen wurde, um von seinen Erlebnissen und Beobachtungen zu berichten.

Als 1829 für Humboldt ein lang gehegter Traum wahr wurde, und er seine Reise in den Altai antreten konnte, lud er den geschätzten Forscher ein, ihn zu begleiten. Beim russischen Finanzminister Graf Georg von Cancrin fragt er am 25. Februar 1829 an, ob er

„meinen Freund den thätigen und gelehrten Zoologen und Botaniker (er ist sonderbar genug beides zugleich) Prof. Ehrenberg“ [4]

mitnehmen dürfe, was ihm selbstverständlich zugestanden wurde. 

Auf dieser Reise begründete sich eine Freundschaft zwischen den Forschern, die bis zum Tode Humboldts Bestand hatte. Humboldt lernte Ehrenbergs Arbeitsweise und Ansichten näher kennen  und schätzen. Er nahm lebhaften Anteil an seinen Forschungen und tauschte sich mit ihm darüber aus. Ehrenberg hatte in Russland begonnen, sich noch intensiver als bisher mit Mikroorganismen zu beschäftigen. Immer faszinierter tauchte er in diese „Welt des Kleinen“ ein und brachte Erstaunliches zutage. Er konnte diese Kleinstlebewesen in die Systematik der organischen Welt einordnen und wies ihre Lebensfunktionen nach. Er konnte beweisen, dass „das unsichtbar kleine Leben“[5] nicht aus dem Nichts entstand, wie man lange annahm. Die Formenvielfalt, der zellulare Aufbau und die weltweite Verbreitung der Mikroorganismen waren einige seiner wichtigsten Themen. Er war Mitbegründer der Mikropaläontologie. Die berühmtesten Forscher seiner Zeit arbeiteten mit ihm zusammen und Ehrenberg untersuchte anhand von zugeschickten Proben die Weltteile auf ihre mikrobiologische Beschaffenheit hin. Sein darauf basierendes Werk „Mikrogeologie“[6] fand nicht nur in Humboldt einen begeisterten Bewunderer.

Humboldt, der bestrebt war, alles Bekannte über die Natur in seine umfassende Weltdarstellung aufzunehmen, verfolgte Ehrenbergs Forschung sehr aufmerksam. Das Bahnbrechende an Ehrenbergs Erkenntnissen war für Humboldt schnell klar, und er verwies in seinem „Kosmos“ mehrfach darauf.[7] Um Ehrenbergs Stimme mehr Gehör zu verschaffen, sorgte er dafür, dass seine Popularität stieg. Der persönliche Einsatz für die Mitgliedschaft im Institut de France war nur ein Meilenstein auf diesem Weg. Doch wie bereits angedeutet, verlief das Unterfangen schwieriger als gedacht und Humboldt musste „alle Künste des alten Einflusses“ einsetzen, um ans Ziel zu gelangen. Er musste stimmberechtigte Mitglieder von Ehrenbergs Vorrang überzeugen. Er ließ Ehrenberg wissen:

„Seit Sonnabend Abend bis gestern Sontag habe ich um alles zu sichern in den variirtesten Formen des Lobes über Sie, 34 Briefe, durch die kleine Post geschrieben und hören Sie wohl, Briefe wie gemahlt die man lesen konnte. So ist der Hergang der Sache gewesen, der ich darf es hoffen, Ihnen gewiss Freude macht.“

Von diesen 34 Briefen ist bisher nur ein einziger bekannt. Er ist an den bereits hoch betagten Präsidenten der Académie Nationale de Médecine, den Anatom, Medizinhistoriker und Mediziner Baron Antoine Portal (1742-1832) gerichtet.

Der Brief befindet sich im Bestand der Zentral- und Landesbibliothek Berlin, die ihn digitalisiert und im Internet veröffentlicht hat. 

Briefe von Alexander und Wilhelm von Humboldt (Überblick)

Humboldts Brief an Baron Antoine Portal (PDF, 1.3 MB)

Humboldt schrieb ihm:

“Je voudrois bien avoir quelque[8] titre à Votre bienveillance, mon illustre Confrère, pour oser solliciter Votre suffrage demain, à l’élection d’un correspondant, pour mon savant ami et compagnon de voyage en Asie Mr le Docteur Ehrenberg, membre de l’Académie de Berlin et un des plus grand zoologistes et zootomes de nos tems. Une preuve de l’intérêt de Monsieur le Baron Portal me rendroit heureux et fier.

Humboldt“

 

Dimanche

[Anschrift:]

à Monsieur
Monsieur le Baron Portal
membre de l’Institut
R[ue] de Condé n 12

 

[Poststempel:] 18 Décembre 1831

 

[Von anderer Hand:] le docteur Ehrenberg

 

Übersetzung:

„Ich möchte gern irgendeinen Anspruch auf Ihr Wohlwollen haben, mein berühmter Kollege, um zu wagen, Ihre Stimme morgen für die Wahl eines Korrespondenten zu erbitten, für meinen gelehrten Freund und Reisebegleiter in Asien, Herrn Doktor Ehrenberg, Mitglied der Berliner Akademie und einer der größten Zoologen und Zootomen unserer Zeiten. Ein Beweis des Interesses des Herrn Freiherrn Portal würde mich glücklich und stolz machen. Humboldt“

Durch Humboldts Engagement und vielleicht auch durch die Stimme des Barons Antoine Portal glückte es Humboldt, für Ehrenberg die Mitgliedschaft zu sichern und so seinen „sibirischen Reisebegleiter“ angemessen zu ehren.

Als Ehrenberg im Jahre 1860 den nach Humboldts Tod vakanten Platz eines Associé étranger der Académie des Sciences antrat, erinnerte er in seinem Dankschreiben an seinen großen Gönner und Förderer, dessen Fürsprache und Einfluss er so viel verdankte:

„Il est encore un surplus de bienveillance d’être créé à la place malhereusement vacante de feu l’illustre Alexandre de Humboldt, mon grand ami protecteur.” [9]

 

Übersetzung:

“Es ist noch ein zusätzliches Wohlwollen, für die unglücklicherweise freie Stelle des verstorbenen erlauchten Alexander von Humboldt, meines großen Freundes und Beschützers, erschaffen zu sein.“

 

Der Verweis auf das Original erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Zentral- und Landesbibliothek Berlin.



[1] Brief von Humboldt an Ehrenberg vom 19.12.1831 ABBAW, NL Ehrenberg 32

[2] Max Laue: Christian Gottfried Ehrenberg: Ein Vertreter deutscher Naturforschung im neunzehnten Jahrhundert 1795-1876. Nach seinen Reiseberichten, seinem Briefwechsel ..., Familienaufzeichnungen, sowie anderem handschriftlichen Material. Berlin 1895 S. 32

[3] zit. nach ebd.

[4] Brief Alexander von Humboldt an Graf Georg von Cancrin vom 25. 2. 1829. In: Im Ural und Altai ; Briefwechsel zwischen Alexander von Humboldt u. Graf Georg von Cancrin aus den Jahren 1827-1832. Leipzig 1869 S. 59.

[5] s. Anm. 6

[6] Christian Gottfried Ehrenberg: Mikrogeologie. Das Erden und Felsen schaffende Wirken des unsichtbar kleinen selbstständigen Lebens auf der Erde. Leipzig 1854

[8] quelques H, ändert Hrsg.

[9] Berlin, 18. August 1860. Archives AdS, Dossier biographique Christian Gottfried Ehrenberg; zit. nach U.Päßler: Ein „Diplomat aus den Wäldern des Orinoko“ Alexander von Humboldt als Mittler zwischen Preußen und Frankreich. Diss. Mannheim 2006 S.97

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Letzte Aktualisierung: 05 Dezember 2007 | Kraft
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